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Allgemeine Zeitung, Nr. 169, 17. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] in seiner über alles erhabenen staatsmännischen Würde ausgedrückt hat, son-
dern hochconservatio pur sang. An der Spitze seiner heutigen Nummer
bringt es folgende in Trauerrand gehüllte Worte: "Heute, am 14 Jun. 1860,
nimmt das französische Kaiserreich officiell Besitz von den Provinzen Savoyen
und Nizza. Vom heutigen Tag an wiederholt sich die Aera der französischen
Raubkriege Ludwigs XIV und der französischen Eroberungskriege Napoleons I.
Am heutigen Tage tritt Napoleon III zum erstenmal die Unabhängigkeit der
Schweiz mit Füßen. Der 14 Jun. wird ein denkwürdiger Tag in der Ge-
schichte Europa's und insbesondere der Schweiz bleiben." Man kann liberal
oder conservativ seyn, und in Fragen welche die Unabhängigkeit des Vater-
landes betreffen doch auf dem gleichen patriotischen Standpunkt stehen Wer
aber wirklich Patriot ist, wird, wenn auch im Selbstgefühl verletzt, nicht durch
Aufwühlung "tieferer Differenzen" diesen Standpunkt der Einigkeit, welche
kleinen Staaten allein Kraft verleiht den Mächtigen gegenüber ihre Ansprüche
zur Geltung zu bringen und ihre Rechte wirksam zu vertheidigen, zu unter-
graben suchen. Leider ist die Schuld von den Staatsmännern der Neuen
Züricherin unabwendbar daß das St. Gallener Blatt dem heutigen Tag
einen solchen Denkstein setzen konnte. -- Gestern hat das österreichische Cabinet
auf die in der Savoyer Frage am 23 und 25 Mai erlassenen bundesräthlichen
Noten geantwortet. Oesterreich spricht nochmals seine Gewißheit aus für das
Zustandekommen der von der Schweiz verlangten Conferenz nach Kräften
mitzuwirken; die allgemeine Lage erlaube jedoch nicht daß man von Wien aus
in dieser Sache den ersten Schritt thue. -- Auf dem statistischen Congreß,
welcher am 16 Jul. zu London abgehalten werden soll, wird die Schweiz
durch den erst jüngst erwählten Chef des statistischen Bureau der Eidgenossen-
schaft, Hrn. Gustav Vogt (Bruder K. Vogts), und den in Zürich wohnhaften
bekannten bayerischen Statistiker G. F. Kolb vertreten seyn.

Anläßlich der "Beendigung der savoyischen Frage"
sagt der "Bund:" "Schon darf es ein französischer Minister wagen in offi-
ciellen Actenstücken der Schweiz keinen andern Existenzgrund anzuweisen als
die Gnade und Barmherzigkeit der Mächte. Schweizerisches Recht, schweize-
risches Interesse, schweizerische Nationalität gehören nach der Definition des
Hrn. Thouvenel unter das alte Eisen, gut zum Einschmelzen. Ehe man sich
jenseits des Rheins, des Jura's und der Alpen wieder kecken Hauptes als
Schweizer bekennen darf, muß die Schweiz etwas neues geleistet haben. Bis
dahin dürfen wir uns ehrlich schämen... Die Schweiz war die angegriffene;
sie hatte die gute Sache und ein heiliges von Europa gewährleistetes Recht
dazu; sie hatte nicht 2000, sondern eher 200,000 Mann; sie hatte ein Volk
dem man nur zu rufen brauchte um es frisch und schlagfertig zu finden; aber
sie hatte -- den nöthigen Muth nicht! Freilich, was durfte man von der klei-
nen Schweiz erwarten, wo Europa die Hand furchtsam in den Schooß legte!

Der Himmel scheint nicht sehr sympathisch ge-
stimmt für das savoyische Anschlußfest; seit gestern Abends fällt der Regen in
wahrhaft sündfluthartigen Strömen. Ein Theil des beabsichtigten Glanzes
wird daher wohl diesem Fest fehlen: Feuerwerke, Beleuchtungen in Chambery,
Annecy u. s. w. werden kaum stattfinden können wenn Jupiter Pluvius nicht
noch bis heute Abends ein Einsehen hat. Glänzende Uniformen in nie ge-
sehener Menge lassen sich dagegen nicht abhalten den guten Marmottenfän-
gern, die sich seit einigen Monaten in einem ewigen Tanmel befinden, ad
oculos
zu demonstriren daß nunmehr der Augenblick gekommen ist wo sie in
einem großen Militärstaat aufgehen mit all seinem kriegerischen Ruhm und
seinen Lasten, und einst vielleicht mit dem Haß und der rächenden Wuth der
Völker Europa's. Doch wir wollen nicht vorgreifen, vielleicht erlebt ja in
Baden-Baden das l'empire c'est la paix eine zweite "verbesserte" Auflage.
Einstweilen reichen in Chambery Casernen und Gasthöfe nicht mehr aus für
Soldaten und Officiere; man quartiert sie bei den Bürgern ein. Hr. Laity
wird gestern Abends in Chambery eingetroffen seyn. Die sardinischen Dona-
niers haben sich vorgestern von der Südküste des Genfer Sees zurückgezogen.
Die Aufhebung der Zolllinie an der seitherigen französischen Gränze sindet
heute genau um 12 Uhr Mittags statt, wogegen die neuen Linien über Lansle-
bourg und St. Jean de Maurienne auf der französischen, und über Susa auf
der sardinischen Seite gleichzeitig in Wirksamkeit treten. Savoyen soll fünf
Deputirte und drei Senatoren erhalten, unter letzteren nennt man schon als
designirt die HH. Costa de Beauregard und Pillet - Will. In volle Kraft
werden französische Gesetze und Verfassung in ihrer ganzen Ausdehnung erst
mit dem 1 Jan. 1861 treten. Unsere Nachbarstadt St. Julien soll der Sitz
einer Unterpräfectur werden. -- In der gestrigen Sitzung des Genfer großen
Raths wurde 27 Savoyarden, welche sich bei der Annexionsfrage als eifrige
Auhänger der Schweiz gezeigt hatten, das Ehrenbürgerrecht ertheilt. Wir
bemerken darunter die HH. Bard, Betems und Faurax, Mitglieder des nord-
savoyischen Comite's, Marechal und Dr. Sylva, Mitglieder des savoyischen
Comite's in Genf, Chenal, ehemaliger Deputirter des Faucigny in der sar-
dinischen Kammer, und andere bekannte Namen. -- John Perrier befindet
sich seit vorgestern Abends auf freiem Fuß. Der Verlauf der savoyischen
Angelegenheit läßt ihn in den Augen der Menge als Märtyrer erscheinen.
[Spaltenumbruch] Der unglückliche Genfer "Annexander" hatte allerdings nicht so hohe Protection
wie andere Meister des neuen Metier. -- Auch auf unser Schützenfest äußert
das schlechte Wetter einen ungünstigen Einfluß, da gerade der heutige ein
Hauptfesttag seyn sollte. Gestern traf eine Schützendeputation aus Bern ein,
und wurde feierlichst empfangen. Auch gestern zahlreiche patriotische Reden.
-- Nach Privatbriefen sollen viele Schweizer-Officiere in Sicilien gefallen
seyn. -- Nachschrift. Hr. Laity ist gestern Mittags in Chambery einge-
troffen und glänzend am Bahnhof empfangen worden. Gegen 3 Uhr Nach-
mittags langte der sardinische Commissär Bianchi de Castagne an, und wurde
gleichfalls von den Behörden und zahlreichen Volksmassen begrüßt. Heute
um 12 Uhr wird der feierliche Einverleibungsact durch Senator Laity voll-
zogen seyn. Hierauf Einführung des Hrn. Dieu als Präfecten des Departe-
ments Savoyen, Empfang der Behörden durch den hohen Commissär, Tedeum,
Revue der Truppen, Festmahl, Beleuchtung u. s. w.

Großbritannien.

Aus der Unterhaussitzung vom 12 Jun. erwähnen wir noch folgen-
des. Auf Anfrage eines Mitglieds erklärte Sir George Cornewall Lewis,
der Staatssecretär des Innern: er habe jene Bestimmung der Volkszählungs-
Bill zurückgenommen welche die Weigerung das Glaubensbekenntniß an-
zugeben strafbar macht. Die Regierung wolle niemand um seine religiösen
Meinungen und Ueberzeugungen, sondern nur nach dem Glaubensbekenntniß
fragen in welchem jemand erzogen und aufgewachsen ist. Auch diese Antwort
solle nicht erzwungen werden. -- Sir Charles Wood, der Minister der indi-
schen Angelegenheiten, stellt den Antrag auf Erlaubniß eine Bill einzubringen
um jenen Theil der Parlamentsacte zu widerrufen, wodurch der Staatssecre-
tär für Indien ermächtigt ist Truppen für die locale europäische Streitmacht
Ostindiens in England anzuwerben. Er halte es für seine Schuldigkeit offen
zu bemerken daß der "indische Rath" seinem Vorschlag nicht beistimme, da er
natürlich auf die jetzige Befugniß nicht gern verzichten möchte; doch habe er sich
bereit erklärt die Absichten der Regierung, wenn sie die Sanction des Parla-
ments erhalten, getreulich und nach Kräften auszuführen. Die Frage die er
nun der Entscheidung des Hauses vorlege, sey: ob eine besondere europäische
Streitmacht für den örtlichen Dienst in Indien unterhalten werden solle, oder
ob nicht alle Truppen Ostindiens zur k. Armee gehören sollten? Das neuliche
Mißvergnügen unter den europäischen Truppen der Compagnie in Indien habe
man ohne Zweifel großentheils der Unversetzbarkeit der Truppen zuzuschreiben.
Die Verschmelzung aller europäischen Truppen in Indien mit der zum allgemei-
nen Dienst bestimmten k. Armee würde vielen gefährlichen Combinationen für
die Zukunft vorbeugen. Das Haus werde hoffentlich die Einbringung der
Bill kurzweg gestatten, und die Discussion bei der zweiten Lesung vornehmen.
Lord Stanley und mehrere andere Mitglieder sind gegen eine so summari-
sche Einbringung einer Bill von so großer Tagweite, und auf Hrn. H. Sey-
mours
Antrag wird die Debatte auf Donnerstag in 8 Tagen verschoben. --
Im Oberhaus beantragte Lord Redesdale zweite Lesung seiner "Light
Weights Racing Bill," wodurch, zur Verhinderung des Hazardspiels bei Wett-
rennen, allzu leichte Pferde von der Bahn ausgeschlossen bleiben sollen; eine
Belastung bis 6 Stein soll das Minimum des erforderlichen Gewichts seyn.
Der Marquis v. Clanricarde unterstützt, der Graf v. Winchilsea und
der Herzog v. Beaufort bekämpfen den Antrag, und letzterer stellt ein
Amendement auf Lesung in sechs Monaten. Graf Granville glaubt, der
Gegenstand eigne sich für den Jockey Club, und gehöre nicht vor das Parla-
ment. Lord Derby ist derselben Ansicht, läßt sich aber doch auf eine Kritik
der Bill ein, die er ganz verfehlt findet, und entwickelt dabei in einer den
meisten Laien unverständlichen Kunstsprache seine erstaunliche Vertrautheit
mit den Geheimnissen der Rennbahn. Mehrere Peers folgen in demselben
Ton, und Lord Redesdale hält es endlich für gerathen seine Bill zurückzu-
ziehen. (Die Unterhaussitzung vom 13 Jun., Mittwoch, war unerheblich.)

Die Times bemerkt zu der Zusammenkunft in Baden-Baden:

Ein königlicher Eroberer sagte einst: wenn er König von Frankreich wäre,
dürfte keine Kanone in Europa ohne seine Erlaubniß abgefeuert werden. Der Kai-
ser der Franzosen ist in der Lage zu erklären daß ohne seine Erlaubniß kein Schwert
in der Scheide bleiben darf. Wenn Frankreich waffnet, so waffnen alle Nationen;
wenn entwaffnet, so legen auch sie die Rüstung ab. Es ist dieß ein hohes Vorrecht,
und schmeichelt ohne Zweifel dem nationalen Temperament, aber wir wünschen nur
es möge eher im friedlichen als im kriegerischen Sinn ausgeübt werden. In die-
sem Augenblick verfolgt die französtsche Regierung vor Gericht die Verfasser eines
Pamphlets das ihr eine unablässige Sucht sich in die Angelegenheiten des Auslandes
zu mengen vorwirft, und sie verläugnet daher, wie man annehmen muß, die Ab-
sicht eine systematische Einmischungs- und Beunruhigungspolitik zu treiben; aber
ihr Handeln sagt leider das Gegentheil. Welche "Frage" auf die italienische, welche
"Idee" auf die von 1859 folgen wird, können wir nicht voraussagen; aber augen-
scheinlich ist daß die Welt keine Ruhe erwartet. Woher, man erlaube uns die
Frage, die Aufregung darüber daß der Prinz-Regent von Preußen und der Kaiser
der Franzosen eine Zusammenkunft haben sollen? Haben sich doch auch früher
schon getrönte Häupter oft genug begegnet! Man fürchtet eben daß es der erste
Act eines neuen europäischen Drama's sey; daß Preußen wegen der Rheinprovin-
zen, wie Sardinien früher wegen Savoyens, sondirt werden soll. Frankreich ver-
langt seine "natürlichen Gränzen," wie auch Hr. Thiers in seiner Geschichte den

[Spaltenumbruch] in ſeiner über alles erhabenen ſtaatsmänniſchen Würde ausgedrückt hat, ſon-
dern hochconſervatio pur sang. An der Spitze ſeiner heutigen Nummer
bringt es folgende in Trauerrand gehüllte Worte: „Heute, am 14 Jun. 1860,
nimmt das franzöſiſche Kaiſerreich officiell Beſitz von den Provinzen Savoyen
und Nizza. Vom heutigen Tag an wiederholt ſich die Aera der franzöſiſchen
Raubkriege Ludwigs XIV und der franzöſiſchen Eroberungskriege Napoleons I.
Am heutigen Tage tritt Napoleon III zum erſtenmal die Unabhängigkeit der
Schweiz mit Füßen. Der 14 Jun. wird ein denkwürdiger Tag in der Ge-
ſchichte Europa’s und insbeſondere der Schweiz bleiben.“ Man kann liberal
oder conſervativ ſeyn, und in Fragen welche die Unabhängigkeit des Vater-
landes betreffen doch auf dem gleichen patriotiſchen Standpunkt ſtehen Wer
aber wirklich Patriot iſt, wird, wenn auch im Selbſtgefühl verletzt, nicht durch
Aufwühlung „tieferer Differenzen“ dieſen Standpunkt der Einigkeit, welche
kleinen Staaten allein Kraft verleiht den Mächtigen gegenüber ihre Anſprüche
zur Geltung zu bringen und ihre Rechte wirkſam zu vertheidigen, zu unter-
graben ſuchen. Leider iſt die Schuld von den Staatsmännern der Neuen
Züricherin unabwendbar daß das St. Gallener Blatt dem heutigen Tag
einen ſolchen Denkſtein ſetzen konnte. — Geſtern hat das öſterreichiſche Cabinet
auf die in der Savoyer Frage am 23 und 25 Mai erlaſſenen bundesräthlichen
Noten geantwortet. Oeſterreich ſpricht nochmals ſeine Gewißheit aus für das
Zuſtandekommen der von der Schweiz verlangten Conferenz nach Kräften
mitzuwirken; die allgemeine Lage erlaube jedoch nicht daß man von Wien aus
in dieſer Sache den erſten Schritt thue. — Auf dem ſtatiſtiſchen Congreß,
welcher am 16 Jul. zu London abgehalten werden ſoll, wird die Schweiz
durch den erſt jüngſt erwählten Chef des ſtatiſtiſchen Bureau der Eidgenoſſen-
ſchaft, Hrn. Guſtav Vogt (Bruder K. Vogts), und den in Zürich wohnhaften
bekannten bayeriſchen Statiſtiker G. F. Kolb vertreten ſeyn.

Anläßlich der „Beendigung der ſavoyiſchen Frage“
ſagt der „Bund:“ „Schon darf es ein franzöſiſcher Miniſter wagen in offi-
ciellen Actenſtücken der Schweiz keinen andern Exiſtenzgrund anzuweiſen als
die Gnade und Barmherzigkeit der Mächte. Schweizeriſches Recht, ſchweize-
riſches Intereſſe, ſchweizeriſche Nationalität gehören nach der Definition des
Hrn. Thouvenel unter das alte Eiſen, gut zum Einſchmelzen. Ehe man ſich
jenſeits des Rheins, des Jura’s und der Alpen wieder kecken Hauptes als
Schweizer bekennen darf, muß die Schweiz etwas neues geleiſtet haben. Bis
dahin dürfen wir uns ehrlich ſchämen... Die Schweiz war die angegriffene;
ſie hatte die gute Sache und ein heiliges von Europa gewährleiſtetes Recht
dazu; ſie hatte nicht 2000, ſondern eher 200,000 Mann; ſie hatte ein Volk
dem man nur zu rufen brauchte um es friſch und ſchlagfertig zu finden; aber
ſie hatte — den nöthigen Muth nicht! Freilich, was durfte man von der klei-
nen Schweiz erwarten, wo Europa die Hand furchtſam in den Schooß legte!

Der Himmel ſcheint nicht ſehr ſympathiſch ge-
ſtimmt für das ſavoyiſche Anſchlußfeſt; ſeit geſtern Abends fällt der Regen in
wahrhaft ſündfluthartigen Strömen. Ein Theil des beabſichtigten Glanzes
wird daher wohl dieſem Feſt fehlen: Feuerwerke, Beleuchtungen in Chambery,
Annecy u. ſ. w. werden kaum ſtattfinden können wenn Jupiter Pluvius nicht
noch bis heute Abends ein Einſehen hat. Glänzende Uniformen in nie ge-
ſehener Menge laſſen ſich dagegen nicht abhalten den guten Marmottenfän-
gern, die ſich ſeit einigen Monaten in einem ewigen Tanmel befinden, ad
oculos
zu demonſtriren daß nunmehr der Augenblick gekommen iſt wo ſie in
einem großen Militärſtaat aufgehen mit all ſeinem kriegeriſchen Ruhm und
ſeinen Laſten, und einſt vielleicht mit dem Haß und der rächenden Wuth der
Völker Europa’s. Doch wir wollen nicht vorgreifen, vielleicht erlebt ja in
Baden-Baden das l’empire c’est la paix eine zweite „verbeſſerte“ Auflage.
Einſtweilen reichen in Chambery Caſernen und Gaſthöfe nicht mehr aus für
Soldaten und Officiere; man quartiert ſie bei den Bürgern ein. Hr. Laity
wird geſtern Abends in Chambery eingetroffen ſeyn. Die ſardiniſchen Dona-
niers haben ſich vorgeſtern von der Südküſte des Genfer Sees zurückgezogen.
Die Aufhebung der Zolllinie an der ſeitherigen franzöſiſchen Gränze ſindet
heute genau um 12 Uhr Mittags ſtatt, wogegen die neuen Linien über Lansle-
bourg und St. Jean de Maurienne auf der franzöſiſchen, und über Suſa auf
der ſardiniſchen Seite gleichzeitig in Wirkſamkeit treten. Savoyen ſoll fünf
Deputirte und drei Senatoren erhalten, unter letzteren nennt man ſchon als
deſignirt die HH. Coſta de Beauregard und Pillet - Will. In volle Kraft
werden franzöſiſche Geſetze und Verfaſſung in ihrer ganzen Ausdehnung erſt
mit dem 1 Jan. 1861 treten. Unſere Nachbarſtadt St. Julien ſoll der Sitz
einer Unterpräfectur werden. — In der geſtrigen Sitzung des Genfer großen
Raths wurde 27 Savoyarden, welche ſich bei der Annexionsfrage als eifrige
Auhänger der Schweiz gezeigt hatten, das Ehrenbürgerrecht ertheilt. Wir
bemerken darunter die HH. Bard, Bétems und Faurax, Mitglieder des nord-
ſavoyiſchen Comité’s, Maréchal und Dr. Sylva, Mitglieder des ſavoyiſchen
Comité’s in Genf, Chenal, ehemaliger Deputirter des Faucigny in der ſar-
diniſchen Kammer, und andere bekannte Namen. — John Perrier befindet
ſich ſeit vorgeſtern Abends auf freiem Fuß. Der Verlauf der ſavoyiſchen
Angelegenheit läßt ihn in den Augen der Menge als Märtyrer erſcheinen.
[Spaltenumbruch] Der unglückliche Genfer „Annexander“ hatte allerdings nicht ſo hohe Protection
wie andere Meiſter des neuen Metier. — Auch auf unſer Schützenfeſt äußert
das ſchlechte Wetter einen ungünſtigen Einfluß, da gerade der heutige ein
Hauptfeſttag ſeyn ſollte. Geſtern traf eine Schützendeputation aus Bern ein,
und wurde feierlichſt empfangen. Auch geſtern zahlreiche patriotiſche Reden.
— Nach Privatbriefen ſollen viele Schweizer-Officiere in Sicilien gefallen
ſeyn. — Nachſchrift. Hr. Laity iſt geſtern Mittags in Chambery einge-
troffen und glänzend am Bahnhof empfangen worden. Gegen 3 Uhr Nach-
mittags langte der ſardiniſche Commiſſär Bianchi de Caſtagne an, und wurde
gleichfalls von den Behörden und zahlreichen Volksmaſſen begrüßt. Heute
um 12 Uhr wird der feierliche Einverleibungsact durch Senator Laity voll-
zogen ſeyn. Hierauf Einführung des Hrn. Dieu als Präfecten des Departe-
ments Savoyen, Empfang der Behörden durch den hohen Commiſſär, Tedeum,
Revue der Truppen, Feſtmahl, Beleuchtung u. ſ. w.

Großbritannien.

Aus der Unterhausſitzung vom 12 Jun. erwähnen wir noch folgen-
des. Auf Anfrage eines Mitglieds erklärte Sir George Cornewall Lewis,
der Staatsſecretär des Innern: er habe jene Beſtimmung der Volkszählungs-
Bill zurückgenommen welche die Weigerung das Glaubensbekenntniß an-
zugeben ſtrafbar macht. Die Regierung wolle niemand um ſeine religiöſen
Meinungen und Ueberzeugungen, ſondern nur nach dem Glaubensbekenntniß
fragen in welchem jemand erzogen und aufgewachſen iſt. Auch dieſe Antwort
ſolle nicht erzwungen werden. — Sir Charles Wood, der Miniſter der indi-
ſchen Angelegenheiten, ſtellt den Antrag auf Erlaubniß eine Bill einzubringen
um jenen Theil der Parlamentsacte zu widerrufen, wodurch der Staatsſecre-
tär für Indien ermächtigt iſt Truppen für die locale europäiſche Streitmacht
Oſtindiens in England anzuwerben. Er halte es für ſeine Schuldigkeit offen
zu bemerken daß der „indiſche Rath“ ſeinem Vorſchlag nicht beiſtimme, da er
natürlich auf die jetzige Befugniß nicht gern verzichten möchte; doch habe er ſich
bereit erklärt die Abſichten der Regierung, wenn ſie die Sanction des Parla-
ments erhalten, getreulich und nach Kräften auszuführen. Die Frage die er
nun der Entſcheidung des Hauſes vorlege, ſey: ob eine beſondere europäiſche
Streitmacht für den örtlichen Dienſt in Indien unterhalten werden ſolle, oder
ob nicht alle Truppen Oſtindiens zur k. Armee gehören ſollten? Das neuliche
Mißvergnügen unter den europäiſchen Truppen der Compagnie in Indien habe
man ohne Zweifel großentheils der Unverſetzbarkeit der Truppen zuzuſchreiben.
Die Verſchmelzung aller europäiſchen Truppen in Indien mit der zum allgemei-
nen Dienſt beſtimmten k. Armee würde vielen gefährlichen Combinationen für
die Zukunft vorbeugen. Das Haus werde hoffentlich die Einbringung der
Bill kurzweg geſtatten, und die Discuſſion bei der zweiten Leſung vornehmen.
Lord Stanley und mehrere andere Mitglieder ſind gegen eine ſo ſummari-
ſche Einbringung einer Bill von ſo großer Tagweite, und auf Hrn. H. Sey-
mours
Antrag wird die Debatte auf Donnerſtag in 8 Tagen verſchoben. —
Im Oberhaus beantragte Lord Redesdale zweite Leſung ſeiner „Light
Weights Racing Bill,“ wodurch, zur Verhinderung des Hazardſpiels bei Wett-
rennen, allzu leichte Pferde von der Bahn ausgeſchloſſen bleiben ſollen; eine
Belaſtung bis 6 Stein ſoll das Minimum des erforderlichen Gewichts ſeyn.
Der Marquis v. Clanricarde unterſtützt, der Graf v. Winchilſea und
der Herzog v. Beaufort bekämpfen den Antrag, und letzterer ſtellt ein
Amendement auf Leſung in ſechs Monaten. Graf Granville glaubt, der
Gegenſtand eigne ſich für den Jockey Club, und gehöre nicht vor das Parla-
ment. Lord Derby iſt derſelben Anſicht, läßt ſich aber doch auf eine Kritik
der Bill ein, die er ganz verfehlt findet, und entwickelt dabei in einer den
meiſten Laien unverſtändlichen Kunſtſprache ſeine erſtaunliche Vertrautheit
mit den Geheimniſſen der Rennbahn. Mehrere Peers folgen in demſelben
Ton, und Lord Redesdale hält es endlich für gerathen ſeine Bill zurückzu-
ziehen. (Die Unterhausſitzung vom 13 Jun., Mittwoch, war unerheblich.)

Die Times bemerkt zu der Zuſammenkunft in Baden-Baden:

Ein königlicher Eroberer ſagte einſt: wenn er König von Frankreich wäre,
dürfte keine Kanone in Europa ohne ſeine Erlaubniß abgefeuert werden. Der Kai-
ſer der Franzoſen iſt in der Lage zu erklären daß ohne ſeine Erlaubniß kein Schwert
in der Scheide bleiben darf. Wenn Frankreich waffnet, ſo waffnen alle Nationen;
wenn entwaffnet, ſo legen auch ſie die Rüſtung ab. Es iſt dieß ein hohes Vorrecht,
und ſchmeichelt ohne Zweifel dem nationalen Temperament, aber wir wünſchen nur
es möge eher im friedlichen als im kriegeriſchen Sinn ausgeübt werden. In die-
ſem Augenblick verfolgt die franzöſtſche Regierung vor Gericht die Verfaſſer eines
Pamphlets das ihr eine unabläſſige Sucht ſich in die Angelegenheiten des Auslandes
zu mengen vorwirft, und ſie verläugnet daher, wie man annehmen muß, die Ab-
ſicht eine ſyſtematiſche Einmiſchungs- und Beunruhigungspolitik zu treiben; aber
ihr Handeln ſagt leider das Gegentheil. Welche „Frage“ auf die italieniſche, welche
„Idee“ auf die von 1859 folgen wird, können wir nicht vorausſagen; aber augen-
ſcheinlich iſt daß die Welt keine Ruhe erwartet. Woher, man erlaube uns die
Frage, die Aufregung darüber daß der Prinz-Regent von Preußen und der Kaiſer
der Franzoſen eine Zuſammenkunft haben ſollen? Haben ſich doch auch früher
ſchon getrönte Häupter oft genug begegnet! Man fürchtet eben daß es der erſte
Act eines neuen europäiſchen Drama’s ſey; daß Preußen wegen der Rheinprovin-
zen, wie Sardinien früher wegen Savoyens, ſondirt werden ſoll. Frankreich ver-
langt ſeine „natürlichen Gränzen,“ wie auch Hr. Thiers in ſeiner Geſchichte den
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[2817/0005] in ſeiner über alles erhabenen ſtaatsmänniſchen Würde ausgedrückt hat, ſon- dern hochconſervatio pur sang. An der Spitze ſeiner heutigen Nummer bringt es folgende in Trauerrand gehüllte Worte: „Heute, am 14 Jun. 1860, nimmt das franzöſiſche Kaiſerreich officiell Beſitz von den Provinzen Savoyen und Nizza. Vom heutigen Tag an wiederholt ſich die Aera der franzöſiſchen Raubkriege Ludwigs XIV und der franzöſiſchen Eroberungskriege Napoleons I. Am heutigen Tage tritt Napoleon III zum erſtenmal die Unabhängigkeit der Schweiz mit Füßen. Der 14 Jun. wird ein denkwürdiger Tag in der Ge- ſchichte Europa’s und insbeſondere der Schweiz bleiben.“ Man kann liberal oder conſervativ ſeyn, und in Fragen welche die Unabhängigkeit des Vater- landes betreffen doch auf dem gleichen patriotiſchen Standpunkt ſtehen Wer aber wirklich Patriot iſt, wird, wenn auch im Selbſtgefühl verletzt, nicht durch Aufwühlung „tieferer Differenzen“ dieſen Standpunkt der Einigkeit, welche kleinen Staaten allein Kraft verleiht den Mächtigen gegenüber ihre Anſprüche zur Geltung zu bringen und ihre Rechte wirkſam zu vertheidigen, zu unter- graben ſuchen. Leider iſt die Schuld von den Staatsmännern der Neuen Züricherin unabwendbar daß das St. Gallener Blatt dem heutigen Tag einen ſolchen Denkſtein ſetzen konnte. — Geſtern hat das öſterreichiſche Cabinet auf die in der Savoyer Frage am 23 und 25 Mai erlaſſenen bundesräthlichen Noten geantwortet. Oeſterreich ſpricht nochmals ſeine Gewißheit aus für das Zuſtandekommen der von der Schweiz verlangten Conferenz nach Kräften mitzuwirken; die allgemeine Lage erlaube jedoch nicht daß man von Wien aus in dieſer Sache den erſten Schritt thue. — Auf dem ſtatiſtiſchen Congreß, welcher am 16 Jul. zu London abgehalten werden ſoll, wird die Schweiz durch den erſt jüngſt erwählten Chef des ſtatiſtiſchen Bureau der Eidgenoſſen- ſchaft, Hrn. Guſtav Vogt (Bruder K. Vogts), und den in Zürich wohnhaften bekannten bayeriſchen Statiſtiker G. F. Kolb vertreten ſeyn. Bern, 15 Jun. Anläßlich der „Beendigung der ſavoyiſchen Frage“ ſagt der „Bund:“ „Schon darf es ein franzöſiſcher Miniſter wagen in offi- ciellen Actenſtücken der Schweiz keinen andern Exiſtenzgrund anzuweiſen als die Gnade und Barmherzigkeit der Mächte. Schweizeriſches Recht, ſchweize- riſches Intereſſe, ſchweizeriſche Nationalität gehören nach der Definition des Hrn. Thouvenel unter das alte Eiſen, gut zum Einſchmelzen. Ehe man ſich jenſeits des Rheins, des Jura’s und der Alpen wieder kecken Hauptes als Schweizer bekennen darf, muß die Schweiz etwas neues geleiſtet haben. Bis dahin dürfen wir uns ehrlich ſchämen... Die Schweiz war die angegriffene; ſie hatte die gute Sache und ein heiliges von Europa gewährleiſtetes Recht dazu; ſie hatte nicht 2000, ſondern eher 200,000 Mann; ſie hatte ein Volk dem man nur zu rufen brauchte um es friſch und ſchlagfertig zu finden; aber ſie hatte — den nöthigen Muth nicht! Freilich, was durfte man von der klei- nen Schweiz erwarten, wo Europa die Hand furchtſam in den Schooß legte! •• Genf, 14 Jun. Der Himmel ſcheint nicht ſehr ſympathiſch ge- ſtimmt für das ſavoyiſche Anſchlußfeſt; ſeit geſtern Abends fällt der Regen in wahrhaft ſündfluthartigen Strömen. Ein Theil des beabſichtigten Glanzes wird daher wohl dieſem Feſt fehlen: Feuerwerke, Beleuchtungen in Chambery, Annecy u. ſ. w. werden kaum ſtattfinden können wenn Jupiter Pluvius nicht noch bis heute Abends ein Einſehen hat. Glänzende Uniformen in nie ge- ſehener Menge laſſen ſich dagegen nicht abhalten den guten Marmottenfän- gern, die ſich ſeit einigen Monaten in einem ewigen Tanmel befinden, ad oculos zu demonſtriren daß nunmehr der Augenblick gekommen iſt wo ſie in einem großen Militärſtaat aufgehen mit all ſeinem kriegeriſchen Ruhm und ſeinen Laſten, und einſt vielleicht mit dem Haß und der rächenden Wuth der Völker Europa’s. Doch wir wollen nicht vorgreifen, vielleicht erlebt ja in Baden-Baden das l’empire c’est la paix eine zweite „verbeſſerte“ Auflage. Einſtweilen reichen in Chambery Caſernen und Gaſthöfe nicht mehr aus für Soldaten und Officiere; man quartiert ſie bei den Bürgern ein. Hr. Laity wird geſtern Abends in Chambery eingetroffen ſeyn. 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Bard, Bétems und Faurax, Mitglieder des nord- ſavoyiſchen Comité’s, Maréchal und Dr. Sylva, Mitglieder des ſavoyiſchen Comité’s in Genf, Chenal, ehemaliger Deputirter des Faucigny in der ſar- diniſchen Kammer, und andere bekannte Namen. — John Perrier befindet ſich ſeit vorgeſtern Abends auf freiem Fuß. Der Verlauf der ſavoyiſchen Angelegenheit läßt ihn in den Augen der Menge als Märtyrer erſcheinen. Der unglückliche Genfer „Annexander“ hatte allerdings nicht ſo hohe Protection wie andere Meiſter des neuen Metier. — Auch auf unſer Schützenfeſt äußert das ſchlechte Wetter einen ungünſtigen Einfluß, da gerade der heutige ein Hauptfeſttag ſeyn ſollte. Geſtern traf eine Schützendeputation aus Bern ein, und wurde feierlichſt empfangen. Auch geſtern zahlreiche patriotiſche Reden. — Nach Privatbriefen ſollen viele Schweizer-Officiere in Sicilien gefallen ſeyn. — Nachſchrift. Hr. Laity iſt geſtern Mittags in Chambery einge- troffen und glänzend am Bahnhof empfangen worden. Gegen 3 Uhr Nach- mittags langte der ſardiniſche Commiſſär Bianchi de Caſtagne an, und wurde gleichfalls von den Behörden und zahlreichen Volksmaſſen begrüßt. Heute um 12 Uhr wird der feierliche Einverleibungsact durch Senator Laity voll- zogen ſeyn. Hierauf Einführung des Hrn. Dieu als Präfecten des Departe- ments Savoyen, Empfang der Behörden durch den hohen Commiſſär, Tedeum, Revue der Truppen, Feſtmahl, Beleuchtung u. ſ. w. Großbritannien. London, 14 Jun. Aus der Unterhausſitzung vom 12 Jun. erwähnen wir noch folgen- des. Auf Anfrage eines Mitglieds erklärte Sir George Cornewall Lewis, der Staatsſecretär des Innern: er habe jene Beſtimmung der Volkszählungs- Bill zurückgenommen welche die Weigerung das Glaubensbekenntniß an- zugeben ſtrafbar macht. Die Regierung wolle niemand um ſeine religiöſen Meinungen und Ueberzeugungen, ſondern nur nach dem Glaubensbekenntniß fragen in welchem jemand erzogen und aufgewachſen iſt. Auch dieſe Antwort ſolle nicht erzwungen werden. — Sir Charles Wood, der Miniſter der indi- ſchen Angelegenheiten, ſtellt den Antrag auf Erlaubniß eine Bill einzubringen um jenen Theil der Parlamentsacte zu widerrufen, wodurch der Staatsſecre- tär für Indien ermächtigt iſt Truppen für die locale europäiſche Streitmacht Oſtindiens in England anzuwerben. Er halte es für ſeine Schuldigkeit offen zu bemerken daß der „indiſche Rath“ ſeinem Vorſchlag nicht beiſtimme, da er natürlich auf die jetzige Befugniß nicht gern verzichten möchte; doch habe er ſich bereit erklärt die Abſichten der Regierung, wenn ſie die Sanction des Parla- ments erhalten, getreulich und nach Kräften auszuführen. Die Frage die er nun der Entſcheidung des Hauſes vorlege, ſey: ob eine beſondere europäiſche Streitmacht für den örtlichen Dienſt in Indien unterhalten werden ſolle, oder ob nicht alle Truppen Oſtindiens zur k. Armee gehören ſollten? Das neuliche Mißvergnügen unter den europäiſchen Truppen der Compagnie in Indien habe man ohne Zweifel großentheils der Unverſetzbarkeit der Truppen zuzuſchreiben. Die Verſchmelzung aller europäiſchen Truppen in Indien mit der zum allgemei- nen Dienſt beſtimmten k. Armee würde vielen gefährlichen Combinationen für die Zukunft vorbeugen. Das Haus werde hoffentlich die Einbringung der Bill kurzweg geſtatten, und die Discuſſion bei der zweiten Leſung vornehmen. Lord Stanley und mehrere andere Mitglieder ſind gegen eine ſo ſummari- ſche Einbringung einer Bill von ſo großer Tagweite, und auf Hrn. H. Sey- mours Antrag wird die Debatte auf Donnerſtag in 8 Tagen verſchoben. — Im Oberhaus beantragte Lord Redesdale zweite Leſung ſeiner „Light Weights Racing Bill,“ wodurch, zur Verhinderung des Hazardſpiels bei Wett- rennen, allzu leichte Pferde von der Bahn ausgeſchloſſen bleiben ſollen; eine Belaſtung bis 6 Stein ſoll das Minimum des erforderlichen Gewichts ſeyn. Der Marquis v. Clanricarde unterſtützt, der Graf v. Winchilſea und der Herzog v. Beaufort bekämpfen den Antrag, und letzterer ſtellt ein Amendement auf Leſung in ſechs Monaten. Graf Granville glaubt, der Gegenſtand eigne ſich für den Jockey Club, und gehöre nicht vor das Parla- ment. Lord Derby iſt derſelben Anſicht, läßt ſich aber doch auf eine Kritik der Bill ein, die er ganz verfehlt findet, und entwickelt dabei in einer den meiſten Laien unverſtändlichen Kunſtſprache ſeine erſtaunliche Vertrautheit mit den Geheimniſſen der Rennbahn. Mehrere Peers folgen in demſelben Ton, und Lord Redesdale hält es endlich für gerathen ſeine Bill zurückzu- ziehen. (Die Unterhausſitzung vom 13 Jun., Mittwoch, war unerheblich.) Die Times bemerkt zu der Zuſammenkunft in Baden-Baden: Ein königlicher Eroberer ſagte einſt: wenn er König von Frankreich wäre, dürfte keine Kanone in Europa ohne ſeine Erlaubniß abgefeuert werden. Der Kai- ſer der Franzoſen iſt in der Lage zu erklären daß ohne ſeine Erlaubniß kein Schwert in der Scheide bleiben darf. Wenn Frankreich waffnet, ſo waffnen alle Nationen; wenn entwaffnet, ſo legen auch ſie die Rüſtung ab. Es iſt dieß ein hohes Vorrecht, und ſchmeichelt ohne Zweifel dem nationalen Temperament, aber wir wünſchen nur es möge eher im friedlichen als im kriegeriſchen Sinn ausgeübt werden. In die- ſem Augenblick verfolgt die franzöſtſche Regierung vor Gericht die Verfaſſer eines Pamphlets das ihr eine unabläſſige Sucht ſich in die Angelegenheiten des Auslandes zu mengen vorwirft, und ſie verläugnet daher, wie man annehmen muß, die Ab- ſicht eine ſyſtematiſche Einmiſchungs- und Beunruhigungspolitik zu treiben; aber ihr Handeln ſagt leider das Gegentheil. Welche „Frage“ auf die italieniſche, welche „Idee“ auf die von 1859 folgen wird, können wir nicht vorausſagen; aber augen- ſcheinlich iſt daß die Welt keine Ruhe erwartet. Woher, man erlaube uns die Frage, die Aufregung darüber daß der Prinz-Regent von Preußen und der Kaiſer der Franzoſen eine Zuſammenkunft haben ſollen? Haben ſich doch auch früher ſchon getrönte Häupter oft genug begegnet! Man fürchtet eben daß es der erſte Act eines neuen europäiſchen Drama’s ſey; daß Preußen wegen der Rheinprovin- zen, wie Sardinien früher wegen Savoyens, ſondirt werden ſoll. Frankreich ver- langt ſeine „natürlichen Gränzen,“ wie auch Hr. Thiers in ſeiner Geſchichte den

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 169, 17. Juni 1860, S. 2817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine169_1860/5>, abgerufen am 29.05.2024.