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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 8. Mai 1915.

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Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

Gestern wurden wiederum zwei feindliche Flug-
zeuge
außer Gefecht gesetzt. Eines wurde bei Reims zusammen-
geschossen, das andere nordwestlich von Verdun aus einem Geschwa-
der zur eiligsten Landung gezwungen.

3. Mai:

In Flandern griffen wir gestern nordöstlich von Ypern
aus beiderseits der Straße Poelkapelle--Ypern mit Erfolg an und
nahmen die Gehöfte von Fortuin, südöstlich von St. Julien.

In der Champagne richteten wir durch erfolgreiche Minen-
sprengungen erheblichen Schaden an der feindlichen Stellung zwi-
schen Souain und Perthes an. Zwischen Maas und Mosel
fanden gestern nur Artilleriekämpfe statt.

Am Hartmannsweilerkopf machten die Franzosen
heute nacht vergebliche Angriffsversuche gegen unsere Gipfelstellung.

Ein französisches Flugzeug landete gestern bei
Hundlingen, westlich Saargemünd. Die beiden Insassen wur-
den gefangen genommen.

Ein deutsches Flugzeug-Geschwader griff gestern
die Luftschiffhalle und den Bahnhof Epinal mit anscheinend gutem
Erfolg an.

4. Mai:

In Flandern setzten wir unsere Angriffe von Norden und
Osten mit großem Erfolg fort. Heute morgen fielen Zevenkote,
Zonnebeke, Westhoek, der Polygoneveld-Wald, Nonne Bosschen,
alles seit vielen Monaten heißumstrittene Orte, in unsere Hand.

Der abziehende Feind steht unter dem Flankenfeuer unserer
Batterien nördlich und südlich von Ypern.

In den Argonnen versuchten die Franzosen nördlich von
Le Four de Paris vergeblich einen von uns am 1. Mai eroberten
Graben zurückzunehmen.

Die Artilleriekämpfe zwischen Maas und Mosel nah-
men auch gestern ihren Fortgang.

Unsere Flugzeuge in Flandern haben in letzter Zeit
eine rege Tätigkeit entfaltet. Sie haben zahlreiche Angriffe auf
Seestreitkräfte und Handelsschiffe des Feindes ausgeführt und da-
bei wiederholt Erfolge erzielt. Unter anderem wurde am 26. April
im Westdiep ein britisches Linienschiff der "Formidable"-Klasse mit
Bomben beworfen und durch Treffer beschädigt. Am gleichen Tage
wurden einige englische Vorpostenfahrzeuge erfolgreich angegriffen.

5. Mai:

Mit schwersten Verlusten wichen die Engländer weiter in
Richtung auf den hart östlich von Ypern gelegenen Brückenkopf
zurück. Banheule, Eksternest, der Schloßpark von Herenthage und
Pappotje Ferme wurden von uns genommen.

Zwischen Maas und Mosel herrscht wieder regere
Tätigkeit. -- Im Priesterwalde nordwestlich von Pont-
a-Mousson
griffen die Franzosen gestern mit starken Kräften
an. Trotz langandauernder Artillerievorbereitung brach der An-
griff mit starken Verlusten für den Feind in unserem Feuer zu-
sammen. Dagegen gingen wir im Walde von Ailly und östlich
zum Angriff über, der gute Fortschritte machte. Hier nahmen wir
bisher 10 Offiziere, 750 Mann gefangen.

6. Mai:

Fast auf der ganzen Front fanden heftige Artillerie-
kämpfe
statt. Bei Ypern wurden weitere Fortschritte, so durch
Einnahme der Ferme Vanheule und an der Bahn Messines--Ypern
gemacht. Es wurden einige hundert Gefangene und 15 Maschinen-
gewehre erbeutet.

Im Waldgelände westlich Combres fielen bei einem Vor-
stoße 4 französische Offiziere, 135 Mann, 4 Maschinengewehre und
1 Minenwerfer in unsere Hand. Unser gestriger Angriff im Ailly-
walde
führte zu dem erstrebten Erfolg. Der Feind wurde aus
seiner Stellung geworfen. Mehr als 2000 Franzosen, darunter
21 Offiziere, 2 Geschütze sowie mehrere Maschinengewehre und
Minenwerfer blieben unsere Beute. Auch die blutigen französischen
Verlufte waren sehr schwer.

Nördlich Flirey und bei Croix de Carmes griff der
Feind an. Nördlich des erstgenannten Ortes drang er an einer
Stelle bis in unsere Gräben. Um ein kleines Stück wird noch ge-
kämpft, an den anderen Stellen wurden die Franzosen zurückge-
[Spaltenumbruch] worfen. In den Vogesen wurde ein Vorstoß gegen unsere Stel-
lung nördlich Steinabrück abgewiesen.

*

Während die französischen und englischen amtlichen Berichte
unseren Erfolg bei Ypern noch immer zu verkleinern suchen, gibt
die oppositionelle englische Presse ihrer Meinung Ausdruck, daß die
Deutschen offenbar ihre Absicht, an die Küste vorzudringen, nicht
aufgegeben hätten. Einen besonderen Schrecken jagte unseren Fein-
den die geheimnisvolle starke Beschießung von Dünkirchen ein, ge-
heimnisvoll deshalb, weil es lange verborgen blieb, ob diese furcht-
bar schweren Geschosse von der See- oder von der Landseite her-
kämen. Die schließliche Entdeckung, daß das letztere zutrifft, änderte
wenig an der Sachlage, da unsere so viele Kilometer hinter der
Front aufgestellten Geschütze unauffindbar und vor allem für die
weniger weittragenden französischen und englischen Geschosse un-
erreichbar bleiben.

Der Feind im Osten.

Sonntag, der 2. Mai, ist zu einem neuen Ruhmestag für die
verbündeten Heere im Osten geworden. An diesem Tage erfolgte
ein für unsere Feinde wie für uns selbst ganz unerwarteter Bor-
stoß gegen die russische Karpathenfront, ein so entscheidender Durch-
bruch, eine so folgenschwere Umzingelung der russischen Armee,
daß die strategischen, aber auch die politischen Folgen zur Stunde
noch gar nicht zu übersehen sind. Der Kaiser selbst gab die erste
Kunde von dem neuen großen Siege, und es wurde in Berlin und
auch bei uns in München geflaggt, noch bevor man eigentlich wußte,
um was es sich handelte. Natürlich war dadurch der Phantasie der
freieste Spielraum gewährt und diese Phantasie machte sich vor
allem in unglaublichen Zahlenwerten bezüglich der russischen Ge-
fangenen Luft. Weiß man ja, daß die Siege Hindenburgs stets
mit großer Beute an Kriegsmaterial und an Gefangenen begleitet
zu sein pflegen. Der neue große Sieg in Westgalizien ist von den
österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen gemeinsam unter
deutscher Führung des General-Obersten v. Mackensen
errungen worden. Die genauen Ziffern lassen sich, wie gesagt, im
gegenwärtigen Augenblick noch ebensowenig übersehen wie der große
Umfang des Sieges selbst, der, wie man erwarten kann, nicht nur
von wohltätigen moralischen Folgen auf unsere Feinde, sondern
wohl auch auf die immer noch schwankenden Neutralen sein wird.
So könnte man vielleicht den plötzlichen Beschluß des Königs von
Italien und seines Ministerrates, an der Enthüllung des Garibaldi-
Denkmals in Quarto nicht teilzunehmen -- der verrückte Gabriele
D'Annunzio hat eine fulminante Rede gegen Oesterreich dabei ge-
halten --, mit diesen entscheidenden Siegen in Zusammenhang
bringen. Zeitlich fällt wenigstens beides zusammen, wobei es, da
man ja nichts Bestimmtes weiß und wissen kann, jedermann un-
benommen bleibt, die günstige oder auch ungünstige Lage der ita-
lienisch-österreichisch-deutschen Verhandlungen dafür verantwortlich
zu machen, wie dies ja die italienische Presse denn auch in reich-
lichstem Maße tut.

Wahrscheinlicher ist es, daß die diplomatischen Verhandlungen
König und Ministerium in Rom zurückgehalten haben, denn
Italien steht unmittelbar vor der ernsten Entscheidung, ob es
losschlagen soll oder nicht. Es scheint, daß sich der König, wenn
er auch wollte, nicht der allgemeinen Volksstimmung entziehen
kann und daß man dort gewillt ist, lieber den Lockungen der
französischen und englischen Diplomaten als der Sprache der Ver-
nunft zu folgen. Jedenfalls ist die Spannung in Italien auf den
höchsten Punkt gestiegen und wird jede Entscheidung als eine Er-
lösung betrachtet. Wir müssen also damit rechnen, daß unser
einstiger Bundesgenosse, der sich schon seit Anfang des Krieges
hinter eine kühle Neutralität verschanzt hat, die Waffen gegen uns
und vor allem gegen Oesterreich erhebt. Daß Italien schon für
diese seine Neutralität eine Entschädigung von Oesterreich verlangt,
hat es am ersten Tage schon wissen lassen. Es scheint nun, daß
ihm unsere Gegner mehr versprechen, als man Italien von seiten
Oesterreichs und Deutschlands mit gutem Gewissen zugestehen
könnte, und so geht nun der Dreibund bei der ersten ernsthaften
Probe in Scherben. Wenn Bismarck das erlebt hätte!

*

Die letzten Telegramme aus dem deutschen und österreichischen
östlichen Hauptquartier lauten:

Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

Geſtern wurden wiederum zwei feindliche Flug-
zeuge
außer Gefecht geſetzt. Eines wurde bei Reims zuſammen-
geſchoſſen, das andere nordweſtlich von Verdun aus einem Geſchwa-
der zur eiligſten Landung gezwungen.

3. Mai:

In Flandern griffen wir geſtern nordöſtlich von Ypern
aus beiderſeits der Straße Poelkapelle—Ypern mit Erfolg an und
nahmen die Gehöfte von Fortuin, ſüdöſtlich von St. Julien.

In der Champagne richteten wir durch erfolgreiche Minen-
ſprengungen erheblichen Schaden an der feindlichen Stellung zwi-
ſchen Souain und Perthes an. Zwiſchen Maas und Moſel
fanden geſtern nur Artilleriekämpfe ſtatt.

Am Hartmannsweilerkopf machten die Franzoſen
heute nacht vergebliche Angriffsverſuche gegen unſere Gipfelſtellung.

Ein franzöſiſches Flugzeug landete geſtern bei
Hundlingen, weſtlich Saargemünd. Die beiden Inſaſſen wur-
den gefangen genommen.

Ein deutſches Flugzeug-Geſchwader griff geſtern
die Luftſchiffhalle und den Bahnhof Epinal mit anſcheinend gutem
Erfolg an.

4. Mai:

In Flandern ſetzten wir unſere Angriffe von Norden und
Oſten mit großem Erfolg fort. Heute morgen fielen Zevenkote,
Zonnebeke, Weſthoek, der Polygoneveld-Wald, Nonne Bosſchen,
alles ſeit vielen Monaten heißumſtrittene Orte, in unſere Hand.

Der abziehende Feind ſteht unter dem Flankenfeuer unſerer
Batterien nördlich und ſüdlich von Ypern.

In den Argonnen verſuchten die Franzoſen nördlich von
Le Four de Paris vergeblich einen von uns am 1. Mai eroberten
Graben zurückzunehmen.

Die Artilleriekämpfe zwiſchen Maas und Moſel nah-
men auch geſtern ihren Fortgang.

Unſere Flugzeuge in Flandern haben in letzter Zeit
eine rege Tätigkeit entfaltet. Sie haben zahlreiche Angriffe auf
Seeſtreitkräfte und Handelsſchiffe des Feindes ausgeführt und da-
bei wiederholt Erfolge erzielt. Unter anderem wurde am 26. April
im Weſtdiep ein britiſches Linienſchiff der „Formidable“-Klaſſe mit
Bomben beworfen und durch Treffer beſchädigt. Am gleichen Tage
wurden einige engliſche Vorpoſtenfahrzeuge erfolgreich angegriffen.

5. Mai:

Mit ſchwerſten Verluſten wichen die Engländer weiter in
Richtung auf den hart öſtlich von Ypern gelegenen Brückenkopf
zurück. Banheule, Ekſterneſt, der Schloßpark von Herenthage und
Pappotje Ferme wurden von uns genommen.

Zwiſchen Maas und Moſel herrſcht wieder regere
Tätigkeit. — Im Prieſterwalde nordweſtlich von Pont-
à-Mouſſon
griffen die Franzoſen geſtern mit ſtarken Kräften
an. Trotz langandauernder Artillerievorbereitung brach der An-
griff mit ſtarken Verluſten für den Feind in unſerem Feuer zu-
ſammen. Dagegen gingen wir im Walde von Ailly und öſtlich
zum Angriff über, der gute Fortſchritte machte. Hier nahmen wir
bisher 10 Offiziere, 750 Mann gefangen.

6. Mai:

Faſt auf der ganzen Front fanden heftige Artillerie-
kämpfe
ſtatt. Bei Ypern wurden weitere Fortſchritte, ſo durch
Einnahme der Ferme Vanheule und an der Bahn Meſſines—Ypern
gemacht. Es wurden einige hundert Gefangene und 15 Maſchinen-
gewehre erbeutet.

Im Waldgelände weſtlich Combres fielen bei einem Vor-
ſtoße 4 franzöſiſche Offiziere, 135 Mann, 4 Maſchinengewehre und
1 Minenwerfer in unſere Hand. Unſer geſtriger Angriff im Ailly-
walde
führte zu dem erſtrebten Erfolg. Der Feind wurde aus
ſeiner Stellung geworfen. Mehr als 2000 Franzoſen, darunter
21 Offiziere, 2 Geſchütze ſowie mehrere Maſchinengewehre und
Minenwerfer blieben unſere Beute. Auch die blutigen franzöſiſchen
Verlufte waren ſehr ſchwer.

Nördlich Flirey und bei Croix de Carmes griff der
Feind an. Nördlich des erſtgenannten Ortes drang er an einer
Stelle bis in unſere Gräben. Um ein kleines Stück wird noch ge-
kämpft, an den anderen Stellen wurden die Franzoſen zurückge-
[Spaltenumbruch] worfen. In den Vogeſen wurde ein Vorſtoß gegen unſere Stel-
lung nördlich Steinabrück abgewieſen.

*

Während die franzöſiſchen und engliſchen amtlichen Berichte
unſeren Erfolg bei Ypern noch immer zu verkleinern ſuchen, gibt
die oppoſitionelle engliſche Preſſe ihrer Meinung Ausdruck, daß die
Deutſchen offenbar ihre Abſicht, an die Küſte vorzudringen, nicht
aufgegeben hätten. Einen beſonderen Schrecken jagte unſeren Fein-
den die geheimnisvolle ſtarke Beſchießung von Dünkirchen ein, ge-
heimnisvoll deshalb, weil es lange verborgen blieb, ob dieſe furcht-
bar ſchweren Geſchoſſe von der See- oder von der Landſeite her-
kämen. Die ſchließliche Entdeckung, daß das letztere zutrifft, änderte
wenig an der Sachlage, da unſere ſo viele Kilometer hinter der
Front aufgeſtellten Geſchütze unauffindbar und vor allem für die
weniger weittragenden franzöſiſchen und engliſchen Geſchoſſe un-
erreichbar bleiben.

Der Feind im Oſten.

Sonntag, der 2. Mai, iſt zu einem neuen Ruhmestag für die
verbündeten Heere im Oſten geworden. An dieſem Tage erfolgte
ein für unſere Feinde wie für uns ſelbſt ganz unerwarteter Bor-
ſtoß gegen die ruſſiſche Karpathenfront, ein ſo entſcheidender Durch-
bruch, eine ſo folgenſchwere Umzingelung der ruſſiſchen Armee,
daß die ſtrategiſchen, aber auch die politiſchen Folgen zur Stunde
noch gar nicht zu überſehen ſind. Der Kaiſer ſelbſt gab die erſte
Kunde von dem neuen großen Siege, und es wurde in Berlin und
auch bei uns in München geflaggt, noch bevor man eigentlich wußte,
um was es ſich handelte. Natürlich war dadurch der Phantaſie der
freieſte Spielraum gewährt und dieſe Phantaſie machte ſich vor
allem in unglaublichen Zahlenwerten bezüglich der ruſſiſchen Ge-
fangenen Luft. Weiß man ja, daß die Siege Hindenburgs ſtets
mit großer Beute an Kriegsmaterial und an Gefangenen begleitet
zu ſein pflegen. Der neue große Sieg in Weſtgalizien iſt von den
öſterreichiſch-ungariſchen und deutſchen Truppen gemeinſam unter
deutſcher Führung des General-Oberſten v. Mackenſen
errungen worden. Die genauen Ziffern laſſen ſich, wie geſagt, im
gegenwärtigen Augenblick noch ebenſowenig überſehen wie der große
Umfang des Sieges ſelbſt, der, wie man erwarten kann, nicht nur
von wohltätigen moraliſchen Folgen auf unſere Feinde, ſondern
wohl auch auf die immer noch ſchwankenden Neutralen ſein wird.
So könnte man vielleicht den plötzlichen Beſchluß des Königs von
Italien und ſeines Miniſterrates, an der Enthüllung des Garibaldi-
Denkmals in Quarto nicht teilzunehmen — der verrückte Gabriele
D’Annunzio hat eine fulminante Rede gegen Oeſterreich dabei ge-
halten —, mit dieſen entſcheidenden Siegen in Zuſammenhang
bringen. Zeitlich fällt wenigſtens beides zuſammen, wobei es, da
man ja nichts Beſtimmtes weiß und wiſſen kann, jedermann un-
benommen bleibt, die günſtige oder auch ungünſtige Lage der ita-
lieniſch-öſterreichiſch-deutſchen Verhandlungen dafür verantwortlich
zu machen, wie dies ja die italieniſche Preſſe denn auch in reich-
lichſtem Maße tut.

Wahrſcheinlicher iſt es, daß die diplomatiſchen Verhandlungen
König und Miniſterium in Rom zurückgehalten haben, denn
Italien ſteht unmittelbar vor der ernſten Entſcheidung, ob es
losſchlagen ſoll oder nicht. Es ſcheint, daß ſich der König, wenn
er auch wollte, nicht der allgemeinen Volksſtimmung entziehen
kann und daß man dort gewillt iſt, lieber den Lockungen der
franzöſiſchen und engliſchen Diplomaten als der Sprache der Ver-
nunft zu folgen. Jedenfalls iſt die Spannung in Italien auf den
höchſten Punkt geſtiegen und wird jede Entſcheidung als eine Er-
löſung betrachtet. Wir müſſen alſo damit rechnen, daß unſer
einſtiger Bundesgenoſſe, der ſich ſchon ſeit Anfang des Krieges
hinter eine kühle Neutralität verſchanzt hat, die Waffen gegen uns
und vor allem gegen Oeſterreich erhebt. Daß Italien ſchon für
dieſe ſeine Neutralität eine Entſchädigung von Oeſterreich verlangt,
hat es am erſten Tage ſchon wiſſen laſſen. Es ſcheint nun, daß
ihm unſere Gegner mehr verſprechen, als man Italien von ſeiten
Oeſterreichs und Deutſchlands mit gutem Gewiſſen zugeſtehen
könnte, und ſo geht nun der Dreibund bei der erſten ernſthaften
Probe in Scherben. Wenn Bismarck das erlebt hätte!

*

Die letzten Telegramme aus dem deutſchen und öſterreichiſchen
öſtlichen Hauptquartier lauten:

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[Seite 278[278]/0004] Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915. Geſtern wurden wiederum zwei feindliche Flug- zeuge außer Gefecht geſetzt. Eines wurde bei Reims zuſammen- geſchoſſen, das andere nordweſtlich von Verdun aus einem Geſchwa- der zur eiligſten Landung gezwungen. 3. Mai: In Flandern griffen wir geſtern nordöſtlich von Ypern aus beiderſeits der Straße Poelkapelle—Ypern mit Erfolg an und nahmen die Gehöfte von Fortuin, ſüdöſtlich von St. Julien. In der Champagne richteten wir durch erfolgreiche Minen- ſprengungen erheblichen Schaden an der feindlichen Stellung zwi- ſchen Souain und Perthes an. Zwiſchen Maas und Moſel fanden geſtern nur Artilleriekämpfe ſtatt. Am Hartmannsweilerkopf machten die Franzoſen heute nacht vergebliche Angriffsverſuche gegen unſere Gipfelſtellung. Ein franzöſiſches Flugzeug landete geſtern bei Hundlingen, weſtlich Saargemünd. Die beiden Inſaſſen wur- den gefangen genommen. Ein deutſches Flugzeug-Geſchwader griff geſtern die Luftſchiffhalle und den Bahnhof Epinal mit anſcheinend gutem Erfolg an. 4. Mai: In Flandern ſetzten wir unſere Angriffe von Norden und Oſten mit großem Erfolg fort. Heute morgen fielen Zevenkote, Zonnebeke, Weſthoek, der Polygoneveld-Wald, Nonne Bosſchen, alles ſeit vielen Monaten heißumſtrittene Orte, in unſere Hand. Der abziehende Feind ſteht unter dem Flankenfeuer unſerer Batterien nördlich und ſüdlich von Ypern. In den Argonnen verſuchten die Franzoſen nördlich von Le Four de Paris vergeblich einen von uns am 1. Mai eroberten Graben zurückzunehmen. Die Artilleriekämpfe zwiſchen Maas und Moſel nah- men auch geſtern ihren Fortgang. Unſere Flugzeuge in Flandern haben in letzter Zeit eine rege Tätigkeit entfaltet. Sie haben zahlreiche Angriffe auf Seeſtreitkräfte und Handelsſchiffe des Feindes ausgeführt und da- bei wiederholt Erfolge erzielt. Unter anderem wurde am 26. April im Weſtdiep ein britiſches Linienſchiff der „Formidable“-Klaſſe mit Bomben beworfen und durch Treffer beſchädigt. Am gleichen Tage wurden einige engliſche Vorpoſtenfahrzeuge erfolgreich angegriffen. 5. Mai: Mit ſchwerſten Verluſten wichen die Engländer weiter in Richtung auf den hart öſtlich von Ypern gelegenen Brückenkopf zurück. Banheule, Ekſterneſt, der Schloßpark von Herenthage und Pappotje Ferme wurden von uns genommen. Zwiſchen Maas und Moſel herrſcht wieder regere Tätigkeit. — Im Prieſterwalde nordweſtlich von Pont- à-Mouſſon griffen die Franzoſen geſtern mit ſtarken Kräften an. Trotz langandauernder Artillerievorbereitung brach der An- griff mit ſtarken Verluſten für den Feind in unſerem Feuer zu- ſammen. Dagegen gingen wir im Walde von Ailly und öſtlich zum Angriff über, der gute Fortſchritte machte. Hier nahmen wir bisher 10 Offiziere, 750 Mann gefangen. 6. Mai: Faſt auf der ganzen Front fanden heftige Artillerie- kämpfe ſtatt. Bei Ypern wurden weitere Fortſchritte, ſo durch Einnahme der Ferme Vanheule und an der Bahn Meſſines—Ypern gemacht. Es wurden einige hundert Gefangene und 15 Maſchinen- gewehre erbeutet. Im Waldgelände weſtlich Combres fielen bei einem Vor- ſtoße 4 franzöſiſche Offiziere, 135 Mann, 4 Maſchinengewehre und 1 Minenwerfer in unſere Hand. Unſer geſtriger Angriff im Ailly- walde führte zu dem erſtrebten Erfolg. Der Feind wurde aus ſeiner Stellung geworfen. Mehr als 2000 Franzoſen, darunter 21 Offiziere, 2 Geſchütze ſowie mehrere Maſchinengewehre und Minenwerfer blieben unſere Beute. Auch die blutigen franzöſiſchen Verlufte waren ſehr ſchwer. Nördlich Flirey und bei Croix de Carmes griff der Feind an. Nördlich des erſtgenannten Ortes drang er an einer Stelle bis in unſere Gräben. Um ein kleines Stück wird noch ge- kämpft, an den anderen Stellen wurden die Franzoſen zurückge- worfen. In den Vogeſen wurde ein Vorſtoß gegen unſere Stel- lung nördlich Steinabrück abgewieſen. * Während die franzöſiſchen und engliſchen amtlichen Berichte unſeren Erfolg bei Ypern noch immer zu verkleinern ſuchen, gibt die oppoſitionelle engliſche Preſſe ihrer Meinung Ausdruck, daß die Deutſchen offenbar ihre Abſicht, an die Küſte vorzudringen, nicht aufgegeben hätten. Einen beſonderen Schrecken jagte unſeren Fein- den die geheimnisvolle ſtarke Beſchießung von Dünkirchen ein, ge- heimnisvoll deshalb, weil es lange verborgen blieb, ob dieſe furcht- bar ſchweren Geſchoſſe von der See- oder von der Landſeite her- kämen. Die ſchließliche Entdeckung, daß das letztere zutrifft, änderte wenig an der Sachlage, da unſere ſo viele Kilometer hinter der Front aufgeſtellten Geſchütze unauffindbar und vor allem für die weniger weittragenden franzöſiſchen und engliſchen Geſchoſſe un- erreichbar bleiben. Der Feind im Oſten. Sonntag, der 2. Mai, iſt zu einem neuen Ruhmestag für die verbündeten Heere im Oſten geworden. An dieſem Tage erfolgte ein für unſere Feinde wie für uns ſelbſt ganz unerwarteter Bor- ſtoß gegen die ruſſiſche Karpathenfront, ein ſo entſcheidender Durch- bruch, eine ſo folgenſchwere Umzingelung der ruſſiſchen Armee, daß die ſtrategiſchen, aber auch die politiſchen Folgen zur Stunde noch gar nicht zu überſehen ſind. Der Kaiſer ſelbſt gab die erſte Kunde von dem neuen großen Siege, und es wurde in Berlin und auch bei uns in München geflaggt, noch bevor man eigentlich wußte, um was es ſich handelte. Natürlich war dadurch der Phantaſie der freieſte Spielraum gewährt und dieſe Phantaſie machte ſich vor allem in unglaublichen Zahlenwerten bezüglich der ruſſiſchen Ge- fangenen Luft. Weiß man ja, daß die Siege Hindenburgs ſtets mit großer Beute an Kriegsmaterial und an Gefangenen begleitet zu ſein pflegen. Der neue große Sieg in Weſtgalizien iſt von den öſterreichiſch-ungariſchen und deutſchen Truppen gemeinſam unter deutſcher Führung des General-Oberſten v. Mackenſen errungen worden. Die genauen Ziffern laſſen ſich, wie geſagt, im gegenwärtigen Augenblick noch ebenſowenig überſehen wie der große Umfang des Sieges ſelbſt, der, wie man erwarten kann, nicht nur von wohltätigen moraliſchen Folgen auf unſere Feinde, ſondern wohl auch auf die immer noch ſchwankenden Neutralen ſein wird. So könnte man vielleicht den plötzlichen Beſchluß des Königs von Italien und ſeines Miniſterrates, an der Enthüllung des Garibaldi- Denkmals in Quarto nicht teilzunehmen — der verrückte Gabriele D’Annunzio hat eine fulminante Rede gegen Oeſterreich dabei ge- halten —, mit dieſen entſcheidenden Siegen in Zuſammenhang bringen. Zeitlich fällt wenigſtens beides zuſammen, wobei es, da man ja nichts Beſtimmtes weiß und wiſſen kann, jedermann un- benommen bleibt, die günſtige oder auch ungünſtige Lage der ita- lieniſch-öſterreichiſch-deutſchen Verhandlungen dafür verantwortlich zu machen, wie dies ja die italieniſche Preſſe denn auch in reich- lichſtem Maße tut. Wahrſcheinlicher iſt es, daß die diplomatiſchen Verhandlungen König und Miniſterium in Rom zurückgehalten haben, denn Italien ſteht unmittelbar vor der ernſten Entſcheidung, ob es losſchlagen ſoll oder nicht. Es ſcheint, daß ſich der König, wenn er auch wollte, nicht der allgemeinen Volksſtimmung entziehen kann und daß man dort gewillt iſt, lieber den Lockungen der franzöſiſchen und engliſchen Diplomaten als der Sprache der Ver- nunft zu folgen. Jedenfalls iſt die Spannung in Italien auf den höchſten Punkt geſtiegen und wird jede Entſcheidung als eine Er- löſung betrachtet. Wir müſſen alſo damit rechnen, daß unſer einſtiger Bundesgenoſſe, der ſich ſchon ſeit Anfang des Krieges hinter eine kühle Neutralität verſchanzt hat, die Waffen gegen uns und vor allem gegen Oeſterreich erhebt. Daß Italien ſchon für dieſe ſeine Neutralität eine Entſchädigung von Oeſterreich verlangt, hat es am erſten Tage ſchon wiſſen laſſen. Es ſcheint nun, daß ihm unſere Gegner mehr verſprechen, als man Italien von ſeiten Oeſterreichs und Deutſchlands mit gutem Gewiſſen zugeſtehen könnte, und ſo geht nun der Dreibund bei der erſten ernſthaften Probe in Scherben. Wenn Bismarck das erlebt hätte! * Die letzten Telegramme aus dem deutſchen und öſterreichiſchen öſtlichen Hauptquartier lauten:

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 8. Mai 1915, S. Seite 278[278]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1915/4>, abgerufen am 01.06.2024.