Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915.

Bild:
<< vorherige Seite
15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Streben vorzüglich zu statten. Aber auch keine der prakti-
schen Eigenschaften ließ er als ausübender Dramaturg ver-
missen was sich in der wirkungsvollen Besetzung der Stücke,
in der sorgfältigen Einstudierung der Rollen und in dem
fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte."

Seine letzte
Rolle in Weimar, sowie überhaupt auf der Bühne, war
Ferdinand von Drang in "Er muß aufs Land". Sein nicht
gerade schwaches, jedoch unverläßliches Organ bestimmte ihn,
der darstellenden Kunst zu entsagen. Aber auch das Be-
streben, sich ausschließlich als Dramaturg und Regisseur zu
betätigen, veranlaßte ihn zu diesem Schritt. Und so über-
nahm er denn, von August Förster empfohlen, die Leitung
des Mannheimer Hoftheaters (1884--1885). Von dort
wurde er als Regisseur ans Hoftheater nach München be-
rufen.

Hier nun war er eifrig bestrebt, als entschiedener Gegner
des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer
Ausstattung an Malerei, maschineller Technik usw. die
Illusion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung
aufhält und stört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten,
was sie deutlich macht und vertieft, sowie auch immer be-
müht, jener Inßenierung das Wort zu reden, die in der
lebendigen, durch nichts unterbrochenen und gestörten Vor-
führung der dargestellten Handlung besteht -- der eigentlich
dramatischen Richtung, die er als panoramatische Richtung
bezeichnet. Laube charakterisierte dies mit den Worten:
"Die Bühne braucht Ohrenregisseure und keine Augen-
regisseure". So wirkte er als einer der gewissenhaftesten,
fleißigsten, geistvollsten Regisseure, dem seine hervor-
ragende Kenntnis der Bühne, seine reiche Phantasie bei
Inßenierung und Einrichtung von Bühnenwerken klassi-
scher und moderner Werke, wesentlich zu statten kamen.
S. ist auch der tatkräftigste, begeisterte Ausführer und
Ausgestalter sowie der unentwegte und überzeugteste Ver-
teidiger der Münchener Bühnenreform gewesen. Unter
seiner Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof-
theater in München die erste Aufführung auf der
"Shakespeare-Bühne" (König Lear) statt. So hat er auf
die verschiedenste Art, nicht zum mindesten durch sein
Talent, die Fähigkeit der Bühnenkünstler zu erkennen und
zu klassifizieren, dem königlichen Institut, dem er unermüd-
liches Interesse zuwendete, wiederholt die schätzbarsten Dinge
erwiesen. Der Künstler hat sich aber auch literarisch betätigt.
So seien erwähnt seine Broschüre "An das Schauspielpersonal
der königlichen Theater in München", die meisterhafte Ueber-
tragung von "Therese Raquin" und "Renee" von Zola, ge-
schichtliche Essays über das Theatre francais, über deutsche
Bühnen und ganz besonders seine Inßenierungsvorschläge
enthaltende reformatorische Schrift "Die Shakespeare-Bühne
in München" (1889), sowie vor allem sein grundlegendes
Werk "Von der Absicht des Dramas".

Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommnisse,
auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor fast
10 Jahren sich pensionieren ließ, sind auch die Dramen seines
Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg so
viel getan, von der Bühne verschwunden. Auch literarisch
ist er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt-
arbeit galt aber wie gesagt, immer der Shakespeare-Bühne
und ihren. Voraussetzungen und Folgerungen. Vielen
unserer heute noch wirkenden Künstlern ist Savits ein ge-
wissenhafter Lehrer und Freund gewesen. Wir nennen nur
Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Menschen
wie als Künstler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten,
Geis, Anna Dandler, Emma Berndl usw. Als Mitbegrün-
der der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, des
Hoftheaterpensionsvereins und der Pensionsanstalt deutscher
Journalisten und Schriftsteller ist er mit aller Aufopferung
tätig gewesen. Seine Kunst ging ihm über alles, ihr hat er
bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der
ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein
Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt
nicht nur in seinen Schülern und Schülerinnen, sondern noch
mehr in seinen Schriften, die, wenn sie auch nicht durchaus
bequem und praktisch angelegt sind, doch in ihrem gesunden
Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der

[Spaltenumbruch]

dramatischen Kunst hinwirkenden Tendenz gerade nach dem
Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen,
ein siegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die
Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der diese kommende
künstlerische Regeneration mit heraufführen half, wollen wir
immer ein dankbares Andenken bewahren.



Münchener Theater.

Nacht und Morgen. -- Literarisch-musikalischer Festabend zugunsten
der Ostpreußen. -- Das Gastspiel Kayßler-Fehdmer: Minna von
Barnhelm, Amphitryon, Berg-Eyvind und sein Weib.

Unser Residenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von
Paul Lindau aufgegriffen und zum erstenmal aufgeführt.
Paul Lindau ist im letzten Jahrzehnt in der Münchener
Theatergeschichte nicht von uns verwöhnt worden: er galt
fast als abgetan. Vielleicht mit Unrecht, da er noch immer
ein besserer Theatertechniker ist, als viele seiner jungen Nach-
folger, wenn auch seine Technik stets einen ausgesprochen
französischen Charakter an sich trug. Daß man gerade sein
vieraktiges Schauspiel "Nacht und Morgen", das im De-
zember 1901 seine Uraufführung am Berliner Theater er-
lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen,
daß sich die Handlung, die damals in unserer Zeitung aus-
führlich erzählt worden ist, und die wir nicht wiederholen
wollen, sich um den Diebstahl eines diplomatischen Akten-
stückes dreht, das den österreichisch-italienischen Bündnis-
vertrag zum Gegenstand hat. Ein französischer Botschafts-
sekretär in Berlin weiß sich das für ihn interessierende Do-
kument auf schlaue Weise zu verschaffen, die dem betreffen-
den deutschen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade
auf Urlaub geht, fast zum Verhängnis geworden wäre.
Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach
vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, so geht doch die
Geschichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal
genug aus, da seine Unschuld nur dadurch entdeckt wird, daß
er eingesteht, die betreffende Nacht, in der er abgereist sein
sollte, bei seiner Schwägerin verbracht zu haben. Lindau,
der von jeher sich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß
diese Geschichte leidlich glaubhaft und spannend darzustellen.
Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen
in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen sehr
freundlichen Erfolg.

Einer, der von Berufs wegen sich mit kriminalen Din-
gen abgeben muß, ist unser Münchener Justizrat Max Bern-
stein. Er hat ein einaktiges Schauspiel "Der Richter" ge-
schrieben, das in diesen Tagen im Schauspielhause bei einem
literarisch-musikalischen Festabend zugunsten der Münchener
Ostpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in
eigener Sache ist ein älterer Oberpostsekretär, dessen junge
Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk-
meister, hat. Der ahnungslose Gatte erfährt die grobe Täu-
schung, und es ist nun hübsch und ergreifend zu sehen, wie
der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der ersten
Absicht, den Verführer zu erschlagen und die Frau auf die
Straße zu setzen, langsam zum Verzeihen sich emporläutern
läßt, so daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer
die Türe weist, der schwachen Frau aber, die innerlich längst
bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von
dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und
Fräulein Rosar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk-
meister stellte Herr Weigert, ein altes Dienstmädchen, durch
das die Geschichte aufkommt, Luise Fischer vorzüglich und
glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da-
gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Geschmack,
diesen Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragisch ver-
laufenden Ehebruchsgeschichte schließen zu lassen, mit Hugo
von Hofmannsthals bekanntem Einakter "Die Frau im
Fenster". Herr Steinrück hatte den Messer Braccio schon
in unserem Hoftheater gespielt und spielte ihn auch hier, und
seine Partnerin war Fräulein Rosar. Das sehr distinguierte
Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Protest,
was bei einem solchen Anlaß gewiß nicht vorkommen sollte
und auch noch nicht vorgekommen ist. Erfreulicher war der

15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] Streben vorzüglich zu ſtatten. Aber auch keine der prakti-
ſchen Eigenſchaften ließ er als ausübender Dramaturg ver-
miſſen was ſich in der wirkungsvollen Beſetzung der Stücke,
in der ſorgfältigen Einſtudierung der Rollen und in dem
fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte.“

Seine letzte
Rolle in Weimar, ſowie überhaupt auf der Bühne, war
Ferdinand von Drang in „Er muß aufs Land“. Sein nicht
gerade ſchwaches, jedoch unverläßliches Organ beſtimmte ihn,
der darſtellenden Kunſt zu entſagen. Aber auch das Be-
ſtreben, ſich ausſchließlich als Dramaturg und Regiſſeur zu
betätigen, veranlaßte ihn zu dieſem Schritt. Und ſo über-
nahm er denn, von Auguſt Förſter empfohlen, die Leitung
des Mannheimer Hoftheaters (1884—1885). Von dort
wurde er als Regiſſeur ans Hoftheater nach München be-
rufen.

Hier nun war er eifrig beſtrebt, als entſchiedener Gegner
des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer
Ausſtattung an Malerei, maſchineller Technik uſw. die
Illuſion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung
aufhält und ſtört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten,
was ſie deutlich macht und vertieft, ſowie auch immer be-
müht, jener Inſzenierung das Wort zu reden, die in der
lebendigen, durch nichts unterbrochenen und geſtörten Vor-
führung der dargeſtellten Handlung beſteht — der eigentlich
dramatiſchen Richtung, die er als panoramatiſche Richtung
bezeichnet. Laube charakteriſierte dies mit den Worten:
„Die Bühne braucht Ohrenregiſſeure und keine Augen-
regiſſeure“. So wirkte er als einer der gewiſſenhafteſten,
fleißigſten, geiſtvollſten Regiſſeure, dem ſeine hervor-
ragende Kenntnis der Bühne, ſeine reiche Phantaſie bei
Inſzenierung und Einrichtung von Bühnenwerken klaſſi-
ſcher und moderner Werke, weſentlich zu ſtatten kamen.
S. iſt auch der tatkräftigſte, begeiſterte Ausführer und
Ausgeſtalter ſowie der unentwegte und überzeugteſte Ver-
teidiger der Münchener Bühnenreform geweſen. Unter
ſeiner Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof-
theater in München die erſte Aufführung auf der
„Shakeſpeare-Bühne“ (König Lear) ſtatt. So hat er auf
die verſchiedenſte Art, nicht zum mindeſten durch ſein
Talent, die Fähigkeit der Bühnenkünſtler zu erkennen und
zu klaſſifizieren, dem königlichen Inſtitut, dem er unermüd-
liches Intereſſe zuwendete, wiederholt die ſchätzbarſten Dinge
erwieſen. Der Künſtler hat ſich aber auch literariſch betätigt.
So ſeien erwähnt ſeine Broſchüre „An das Schauſpielperſonal
der königlichen Theater in München“, die meiſterhafte Ueber-
tragung von „Thereſe Raquin“ und „Renée“ von Zola, ge-
ſchichtliche Eſſays über das Theâtre français, über deutſche
Bühnen und ganz beſonders ſeine Inſzenierungsvorſchläge
enthaltende reformatoriſche Schrift „Die Shakeſpeare-Bühne
in München“ (1889), ſowie vor allem ſein grundlegendes
Werk „Von der Abſicht des Dramas“.

Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommniſſe,
auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor faſt
10 Jahren ſich penſionieren ließ, ſind auch die Dramen ſeines
Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg ſo
viel getan, von der Bühne verſchwunden. Auch literariſch
iſt er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt-
arbeit galt aber wie geſagt, immer der Shakeſpeare-Bühne
und ihren. Vorausſetzungen und Folgerungen. Vielen
unſerer heute noch wirkenden Künſtlern iſt Savits ein ge-
wiſſenhafter Lehrer und Freund geweſen. Wir nennen nur
Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Menſchen
wie als Künſtler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten,
Geis, Anna Dandler, Emma Berndl uſw. Als Mitbegrün-
der der Genoſſenſchaft Deutſcher Bühnenangehöriger, des
Hoftheaterpenſionsvereins und der Penſionsanſtalt deutſcher
Journaliſten und Schriftſteller iſt er mit aller Aufopferung
tätig geweſen. Seine Kunſt ging ihm über alles, ihr hat er
bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der
ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein
Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt
nicht nur in ſeinen Schülern und Schülerinnen, ſondern noch
mehr in ſeinen Schriften, die, wenn ſie auch nicht durchaus
bequem und praktiſch angelegt ſind, doch in ihrem geſunden
Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der

[Spaltenumbruch]

dramatiſchen Kunſt hinwirkenden Tendenz gerade nach dem
Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen,
ein ſiegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die
Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der dieſe kommende
künſtleriſche Regeneration mit heraufführen half, wollen wir
immer ein dankbares Andenken bewahren.



Münchener Theater.

Nacht und Morgen. — Literariſch-muſikaliſcher Feſtabend zugunſten
der Oſtpreußen. — Das Gaſtſpiel Kayßler-Fehdmer: Minna von
Barnhelm, Amphitryon, Berg-Eyvind und ſein Weib.

Unſer Reſidenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von
Paul Lindau aufgegriffen und zum erſtenmal aufgeführt.
Paul Lindau iſt im letzten Jahrzehnt in der Münchener
Theatergeſchichte nicht von uns verwöhnt worden: er galt
faſt als abgetan. Vielleicht mit Unrecht, da er noch immer
ein beſſerer Theatertechniker iſt, als viele ſeiner jungen Nach-
folger, wenn auch ſeine Technik ſtets einen ausgeſprochen
franzöſiſchen Charakter an ſich trug. Daß man gerade ſein
vieraktiges Schauſpiel „Nacht und Morgen“, das im De-
zember 1901 ſeine Uraufführung am Berliner Theater er-
lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen,
daß ſich die Handlung, die damals in unſerer Zeitung aus-
führlich erzählt worden iſt, und die wir nicht wiederholen
wollen, ſich um den Diebſtahl eines diplomatiſchen Akten-
ſtückes dreht, das den öſterreichiſch-italieniſchen Bündnis-
vertrag zum Gegenſtand hat. Ein franzöſiſcher Botſchafts-
ſekretär in Berlin weiß ſich das für ihn intereſſierende Do-
kument auf ſchlaue Weiſe zu verſchaffen, die dem betreffen-
den deutſchen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade
auf Urlaub geht, faſt zum Verhängnis geworden wäre.
Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach
vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, ſo geht doch die
Geſchichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal
genug aus, da ſeine Unſchuld nur dadurch entdeckt wird, daß
er eingeſteht, die betreffende Nacht, in der er abgereiſt ſein
ſollte, bei ſeiner Schwägerin verbracht zu haben. Lindau,
der von jeher ſich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß
dieſe Geſchichte leidlich glaubhaft und ſpannend darzuſtellen.
Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen
in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen ſehr
freundlichen Erfolg.

Einer, der von Berufs wegen ſich mit kriminalen Din-
gen abgeben muß, iſt unſer Münchener Juſtizrat Max Bern-
ſtein. Er hat ein einaktiges Schauſpiel „Der Richter“ ge-
ſchrieben, das in dieſen Tagen im Schauſpielhauſe bei einem
literariſch-muſikaliſchen Feſtabend zugunſten der Münchener
Oſtpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in
eigener Sache iſt ein älterer Oberpoſtſekretär, deſſen junge
Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk-
meiſter, hat. Der ahnungsloſe Gatte erfährt die grobe Täu-
ſchung, und es iſt nun hübſch und ergreifend zu ſehen, wie
der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der erſten
Abſicht, den Verführer zu erſchlagen und die Frau auf die
Straße zu ſetzen, langſam zum Verzeihen ſich emporläutern
läßt, ſo daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer
die Türe weiſt, der ſchwachen Frau aber, die innerlich längſt
bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von
dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und
Fräulein Roſar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk-
meiſter ſtellte Herr Weigert, ein altes Dienſtmädchen, durch
das die Geſchichte aufkommt, Luiſe Fiſcher vorzüglich und
glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da-
gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Geſchmack,
dieſen Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragiſch ver-
laufenden Ehebruchsgeſchichte ſchließen zu laſſen, mit Hugo
von Hofmannsthals bekanntem Einakter „Die Frau im
Fenſter“. Herr Steinrück hatte den Meſſer Braccio ſchon
in unſerem Hoftheater geſpielt und ſpielte ihn auch hier, und
ſeine Partnerin war Fräulein Roſar. Das ſehr diſtinguierte
Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Proteſt,
was bei einem ſolchen Anlaß gewiß nicht vorkommen ſollte
und auch noch nicht vorgekommen iſt. Erfreulicher war der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jCulturalNews" n="1">
        <div type="jComment" n="2">
          <pb facs="#f0011" n="297"/>
          <fw place="top" type="header">15. Mai 1915. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/>
          <cb/>
          <cit>
            <quote>Streben vorzüglich zu &#x017F;tatten. Aber auch keine der prakti-<lb/>
&#x017F;chen Eigen&#x017F;chaften ließ er als ausübender Dramaturg ver-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;en was &#x017F;ich in der wirkungsvollen Be&#x017F;etzung der Stücke,<lb/>
in der &#x017F;orgfältigen Ein&#x017F;tudierung der Rollen und in dem<lb/>
fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte.&#x201C;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Seine letzte<lb/>
Rolle in Weimar, &#x017F;owie überhaupt auf der Bühne, war<lb/>
Ferdinand von Drang in &#x201E;Er muß aufs Land&#x201C;. Sein nicht<lb/>
gerade &#x017F;chwaches, jedoch unverläßliches Organ be&#x017F;timmte ihn,<lb/>
der dar&#x017F;tellenden Kun&#x017F;t zu ent&#x017F;agen. Aber auch das Be-<lb/>
&#x017F;treben, &#x017F;ich aus&#x017F;chließlich als Dramaturg und Regi&#x017F;&#x017F;eur zu<lb/>
betätigen, veranlaßte ihn zu die&#x017F;em Schritt. Und &#x017F;o über-<lb/>
nahm er denn, von Augu&#x017F;t För&#x017F;ter empfohlen, die Leitung<lb/>
des Mannheimer Hoftheaters (1884&#x2014;1885). Von dort<lb/>
wurde er als Regi&#x017F;&#x017F;eur ans Hoftheater nach München be-<lb/>
rufen.</p><lb/>
          <p>Hier nun war er eifrig be&#x017F;trebt, als ent&#x017F;chiedener Gegner<lb/>
des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer<lb/>
Aus&#x017F;tattung an Malerei, ma&#x017F;chineller Technik u&#x017F;w. die<lb/>
Illu&#x017F;ion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung<lb/>
aufhält und &#x017F;tört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten,<lb/>
was &#x017F;ie deutlich macht und vertieft, &#x017F;owie auch immer be-<lb/>
müht, jener In&#x017F;zenierung das Wort zu reden, die in der<lb/>
lebendigen, durch nichts unterbrochenen und ge&#x017F;törten Vor-<lb/>
führung der darge&#x017F;tellten Handlung be&#x017F;teht &#x2014; der eigentlich<lb/>
dramati&#x017F;chen Richtung, die er als panoramati&#x017F;che Richtung<lb/>
bezeichnet. Laube charakteri&#x017F;ierte dies mit den Worten:<lb/>
&#x201E;Die Bühne braucht Ohrenregi&#x017F;&#x017F;eure und keine Augen-<lb/>
regi&#x017F;&#x017F;eure&#x201C;. So wirkte er als einer der gewi&#x017F;&#x017F;enhafte&#x017F;ten,<lb/>
fleißig&#x017F;ten, gei&#x017F;tvoll&#x017F;ten Regi&#x017F;&#x017F;eure, dem &#x017F;eine hervor-<lb/>
ragende Kenntnis der Bühne, &#x017F;eine reiche Phanta&#x017F;ie bei<lb/>
In&#x017F;zenierung und Einrichtung von Bühnenwerken kla&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;cher und moderner Werke, we&#x017F;entlich zu &#x017F;tatten kamen.<lb/>
S. i&#x017F;t auch der tatkräftig&#x017F;te, begei&#x017F;terte Ausführer und<lb/>
Ausge&#x017F;talter &#x017F;owie der unentwegte und überzeugte&#x017F;te Ver-<lb/>
teidiger der Münchener Bühnenreform gewe&#x017F;en. Unter<lb/>
&#x017F;einer Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof-<lb/>
theater in München die er&#x017F;te Aufführung auf der<lb/>
&#x201E;Shake&#x017F;peare-Bühne&#x201C; (König Lear) &#x017F;tatt. So hat er auf<lb/>
die ver&#x017F;chieden&#x017F;te Art, nicht zum minde&#x017F;ten durch &#x017F;ein<lb/>
Talent, die Fähigkeit der Bühnenkün&#x017F;tler zu erkennen und<lb/>
zu kla&#x017F;&#x017F;ifizieren, dem königlichen In&#x017F;titut, dem er unermüd-<lb/>
liches Intere&#x017F;&#x017F;e zuwendete, wiederholt die &#x017F;chätzbar&#x017F;ten Dinge<lb/>
erwie&#x017F;en. Der Kün&#x017F;tler hat &#x017F;ich aber auch literari&#x017F;ch betätigt.<lb/>
So &#x017F;eien erwähnt &#x017F;eine Bro&#x017F;chüre &#x201E;An das Schau&#x017F;pielper&#x017F;onal<lb/>
der königlichen Theater in München&#x201C;, die mei&#x017F;terhafte Ueber-<lb/>
tragung von &#x201E;There&#x017F;e Raquin&#x201C; und &#x201E;Ren<hi rendition="#aq">é</hi>e&#x201C; von Zola, ge-<lb/>
&#x017F;chichtliche E&#x017F;&#x017F;ays über das <hi rendition="#aq">Theâtre français,</hi> über deut&#x017F;che<lb/>
Bühnen und ganz be&#x017F;onders &#x017F;eine In&#x017F;zenierungsvor&#x017F;chläge<lb/>
enthaltende reformatori&#x017F;che Schrift &#x201E;Die Shake&#x017F;peare-Bühne<lb/>
in München&#x201C; (1889), &#x017F;owie vor allem &#x017F;ein grundlegendes<lb/>
Werk &#x201E;Von der Ab&#x017F;icht des Dramas&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommni&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor fa&#x017F;t<lb/>
10 Jahren &#x017F;ich pen&#x017F;ionieren ließ, &#x017F;ind auch die Dramen &#x017F;eines<lb/>
Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg &#x017F;o<lb/>
viel getan, von der Bühne ver&#x017F;chwunden. Auch literari&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt-<lb/>
arbeit galt aber wie ge&#x017F;agt, immer der Shake&#x017F;peare-Bühne<lb/>
und ihren. Voraus&#x017F;etzungen und Folgerungen. Vielen<lb/>
un&#x017F;erer heute noch wirkenden Kün&#x017F;tlern i&#x017F;t Savits ein ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enhafter Lehrer und Freund gewe&#x017F;en. Wir nennen nur<lb/>
Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Men&#x017F;chen<lb/>
wie als Kün&#x017F;tler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten,<lb/>
Geis, Anna Dandler, Emma Berndl u&#x017F;w. Als Mitbegrün-<lb/>
der der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft Deut&#x017F;cher Bühnenangehöriger, des<lb/>
Hoftheaterpen&#x017F;ionsvereins und der Pen&#x017F;ionsan&#x017F;talt deut&#x017F;cher<lb/>
Journali&#x017F;ten und Schrift&#x017F;teller i&#x017F;t er mit aller Aufopferung<lb/>
tätig gewe&#x017F;en. Seine Kun&#x017F;t ging ihm über alles, ihr hat er<lb/>
bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der<lb/>
ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein<lb/>
Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt<lb/>
nicht nur in &#x017F;einen Schülern und Schülerinnen, &#x017F;ondern noch<lb/>
mehr in &#x017F;einen Schriften, die, wenn &#x017F;ie auch nicht durchaus<lb/>
bequem und prakti&#x017F;ch angelegt &#x017F;ind, doch in ihrem ge&#x017F;unden<lb/>
Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der</p><lb/>
          <cb/>
          <p>dramati&#x017F;chen Kun&#x017F;t hinwirkenden Tendenz gerade nach dem<lb/>
Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen,<lb/>
ein &#x017F;iegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die<lb/>
Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der die&#x017F;e kommende<lb/>
kün&#x017F;tleri&#x017F;che Regeneration mit heraufführen half, wollen wir<lb/>
immer ein dankbares Andenken bewahren.</p><lb/>
          <byline> <hi rendition="#aq">A. v. M.</hi> </byline>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jComment" n="2">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Münchener Theater.</hi> </hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p> <hi rendition="#g">Nacht und Morgen. &#x2014; Literari&#x017F;ch-mu&#x017F;ikali&#x017F;cher Fe&#x017F;tabend zugun&#x017F;ten<lb/>
der O&#x017F;tpreußen. &#x2014; Das Ga&#x017F;t&#x017F;piel Kayßler-Fehdmer: Minna von<lb/>
Barnhelm, Amphitryon, Berg-Eyvind und &#x017F;ein Weib.</hi> </p>
          </argument><lb/>
          <p>Un&#x017F;er Re&#x017F;idenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von<lb/>
Paul Lindau aufgegriffen und zum er&#x017F;tenmal aufgeführt.<lb/>
Paul Lindau i&#x017F;t im letzten Jahrzehnt in der Münchener<lb/>
Theaterge&#x017F;chichte nicht von uns verwöhnt worden: er galt<lb/>
fa&#x017F;t als abgetan. Vielleicht mit Unrecht, da er noch immer<lb/>
ein be&#x017F;&#x017F;erer Theatertechniker i&#x017F;t, als viele &#x017F;einer jungen Nach-<lb/>
folger, wenn auch &#x017F;eine Technik &#x017F;tets einen ausge&#x017F;prochen<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Charakter an &#x017F;ich trug. Daß man gerade &#x017F;ein<lb/>
vieraktiges Schau&#x017F;piel &#x201E;Nacht und Morgen&#x201C;, das im De-<lb/>
zember 1901 &#x017F;eine Uraufführung am Berliner Theater er-<lb/>
lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen,<lb/>
daß &#x017F;ich die Handlung, die damals in un&#x017F;erer Zeitung aus-<lb/>
führlich erzählt worden i&#x017F;t, und die wir nicht wiederholen<lb/>
wollen, &#x017F;ich um den Dieb&#x017F;tahl eines diplomati&#x017F;chen Akten-<lb/>
&#x017F;tückes dreht, das den ö&#x017F;terreichi&#x017F;ch-italieni&#x017F;chen Bündnis-<lb/>
vertrag zum Gegen&#x017F;tand hat. Ein franzö&#x017F;i&#x017F;cher Bot&#x017F;chafts-<lb/>
&#x017F;ekretär in Berlin weiß &#x017F;ich das für ihn intere&#x017F;&#x017F;ierende Do-<lb/>
kument auf &#x017F;chlaue Wei&#x017F;e zu ver&#x017F;chaffen, die dem betreffen-<lb/>
den deut&#x017F;chen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade<lb/>
auf Urlaub geht, fa&#x017F;t zum Verhängnis geworden wäre.<lb/>
Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach<lb/>
vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, &#x017F;o geht doch die<lb/>
Ge&#x017F;chichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal<lb/>
genug aus, da &#x017F;eine Un&#x017F;chuld nur dadurch entdeckt wird, daß<lb/>
er einge&#x017F;teht, die betreffende Nacht, in der er abgerei&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;ollte, bei &#x017F;einer Schwägerin verbracht zu haben. Lindau,<lb/>
der von jeher &#x017F;ich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß<lb/>
die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte leidlich glaubhaft und &#x017F;pannend darzu&#x017F;tellen.<lb/>
Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen<lb/>
in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen &#x017F;ehr<lb/>
freundlichen Erfolg.</p><lb/>
          <p>Einer, der von Berufs wegen &#x017F;ich mit kriminalen Din-<lb/>
gen abgeben muß, i&#x017F;t un&#x017F;er Münchener Ju&#x017F;tizrat Max Bern-<lb/>
&#x017F;tein. Er hat ein einaktiges Schau&#x017F;piel &#x201E;Der Richter&#x201C; ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, das in die&#x017F;en Tagen im Schau&#x017F;pielhau&#x017F;e bei einem<lb/>
literari&#x017F;ch-mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Fe&#x017F;tabend zugun&#x017F;ten der Münchener<lb/>
O&#x017F;tpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in<lb/>
eigener Sache i&#x017F;t ein älterer Oberpo&#x017F;t&#x017F;ekretär, de&#x017F;&#x017F;en junge<lb/>
Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk-<lb/>
mei&#x017F;ter, hat. Der ahnungslo&#x017F;e Gatte erfährt die grobe Täu-<lb/>
&#x017F;chung, und es i&#x017F;t nun hüb&#x017F;ch und ergreifend zu &#x017F;ehen, wie<lb/>
der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der er&#x017F;ten<lb/>
Ab&#x017F;icht, den Verführer zu er&#x017F;chlagen und die Frau auf die<lb/>
Straße zu &#x017F;etzen, lang&#x017F;am zum Verzeihen &#x017F;ich emporläutern<lb/>
läßt, &#x017F;o daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer<lb/>
die Türe wei&#x017F;t, der &#x017F;chwachen Frau aber, die innerlich läng&#x017F;t<lb/>
bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von<lb/>
dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und<lb/>
Fräulein Ro&#x017F;ar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk-<lb/>
mei&#x017F;ter &#x017F;tellte Herr Weigert, ein altes Dien&#x017F;tmädchen, durch<lb/>
das die Ge&#x017F;chichte aufkommt, Lui&#x017F;e Fi&#x017F;cher vorzüglich und<lb/>
glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da-<lb/>
gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Ge&#x017F;chmack,<lb/>
die&#x017F;en Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragi&#x017F;ch ver-<lb/>
laufenden Ehebruchsge&#x017F;chichte &#x017F;chließen zu la&#x017F;&#x017F;en, mit Hugo<lb/>
von Hofmannsthals bekanntem Einakter &#x201E;Die Frau im<lb/>
Fen&#x017F;ter&#x201C;. Herr Steinrück hatte den Me&#x017F;&#x017F;er Braccio &#x017F;chon<lb/>
in un&#x017F;erem Hoftheater ge&#x017F;pielt und &#x017F;pielte ihn auch hier, und<lb/>
&#x017F;eine Partnerin war Fräulein Ro&#x017F;ar. Das &#x017F;ehr di&#x017F;tinguierte<lb/>
Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Prote&#x017F;t,<lb/>
was bei einem &#x017F;olchen Anlaß gewiß nicht vorkommen &#x017F;ollte<lb/>
und auch noch nicht vorgekommen i&#x017F;t. Erfreulicher war der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0011] 15. Mai 1915. Allgemeine Zeitung Streben vorzüglich zu ſtatten. Aber auch keine der prakti- ſchen Eigenſchaften ließ er als ausübender Dramaturg ver- miſſen was ſich in der wirkungsvollen Beſetzung der Stücke, in der ſorgfältigen Einſtudierung der Rollen und in dem fruchtbaren Ergebnis der Proben offenbarte.“ Seine letzte Rolle in Weimar, ſowie überhaupt auf der Bühne, war Ferdinand von Drang in „Er muß aufs Land“. Sein nicht gerade ſchwaches, jedoch unverläßliches Organ beſtimmte ihn, der darſtellenden Kunſt zu entſagen. Aber auch das Be- ſtreben, ſich ausſchließlich als Dramaturg und Regiſſeur zu betätigen, veranlaßte ihn zu dieſem Schritt. Und ſo über- nahm er denn, von Auguſt Förſter empfohlen, die Leitung des Mannheimer Hoftheaters (1884—1885). Von dort wurde er als Regiſſeur ans Hoftheater nach München be- rufen. Hier nun war er eifrig beſtrebt, als entſchiedener Gegner des übermäßigen Aufwandes (weil das Uebermaß äußerer Ausſtattung an Malerei, maſchineller Technik uſw. die Illuſion nicht fördert) alles zu entfernen, was die Handlung aufhält und ſtört, und alles auszuarbeiten und zu verwerten, was ſie deutlich macht und vertieft, ſowie auch immer be- müht, jener Inſzenierung das Wort zu reden, die in der lebendigen, durch nichts unterbrochenen und geſtörten Vor- führung der dargeſtellten Handlung beſteht — der eigentlich dramatiſchen Richtung, die er als panoramatiſche Richtung bezeichnet. Laube charakteriſierte dies mit den Worten: „Die Bühne braucht Ohrenregiſſeure und keine Augen- regiſſeure“. So wirkte er als einer der gewiſſenhafteſten, fleißigſten, geiſtvollſten Regiſſeure, dem ſeine hervor- ragende Kenntnis der Bühne, ſeine reiche Phantaſie bei Inſzenierung und Einrichtung von Bühnenwerken klaſſi- ſcher und moderner Werke, weſentlich zu ſtatten kamen. S. iſt auch der tatkräftigſte, begeiſterte Ausführer und Ausgeſtalter ſowie der unentwegte und überzeugteſte Ver- teidiger der Münchener Bühnenreform geweſen. Unter ſeiner Regie fand am 1. Juni 1889 am königlichen Hof- theater in München die erſte Aufführung auf der „Shakeſpeare-Bühne“ (König Lear) ſtatt. So hat er auf die verſchiedenſte Art, nicht zum mindeſten durch ſein Talent, die Fähigkeit der Bühnenkünſtler zu erkennen und zu klaſſifizieren, dem königlichen Inſtitut, dem er unermüd- liches Intereſſe zuwendete, wiederholt die ſchätzbarſten Dinge erwieſen. Der Künſtler hat ſich aber auch literariſch betätigt. So ſeien erwähnt ſeine Broſchüre „An das Schauſpielperſonal der königlichen Theater in München“, die meiſterhafte Ueber- tragung von „Thereſe Raquin“ und „Renée“ von Zola, ge- ſchichtliche Eſſays über das Theâtre français, über deutſche Bühnen und ganz beſonders ſeine Inſzenierungsvorſchläge enthaltende reformatoriſche Schrift „Die Shakeſpeare-Bühne in München“ (1889), ſowie vor allem ſein grundlegendes Werk „Von der Abſicht des Dramas“. Seit Savits, verbittert durch mancherlei Vorkommniſſe, auf die wir heute nicht mehr zurückkommen wollen, vor faſt 10 Jahren ſich penſionieren ließ, ſind auch die Dramen ſeines Freundes Martin Greif, für die er hier und in Kraiburg ſo viel getan, von der Bühne verſchwunden. Auch literariſch iſt er für Martin Greif warm eingetreten. Seine Haupt- arbeit galt aber wie geſagt, immer der Shakeſpeare-Bühne und ihren. Vorausſetzungen und Folgerungen. Vielen unſerer heute noch wirkenden Künſtlern iſt Savits ein ge- wiſſenhafter Lehrer und Freund geweſen. Wir nennen nur Franz Jacobi, der ihm die ergreifende, Savits als Menſchen wie als Künſtler gleich gerecht werdende Grabrede gehalten, Geis, Anna Dandler, Emma Berndl uſw. Als Mitbegrün- der der Genoſſenſchaft Deutſcher Bühnenangehöriger, des Hoftheaterpenſionsvereins und der Penſionsanſtalt deutſcher Journaliſten und Schriftſteller iſt er mit aller Aufopferung tätig geweſen. Seine Kunſt ging ihm über alles, ihr hat er bis zum letzten Atemzug mit einem Idealismus gedient, der ihm bittere Erfahrungen reichlich eingebracht hat. Sein Wirken kann und wird nicht ganz untergehen; denn es lebt nicht nur in ſeinen Schülern und Schülerinnen, ſondern noch mehr in ſeinen Schriften, die, wenn ſie auch nicht durchaus bequem und praktiſch angelegt ſind, doch in ihrem geſunden Kern und mit ihrer guten auf das hohe reine Ziel der dramatiſchen Kunſt hinwirkenden Tendenz gerade nach dem Krieg gute Folgen haben werden, wenn, wie wir hoffen, ein ſiegreicher Krieg auch auf dem Gebiete des Theaters die Luft reinigen wird. Jocza Savits aber, der dieſe kommende künſtleriſche Regeneration mit heraufführen half, wollen wir immer ein dankbares Andenken bewahren. A. v. M. Münchener Theater. Nacht und Morgen. — Literariſch-muſikaliſcher Feſtabend zugunſten der Oſtpreußen. — Das Gaſtſpiel Kayßler-Fehdmer: Minna von Barnhelm, Amphitryon, Berg-Eyvind und ſein Weib. Unſer Reſidenztheater hat ein 14 Jahre altes Stück von Paul Lindau aufgegriffen und zum erſtenmal aufgeführt. Paul Lindau iſt im letzten Jahrzehnt in der Münchener Theatergeſchichte nicht von uns verwöhnt worden: er galt faſt als abgetan. Vielleicht mit Unrecht, da er noch immer ein beſſerer Theatertechniker iſt, als viele ſeiner jungen Nach- folger, wenn auch ſeine Technik ſtets einen ausgeſprochen franzöſiſchen Charakter an ſich trug. Daß man gerade ſein vieraktiges Schauſpiel „Nacht und Morgen“, das im De- zember 1901 ſeine Uraufführung am Berliner Theater er- lebt hatte, uns vorgeführt hat, mag vielleicht darin liegen, daß ſich die Handlung, die damals in unſerer Zeitung aus- führlich erzählt worden iſt, und die wir nicht wiederholen wollen, ſich um den Diebſtahl eines diplomatiſchen Akten- ſtückes dreht, das den öſterreichiſch-italieniſchen Bündnis- vertrag zum Gegenſtand hat. Ein franzöſiſcher Botſchafts- ſekretär in Berlin weiß ſich das für ihn intereſſierende Do- kument auf ſchlaue Weiſe zu verſchaffen, die dem betreffen- den deutſchen Legationsrat, der zufällig gleichzeitig gerade auf Urlaub geht, faſt zum Verhängnis geworden wäre. Wenn auch der wirklich Schuldige, ein Kanzleidiener, nach vier bangen Akten glücklich entdeckt wird, ſo geht doch die Geſchichte für den leichtlebigen Legationsrat immerhin fatal genug aus, da ſeine Unſchuld nur dadurch entdeckt wird, daß er eingeſteht, die betreffende Nacht, in der er abgereiſt ſein ſollte, bei ſeiner Schwägerin verbracht zu haben. Lindau, der von jeher ſich gerne mit Kriminalfällen befaßt hat, weiß dieſe Geſchichte leidlich glaubhaft und ſpannend darzuſtellen. Die Aufführung, mit Herrn Graumann und Frau v. Hagen in den Hauptrollen, hatte denn auch bei uns einen ſehr freundlichen Erfolg. Einer, der von Berufs wegen ſich mit kriminalen Din- gen abgeben muß, iſt unſer Münchener Juſtizrat Max Bern- ſtein. Er hat ein einaktiges Schauſpiel „Der Richter“ ge- ſchrieben, das in dieſen Tagen im Schauſpielhauſe bei einem literariſch-muſikaliſchen Feſtabend zugunſten der Münchener Oſtpreußenhilfe zur Uraufführung kam. Der Richter in eigener Sache iſt ein älterer Oberpoſtſekretär, deſſen junge Frau ein Verhältnis mit ihrem Zimmernherrn, einem Werk- meiſter, hat. Der ahnungsloſe Gatte erfährt die grobe Täu- ſchung, und es iſt nun hübſch und ergreifend zu ſehen, wie der gewandte Autor den betrogenen Gatten von der erſten Abſicht, den Verführer zu erſchlagen und die Frau auf die Straße zu ſetzen, langſam zum Verzeihen ſich emporläutern läßt, ſo daß er zum Schluß nur dem nichtsnutzigen Verführer die Türe weiſt, der ſchwachen Frau aber, die innerlich längſt bereut hat, verzeiht. Die beiden Hauptrollen wurden von dem Direktor des Münchener Volkstheaters Hofrat Beck und Fräulein Roſar ganz ausgezeichnet gegeben. Den Werk- meiſter ſtellte Herr Weigert, ein altes Dienſtmädchen, durch das die Geſchichte aufkommt, Luiſe Fiſcher vorzüglich und glaubhaft dar. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Da- gegen war es nicht wohl getan und verriet wenig Geſchmack, dieſen Wohltätigkeitsabend mit einer zweiten, tragiſch ver- laufenden Ehebruchsgeſchichte ſchließen zu laſſen, mit Hugo von Hofmannsthals bekanntem Einakter „Die Frau im Fenſter“. Herr Steinrück hatte den Meſſer Braccio ſchon in unſerem Hoftheater geſpielt und ſpielte ihn auch hier, und ſeine Partnerin war Fräulein Roſar. Das ſehr diſtinguierte Publikum verließ das Haus mit ziemlich deutlichem Proteſt, was bei einem ſolchen Anlaß gewiß nicht vorkommen ſollte und auch noch nicht vorgekommen iſt. Erfreulicher war der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 15. Mai 1915, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1915/11>, abgerufen am 01.06.2024.