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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929.

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10
Pfennig


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... Pavillon Gruß
JOSE SOLER
spielt
die fabelhaftesten Tangos

Nr. 20
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Donnerstag
24. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Gesellschaft. München, Baaderstraße 1a.
/ Redaktion München.
Baaderstr. 1a./Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Postscheckkonto
München 9870 / Verantwortlich für den gesamten Inhalts
Dr. Rolf Flügel. für Anzeigen M. Girisch, sämtliche in München
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Die "AZ" erscheint an jed. Wochentag u. kostet im Eingelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2.- monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
anßerhalb Münchens u. durch d. Post M. 2.40 monatl./Für D. Oesterr. beträgt
der Einzelpreis 20 Grosch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./Anzeigen-
preis:
Die neunspaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80


Ein Kapitel Münchner Fremdenpolitik
Deutsches Museum lehnt "Bremen" ab

Hüneselds Angebot * Die Absage * Seltsame Begründung

[Spaltenumbruch]

Im Anschluß an die erste Ost-West-Ueber-
querung des Atlantischen Ozeans durch ein Flug-
zeug hat es verschiedentlich Befremden erregt, als
bekannt wurde, daß Herr von Hünefeld, der
Eigentümer der "Bremen", das Flugzeug einem
Neuyorker Museum geschenkweise überlassen hat.
Nun erfährt man auf Umwegen über Hamburger
und Bremer Zeitungen, wie dieser Entschluß zu-
stande kam.

Daß München, bzw. das Direktorium des
Deutschen Museums dabei die entscheidende
Rolle gespielt hat,

wird hier besonders interessieren. Es war ur-
sprünglich geplant, das Flugzeug, dem kaum
historische Bedeutung abgesprochen werden kann,
dem Deutschen Museum zu überlassen. Das An-
gebot wurde jedoch mit dem Hinweis auf den
streng wissenschaftlichen Charakter des Museums
abgelehnt; Freiherr von Hünefeld gibt dazu fol-
gende Erklärung: "Das Flugzeug "Bremen" ist
auf meine Veranlassung Exzellenz von Miller
telegraphisch angeboten worden. Exzellenz von

[irrelevantes Material]
[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]

Miller hat das Geschenk abgelehnt mit dem Hin-
weis, daß das Flugzeug nicht in den Rahmen
des Deutschen Museums passe. Daraufhin ist es
dem Neuyorker Museum überlassen worden."

Wie wir auf Rückfrage beim Direktorium des
Deutschen Museums erfahren, beruht dieser merk-
würdige Vorgang tatsächlich auf Wahrheit. Es
wurde von den Münchner Herren Hünefeld vor-
geschlagen, die "Bremen" entweder dem Ver-
kehrsmuseum in Nürnberg zu überlassen oder sie
als Monumentaldenkmal auf einem deutschen
Flugplatz aufzustellen.

Man wird für diese engherzige Argumentation,
besonders in den Kreisen der am Fremdenverkehr
interessierten Münchner und bayerischen Bevöl-
[Spaltenumbruch] kerung wenig Verständnis haben. Daß diese
Maschine
Anziehungspunkt für Tausende von aus-
wärtigen Besuchern, besonders Amerikanern

geworden wäre, ist einleuchtend, wie auch die
Tatsache, daß Hünefelds Angebot allein für die
Stadt München eine Ehrung ersten Ranges be-
deutet hat.

Ohne den rein sportlichen Rekord der Flieger
mit dem ersten gelungenen Ost-West-Flug über-
schätzen zu wollen, war das Ereignis eine Tat
der Völkerannäherung und die Flieger werden
immer im Herzen Deutschlands sein. Dem Flug-
zeug deutscher Konstruktion aber mißgönnt man
den Platz im Deutschen Museum.



Wer bezahlt nun die deutschen Schienen?

Die Lieferungsausträge Amanullahs an europäische Firmen


"Morning Post" meldet aus Karachi: Englische und kontinentale
Firmen und ihre Agenten, denen die bisherige afghanische Regierung vor dem Fall des Königs
Amanullah große Bestellungen hatte zugehen lassen, sähen sich infolge der Revolution zahlreichen
Schwierigkeiten gegenüber. Demnächst werde auch eine Schiffsladung von Schienen aus Deutsch-
land erwartet, die König Amanullah zum Bau von Eisenbahnlinien in Afghanistan bestellt hatte.



Frankreich im Elsaß
Gesetze gegen autonomistische Bewegung

Vor einer erregten Kammerdebatte * Herr Coty, der alte Deutschenfeind


Heute nachmittag
beginnt in der Kammer die Interpellations-
debatte über die Politik der französischen
Regierung im Elsaß und in Lothringen.
Zehn Abgeordnete verschiedener Fraktionen
haben Interpellationen eingebracht und für
die Diskussion haben sich bereits acht Abge-
ordnete eingeschrieben. Außerdem haben die
neugewählten Abgeordneten von Kolmar
und Altkirch, Hauß und Stürmel, be-
kanntgegeben, daß sie im Laufe der Debatte
ebenfalls die Absicht haben, das Wort zu er-
greifen. Unter diesen Umständen sieht man,
da Ministerpräsident Poincare in einer län-
geren Rede die Interpellation beantworten
will, eine Debatte voraus, die etwa sechs
Sitzungen umfassen wird.

Die Debatte wird bereits von einigen
rechtsstehenden Blättern eingeleitet. "Echo
de Paris" und "Petit Parisien" fordern ge-
setzliche Maßnahmen gegen die autonomisti-
sche Bewegung und diesen Forderungen
schließt sich auch das Coty-Blatt "Gaulois"
an, das im übrigen seinen ganzen Artikel
nur auf Deutschland abstellt und durch
Auszüge aus solchen Blättern zu beweisen
sucht, daß Deutschland seine Hand bei der
[Spaltenumbruch] autonomistischen Bewegung im Spiele
habe.

Kanal
Frankreich--England

Keine militärischen Bedenken


Auf dem Essen, bei dem
auch der französische Botschafter anwesend war,
ergriff Sir Robert Horne das Wort und
sagte: Es steht außer Zweifel, daß ein Kanal-
tunnel den Verkehr zwischen England und Frank-
reich ungeheuer steigern würde. Das militärische
Problem hat sich infolge der im Kriege gemachten
Erfahrungen völlig geändert. Die Befürchtungen
des Reichsverteidigungsausschusses haben nicht
mehr das frühere Gewicht.

Truppeninspektion

General Heye in Augsburg


General Heye, der
Chef der deutschen Heeresleitung, traf heute
morgen mit dem fahrplanmäßigen Zug
D 50 aus Berlin zur Inspizierung der hiesi-
gen Truppen ein.

Wetterbericht

Zeitweise leichtere Schneefälle, leichter Frost.

[Spaltenumbruch]
Kunst in Not!
Ein Münchner Künstler hat das Wort

Die entschiedene Stellungnahme der "AZ"
zu brennenden kunstpolitischen und kulturellen
Fragen bringt uns viele Zuschriften auch aus
Künstlerkreisen; wir veröffentlichen heute die
Ausführungen eines Malers.

Joan Anacker, Begründer und Vorstands-
mitglied des früheren Feldgrauen Künstler-
bundes, jetzigen "Künstlerbundes München",
schreibt:

Zu Jhrem Artikel "Münchens kulturelle Sen-
dung" möchte ich versuchen, einige Schlaglichter
auf die Notlage der bildenden Künstlerschaft zu
werfen. Die ersten Voraussetzungen, Kunst zu
schaffen, liegen hier wie bei allen Schaffenden
darin, daß die elementarsten Existenzbedingungen,
die Grundlagen für Leibes Nahrung und Not-
durft gegeben sind, Grundlagen, die heute bei
einem Großteil der Künstlerschaft entweder über-
haupt fehlen oder auf Wegen herbeigeschafft
werden, die mit der Ausübung eines künstlerischen
Berufes wenig bis gar nichts zu tun haben.

Daß unter solchen Umständen die Gesamt-
leistung immer geringer werden muß, ist selbst-
verständlich. Nicht nur die Jugend, ebenso die
reife Künstlerschaft auf der Höhe ihrer Leistungs-
fähigkeit ist gar nicht mehr in der Lage, ihr
Können auswirken zu lassen, da der Lebenskampf
ihnen die Zeit raubt, sich wie in Vorkriegszeiten
ernsten künstlerischen Problemen hinzugeben. Es
ist nicht denkbar, Kunstwerke zu schaffen, wenn
der leitende Gedanke vor der unbemalten Lein-
wand und dem ungeformten Ton der ist: --
Kann ich das verkaufen, -- wird das dem Händ-
ler gefallen, -- paßt das Format in den alten
Rahmen, da ein neuer nicht zu erschwingen ist,
-- oder soll ich überhaupt noch Geld in Material
stecken, da ich nicht weiß, wovon ich das morgen
decken soll? --

Die Kunststadt München hat bedauerlicherweise
nie mit der Kaufkraft der Münchner Einwohner-
schaft und nur zum geringen Teile mit der ihrer
bayerischen Landsleute rechnen können. Wohl
hat die Besucherzahl der Fremden in München
zugenommen, aber hier hat eine völlig andere
Einstellung zum Münchner Aufenthalt Platz ge-
griffen. Immer größer wird anscheinend die Zahl
derer, die die Bier stadt München, als jener,
die die Kunst stadt München besuchen. Der
Aufenthalt beschränkt sich meist nur auf die
Durchreise. -- Nicht zu verkennen ist die Ver-
armung des Mittelstandes als Hauptgrund der
geringeren Nachfrage. Es ist ein schwerer Irr-
tum zu glauben, daß in Vorkriegszeiten der
Hauptkäufer auf dem Kunstmarkt das Großkapital
gewesen sei; das Gros der Künstlerschaft lebte
vom guten Mittelstande und die Mehrzahl der
heutigen Ankäufe werden auch jetzt noch vom
Mittelstande getätigt. Ebenso falsch ist die An-
nahme, daß das Ausland Münchens Haupt-
abnehmer gewesen wäre; es waren überwiegend
-- dies sei zu unserer Freude festgestellt --
Deutsche, die kauften, und heute noch sind es vor-
wiegend die Deutschen. Mit der Verarmung des
Mittelstandes war auch vielen Künstlern der
Todesstoß versetzt, um so mehr, da sie selbst ihre
Ersparnisse mit verloren und sich nun als reife
Männer und Familienväter einem Bohemedasein
ausgeliefert sehen, mit dem verglichen sich die oft
recht entbehrungsreichen Studienjahre als ange-
nehme Episode darstellen.

Daß die ältere Künstlerschaft auch in mate-
rieller Hinsicht den Wittelsbachern nachtrauert,
ist eine begründete Tatsache. Wir erinnern an
die fast täglichen Besuche des alten Prinzregenten
in der Akademie, an die ungezählten Besuche, die
er auch unbedeutenden Künstlern auf ihren Ate-
liers machte. Dieser Mann lebte mit seiner
Künstlerschaft wie seine Vorgänger. Ich will nicht
die Größe der Ankäufe heranziehen, die bei den
nicht übermäßigen Mitteln des Prinzregenten

[irrelevantes Material]

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10
Pfennig


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... Pavillon Gruß
JOSÉ SOLER
ſpielt
die fabelhafteſten Tangos

Nr. 20
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Donnerstag
24. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Geſellſchaft. München, Baaderſtraße 1a.
/ Redaktion München.
Baaderſtr. 1a./Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Poſtſcheckkonto
München 9870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalts
Dr. Rolf Flügel. für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München
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Die „AZ“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Eingelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2.- monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
anßerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl./Für D. Oeſterr. beträgt
der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./Anzeigen-
preis:
Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80


Ein Kapitel Münchner Fremdenpolitik
Deutſches Muſeum lehnt „Bremen“ ab

Hüneſelds Angebot * Die Abſage * Seltſame Begründung

[Spaltenumbruch]

Im Anſchluß an die erſte Oſt-Weſt-Ueber-
querung des Atlantiſchen Ozeans durch ein Flug-
zeug hat es verſchiedentlich Befremden erregt, als
bekannt wurde, daß Herr von Hünefeld, der
Eigentümer der „Bremen“, das Flugzeug einem
Neuyorker Muſeum geſchenkweiſe überlaſſen hat.
Nun erfährt man auf Umwegen über Hamburger
und Bremer Zeitungen, wie dieſer Entſchluß zu-
ſtande kam.

Daß München, bzw. das Direktorium des
Deutſchen Muſeums dabei die entſcheidende
Rolle geſpielt hat,

wird hier beſonders intereſſieren. Es war ur-
ſprünglich geplant, das Flugzeug, dem kaum
hiſtoriſche Bedeutung abgeſprochen werden kann,
dem Deutſchen Muſeum zu überlaſſen. Das An-
gebot wurde jedoch mit dem Hinweis auf den
ſtreng wiſſenſchaftlichen Charakter des Muſeums
abgelehnt; Freiherr von Hünefeld gibt dazu fol-
gende Erklärung: „Das Flugzeug „Bremen“ iſt
auf meine Veranlaſſung Exzellenz von Miller
telegraphiſch angeboten worden. Exzellenz von

[irrelevantes Material]
[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]

Miller hat das Geſchenk abgelehnt mit dem Hin-
weis, daß das Flugzeug nicht in den Rahmen
des Deutſchen Muſeums paſſe. Daraufhin iſt es
dem Neuyorker Muſeum überlaſſen worden.“

Wie wir auf Rückfrage beim Direktorium des
Deutſchen Muſeums erfahren, beruht dieſer merk-
würdige Vorgang tatſächlich auf Wahrheit. Es
wurde von den Münchner Herren Hünefeld vor-
geſchlagen, die „Bremen“ entweder dem Ver-
kehrsmuſeum in Nürnberg zu überlaſſen oder ſie
als Monumentaldenkmal auf einem deutſchen
Flugplatz aufzuſtellen.

Man wird für dieſe engherzige Argumentation,
beſonders in den Kreiſen der am Fremdenverkehr
intereſſierten Münchner und bayeriſchen Bevöl-
[Spaltenumbruch] kerung wenig Verſtändnis haben. Daß dieſe
Maſchine
Anziehungspunkt für Tauſende von aus-
wärtigen Beſuchern, beſonders Amerikanern

geworden wäre, iſt einleuchtend, wie auch die
Tatſache, daß Hünefelds Angebot allein für die
Stadt München eine Ehrung erſten Ranges be-
deutet hat.

Ohne den rein ſportlichen Rekord der Flieger
mit dem erſten gelungenen Oſt-Weſt-Flug über-
ſchätzen zu wollen, war das Ereignis eine Tat
der Völkerannäherung und die Flieger werden
immer im Herzen Deutſchlands ſein. Dem Flug-
zeug deutſcher Konſtruktion aber mißgönnt man
den Platz im Deutſchen Muſeum.



Wer bezahlt nun die deutſchen Schienen?

Die Lieferungsauſträge Amanullahs an europäiſche Firmen


„Morning Poſt“ meldet aus Karachi: Engliſche und kontinentale
Firmen und ihre Agenten, denen die bisherige afghaniſche Regierung vor dem Fall des Königs
Amanullah große Beſtellungen hatte zugehen laſſen, ſähen ſich infolge der Revolution zahlreichen
Schwierigkeiten gegenüber. Demnächſt werde auch eine Schiffsladung von Schienen aus Deutſch-
land erwartet, die König Amanullah zum Bau von Eiſenbahnlinien in Afghaniſtan beſtellt hatte.



Frankreich im Elſaß
Geſetze gegen autonomiſtiſche Bewegung

Vor einer erregten Kammerdebatte * Herr Coty, der alte Deutſchenfeind


Heute nachmittag
beginnt in der Kammer die Interpellations-
debatte über die Politik der franzöſiſchen
Regierung im Elſaß und in Lothringen.
Zehn Abgeordnete verſchiedener Fraktionen
haben Interpellationen eingebracht und für
die Diskuſſion haben ſich bereits acht Abge-
ordnete eingeſchrieben. Außerdem haben die
neugewählten Abgeordneten von Kolmar
und Altkirch, Hauß und Stürmel, be-
kanntgegeben, daß ſie im Laufe der Debatte
ebenfalls die Abſicht haben, das Wort zu er-
greifen. Unter dieſen Umſtänden ſieht man,
da Miniſterpräſident Poincaré in einer län-
geren Rede die Interpellation beantworten
will, eine Debatte voraus, die etwa ſechs
Sitzungen umfaſſen wird.

Die Debatte wird bereits von einigen
rechtsſtehenden Blättern eingeleitet. „Echo
de Paris“ und „Petit Pariſien“ fordern ge-
ſetzliche Maßnahmen gegen die autonomiſti-
ſche Bewegung und dieſen Forderungen
ſchließt ſich auch das Coty-Blatt „Gaulois“
an, das im übrigen ſeinen ganzen Artikel
nur auf Deutſchland abſtellt und durch
Auszüge aus ſolchen Blättern zu beweiſen
ſucht, daß Deutſchland ſeine Hand bei der
[Spaltenumbruch] autonomiſtiſchen Bewegung im Spiele
habe.

Kanal
Frankreich—England

Keine militäriſchen Bedenken


Auf dem Eſſen, bei dem
auch der franzöſiſche Botſchafter anweſend war,
ergriff Sir Robert Horne das Wort und
ſagte: Es ſteht außer Zweifel, daß ein Kanal-
tunnel den Verkehr zwiſchen England und Frank-
reich ungeheuer ſteigern würde. Das militäriſche
Problem hat ſich infolge der im Kriege gemachten
Erfahrungen völlig geändert. Die Befürchtungen
des Reichsverteidigungsausſchuſſes haben nicht
mehr das frühere Gewicht.

Truppeninſpektion

General Heye in Augsburg


General Heye, der
Chef der deutſchen Heeresleitung, traf heute
morgen mit dem fahrplanmäßigen Zug
D 50 aus Berlin zur Inſpizierung der hieſi-
gen Truppen ein.

Wetterbericht

Zeitweiſe leichtere Schneefälle, leichter Froſt.

[Spaltenumbruch]
Kunſt in Not!
Ein Münchner Künſtler hat das Wort

Die entſchiedene Stellungnahme der „AZ“
zu brennenden kunſtpolitiſchen und kulturellen
Fragen bringt uns viele Zuſchriften auch aus
Künſtlerkreiſen; wir veröffentlichen heute die
Ausführungen eines Malers.

Joan Anacker, Begründer und Vorſtands-
mitglied des früheren Feldgrauen Künſtler-
bundes, jetzigen „Künſtlerbundes München“,
ſchreibt:

Zu Jhrem Artikel „Münchens kulturelle Sen-
dung“ möchte ich verſuchen, einige Schlaglichter
auf die Notlage der bildenden Künſtlerſchaft zu
werfen. Die erſten Vorausſetzungen, Kunſt zu
ſchaffen, liegen hier wie bei allen Schaffenden
darin, daß die elementarſten Exiſtenzbedingungen,
die Grundlagen für Leibes Nahrung und Not-
durft gegeben ſind, Grundlagen, die heute bei
einem Großteil der Künſtlerſchaft entweder über-
haupt fehlen oder auf Wegen herbeigeſchafft
werden, die mit der Ausübung eines künſtleriſchen
Berufes wenig bis gar nichts zu tun haben.

Daß unter ſolchen Umſtänden die Geſamt-
leiſtung immer geringer werden muß, iſt ſelbſt-
verſtändlich. Nicht nur die Jugend, ebenſo die
reife Künſtlerſchaft auf der Höhe ihrer Leiſtungs-
fähigkeit iſt gar nicht mehr in der Lage, ihr
Können auswirken zu laſſen, da der Lebenskampf
ihnen die Zeit raubt, ſich wie in Vorkriegszeiten
ernſten künſtleriſchen Problemen hinzugeben. Es
iſt nicht denkbar, Kunſtwerke zu ſchaffen, wenn
der leitende Gedanke vor der unbemalten Lein-
wand und dem ungeformten Ton der iſt: —
Kann ich das verkaufen, — wird das dem Händ-
ler gefallen, — paßt das Format in den alten
Rahmen, da ein neuer nicht zu erſchwingen iſt,
— oder ſoll ich überhaupt noch Geld in Material
ſtecken, da ich nicht weiß, wovon ich das morgen
decken ſoll? —

Die Kunſtſtadt München hat bedauerlicherweiſe
nie mit der Kaufkraft der Münchner Einwohner-
ſchaft und nur zum geringen Teile mit der ihrer
bayeriſchen Landsleute rechnen können. Wohl
hat die Beſucherzahl der Fremden in München
zugenommen, aber hier hat eine völlig andere
Einſtellung zum Münchner Aufenthalt Platz ge-
griffen. Immer größer wird anſcheinend die Zahl
derer, die die Bier ſtadt München, als jener,
die die Kunſt ſtadt München beſuchen. Der
Aufenthalt beſchränkt ſich meiſt nur auf die
Durchreiſe. — Nicht zu verkennen iſt die Ver-
armung des Mittelſtandes als Hauptgrund der
geringeren Nachfrage. Es iſt ein ſchwerer Irr-
tum zu glauben, daß in Vorkriegszeiten der
Hauptkäufer auf dem Kunſtmarkt das Großkapital
geweſen ſei; das Gros der Künſtlerſchaft lebte
vom guten Mittelſtande und die Mehrzahl der
heutigen Ankäufe werden auch jetzt noch vom
Mittelſtande getätigt. Ebenſo falſch iſt die An-
nahme, daß das Ausland Münchens Haupt-
abnehmer geweſen wäre; es waren überwiegend
— dies ſei zu unſerer Freude feſtgeſtellt —
Deutſche, die kauften, und heute noch ſind es vor-
wiegend die Deutſchen. Mit der Verarmung des
Mittelſtandes war auch vielen Künſtlern der
Todesſtoß verſetzt, um ſo mehr, da ſie ſelbſt ihre
Erſparniſſe mit verloren und ſich nun als reife
Männer und Familienväter einem Bohemedaſein
ausgeliefert ſehen, mit dem verglichen ſich die oft
recht entbehrungsreichen Studienjahre als ange-
nehme Epiſode darſtellen.

Daß die ältere Künſtlerſchaft auch in mate-
rieller Hinſicht den Wittelsbachern nachtrauert,
iſt eine begründete Tatſache. Wir erinnern an
die faſt täglichen Beſuche des alten Prinzregenten
in der Akademie, an die ungezählten Beſuche, die
er auch unbedeutenden Künſtlern auf ihren Ate-
liers machte. Dieſer Mann lebte mit ſeiner
Künſtlerſchaft wie ſeine Vorgänger. Ich will nicht
die Größe der Ankäufe heranziehen, die bei den
nicht übermäßigen Mitteln des Prinzregenten

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[0001] [Abbildung 10 Pfennig] [Abbildung ... Pavillon Gruß JOSÉ SOLER ſpielt die fabelhafteſten Tangos] Nr. 20 AZ am Abend 8-Uhr-Abendblatt Allgemeine Zeitung 132. Jahrgang München Donnerstag 24. Januar 1929 Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien- Geſellſchaft. München, Baaderſtraße 1a. / Redaktion München. Baaderſtr. 1a./Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Poſtſcheckkonto München 9870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalts Dr. Rolf Flügel. für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München [Abbildung] Die „AZ“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Eingelverkauf 10 Pfg., im Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2.- monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl., anßerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl./Für D. Oeſterr. beträgt der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./Anzeigen- preis: Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80 Ein Kapitel Münchner Fremdenpolitik Deutſches Muſeum lehnt „Bremen“ ab Hüneſelds Angebot * Die Abſage * Seltſame Begründung München, 24. Januar Im Anſchluß an die erſte Oſt-Weſt-Ueber- querung des Atlantiſchen Ozeans durch ein Flug- zeug hat es verſchiedentlich Befremden erregt, als bekannt wurde, daß Herr von Hünefeld, der Eigentümer der „Bremen“, das Flugzeug einem Neuyorker Muſeum geſchenkweiſe überlaſſen hat. Nun erfährt man auf Umwegen über Hamburger und Bremer Zeitungen, wie dieſer Entſchluß zu- ſtande kam. Daß München, bzw. das Direktorium des Deutſchen Muſeums dabei die entſcheidende Rolle geſpielt hat, wird hier beſonders intereſſieren. Es war ur- ſprünglich geplant, das Flugzeug, dem kaum hiſtoriſche Bedeutung abgeſprochen werden kann, dem Deutſchen Muſeum zu überlaſſen. Das An- gebot wurde jedoch mit dem Hinweis auf den ſtreng wiſſenſchaftlichen Charakter des Muſeums abgelehnt; Freiherr von Hünefeld gibt dazu fol- gende Erklärung: „Das Flugzeug „Bremen“ iſt auf meine Veranlaſſung Exzellenz von Miller telegraphiſch angeboten worden. Exzellenz von _ _ Miller hat das Geſchenk abgelehnt mit dem Hin- weis, daß das Flugzeug nicht in den Rahmen des Deutſchen Muſeums paſſe. Daraufhin iſt es dem Neuyorker Muſeum überlaſſen worden.“ Wie wir auf Rückfrage beim Direktorium des Deutſchen Muſeums erfahren, beruht dieſer merk- würdige Vorgang tatſächlich auf Wahrheit. Es wurde von den Münchner Herren Hünefeld vor- geſchlagen, die „Bremen“ entweder dem Ver- kehrsmuſeum in Nürnberg zu überlaſſen oder ſie als Monumentaldenkmal auf einem deutſchen Flugplatz aufzuſtellen. Man wird für dieſe engherzige Argumentation, beſonders in den Kreiſen der am Fremdenverkehr intereſſierten Münchner und bayeriſchen Bevöl- kerung wenig Verſtändnis haben. Daß dieſe Maſchine Anziehungspunkt für Tauſende von aus- wärtigen Beſuchern, beſonders Amerikanern geworden wäre, iſt einleuchtend, wie auch die Tatſache, daß Hünefelds Angebot allein für die Stadt München eine Ehrung erſten Ranges be- deutet hat. Ohne den rein ſportlichen Rekord der Flieger mit dem erſten gelungenen Oſt-Weſt-Flug über- ſchätzen zu wollen, war das Ereignis eine Tat der Völkerannäherung und die Flieger werden immer im Herzen Deutſchlands ſein. Dem Flug- zeug deutſcher Konſtruktion aber mißgönnt man den Platz im Deutſchen Muſeum. Wer bezahlt nun die deutſchen Schienen? Die Lieferungsauſträge Amanullahs an europäiſche Firmen London, 24. Januar. „Morning Poſt“ meldet aus Karachi: Engliſche und kontinentale Firmen und ihre Agenten, denen die bisherige afghaniſche Regierung vor dem Fall des Königs Amanullah große Beſtellungen hatte zugehen laſſen, ſähen ſich infolge der Revolution zahlreichen Schwierigkeiten gegenüber. Demnächſt werde auch eine Schiffsladung von Schienen aus Deutſch- land erwartet, die König Amanullah zum Bau von Eiſenbahnlinien in Afghaniſtan beſtellt hatte. Frankreich im Elſaß Geſetze gegen autonomiſtiſche Bewegung Vor einer erregten Kammerdebatte * Herr Coty, der alte Deutſchenfeind Paris, 24. Januar. Heute nachmittag beginnt in der Kammer die Interpellations- debatte über die Politik der franzöſiſchen Regierung im Elſaß und in Lothringen. Zehn Abgeordnete verſchiedener Fraktionen haben Interpellationen eingebracht und für die Diskuſſion haben ſich bereits acht Abge- ordnete eingeſchrieben. Außerdem haben die neugewählten Abgeordneten von Kolmar und Altkirch, Hauß und Stürmel, be- kanntgegeben, daß ſie im Laufe der Debatte ebenfalls die Abſicht haben, das Wort zu er- greifen. Unter dieſen Umſtänden ſieht man, da Miniſterpräſident Poincaré in einer län- geren Rede die Interpellation beantworten will, eine Debatte voraus, die etwa ſechs Sitzungen umfaſſen wird. Die Debatte wird bereits von einigen rechtsſtehenden Blättern eingeleitet. „Echo de Paris“ und „Petit Pariſien“ fordern ge- ſetzliche Maßnahmen gegen die autonomiſti- ſche Bewegung und dieſen Forderungen ſchließt ſich auch das Coty-Blatt „Gaulois“ an, das im übrigen ſeinen ganzen Artikel nur auf Deutſchland abſtellt und durch Auszüge aus ſolchen Blättern zu beweiſen ſucht, daß Deutſchland ſeine Hand bei der autonomiſtiſchen Bewegung im Spiele habe. Kanal Frankreich—England Keine militäriſchen Bedenken London, 24. Jan. Auf dem Eſſen, bei dem auch der franzöſiſche Botſchafter anweſend war, ergriff Sir Robert Horne das Wort und ſagte: Es ſteht außer Zweifel, daß ein Kanal- tunnel den Verkehr zwiſchen England und Frank- reich ungeheuer ſteigern würde. Das militäriſche Problem hat ſich infolge der im Kriege gemachten Erfahrungen völlig geändert. Die Befürchtungen des Reichsverteidigungsausſchuſſes haben nicht mehr das frühere Gewicht. Truppeninſpektion General Heye in Augsburg Augsburg, 24. Januar. General Heye, der Chef der deutſchen Heeresleitung, traf heute morgen mit dem fahrplanmäßigen Zug D 50 aus Berlin zur Inſpizierung der hieſi- gen Truppen ein. Wetterbericht Zeitweiſe leichtere Schneefälle, leichter Froſt. Kunſt in Not! Ein Münchner Künſtler hat das Wort Die entſchiedene Stellungnahme der „AZ“ zu brennenden kunſtpolitiſchen und kulturellen Fragen bringt uns viele Zuſchriften auch aus Künſtlerkreiſen; wir veröffentlichen heute die Ausführungen eines Malers. Joan Anacker, Begründer und Vorſtands- mitglied des früheren Feldgrauen Künſtler- bundes, jetzigen „Künſtlerbundes München“, ſchreibt: Zu Jhrem Artikel „Münchens kulturelle Sen- dung“ möchte ich verſuchen, einige Schlaglichter auf die Notlage der bildenden Künſtlerſchaft zu werfen. Die erſten Vorausſetzungen, Kunſt zu ſchaffen, liegen hier wie bei allen Schaffenden darin, daß die elementarſten Exiſtenzbedingungen, die Grundlagen für Leibes Nahrung und Not- durft gegeben ſind, Grundlagen, die heute bei einem Großteil der Künſtlerſchaft entweder über- haupt fehlen oder auf Wegen herbeigeſchafft werden, die mit der Ausübung eines künſtleriſchen Berufes wenig bis gar nichts zu tun haben. Daß unter ſolchen Umſtänden die Geſamt- leiſtung immer geringer werden muß, iſt ſelbſt- verſtändlich. Nicht nur die Jugend, ebenſo die reife Künſtlerſchaft auf der Höhe ihrer Leiſtungs- fähigkeit iſt gar nicht mehr in der Lage, ihr Können auswirken zu laſſen, da der Lebenskampf ihnen die Zeit raubt, ſich wie in Vorkriegszeiten ernſten künſtleriſchen Problemen hinzugeben. Es iſt nicht denkbar, Kunſtwerke zu ſchaffen, wenn der leitende Gedanke vor der unbemalten Lein- wand und dem ungeformten Ton der iſt: — Kann ich das verkaufen, — wird das dem Händ- ler gefallen, — paßt das Format in den alten Rahmen, da ein neuer nicht zu erſchwingen iſt, — oder ſoll ich überhaupt noch Geld in Material ſtecken, da ich nicht weiß, wovon ich das morgen decken ſoll? — Die Kunſtſtadt München hat bedauerlicherweiſe nie mit der Kaufkraft der Münchner Einwohner- ſchaft und nur zum geringen Teile mit der ihrer bayeriſchen Landsleute rechnen können. Wohl hat die Beſucherzahl der Fremden in München zugenommen, aber hier hat eine völlig andere Einſtellung zum Münchner Aufenthalt Platz ge- griffen. Immer größer wird anſcheinend die Zahl derer, die die Bier ſtadt München, als jener, die die Kunſt ſtadt München beſuchen. Der Aufenthalt beſchränkt ſich meiſt nur auf die Durchreiſe. — Nicht zu verkennen iſt die Ver- armung des Mittelſtandes als Hauptgrund der geringeren Nachfrage. Es iſt ein ſchwerer Irr- tum zu glauben, daß in Vorkriegszeiten der Hauptkäufer auf dem Kunſtmarkt das Großkapital geweſen ſei; das Gros der Künſtlerſchaft lebte vom guten Mittelſtande und die Mehrzahl der heutigen Ankäufe werden auch jetzt noch vom Mittelſtande getätigt. Ebenſo falſch iſt die An- nahme, daß das Ausland Münchens Haupt- abnehmer geweſen wäre; es waren überwiegend — dies ſei zu unſerer Freude feſtgeſtellt — Deutſche, die kauften, und heute noch ſind es vor- wiegend die Deutſchen. Mit der Verarmung des Mittelſtandes war auch vielen Künſtlern der Todesſtoß verſetzt, um ſo mehr, da ſie ſelbſt ihre Erſparniſſe mit verloren und ſich nun als reife Männer und Familienväter einem Bohemedaſein ausgeliefert ſehen, mit dem verglichen ſich die oft recht entbehrungsreichen Studienjahre als ange- nehme Epiſode darſtellen. Daß die ältere Künſtlerſchaft auch in mate- rieller Hinſicht den Wittelsbachern nachtrauert, iſt eine begründete Tatſache. Wir erinnern an die faſt täglichen Beſuche des alten Prinzregenten in der Akademie, an die ungezählten Beſuche, die er auch unbedeutenden Künſtlern auf ihren Ate- liers machte. Dieſer Mann lebte mit ſeiner Künſtlerſchaft wie ſeine Vorgänger. Ich will nicht die Größe der Ankäufe heranziehen, die bei den nicht übermäßigen Mitteln des Prinzregenten _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 1929, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1929/1>, abgerufen am 16.05.2024.