Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 25. Januar 1929.Freitag, den 25. Januar "AZ am Abend" Nr. 21 Was interessiert die Frau? [Spaltenumbruch]
Familien-Verhältnisse Ich habe schon wieder Krach mit meiner Gestern, wie ich bei der Wohnungstür Schließlich kamen mir Bedenken: wer "Grüß Sie Gott, meine Liebe," flötete "Nein, gnädige Frau, kann ich was aus- "Sehr liebenswürdig, also die Sache ist "Einen Moment, gnädige Frau!!! Ge- "Was erlauben Sie sich," schrie meine Also, wie gesagt, seit gestern habe ich Elegante Welt. Die Prominenten auf dem Ge- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Der Mann spricht nicht -- und die Frau sehnt sich nach Worten Reden oder Schweigen -- die Aussprache in der Ehe Es ist eine allgemeine Frauenklage: "Ach, mein Nun hat man sich allerdings das eine klar zu Ja, so sehr neigen unsere Männer zum Schwei- Welch schönes Mittel zur Linderung seelischer schließlich die einzige Möglichkeit, um das, was in Denn jedes Wort, das die Männer reut, das "Um Gottes willen, so rede doch mit mir, Es gibt Ehen, in denen die Worte seltener und Das Tanzkleid von heute Die Frauen eilen durch die Straßen. Es ist "Iß nicht zu hastig, Kind, Tempi passati -- -- Gerade in diesem Winter Von unerhörter Vielseitigkeit ist das Mate- großen Modeball in Paris sah man unter an- Längst hat man sich an den Wie oft wird es ein entzückendes Tanzgewand Die Dame und ihr Kleid
[Abbildung]
I. Jugendliches Kostüm aus grauem Samt. [irrelevantes Material] Der Teewagen Fünf-Uhr-Tee ohne Bedienung Jede Hausfrau, die, ob freiwillig, ob Wer nicht im Besitz eines Teewagens ist, Freitag, den 25. Januar „AZ am Abend“ Nr. 21 Was interessiert die Frau? [Spaltenumbruch]
Familien-Verhältniſſe Ich habe ſchon wieder Krach mit meiner Geſtern, wie ich bei der Wohnungstür Schließlich kamen mir Bedenken: wer „Grüß Sie Gott, meine Liebe,“ flötete „Nein, gnädige Frau, kann ich was aus- „Sehr liebenswürdig, alſo die Sache iſt „Einen Moment, gnädige Frau!!! Ge- „Was erlauben Sie ſich,“ ſchrie meine Alſo, wie geſagt, ſeit geſtern habe ich Elegante Welt. Die Prominenten auf dem Ge- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Der Mann ſpricht nicht — und die Frau ſehnt ſich nach Worten Reden oder Schweigen — die Ausſprache in der Ehe Es iſt eine allgemeine Frauenklage: „Ach, mein Nun hat man ſich allerdings das eine klar zu Ja, ſo ſehr neigen unſere Männer zum Schwei- Welch ſchönes Mittel zur Linderung ſeeliſcher ſchließlich die einzige Möglichkeit, um das, was in Denn jedes Wort, das die Männer reut, das „Um Gottes willen, ſo rede doch mit mir, Es gibt Ehen, in denen die Worte ſeltener und Das Tanzkleid von heute Die Frauen eilen durch die Straßen. Es iſt „Iß nicht zu haſtig, Kind, Tempi paſſati — — Gerade in dieſem Winter Von unerhörter Vielſeitigkeit iſt das Mate- großen Modeball in Paris ſah man unter an- Längſt hat man ſich an den Wie oft wird es ein entzückendes Tanzgewand Die Dame und ihr Kleid
[Abbildung]
I. Jugendliches Koſtüm aus grauem Samt. [irrelevantes Material] Der Teewagen Fünf-Uhr-Tee ohne Bedienung Jede Hausfrau, die, ob freiwillig, ob Wer nicht im Beſitz eines Teewagens iſt, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0011" n="11"/> <fw place="top" type="header">Freitag, den 25. Januar „AZ am Abend“ Nr. 21</fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Was interessiert die Frau?</hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Familien-Verhältniſſe</hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#b">Von Käte Brandel-Elſchner</hi> </byline><lb/> <p>Ich habe ſchon wieder Krach mit meiner<lb/> Wirtin. Der letzte war noch nicht ganz ver-<lb/> raucht, jetzt iſt der neue ſchon wieder da.<lb/> Wenn der Menſch halt Unglück hat ...</p><lb/> <p>Geſtern, wie ich bei der Wohnungstür<lb/> herein bin, läutet das Telephon. Von mir<lb/> aus plärrſt ſo viel du magſt, habe ich ge-<lb/> dacht. Es hörte auch ſo ſchnell nicht auf.</p><lb/> <p>Schließlich kamen mir Bedenken: wer<lb/> weiß, was paſſiert iſt! Die Perſon am an-<lb/> dern Ende beſaß eine zähe Ausdauer. Galt<lb/> es vielleicht mir? Sollte ich ein Rendezvous<lb/> verſäumt haben? Oder das große Los ge-<lb/> wonnen? In dem Falle, ſo hörte ich, pflegen<lb/> die Herren Agenten gleich ſtürmiſch anzu-<lb/> rufen. Alſo hin, den Hörer herunter, ge-<lb/> meldet.</p><lb/> <p>„Grüß Sie Gott, meine Liebe,“ flötete<lb/> eine ältliche Damenſtimme, „iſt die Frau<lb/> Rentamtsmeiſterin nicht zu Hauſe?“</p><lb/> <p>„Nein, gnädige Frau, kann ich was aus-<lb/> richten?“</p><lb/> <p>„Sehr liebenswürdig, alſo die Sache iſt<lb/> die: ich ſpreche hier bei der Frau Direktor<lb/> Pinzenſteiner und meine Tochter, was die<lb/> Frau Amtsrichter Plummerer iſt, die hat<lb/> mit der Fräulein Siebenpflug, was meine<lb/> Nichte iſt, und der Frau Oberpoſtrat Wurm-<lb/> gaßner eine Verabredung und deswegen ſoll<lb/> die Frau Rentamtsmeiſterin heute nicht um<lb/> vier Uhr zur Frau Amtsrichter Plummerer<lb/> kommen, was meine Tochter iſt, weils ja<lb/> doch mit der Frau Oberpoſtrat Wurmgaßner<lb/> und der Siebenpflug, was meine Nichte iſt,<lb/> verabredet war und weil die Reſi, was die<lb/> Köchin iſt, plötzlich davongelaufen iſt wegen<lb/> der Ratſchereien mit der Pölzingerſchen,<lb/> wiſſen Sie, — lauter infame Lügen ſinds<lb/> natürlich geweſen, denn die Pölzingerſchen<lb/> haben <hi rendition="#g">doch</hi> die Wurzelbürſte aus der<lb/> Waſchküche geſtohlen, es kam halt gar nie-<lb/> mand anders in Betracht und wer beim<lb/> Fenſter hinuntergefallene Staubtücheln auf-<lb/> lieſt und verſchwinden läßt, dem iſt auch<lb/> keine Wurzelbürſte heilig. — ich bitt Sie,<lb/> die Zenzi vom Metzger drüben hats mit<lb/> eigenen Augen geſehen, wies das Tücherl<lb/> aufgeklaubt hat, — alſo deswegen habens<lb/> wir ſchon die Frau Oberſteuereinnehmer,<lb/> was eine Kuſine zu meiner Nichte iſt und<lb/> die Frau Stadtverwaltungsratswitwe Zin-<lb/> ſelmeier — nicht die aus der Schwanthaler-<lb/> ſtraße, die andere, die aus dem Färber-<lb/> graben — die habens wir ſchon wiſſen<lb/> laſſen, daß alſo heute um vier Uhr die<lb/> Frau Amtsrichter Plummerer, was meine<lb/> Tochter iſt, — — — —“</p><lb/> <p>„Einen Moment, gnädige Frau!!! Ge-<lb/> ſtatten Sie mir, Ihnen mein herzlichſtes<lb/> Beileid auszuſprechen! Das ſind ja entſetzlich<lb/> verworrene Familienverhältniſſe! Wie Sie<lb/> das nur aushalten! Geradezu furchtbar<lb/> finde ich dieſe Zuſtände! Daß Sie mit die-<lb/> ſen Leuten nicht einfach Schluß machen!<lb/> Das hält ja kein Menſch aus! Mein tiefſtes<lb/> Beileid, gnädige Frau! Ich will für Sie<lb/> tun, was ich kann, aber ſo was von Zu-<lb/> ſtänden in einer Familie — — — —“</p><lb/> <p>„Was erlauben Sie ſich,“ ſchrie meine<lb/> Wirtin von der Eingangstür her, „meine<lb/> Familie am Telephon ſchlecht zu machen,<lb/> unerhört! Beleidigungsklage! Gericht!!“</p><lb/> <p>Alſo, wie geſagt, ſeit geſtern habe ich<lb/> wieder Krach.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Elegante Welt.</head><lb/> <p>Die Prominenten auf dem Ge-<lb/> biet der Tanzkunſt äußern ſich in intereſſanter<lb/> Weiſe über den neuen Tanzſtil im ſoeben er-<lb/> ſcheinenden Heft der „Eleganten Welt“, das als<lb/> Spezial-Tanznummer herauskommt. Ueber „Die<lb/> perſönliche Note im Geſellſchaftstanz“, „Tanz-<lb/> demonſtrationen letzten Stils“, „Die erzieheriſche<lb/> Wirkung des Tanzturniers“ wird aus berufener<lb/> Feder berichtet. Die letzten Kreationen für den<lb/> Ballſaal vervollſtändigen den reichen Inhalt des<lb/> für jeden Tanzfreudigen unentbehrlichen Vade-<lb/> mekums. Preis 1 Mark.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAn" n="3"> <gap reason="insignificant"/> </div> <cb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Mann ſpricht nicht — und die Frau ſehnt ſich nach Worten</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Reden oder Schweigen — die Ausſprache in der Ehe</hi> </p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#b">Von Eliſabeth Thommen</hi> </byline><lb/> <cb/> <p>Es iſt eine allgemeine Frauenklage: „Ach, mein<lb/> Mann redet ſo wenig! Man kann ihn fragen,<lb/> was man will, er erzählt und berichtet von allem,<lb/> was in und um ihn herumgeht, ſo gut wie nichts.“<lb/> Dieſe Feſtſtellung wird ſelten ohne jene gewiſſe<lb/> Bitterkeit hervorgebracht, mit der Frauen ſo oft<lb/> von ihren Männern reden.</p><lb/> <p>Nun hat man ſich allerdings das eine klar zu<lb/> machen: es gibt Menſchen, denen fällt das Reden<lb/> von Natur aus leicht, anderen wiederum fällt es<lb/> erheblich ſchwerer, verſchloſſene Dritte gar bringen<lb/> es überhaupt nicht über ſich, von ſich und ihrem<lb/> Innenleben zu reden. Ganz allgemein kann man<lb/> vielleicht ſagen, daß es<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">den Frauen in der Regel leichter fällt, ſich<lb/> auszudrücken, als dem Durchſchnittsmann.</hi></hi><lb/> Gar viele Männer ſind, immer im allgemeinen<lb/> geſprochen, ſchwerfälliger Natur und neigen ſehr<lb/> dazu, den Wert des Sprechens überhaupt total<lb/> zu verkennen, nicht etwa aus böſem Willen, ſon-<lb/> dern aus angeborener Schwerfälligkeit und einer<lb/> gewiſſen Trägheit des Herzens heraus, die ſich all-<lb/> zu gläubig an den Grundſatz hält, daß Schwei-<lb/> gen Gold, Reden bloß Silber ſei.</p><lb/> <p>Ja, ſo ſehr neigen unſere Männer zum Schwei-<lb/> gen, daß derjenige, der leicht und gern mitteilt,<lb/> raſch in den Verdacht eines „weibiſchen“ Schwät-<lb/> zers gerät und ſich ſelten der Sympathien der<lb/> Männer erfreut, dagegen bei den Frauen ein<lb/> gern geſehener Menſch iſt. Denn<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">die Frauen lieben es, mit einem Mann über<lb/> ihre Erfahrungen und Eindrücke zu reden.</hi></hi><lb/> Dieſen Wunſch müßten die Männer vielleicht<lb/> mehr berückſichtigen. Nun iſt es ſo, daß die ſehr<lb/> ſchweigſamen Männer meiſt Ehemänner ſind und<lb/> daß ſie ſich gegen den Vorwurf der Stummheit<lb/> wehren mit einem brummigen: „wir wiſſen wohl,<lb/> weshalb wir ſchweigen“. Aber gar ſo einfach liegt<lb/> ſchließlich die Sache nicht. Es iſt nicht geſagt, daß<lb/> durch ſtetes Schweigen Konflikte, die eben nur<lb/> in der Diskuſſion zum Austrag kommen können,<lb/> wirklich gelöſt werden. Der Ausſchluß des Wider-<lb/> ſpruchs der anderen Meinung ſchafft den Streit-<lb/> ſtoff nicht aus der Welt. Schweigen verbittert,<lb/> läſt aber nicht, wenigſtens in der Regel nicht. Um<lb/> zu gegenſeitigem Verſtändnis zu gelangen, heißt<lb/> es eben reden, ſich ausdrücken, erzählen, das, was<lb/> im Innern vorgeht, ans Licht des Tages hervor-<lb/> ziehen.</p><lb/> <p>Welch ſchönes Mittel zur Linderung ſeeliſcher<lb/> Nöte iſt uns doch in der Sprache gegeben, und<lb/> wie ſehr verkennen wir ihren Wert! Reden iſt</p><lb/> <cb/> <p>ſchließlich die einzige Möglichkeit, um das, was in<lb/> uns geſchicht, deutlich hör- und fühlbar zu<lb/> machen. „Wir können doch nicht über jeden<lb/> Quatſch ſtundenlang reden“, ſagen die Männer,<lb/> denen man allzu große Schweigſamkeit vorwirft.<lb/> Woher wiſſen ſie denn, ob dieſer Quatſch letzten<lb/> Endes bloß Quatſch bedeutet, und ob es einen<lb/> ſchlimmeren Geiz gibt, als den Geiz des Redens,<lb/> des Sichmitteilens?</p><lb/> <p>Denn jedes Wort, das die Männer reut, das<lb/> ſie auszuſprechen zögern, jedes, das ſie verbiſſen<lb/> in ſich hineinwürgen oder es aus Gleichgültigkeit<lb/> ihren Nächſten gegenüber unterlaſſen — jedes<lb/> dieſer verkniffenen Worte löſt in der Frau ein<lb/> heftiges oder böſes Wort aus. Wie ſie da oft<lb/> hervorſprudeln die giftigen Anwürfe aus Frauen-<lb/> mund, wie nervös Frauenlippen zucken, wenn<lb/> aufreizende Reden ihnen enteilen, und wie doch<lb/> ganz, ganz im geheimen jedes dieſer gereizten<lb/> Worte nur das eine ausdrücken möchte:</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">„Um Gottes willen, ſo rede doch mit mir,<lb/> mein Kamerad! Siehſt du denn nicht, wie<lb/> einſam ich bin und mich nach Worten ſehne!“</hi> </hi> </p><lb/> <p>Es gibt Ehen, in denen die Worte ſeltener und<lb/> ſeltener werden. Es iſt, als ob ſie ſich nicht mehr<lb/> hervorwagten, oder dann höchſtens in Gegenwart<lb/> Dritter. Das ſind Ehen, in denen geheime Bitter-<lb/> keit und unterdrückter Aufruhr herrſchen. Beinahe<lb/> ein Wunder muß geſchehen, wenn nach Jahren<lb/> ſchweigſamen Nebeneinanderlebens ein inneres<lb/> Erlebnis die beiden plötzlich zueinander zwingt,<lb/> wenn ſie aus ihrer inneren Einſamkeit hervor-<lb/> treten und das, was laſtend und ſchwer zwiſchen<lb/> ihnen lag, ohne daß ſie es ſelber ſo richtig emp-<lb/> fanden, aus den Tiefen ihrer Seelen hervorholen,<lb/> ſich mitteilen, rückhaltlos und ehrlich, grauſam<lb/> ehrlich vielleicht — aber gerade deshalb wie er-<lb/> löſend! Wenn Starres ſich öffnet. Gebundenes<lb/> frei wird, wo lange Verſchloſſenes an den Tag<lb/> tritt, wo Verhülltes unverhüllt und nackt daſteht.<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Eine ſolche Ausſprache kann eine Ehe durch-<lb/> rütteln wie ein Erdbeben.</hi></hi><lb/> Wo ſtehen wir denn, fragen ſich die beiden Part-<lb/> ner bedrängt. Wo ſtanden wir bis heute? War<lb/> alles, was war, bloßer Schein? Hätten wir längſt,<lb/> längſt reden, uns mitteilen ſollen? Wäre uns<lb/> nicht tauſendmal wohler geweſen in dieſer un-<lb/> barmherzig klaren, kühlen, durchſichtigen Luft, die<lb/> durch das Reden geſchaffen wurde, als im Nebel<lb/> der Schweigſamkeit, der uns bisher einhüllte.<lb/> Und obgleich durch Reden und Mitteilen oft<lb/> Dinge an den Tag kommen, die keiner ahnte,<lb/> wenngleich an Erlebniſſe gerührt wird, an die man<lb/> in der Regel nicht rührt, ſondern die man feig<lb/> und verſchlagen beſchweigt — beſchweigt auch in<lb/> der ſogenannten beſten Ehe — ſo werden durch<lb/> ſolche Ausſprachen doch oft ganz neue Möglich-<lb/> keiten geſchaffen, und unter Umſtänden entſteht<lb/> eine Baſis gemeinſamen Zuſammenlebens, die<lb/> in ihrer letzten rückſichtsloſen Ehrlichkeit vielleicht<lb/> turmhoch über der bisherigen, traditionell verloge-<lb/> nen ſteht.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Tanzkleid von heute</hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#b">Von Rita Rietta</hi> </byline><lb/> <p>Die Frauen eilen durch die Straßen. Es iſt<lb/> ja die Zeit der Bälle — man muß an das Tanz-<lb/> kleid denken. In den Auslagen locken die zarten,<lb/> feenhaften Gebilde, da bauſchen ſich leuchtende<lb/> Stoffe, hauchfeine Spitzen. Alle Nuancen, vom<lb/> ſchneeigſten Weiß bis zum tiefſten Schwarz. Die<lb/> Mode iſt wirklich heute ſo verſchiedenartig, daß<lb/> jeder Geſchmack auf ſeine Koſten kommt. Wenn<lb/> man die anmutigen Linien der Tanzkleider be-<lb/> trachtet, ſo hat man unwillkürlich ſchon das Ge-<lb/> fühl, wie losgelöſt, frei und ungehemmt ſich die<lb/> Grazie des Körpers darin entwickeln kann. Un-<lb/> gehemmt von einengenden Gurten und Stangen,<lb/> wie ſie früher die armen Märtyrerinen des Kor-<lb/> ſetts ertragen mußten, weil die Torheit der<lb/> Mode, die Sünde gegen den guten Geſchmack und<lb/> das äſthetiſche Gefühl es verlangte, die natürliche<lb/> Linie des weiblichen Leibes anders erſcheinen zu<lb/> laſſen, als die Natur ihn erſchaffen hat. Man<lb/> denke nur an den ſchönen Vers aus der Zeit unſs-<lb/> rer Großmütter:</p><lb/> <p>„Iß nicht zu haſtig, Kind,<lb/> Sonſt weiteſt du den Magen<lb/> Und kannſt dann ſpäterhin<lb/> Den Schnürleib nicht vertragen!“</p><lb/> <p>Tempi paſſati — — Gerade in dieſem Winter<lb/> kann die Frau wieder einmal<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">ihrer Phantaſie freien Lauf laſſen.</hi></hi><lb/> denn das Abend- und Tanzkleid erlaubt ſo unge-<lb/> fähr alles. Volants und Stufen, Glocken und<lb/> Geiſha-Schleifen, Raffungen und markierte<lb/> Schleppenteile. Das Charakteriſtiſche des Tanz-<lb/> kleides von 1929 iſt der meiſt ungleichmäßig ab-<lb/> geſtufte oder gezipfelte Rock, vorn oft hochgehend<lb/> mit nach hinten ſich ſenkender Linie. Auch das<lb/> Dekolleté iſt in jeder Faſſon erlaubt. Herzförmige,<lb/> viereckige und runde Ausſchnitte, höher und tiefer,<lb/> wie es der Trägerin beliebt. Breite und ſchmale<lb/> Schulterbänder, teils aus Stoff aber auch aus<lb/> Straß oder Perlen. Noch immer iſt der tiefe<lb/> Rückenausſchnitt beliebt, jedoch ſollten ihn nur<lb/> Frauen wählen, die über eine klaſſiſche Rücken-<lb/> linie verfügen, denn ſonſt kann er leicht unſchön<lb/> und entſtellend wirken.</p><lb/> <p>Von unerhörter Vielſeitigkeit iſt das <hi rendition="#g">Mate-<lb/> rial</hi>. Spitzen, Tüll und Chiffon, Crepe. Geor-<lb/> gette, Lamé, Seidenſammet und Moiree. Jedoch<lb/> wird man zum ausgeſprochenen Tanzkleid die<lb/> leichten Stoffe bevorzugen. Wie entzückend ein<lb/> Beige-Noſe-Tüllkleid mit unterlegten Goldſpitzen!<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Auch ganz weiß</hi></hi><lb/> wird man in dieſer Saiſon oft ſehen. Dieſe<lb/> weißen Toiletten, meiſt belebt durch blitzende<lb/> Straß- oder Gold- und Silberperlenſtickerei. Wie<lb/> vornehm und elegant wirkt auch ein Tanzkleid<lb/> aus ſchwarzer Silberſpitze mit tief übergreifendem<lb/> Volant, der in ein Schärpenende ausgeht. Beim</p><lb/> <cb/> <p>großen Modeball in <hi rendition="#g">Paris</hi> ſah man unter an-<lb/> derem ein wundervolles Kleid aus weißer Seide<lb/> mit reichſten Goldſtickereien, der Rock aus drei-<lb/> reihigen, zipfligen, weißen Chenillefranſen. Das<lb/> Kleid wirkte wie ein koſtbarer, ſpaniſcher Schal<lb/> und hatte auch im Tanz eine beſondere, reizvolle<lb/> Linie. Ebenſo fiel ein Kleid beſonders auf, das<lb/> aus altroſa China-Crepe und einem Funkenregen<lb/> von einzelnen Straß-Steinen und matten Perlen<lb/> komponiert war. Abgeſehen von Weiß und<lb/> Schwarz, liebt man die<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">zarteſten Paſtelltönungen</hi></hi><lb/> für das Tanzkleid, Lachs und Blaßgrün werden<lb/> beſonders bevorzugt, aber auch mattes Lavendel<lb/> und Waſſerblau ſchließen den Farbenreigen.<lb/> Gold- und Silberſpitzen ſpielen meiſt als Unter-<lb/> garnierungen dabei eine Rolle. Bizarre Schließen<lb/> und mondäner Schmuck erhöhen und unterſtrei-<lb/> chen den Effekt der Schmetterlingsgewänder, denn<lb/> bei all den wehnden Zipfeln, Glocken und Vo-<lb/> lants wird man unwillkürlich an Schmetterlings-<lb/> flügel erinnert.</p><lb/> <p>Längſt hat man ſich an den<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">imitierten Schmuck</hi></hi><lb/> gewöhnt, der heutzutage ſo künſtleriſch ausgeführt<lb/> wird, daß er einfach mit dazu gehört, ein notwen-<lb/> diges Requiſit der gut angezogenen Frau gewor-<lb/> den iſt. In dieſem Jahr trägt man zum Abend-<lb/> oder Tanzkleid viel imitierten Steinſchmuck.<lb/> Runde und eckige Steine in kontraſtierendem<lb/> Farbenſpiel. Am häufigſten ſieht man Smaragd-<lb/> ſchliffſteine in Verbindung mit Weiß, breite Man-<lb/> ſchettenarmbänder, die wiederum mit dem Hals-<lb/> ſchmuck harmonieren. So vielſeitig wird auch<lb/> dieſer Schmuck hergeſtellt, daß man faſt zu jedem<lb/> Kleid das Paſſende bekommen kann.</p><lb/> <p>Wie oft wird es ein entzückendes Tanzgewand<lb/> gerade durch<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">die Zutaten,</hi></hi><lb/> wie ein paſſender Schmuck, eine leuchtende Blüte,<lb/> die richtigen Strümpfe und Schuhe erſt den letz-<lb/> ten Zauber bekommen. Denn gerade in dem Zu-<lb/> ſammenſpiel aller Einzelheiten ergibt ſich die volle<lb/> Harmonie, die der Trägerin Eleganz und Anmut<lb/> verleihen. Wer ein wenig die Augen offen hält<lb/> für die Schönheit der ewig neuen, ewig jungen<lb/> Mode, der wird auch in dieſem Jahr bei der<lb/> Auswahl ſeines Tanzkleides viel Freude und<lb/> Genuß haben. Das Gefühl ein Kleid zu tragen,<lb/> in dem ſie ſo reizvoll wie möglich ausſieht, gibt ja<lb/> der Frau erſt die richtige Feſtſtimmung. Was<lb/> dem Manne eine Flaſche Sekt bedeutet, iſt für<lb/> die Frau eine neue, kleidſame, totſchicke Toilette<lb/> und ihr Tanz wird doppelt beſchwingt ſein, wenn<lb/> ſie fühlt daß ſie nicht nur die Bewunderung der<lb/> Männer, ſondern auch den Neid ihrer Neben-<lb/> buhlerinnen erregt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Dame und ihr Kleid</hi> </head><lb/> <figure> <p><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Jugendliches Koſtüm</hi> aus grauem Samt.<lb/> Jacke mit Fehbeſatz — glockiger Rock.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Einfaches Nachmittagskleid</hi> aus dunkel-<lb/> blauem Rips. Belebend wirken der ſchmale weiße<lb/> Kragen, ein weißer Wildledergürtel und die auf-<lb/> geſetzten Treſſen, die bis zur Mitte des Rockes<lb/> ſpitz zulaufen.</p> </figure> </div><lb/> <div type="jAn" n="3"> <gap reason="insignificant"/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Teewagen<lb/> Fünf-Uhr-Tee ohne Bedienung</hi> </head><lb/> <p>Jede Hausfrau, die, ob freiwillig, ob<lb/> gezwungen, ihren Haushalt ohne Hilfe eines<lb/> dienſtbaren Geiſtes verſieht, weiß, daß die-<lb/> ſes Allein-Arbeiten neben manchen Nach-<lb/> teilen auch ſehr erhebliche Vorteile hat. Ganz<lb/> beſonders iſt die Selbſtbedienung während<lb/> der gemütlichen Teeſtunde ein Idealzuſtand.<lb/> Immer wird ſie am ſtimmungsvollſten und<lb/> traulichſten verlaufen, wenn man „ganz<lb/> unter ſich“ iſt. — Und gerade zur Teeſtunde<lb/> läßt ſich auch die Bewirtung einer Anzahl<lb/> von Gäſten ſo gut vorbereiten, daß keine<lb/> Störung der Unterhaltung, kein Verlaſſen<lb/> des Zimmers von ſeiten der Hausfrau nötig<lb/> iſt. Ihr getreuer ſtummer Diener iſt der<lb/><hi rendition="#g">fahrbare Teewagen</hi>, der in ſeinen<lb/> drei Etagen alles aufnimmt, was für die<lb/> Teegeſellſchaft nötig iſt. Obenauf ſteht der<lb/> elektriſch heizbare Waſſer- oder Teekeſſel,<lb/> das kleine Tablett mit Zucker und Sahne,<lb/> die Rumflaſche und die Schale mit den<lb/> Zitronenſcheiben, die Schüſſel mit Gebäck<lb/> oder pikanten Gabelbiſſen. Daneben bleibt<lb/> noch genug Raum, um in den andern<lb/> Fächern das Teegeſchirr, die Keksdoſe, die<lb/> Teebüchſe und alles ſonſtige Zubehör unter-<lb/> zubringen. So ſpart die Hausfrau unnützes<lb/> Laufen und Tragen ſchwer beladener Ser-<lb/> vierbretter, und hat mit einem einzigen<lb/> Gang alles Notwendige herbeigeſchafft.</p><lb/> <p>Wer nicht im Beſitz eines Teewagens iſt,<lb/> muß allerdings den Tiſch zuvor fertig decken,<lb/> als daß man die Taſſen direkt vom Wagen<lb/> aus den Gäſten reicht, den Wagen ſelbſt<lb/> aber durch einen kleinen Tiſch erſetzen. Er<lb/> dient dann als ſtummer Diener, und es iſt<lb/> praktiſch, dafür einen Tiſch mit zwei Ab-<lb/> ſtellflächen zu wählen, damit man unten<lb/> auch noch etwas unterbringen kann. Der<lb/> ſtumme Diener erleichtert jedenfalls der<lb/> Hausfrau das anmutige Hantieren bei der<lb/> Teebereitung, die unter ihrer Aufſicht ſorg-<lb/> fältiger vor ſich geht, als wenn ſie einem<lb/> Fremden obliegt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
Freitag, den 25. Januar „AZ am Abend“ Nr. 21
Was interessiert die Frau?
Familien-Verhältniſſe
Von Käte Brandel-Elſchner
Ich habe ſchon wieder Krach mit meiner
Wirtin. Der letzte war noch nicht ganz ver-
raucht, jetzt iſt der neue ſchon wieder da.
Wenn der Menſch halt Unglück hat ...
Geſtern, wie ich bei der Wohnungstür
herein bin, läutet das Telephon. Von mir
aus plärrſt ſo viel du magſt, habe ich ge-
dacht. Es hörte auch ſo ſchnell nicht auf.
Schließlich kamen mir Bedenken: wer
weiß, was paſſiert iſt! Die Perſon am an-
dern Ende beſaß eine zähe Ausdauer. Galt
es vielleicht mir? Sollte ich ein Rendezvous
verſäumt haben? Oder das große Los ge-
wonnen? In dem Falle, ſo hörte ich, pflegen
die Herren Agenten gleich ſtürmiſch anzu-
rufen. Alſo hin, den Hörer herunter, ge-
meldet.
„Grüß Sie Gott, meine Liebe,“ flötete
eine ältliche Damenſtimme, „iſt die Frau
Rentamtsmeiſterin nicht zu Hauſe?“
„Nein, gnädige Frau, kann ich was aus-
richten?“
„Sehr liebenswürdig, alſo die Sache iſt
die: ich ſpreche hier bei der Frau Direktor
Pinzenſteiner und meine Tochter, was die
Frau Amtsrichter Plummerer iſt, die hat
mit der Fräulein Siebenpflug, was meine
Nichte iſt, und der Frau Oberpoſtrat Wurm-
gaßner eine Verabredung und deswegen ſoll
die Frau Rentamtsmeiſterin heute nicht um
vier Uhr zur Frau Amtsrichter Plummerer
kommen, was meine Tochter iſt, weils ja
doch mit der Frau Oberpoſtrat Wurmgaßner
und der Siebenpflug, was meine Nichte iſt,
verabredet war und weil die Reſi, was die
Köchin iſt, plötzlich davongelaufen iſt wegen
der Ratſchereien mit der Pölzingerſchen,
wiſſen Sie, — lauter infame Lügen ſinds
natürlich geweſen, denn die Pölzingerſchen
haben doch die Wurzelbürſte aus der
Waſchküche geſtohlen, es kam halt gar nie-
mand anders in Betracht und wer beim
Fenſter hinuntergefallene Staubtücheln auf-
lieſt und verſchwinden läßt, dem iſt auch
keine Wurzelbürſte heilig. — ich bitt Sie,
die Zenzi vom Metzger drüben hats mit
eigenen Augen geſehen, wies das Tücherl
aufgeklaubt hat, — alſo deswegen habens
wir ſchon die Frau Oberſteuereinnehmer,
was eine Kuſine zu meiner Nichte iſt und
die Frau Stadtverwaltungsratswitwe Zin-
ſelmeier — nicht die aus der Schwanthaler-
ſtraße, die andere, die aus dem Färber-
graben — die habens wir ſchon wiſſen
laſſen, daß alſo heute um vier Uhr die
Frau Amtsrichter Plummerer, was meine
Tochter iſt, — — — —“
„Einen Moment, gnädige Frau!!! Ge-
ſtatten Sie mir, Ihnen mein herzlichſtes
Beileid auszuſprechen! Das ſind ja entſetzlich
verworrene Familienverhältniſſe! Wie Sie
das nur aushalten! Geradezu furchtbar
finde ich dieſe Zuſtände! Daß Sie mit die-
ſen Leuten nicht einfach Schluß machen!
Das hält ja kein Menſch aus! Mein tiefſtes
Beileid, gnädige Frau! Ich will für Sie
tun, was ich kann, aber ſo was von Zu-
ſtänden in einer Familie — — — —“
„Was erlauben Sie ſich,“ ſchrie meine
Wirtin von der Eingangstür her, „meine
Familie am Telephon ſchlecht zu machen,
unerhört! Beleidigungsklage! Gericht!!“
Alſo, wie geſagt, ſeit geſtern habe ich
wieder Krach.
Elegante Welt.
Die Prominenten auf dem Ge-
biet der Tanzkunſt äußern ſich in intereſſanter
Weiſe über den neuen Tanzſtil im ſoeben er-
ſcheinenden Heft der „Eleganten Welt“, das als
Spezial-Tanznummer herauskommt. Ueber „Die
perſönliche Note im Geſellſchaftstanz“, „Tanz-
demonſtrationen letzten Stils“, „Die erzieheriſche
Wirkung des Tanzturniers“ wird aus berufener
Feder berichtet. Die letzten Kreationen für den
Ballſaal vervollſtändigen den reichen Inhalt des
für jeden Tanzfreudigen unentbehrlichen Vade-
mekums. Preis 1 Mark.
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Der Mann ſpricht nicht — und die Frau ſehnt ſich nach Worten
Reden oder Schweigen — die Ausſprache in der Ehe
Von Eliſabeth Thommen
Es iſt eine allgemeine Frauenklage: „Ach, mein
Mann redet ſo wenig! Man kann ihn fragen,
was man will, er erzählt und berichtet von allem,
was in und um ihn herumgeht, ſo gut wie nichts.“
Dieſe Feſtſtellung wird ſelten ohne jene gewiſſe
Bitterkeit hervorgebracht, mit der Frauen ſo oft
von ihren Männern reden.
Nun hat man ſich allerdings das eine klar zu
machen: es gibt Menſchen, denen fällt das Reden
von Natur aus leicht, anderen wiederum fällt es
erheblich ſchwerer, verſchloſſene Dritte gar bringen
es überhaupt nicht über ſich, von ſich und ihrem
Innenleben zu reden. Ganz allgemein kann man
vielleicht ſagen, daß es
den Frauen in der Regel leichter fällt, ſich
auszudrücken, als dem Durchſchnittsmann.
Gar viele Männer ſind, immer im allgemeinen
geſprochen, ſchwerfälliger Natur und neigen ſehr
dazu, den Wert des Sprechens überhaupt total
zu verkennen, nicht etwa aus böſem Willen, ſon-
dern aus angeborener Schwerfälligkeit und einer
gewiſſen Trägheit des Herzens heraus, die ſich all-
zu gläubig an den Grundſatz hält, daß Schwei-
gen Gold, Reden bloß Silber ſei.
Ja, ſo ſehr neigen unſere Männer zum Schwei-
gen, daß derjenige, der leicht und gern mitteilt,
raſch in den Verdacht eines „weibiſchen“ Schwät-
zers gerät und ſich ſelten der Sympathien der
Männer erfreut, dagegen bei den Frauen ein
gern geſehener Menſch iſt. Denn
die Frauen lieben es, mit einem Mann über
ihre Erfahrungen und Eindrücke zu reden.
Dieſen Wunſch müßten die Männer vielleicht
mehr berückſichtigen. Nun iſt es ſo, daß die ſehr
ſchweigſamen Männer meiſt Ehemänner ſind und
daß ſie ſich gegen den Vorwurf der Stummheit
wehren mit einem brummigen: „wir wiſſen wohl,
weshalb wir ſchweigen“. Aber gar ſo einfach liegt
ſchließlich die Sache nicht. Es iſt nicht geſagt, daß
durch ſtetes Schweigen Konflikte, die eben nur
in der Diskuſſion zum Austrag kommen können,
wirklich gelöſt werden. Der Ausſchluß des Wider-
ſpruchs der anderen Meinung ſchafft den Streit-
ſtoff nicht aus der Welt. Schweigen verbittert,
läſt aber nicht, wenigſtens in der Regel nicht. Um
zu gegenſeitigem Verſtändnis zu gelangen, heißt
es eben reden, ſich ausdrücken, erzählen, das, was
im Innern vorgeht, ans Licht des Tages hervor-
ziehen.
Welch ſchönes Mittel zur Linderung ſeeliſcher
Nöte iſt uns doch in der Sprache gegeben, und
wie ſehr verkennen wir ihren Wert! Reden iſt
ſchließlich die einzige Möglichkeit, um das, was in
uns geſchicht, deutlich hör- und fühlbar zu
machen. „Wir können doch nicht über jeden
Quatſch ſtundenlang reden“, ſagen die Männer,
denen man allzu große Schweigſamkeit vorwirft.
Woher wiſſen ſie denn, ob dieſer Quatſch letzten
Endes bloß Quatſch bedeutet, und ob es einen
ſchlimmeren Geiz gibt, als den Geiz des Redens,
des Sichmitteilens?
Denn jedes Wort, das die Männer reut, das
ſie auszuſprechen zögern, jedes, das ſie verbiſſen
in ſich hineinwürgen oder es aus Gleichgültigkeit
ihren Nächſten gegenüber unterlaſſen — jedes
dieſer verkniffenen Worte löſt in der Frau ein
heftiges oder böſes Wort aus. Wie ſie da oft
hervorſprudeln die giftigen Anwürfe aus Frauen-
mund, wie nervös Frauenlippen zucken, wenn
aufreizende Reden ihnen enteilen, und wie doch
ganz, ganz im geheimen jedes dieſer gereizten
Worte nur das eine ausdrücken möchte:
„Um Gottes willen, ſo rede doch mit mir,
mein Kamerad! Siehſt du denn nicht, wie
einſam ich bin und mich nach Worten ſehne!“
Es gibt Ehen, in denen die Worte ſeltener und
ſeltener werden. Es iſt, als ob ſie ſich nicht mehr
hervorwagten, oder dann höchſtens in Gegenwart
Dritter. Das ſind Ehen, in denen geheime Bitter-
keit und unterdrückter Aufruhr herrſchen. Beinahe
ein Wunder muß geſchehen, wenn nach Jahren
ſchweigſamen Nebeneinanderlebens ein inneres
Erlebnis die beiden plötzlich zueinander zwingt,
wenn ſie aus ihrer inneren Einſamkeit hervor-
treten und das, was laſtend und ſchwer zwiſchen
ihnen lag, ohne daß ſie es ſelber ſo richtig emp-
fanden, aus den Tiefen ihrer Seelen hervorholen,
ſich mitteilen, rückhaltlos und ehrlich, grauſam
ehrlich vielleicht — aber gerade deshalb wie er-
löſend! Wenn Starres ſich öffnet. Gebundenes
frei wird, wo lange Verſchloſſenes an den Tag
tritt, wo Verhülltes unverhüllt und nackt daſteht.
Eine ſolche Ausſprache kann eine Ehe durch-
rütteln wie ein Erdbeben.
Wo ſtehen wir denn, fragen ſich die beiden Part-
ner bedrängt. Wo ſtanden wir bis heute? War
alles, was war, bloßer Schein? Hätten wir längſt,
längſt reden, uns mitteilen ſollen? Wäre uns
nicht tauſendmal wohler geweſen in dieſer un-
barmherzig klaren, kühlen, durchſichtigen Luft, die
durch das Reden geſchaffen wurde, als im Nebel
der Schweigſamkeit, der uns bisher einhüllte.
Und obgleich durch Reden und Mitteilen oft
Dinge an den Tag kommen, die keiner ahnte,
wenngleich an Erlebniſſe gerührt wird, an die man
in der Regel nicht rührt, ſondern die man feig
und verſchlagen beſchweigt — beſchweigt auch in
der ſogenannten beſten Ehe — ſo werden durch
ſolche Ausſprachen doch oft ganz neue Möglich-
keiten geſchaffen, und unter Umſtänden entſteht
eine Baſis gemeinſamen Zuſammenlebens, die
in ihrer letzten rückſichtsloſen Ehrlichkeit vielleicht
turmhoch über der bisherigen, traditionell verloge-
nen ſteht.
Das Tanzkleid von heute
Von Rita Rietta
Die Frauen eilen durch die Straßen. Es iſt
ja die Zeit der Bälle — man muß an das Tanz-
kleid denken. In den Auslagen locken die zarten,
feenhaften Gebilde, da bauſchen ſich leuchtende
Stoffe, hauchfeine Spitzen. Alle Nuancen, vom
ſchneeigſten Weiß bis zum tiefſten Schwarz. Die
Mode iſt wirklich heute ſo verſchiedenartig, daß
jeder Geſchmack auf ſeine Koſten kommt. Wenn
man die anmutigen Linien der Tanzkleider be-
trachtet, ſo hat man unwillkürlich ſchon das Ge-
fühl, wie losgelöſt, frei und ungehemmt ſich die
Grazie des Körpers darin entwickeln kann. Un-
gehemmt von einengenden Gurten und Stangen,
wie ſie früher die armen Märtyrerinen des Kor-
ſetts ertragen mußten, weil die Torheit der
Mode, die Sünde gegen den guten Geſchmack und
das äſthetiſche Gefühl es verlangte, die natürliche
Linie des weiblichen Leibes anders erſcheinen zu
laſſen, als die Natur ihn erſchaffen hat. Man
denke nur an den ſchönen Vers aus der Zeit unſs-
rer Großmütter:
„Iß nicht zu haſtig, Kind,
Sonſt weiteſt du den Magen
Und kannſt dann ſpäterhin
Den Schnürleib nicht vertragen!“
Tempi paſſati — — Gerade in dieſem Winter
kann die Frau wieder einmal
ihrer Phantaſie freien Lauf laſſen.
denn das Abend- und Tanzkleid erlaubt ſo unge-
fähr alles. Volants und Stufen, Glocken und
Geiſha-Schleifen, Raffungen und markierte
Schleppenteile. Das Charakteriſtiſche des Tanz-
kleides von 1929 iſt der meiſt ungleichmäßig ab-
geſtufte oder gezipfelte Rock, vorn oft hochgehend
mit nach hinten ſich ſenkender Linie. Auch das
Dekolleté iſt in jeder Faſſon erlaubt. Herzförmige,
viereckige und runde Ausſchnitte, höher und tiefer,
wie es der Trägerin beliebt. Breite und ſchmale
Schulterbänder, teils aus Stoff aber auch aus
Straß oder Perlen. Noch immer iſt der tiefe
Rückenausſchnitt beliebt, jedoch ſollten ihn nur
Frauen wählen, die über eine klaſſiſche Rücken-
linie verfügen, denn ſonſt kann er leicht unſchön
und entſtellend wirken.
Von unerhörter Vielſeitigkeit iſt das Mate-
rial. Spitzen, Tüll und Chiffon, Crepe. Geor-
gette, Lamé, Seidenſammet und Moiree. Jedoch
wird man zum ausgeſprochenen Tanzkleid die
leichten Stoffe bevorzugen. Wie entzückend ein
Beige-Noſe-Tüllkleid mit unterlegten Goldſpitzen!
Auch ganz weiß
wird man in dieſer Saiſon oft ſehen. Dieſe
weißen Toiletten, meiſt belebt durch blitzende
Straß- oder Gold- und Silberperlenſtickerei. Wie
vornehm und elegant wirkt auch ein Tanzkleid
aus ſchwarzer Silberſpitze mit tief übergreifendem
Volant, der in ein Schärpenende ausgeht. Beim
großen Modeball in Paris ſah man unter an-
derem ein wundervolles Kleid aus weißer Seide
mit reichſten Goldſtickereien, der Rock aus drei-
reihigen, zipfligen, weißen Chenillefranſen. Das
Kleid wirkte wie ein koſtbarer, ſpaniſcher Schal
und hatte auch im Tanz eine beſondere, reizvolle
Linie. Ebenſo fiel ein Kleid beſonders auf, das
aus altroſa China-Crepe und einem Funkenregen
von einzelnen Straß-Steinen und matten Perlen
komponiert war. Abgeſehen von Weiß und
Schwarz, liebt man die
zarteſten Paſtelltönungen
für das Tanzkleid, Lachs und Blaßgrün werden
beſonders bevorzugt, aber auch mattes Lavendel
und Waſſerblau ſchließen den Farbenreigen.
Gold- und Silberſpitzen ſpielen meiſt als Unter-
garnierungen dabei eine Rolle. Bizarre Schließen
und mondäner Schmuck erhöhen und unterſtrei-
chen den Effekt der Schmetterlingsgewänder, denn
bei all den wehnden Zipfeln, Glocken und Vo-
lants wird man unwillkürlich an Schmetterlings-
flügel erinnert.
Längſt hat man ſich an den
imitierten Schmuck
gewöhnt, der heutzutage ſo künſtleriſch ausgeführt
wird, daß er einfach mit dazu gehört, ein notwen-
diges Requiſit der gut angezogenen Frau gewor-
den iſt. In dieſem Jahr trägt man zum Abend-
oder Tanzkleid viel imitierten Steinſchmuck.
Runde und eckige Steine in kontraſtierendem
Farbenſpiel. Am häufigſten ſieht man Smaragd-
ſchliffſteine in Verbindung mit Weiß, breite Man-
ſchettenarmbänder, die wiederum mit dem Hals-
ſchmuck harmonieren. So vielſeitig wird auch
dieſer Schmuck hergeſtellt, daß man faſt zu jedem
Kleid das Paſſende bekommen kann.
Wie oft wird es ein entzückendes Tanzgewand
gerade durch
die Zutaten,
wie ein paſſender Schmuck, eine leuchtende Blüte,
die richtigen Strümpfe und Schuhe erſt den letz-
ten Zauber bekommen. Denn gerade in dem Zu-
ſammenſpiel aller Einzelheiten ergibt ſich die volle
Harmonie, die der Trägerin Eleganz und Anmut
verleihen. Wer ein wenig die Augen offen hält
für die Schönheit der ewig neuen, ewig jungen
Mode, der wird auch in dieſem Jahr bei der
Auswahl ſeines Tanzkleides viel Freude und
Genuß haben. Das Gefühl ein Kleid zu tragen,
in dem ſie ſo reizvoll wie möglich ausſieht, gibt ja
der Frau erſt die richtige Feſtſtimmung. Was
dem Manne eine Flaſche Sekt bedeutet, iſt für
die Frau eine neue, kleidſame, totſchicke Toilette
und ihr Tanz wird doppelt beſchwingt ſein, wenn
ſie fühlt daß ſie nicht nur die Bewunderung der
Männer, ſondern auch den Neid ihrer Neben-
buhlerinnen erregt.
Die Dame und ihr Kleid
[Abbildung I. Jugendliches Koſtüm aus grauem Samt.
Jacke mit Fehbeſatz — glockiger Rock.
II. Einfaches Nachmittagskleid aus dunkel-
blauem Rips. Belebend wirken der ſchmale weiße
Kragen, ein weißer Wildledergürtel und die auf-
geſetzten Treſſen, die bis zur Mitte des Rockes
ſpitz zulaufen.]
_
Der Teewagen
Fünf-Uhr-Tee ohne Bedienung
Jede Hausfrau, die, ob freiwillig, ob
gezwungen, ihren Haushalt ohne Hilfe eines
dienſtbaren Geiſtes verſieht, weiß, daß die-
ſes Allein-Arbeiten neben manchen Nach-
teilen auch ſehr erhebliche Vorteile hat. Ganz
beſonders iſt die Selbſtbedienung während
der gemütlichen Teeſtunde ein Idealzuſtand.
Immer wird ſie am ſtimmungsvollſten und
traulichſten verlaufen, wenn man „ganz
unter ſich“ iſt. — Und gerade zur Teeſtunde
läßt ſich auch die Bewirtung einer Anzahl
von Gäſten ſo gut vorbereiten, daß keine
Störung der Unterhaltung, kein Verlaſſen
des Zimmers von ſeiten der Hausfrau nötig
iſt. Ihr getreuer ſtummer Diener iſt der
fahrbare Teewagen, der in ſeinen
drei Etagen alles aufnimmt, was für die
Teegeſellſchaft nötig iſt. Obenauf ſteht der
elektriſch heizbare Waſſer- oder Teekeſſel,
das kleine Tablett mit Zucker und Sahne,
die Rumflaſche und die Schale mit den
Zitronenſcheiben, die Schüſſel mit Gebäck
oder pikanten Gabelbiſſen. Daneben bleibt
noch genug Raum, um in den andern
Fächern das Teegeſchirr, die Keksdoſe, die
Teebüchſe und alles ſonſtige Zubehör unter-
zubringen. So ſpart die Hausfrau unnützes
Laufen und Tragen ſchwer beladener Ser-
vierbretter, und hat mit einem einzigen
Gang alles Notwendige herbeigeſchafft.
Wer nicht im Beſitz eines Teewagens iſt,
muß allerdings den Tiſch zuvor fertig decken,
als daß man die Taſſen direkt vom Wagen
aus den Gäſten reicht, den Wagen ſelbſt
aber durch einen kleinen Tiſch erſetzen. Er
dient dann als ſtummer Diener, und es iſt
praktiſch, dafür einen Tiſch mit zwei Ab-
ſtellflächen zu wählen, damit man unten
auch noch etwas unterbringen kann. Der
ſtumme Diener erleichtert jedenfalls der
Hausfrau das anmutige Hantieren bei der
Teebereitung, die unter ihrer Aufſicht ſorg-
fältiger vor ſich geht, als wenn ſie einem
Fremden obliegt.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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