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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.

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[Spaltenumbruch] der Gegenstand nicht vorhanden ist. Die Fabel des Robespierre besteht in
einer Reihe von episodischen Ewignissen, welche lediglich durch den un-
sichtbaren Faden der politischen Geschichte Frankreichs locker zusammen-
gehalten werden. Die Kenntniß der französischen Revolutionsgeschichte
wird bei dem Robespierre vorausgesetzt; ohne diese Kenntniß ist das Grie-
penkerlsche Trauerspiel unverständlich, zerfällt dasselbe in eine Anzahl
aufeinander folgender Erscheinungen, von denen keine durch die andere ge-
nügend motivirt wird. Gerade die beiden Hauptpersonen des Stücks,
Danron und Robespierre selbst, verhalten sich fast durchaus leidend, zu-
mal der erstere, obgleich er es an großen Redensarten und pomphaft an-
gekündigten Vorsätzen nicht fehlen läßt. Das ist historisch, zugegeben;
aber es ist nicht dramatisch. Kaum anders ist es mit Robespierre. Seine
Rolle ist im Grunde genommen nur eine psychologische, ein Seelenkampf.
Wo er eingreift in die Ereignisse, da ist es St. Just welcher ihm die Hand
führt. Selbstthätig tritt Robespierre nur ein einzigesmal auf, bei dem
Feste des höchsten Wesens, und bei dieser frostigen Ceremonie erscheint er
äußerst unbedeutend.

Die eigentlich handelnden Personen sind Vadier, Therese Cabarrus,
und etwa Fouquier Tinville, welcher mit seinen Gendarmen die Bühne fast
gar nicht verläßt. Der alte Vadier ist es welcher die Katastrophe vorbe-
reitet, verzögert, und im rechten Augenblick herbeiführt, er bildet das
Schwungrad der dramatischen Maschine, und obgleich von dem Dichter in
den Hintergrund gestellt, unzweifelhaft die weitaus am besten gezeichnete
Figur des Stücks.

Dem Volk ist auffallenderweise gar keine Rolle im Robespierre an-
gewiesen. Hr. Griepenkerl gebraucht dasselbe höchstens als eine ärmliche
Staffage. In der ganzen Erscheinung des Bolks auf der Bühne keine
Spur von Selbstthätigkeit, von Willen, von Leidenschaft, und am aller-
wenigsten von Einfluß auf den Gang der dramatischen Handlung. Wir
hören allerdings viel reden vom Volk, aber wir nehmen nirgends die Fä-
den wahr welche von dem Markte in das Cabinet, in den Salon oder in
den Senat herüberreichen.

Entschiedene Armuth der Handlung ist demnach ein Vorwurf welchen
wir dem Robespierre schon auf der Schwelle machen müssen. Damit ist
aber keineswegs gesagt daß im Robespierre nicht genug geschehe. Im
Gegentheil, er wimmelt von Ereignissen. Verhaftungen, Befreiungen,
Kerkerscenen, Tafelscenen, Verschwörungen, Pistolenschüsse, Marktauf-
tritte u. s. w. jagen einander in dem ganzen Stücke dergestalt, daß die
Bühne keinen Augenblick leer davon wird. Es fehlt nichts als der breite
Hauptstrom der Handlung in welchen alle jene kleinen Bäche münden,
jener Hauptstrom wird wenigstens nicht über die Bühne geleitet, er fließt
vielmehr so weit hinter den Coulissen weg daß das Ohr kaum ein entfern-
tes Rauschen vernimmt.

Und gleichwohl ist der Robespierre ein großes Werk, und von gewal-
tiger Wirkung. Wenn es dem Dichter nicht gelungen ist die volle Har-
monie eines in sich abgeschlossenen Kunstwerks zu erreichen, so treten uns
dafür unzählige Einzelheiten seines Drama's in wunderbarer Vollendung
entgegen. Ich habe schon oben die mit Meisterhand geschaffene Figur Va-
diers genannt. Nächst Vadier der gelungenste Charakter des Stücks ist
Mamin, der Vertreter eines gewissen schmarotzenden Straßenproletariats,
feige, niederträchtig, beutelustig, frech, aber mit Schlauheit, Menschen-
kenntniß und Bettlerhumor reichlich ausgestattet. Therese Cabarrus, die
begeisterte Republicanerin, und Lucile, das vom süßesten Liebeszauber um-
fangene Weib des schönen schwärmerischen Camille Desmoulins, sind
gleichfalls herrliche Bilder aus einer reichen dichterischen Welt. Robes-
pierre selbst, der als ein kalter Fanatiker der Idee in der Geschichte da-
steht, ist in dem Griepenkerlschen Trauerspiel vielleicht zu sehr Gefühls-
mensch, als daß wir einen richtig aufgefaßten Charakter in ihm erkennen
könnten. Ueber eine so scharf umrissene historische Persönlichkeit aber wie
die Robespierre's darf sich die Feder des Dichters keine Gewalt anmaßen,
die geschichtliche Treue ist hier vielmehr gebieterische Pflicht, deren Ver-
letzung sich an dem Werke des Uebertreters empfindlich rächen muß. Was
die Figur Dantons betrifft, so muß ich mich jedes Urtheils über dieselbe
enthalten, da es fast unmöglich war die über alle Begriffe erbärmliche
Darstellung des Schauspielers welchem diese Rolle in die Hände gefallen,
von der Schöpfung des Dichters so weit abzulösen daß ein freier Blick auf
die letztere möglich gewesen wäre.

Die größte Stärke Griepenkerls besteht indessen in der Situations-
malerei. Jeder Act, mit Ausnahme des vierten, bringt uns irgendeinen
Auftritt von erschütternder, von überwältigender Wirkung, erschütternd,
überwältigend sogar in der ziemlich mittelmäßigen Darstellung auf unse-
rer Bühne. Zweimal ist Lucile die Trägerin solcher Scenen, das erstemal
bei der Verhaftung ihres Camille, das zweitemal nach seiner Verurthei-
lung. Sie kann ihn nicht retten, sie will wenigstens mit ihm sterben.
Selbst der Gedanke an das schlafende Kind daheim, welches beim Erwachen
[Spaltenumbruch] den Vater und die Mutter mit seinen großen Augen vergebens suchen
wird, macht sie keinen Augenblick irre in ihrem Entschluß. Wie aber den
Tod finden den sie sucht? Die Guillotine ist nicht da für die Lebensmüden.
Plötzlich kommt es über die Verzweiselnde wie eine Offenbarung. Sie
stürzt sich unter das Volk mit dem Rufe: es lebe der König! und bricht
bewußtlos zu sammen.

Noch mächtiger ist der Eindruck der Schlußscene des dritten Actes.
Das Urtheil über Danton und seine Freunde ist gesprochen, der verhäng-
nißvolle Karren wartet auf sie. Mit dem Becher in der Hand nimmt Ca-
mille Desmoulins mit kurzen und von langen Pausen unterbrochenen
Versen Abschied vom Leben. Die Verse sind einfach, sie sind unbedeutend
wenn man will, aber es klingt eine unaussprechliche Wehmuth aus ihnen
hervor, die Lust der Welt, die Freude des Daseyns legt damit einen letzten
schauerlichen Protest ein gegen den männlichen Todesmuth. "Auf Wie-
dersehen ihr Freunde, sagt Danton nach der letzten Umarmung, auf Wie-
dersehen -- wenn sich unsere Köpfe im Korb küssen."

Der große und wirkungsreiche dramatische Apparat mit welchem der
dritte Act schließt, läßt den folgenden Act, der fast lediglich durch die Vor-
bereitung und Abhaltung der Feier zu Ehren des höchsten Wesens aus-
gefüllt wird, zwiefach kalt und leer erscheinen. Der vierte Act, die gefähr-
liche Klippe der tragischen Poesie, ist im Robespierre durchaus verfehlt;
dir Handlung steht darin gänzlich still, und wir müssen uns statt ihrer
einen mehr oder weniger prunkhaften Aufzug genügen lassen, wie wir
deren in den Opern neuern Styls bis zum Ueberdruß zu sehen bekommen.

Gleichwohl ist dieser vierte Act keineswegs überflüssig, er bildet viel-
mehr den eigentlichen Hebel der Katastrophe. Wie ist Robespierre zu
stürzen? haben sich Tallien, Barras, Freron mehr als einmal gefragt,
ohne die rechte Antwort zu finden. Es ist noch nicht Zeit, hat ihnen Va-
dier beharrlich entgegnet; es ist noch nicht Zeit Partei zu machen, und
alles was bis jetzt Partei macht ist Guillotinenfutter.

Tallien spricht von dem Dolch der Charlotte Corday, Vadier aber
schüttelt den Kopf und erklärt daß er eine bessere Waffe kenne um Robes-
pierre zu tödten -- nämlich die Lächerlichkeit. Man verschwört sich den
Mann des Schreckens lächerlich zu machen, lächerlich durch den Zweifel
ob er mehr sey als ein Halbmann, und durch die Ausbeutung seines bis
in den Mysticismus hinüberspielenden religiösen Hanges. Das Fest des
höchsten Wesens gibt diesem Plan einen erwünschten Vorwand. Die Ver-
schwornen erscheinen bei der Feier um dieselbe zu parodiren, um Pfeile des
Spotts in das Volk zu schleudern, welche natürlich auf Robespierre zu-
rückprallen müssen. Auf diese Weise enthält der vierte Act die eigentliche,
aber freilich ziemlich schwach ausgefallene Motivirung der Katastrophe.

Inzwischen hat man Danton und seine Freunde fallen lassen, und
wer weiß wie lange man noch auf Zeit und Gelegenheit zum Angriff auf
den gemeinschaftlichen Feind warten würde, wenn nicht Tallien zuletzt so-
gar das Haupt seiner Geliebten von dem Fallbeile bedroht sähe, und wenn
nicht der alte Vadier während der feuchten Nächte den Schnupfen bekom-
men hätte, die er unter freiem Himmel zugebracht, weil er sich zu Hause
nicht mehr ficher fühlt. Heute noch muß Robespierre fallen, sonst stirbt
morgen Therese Cabarrus -- dieser Gedanke gibt den Ausschlag. Man
entschließt sich zum Sturmlauf gegen den Dictator, und Robespierre stürzt
weil die von Vadier angelegten Minen den Boden unter seinen Füßen
ausgehöhlt haben. Nicht an seinen blutigen Thaten, nicht an seiner Selbst-
überschätzung, nicht an seiner Herrschsucht sehen wir Robespierre unter-
gehen, sondern an seinem Gottesglauben, und an seiner Ueberzeugung
daß der Staat, daß die Freiheit eine religiöse Basis haben müsse. Wenn
ich diese Idee des Dichters hervorhebe, so geschieht es nicht um den Maß-
stab der theologischen Polizei an dieselbe zu legen, sondern um anzuer-
kennen daß eine hochtragische Weihe auf ihr ruht. Historische Rücksichten
bei Seite lassend finden wir in jener Auffassung des Endes Robespierre's
die höchste dichterische Verklärung, deren der Gegenstand fähig war. Ro-
bespierre ist nicht mehr ein gemeines Opfer der Rache, sein Tod ist nicht
mehr die bloße Sühne einer blutigen Schuld, er stirbt auch nicht mehr an
einem politischen Rechnungsfehler, sondern das Märtyrerthum eines gro-
ßen schönen Glaubens spielt versöhnend in seine letzte Stunde hinüber,
und adelt das Schaffot auf welchem er endet. "Nichts mehr von Partei"
-- sagt der alte Badier indem er sich von dem Anblick des gefällten Fein-
des schaudernd abwendet.

Ich bin in der Schilderung meiner Eindrücke vielleicht zu ausführlich
gewesen, allein es ist schwer, es ist unmöglich ein anschauliches Bild des
Robespierre mit weniger Federstrichen zu geben. Er hat unüber treffliche
Schönheiten neben großen Schwächen; er ist ein Werk des Genie, welches
von der dramatischen Kunst nicht selten im Stich gelassen worden ist, Licht
und Schatten schillern darin so unstät durcheinander, daß es oft der größ-
ten Aufmerksamkeit bedarf um die Gebiete beider von einander zu unter-
scheiden.

[Spaltenumbruch] der Gegenſtand nicht vorhanden iſt. Die Fabel des Robespierre beſteht in
einer Reihe von epiſodiſchen Ewigniſſen, welche lediglich durch den un-
ſichtbaren Faden der politiſchen Geſchichte Frankreichs locker zuſammen-
gehalten werden. Die Kenntniß der franzöſiſchen Revolutionsgeſchichte
wird bei dem Robespierre vorausgeſetzt; ohne dieſe Kenntniß iſt das Grie-
penkerlſche Trauerſpiel unverſtändlich, zerfällt dasſelbe in eine Anzahl
aufeinander folgender Erſcheinungen, von denen keine durch die andere ge-
nügend motivirt wird. Gerade die beiden Hauptperſonen des Stücks,
Danron und Robespierre ſelbſt, verhalten ſich faſt durchaus leidend, zu-
mal der erſtere, obgleich er es an großen Redensarten und pomphaft an-
gekündigten Vorſätzen nicht fehlen läßt. Das iſt hiſtoriſch, zugegeben;
aber es iſt nicht dramatiſch. Kaum anders iſt es mit Robespierre. Seine
Rolle iſt im Grunde genommen nur eine pſychologiſche, ein Seelenkampf.
Wo er eingreift in die Ereigniſſe, da iſt es St. Juſt welcher ihm die Hand
führt. Selbſtthätig tritt Robespierre nur ein einzigesmal auf, bei dem
Feſte des höchſten Weſens, und bei dieſer froſtigen Ceremonie erſcheint er
äußerſt unbedeutend.

Die eigentlich handelnden Perſonen ſind Vadier, Thereſe Cabarrus,
und etwa Fouquier Tinville, welcher mit ſeinen Gendarmen die Bühne faſt
gar nicht verläßt. Der alte Vadier iſt es welcher die Kataſtrophe vorbe-
reitet, verzögert, und im rechten Augenblick herbeiführt, er bildet das
Schwungrad der dramatiſchen Maſchine, und obgleich von dem Dichter in
den Hintergrund geſtellt, unzweifelhaft die weitaus am beſten gezeichnete
Figur des Stücks.

Dem Volk iſt auffallenderweiſe gar keine Rolle im Robespierre an-
gewieſen. Hr. Griepenkerl gebraucht dasſelbe höchſtens als eine ärmliche
Staffage. In der ganzen Erſcheinung des Bolks auf der Bühne keine
Spur von Selbſtthätigkeit, von Willen, von Leidenſchaft, und am aller-
wenigſten von Einfluß auf den Gang der dramatiſchen Handlung. Wir
hören allerdings viel reden vom Volk, aber wir nehmen nirgends die Fä-
den wahr welche von dem Markte in das Cabinet, in den Salon oder in
den Senat herüberreichen.

Entſchiedene Armuth der Handlung iſt demnach ein Vorwurf welchen
wir dem Robespierre ſchon auf der Schwelle machen müſſen. Damit iſt
aber keineswegs geſagt daß im Robespierre nicht genug geſchehe. Im
Gegentheil, er wimmelt von Ereigniſſen. Verhaftungen, Befreiungen,
Kerkerſcenen, Tafelſcenen, Verſchwörungen, Piſtolenſchüſſe, Marktauf-
tritte u. ſ. w. jagen einander in dem ganzen Stücke dergeſtalt, daß die
Bühne keinen Augenblick leer davon wird. Es fehlt nichts als der breite
Hauptſtrom der Handlung in welchen alle jene kleinen Bäche münden,
jener Hauptſtrom wird wenigſtens nicht über die Bühne geleitet, er fließt
vielmehr ſo weit hinter den Couliſſen weg daß das Ohr kaum ein entfern-
tes Rauſchen vernimmt.

Und gleichwohl iſt der Robespierre ein großes Werk, und von gewal-
tiger Wirkung. Wenn es dem Dichter nicht gelungen iſt die volle Har-
monie eines in ſich abgeſchloſſenen Kunſtwerks zu erreichen, ſo treten uns
dafür unzählige Einzelheiten ſeines Drama’s in wunderbarer Vollendung
entgegen. Ich habe ſchon oben die mit Meiſterhand geſchaffene Figur Va-
diers genannt. Nächſt Vadier der gelungenſte Charakter des Stücks iſt
Mamin, der Vertreter eines gewiſſen ſchmarotzenden Straßenproletariats,
feige, niederträchtig, beuteluſtig, frech, aber mit Schlauheit, Menſchen-
kenntniß und Bettlerhumor reichlich ausgeſtattet. Thereſe Cabarrus, die
begeiſterte Republicanerin, und Lucile, das vom ſüßeſten Liebeszauber um-
fangene Weib des ſchönen ſchwärmeriſchen Camille Desmoulins, ſind
gleichfalls herrliche Bilder aus einer reichen dichteriſchen Welt. Robes-
pierre ſelbſt, der als ein kalter Fanatiker der Idee in der Geſchichte da-
ſteht, iſt in dem Griepenkerlſchen Trauerſpiel vielleicht zu ſehr Gefühls-
menſch, als daß wir einen richtig aufgefaßten Charakter in ihm erkennen
könnten. Ueber eine ſo ſcharf umriſſene hiſtoriſche Perſönlichkeit aber wie
die Robespierre’s darf ſich die Feder des Dichters keine Gewalt anmaßen,
die geſchichtliche Treue iſt hier vielmehr gebieteriſche Pflicht, deren Ver-
letzung ſich an dem Werke des Uebertreters empfindlich rächen muß. Was
die Figur Dantons betrifft, ſo muß ich mich jedes Urtheils über dieſelbe
enthalten, da es faſt unmöglich war die über alle Begriffe erbärmliche
Darſtellung des Schauſpielers welchem dieſe Rolle in die Hände gefallen,
von der Schöpfung des Dichters ſo weit abzulöſen daß ein freier Blick auf
die letztere möglich geweſen wäre.

Die größte Stärke Griepenkerls beſteht indeſſen in der Situations-
malerei. Jeder Act, mit Ausnahme des vierten, bringt uns irgendeinen
Auftritt von erſchütternder, von überwältigender Wirkung, erſchütternd,
überwältigend ſogar in der ziemlich mittelmäßigen Darſtellung auf unſe-
rer Bühne. Zweimal iſt Lucile die Trägerin ſolcher Scenen, das erſtemal
bei der Verhaftung ihres Camille, das zweitemal nach ſeiner Verurthei-
lung. Sie kann ihn nicht retten, ſie will wenigſtens mit ihm ſterben.
Selbſt der Gedanke an das ſchlafende Kind daheim, welches beim Erwachen
[Spaltenumbruch] den Vater und die Mutter mit ſeinen großen Augen vergebens ſuchen
wird, macht ſie keinen Augenblick irre in ihrem Entſchluß. Wie aber den
Tod finden den ſie ſucht? Die Guillotine iſt nicht da für die Lebensmüden.
Plötzlich kommt es über die Verzweiſelnde wie eine Offenbarung. Sie
ſtürzt ſich unter das Volk mit dem Rufe: es lebe der König! und bricht
bewußtlos zu ſammen.

Noch mächtiger iſt der Eindruck der Schlußſcene des dritten Actes.
Das Urtheil über Danton und ſeine Freunde iſt geſprochen, der verhäng-
nißvolle Karren wartet auf ſie. Mit dem Becher in der Hand nimmt Ca-
mille Desmoulins mit kurzen und von langen Pauſen unterbrochenen
Verſen Abſchied vom Leben. Die Verſe ſind einfach, ſie ſind unbedeutend
wenn man will, aber es klingt eine unausſprechliche Wehmuth aus ihnen
hervor, die Luſt der Welt, die Freude des Daſeyns legt damit einen letzten
ſchauerlichen Proteſt ein gegen den männlichen Todesmuth. „Auf Wie-
derſehen ihr Freunde, ſagt Danton nach der letzten Umarmung, auf Wie-
derſehen — wenn ſich unſere Köpfe im Korb küſſen.“

Der große und wirkungsreiche dramatiſche Apparat mit welchem der
dritte Act ſchließt, läßt den folgenden Act, der faſt lediglich durch die Vor-
bereitung und Abhaltung der Feier zu Ehren des höchſten Weſens aus-
gefüllt wird, zwiefach kalt und leer erſcheinen. Der vierte Act, die gefähr-
liche Klippe der tragiſchen Poeſie, iſt im Robespierre durchaus verfehlt;
dir Handlung ſteht darin gänzlich ſtill, und wir müſſen uns ſtatt ihrer
einen mehr oder weniger prunkhaften Aufzug genügen laſſen, wie wir
deren in den Opern neuern Styls bis zum Ueberdruß zu ſehen bekommen.

Gleichwohl iſt dieſer vierte Act keineswegs überflüſſig, er bildet viel-
mehr den eigentlichen Hebel der Kataſtrophe. Wie iſt Robespierre zu
ſtürzen? haben ſich Tallien, Barras, Freron mehr als einmal gefragt,
ohne die rechte Antwort zu finden. Es iſt noch nicht Zeit, hat ihnen Va-
dier beharrlich entgegnet; es iſt noch nicht Zeit Partei zu machen, und
alles was bis jetzt Partei macht iſt Guillotinenfutter.

Tallien ſpricht von dem Dolch der Charlotte Corday, Vadier aber
ſchüttelt den Kopf und erklärt daß er eine beſſere Waffe kenne um Robes-
pierre zu tödten — nämlich die Lächerlichkeit. Man verſchwört ſich den
Mann des Schreckens lächerlich zu machen, lächerlich durch den Zweifel
ob er mehr ſey als ein Halbmann, und durch die Ausbeutung ſeines bis
in den Myſticismus hinüberſpielenden religiöſen Hanges. Das Feſt des
höchſten Weſens gibt dieſem Plan einen erwünſchten Vorwand. Die Ver-
ſchwornen erſcheinen bei der Feier um dieſelbe zu parodiren, um Pfeile des
Spotts in das Volk zu ſchleudern, welche natürlich auf Robespierre zu-
rückprallen müſſen. Auf dieſe Weiſe enthält der vierte Act die eigentliche,
aber freilich ziemlich ſchwach ausgefallene Motivirung der Kataſtrophe.

Inzwiſchen hat man Danton und ſeine Freunde fallen laſſen, und
wer weiß wie lange man noch auf Zeit und Gelegenheit zum Angriff auf
den gemeinſchaftlichen Feind warten würde, wenn nicht Tallien zuletzt ſo-
gar das Haupt ſeiner Geliebten von dem Fallbeile bedroht ſähe, und wenn
nicht der alte Vadier während der feuchten Nächte den Schnupfen bekom-
men hätte, die er unter freiem Himmel zugebracht, weil er ſich zu Hauſe
nicht mehr ficher fühlt. Heute noch muß Robespierre fallen, ſonſt ſtirbt
morgen Thereſe Cabarrus — dieſer Gedanke gibt den Ausſchlag. Man
entſchließt ſich zum Sturmlauf gegen den Dictator, und Robespierre ſtürzt
weil die von Vadier angelegten Minen den Boden unter ſeinen Füßen
ausgehöhlt haben. Nicht an ſeinen blutigen Thaten, nicht an ſeiner Selbſt-
überſchätzung, nicht an ſeiner Herrſchſucht ſehen wir Robespierre unter-
gehen, ſondern an ſeinem Gottesglauben, und an ſeiner Ueberzeugung
daß der Staat, daß die Freiheit eine religiöſe Baſis haben müſſe. Wenn
ich dieſe Idee des Dichters hervorhebe, ſo geſchieht es nicht um den Maß-
ſtab der theologiſchen Polizei an dieſelbe zu legen, ſondern um anzuer-
kennen daß eine hochtragiſche Weihe auf ihr ruht. Hiſtoriſche Rückſichten
bei Seite laſſend finden wir in jener Auffaſſung des Endes Robespierre’s
die höchſte dichteriſche Verklärung, deren der Gegenſtand fähig war. Ro-
bespierre iſt nicht mehr ein gemeines Opfer der Rache, ſein Tod iſt nicht
mehr die bloße Sühne einer blutigen Schuld, er ſtirbt auch nicht mehr an
einem politiſchen Rechnungsfehler, ſondern das Märtyrerthum eines gro-
ßen ſchönen Glaubens ſpielt verſöhnend in ſeine letzte Stunde hinüber,
und adelt das Schaffot auf welchem er endet. „Nichts mehr von Partei“
— ſagt der alte Badier indem er ſich von dem Anblick des gefällten Fein-
des ſchaudernd abwendet.

Ich bin in der Schilderung meiner Eindrücke vielleicht zu ausführlich
geweſen, allein es iſt ſchwer, es iſt unmöglich ein anſchauliches Bild des
Robespierre mit weniger Federſtrichen zu geben. Er hat unüber treffliche
Schönheiten neben großen Schwächen; er iſt ein Werk des Genie, welches
von der dramatiſchen Kunſt nicht ſelten im Stich gelaſſen worden iſt, Licht
und Schatten ſchillern darin ſo unſtät durcheinander, daß es oft der größ-
ten Aufmerkſamkeit bedarf um die Gebiete beider von einander zu unter-
ſcheiden.

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[491/0011] der Gegenſtand nicht vorhanden iſt. Die Fabel des Robespierre beſteht in einer Reihe von epiſodiſchen Ewigniſſen, welche lediglich durch den un- ſichtbaren Faden der politiſchen Geſchichte Frankreichs locker zuſammen- gehalten werden. Die Kenntniß der franzöſiſchen Revolutionsgeſchichte wird bei dem Robespierre vorausgeſetzt; ohne dieſe Kenntniß iſt das Grie- penkerlſche Trauerſpiel unverſtändlich, zerfällt dasſelbe in eine Anzahl aufeinander folgender Erſcheinungen, von denen keine durch die andere ge- nügend motivirt wird. Gerade die beiden Hauptperſonen des Stücks, Danron und Robespierre ſelbſt, verhalten ſich faſt durchaus leidend, zu- mal der erſtere, obgleich er es an großen Redensarten und pomphaft an- gekündigten Vorſätzen nicht fehlen läßt. Das iſt hiſtoriſch, zugegeben; aber es iſt nicht dramatiſch. Kaum anders iſt es mit Robespierre. Seine Rolle iſt im Grunde genommen nur eine pſychologiſche, ein Seelenkampf. Wo er eingreift in die Ereigniſſe, da iſt es St. Juſt welcher ihm die Hand führt. Selbſtthätig tritt Robespierre nur ein einzigesmal auf, bei dem Feſte des höchſten Weſens, und bei dieſer froſtigen Ceremonie erſcheint er äußerſt unbedeutend. Die eigentlich handelnden Perſonen ſind Vadier, Thereſe Cabarrus, und etwa Fouquier Tinville, welcher mit ſeinen Gendarmen die Bühne faſt gar nicht verläßt. Der alte Vadier iſt es welcher die Kataſtrophe vorbe- reitet, verzögert, und im rechten Augenblick herbeiführt, er bildet das Schwungrad der dramatiſchen Maſchine, und obgleich von dem Dichter in den Hintergrund geſtellt, unzweifelhaft die weitaus am beſten gezeichnete Figur des Stücks. Dem Volk iſt auffallenderweiſe gar keine Rolle im Robespierre an- gewieſen. Hr. Griepenkerl gebraucht dasſelbe höchſtens als eine ärmliche Staffage. In der ganzen Erſcheinung des Bolks auf der Bühne keine Spur von Selbſtthätigkeit, von Willen, von Leidenſchaft, und am aller- wenigſten von Einfluß auf den Gang der dramatiſchen Handlung. Wir hören allerdings viel reden vom Volk, aber wir nehmen nirgends die Fä- den wahr welche von dem Markte in das Cabinet, in den Salon oder in den Senat herüberreichen. Entſchiedene Armuth der Handlung iſt demnach ein Vorwurf welchen wir dem Robespierre ſchon auf der Schwelle machen müſſen. Damit iſt aber keineswegs geſagt daß im Robespierre nicht genug geſchehe. Im Gegentheil, er wimmelt von Ereigniſſen. Verhaftungen, Befreiungen, Kerkerſcenen, Tafelſcenen, Verſchwörungen, Piſtolenſchüſſe, Marktauf- tritte u. ſ. w. jagen einander in dem ganzen Stücke dergeſtalt, daß die Bühne keinen Augenblick leer davon wird. Es fehlt nichts als der breite Hauptſtrom der Handlung in welchen alle jene kleinen Bäche münden, jener Hauptſtrom wird wenigſtens nicht über die Bühne geleitet, er fließt vielmehr ſo weit hinter den Couliſſen weg daß das Ohr kaum ein entfern- tes Rauſchen vernimmt. Und gleichwohl iſt der Robespierre ein großes Werk, und von gewal- tiger Wirkung. Wenn es dem Dichter nicht gelungen iſt die volle Har- monie eines in ſich abgeſchloſſenen Kunſtwerks zu erreichen, ſo treten uns dafür unzählige Einzelheiten ſeines Drama’s in wunderbarer Vollendung entgegen. Ich habe ſchon oben die mit Meiſterhand geſchaffene Figur Va- diers genannt. Nächſt Vadier der gelungenſte Charakter des Stücks iſt Mamin, der Vertreter eines gewiſſen ſchmarotzenden Straßenproletariats, feige, niederträchtig, beuteluſtig, frech, aber mit Schlauheit, Menſchen- kenntniß und Bettlerhumor reichlich ausgeſtattet. Thereſe Cabarrus, die begeiſterte Republicanerin, und Lucile, das vom ſüßeſten Liebeszauber um- fangene Weib des ſchönen ſchwärmeriſchen Camille Desmoulins, ſind gleichfalls herrliche Bilder aus einer reichen dichteriſchen Welt. Robes- pierre ſelbſt, der als ein kalter Fanatiker der Idee in der Geſchichte da- ſteht, iſt in dem Griepenkerlſchen Trauerſpiel vielleicht zu ſehr Gefühls- menſch, als daß wir einen richtig aufgefaßten Charakter in ihm erkennen könnten. Ueber eine ſo ſcharf umriſſene hiſtoriſche Perſönlichkeit aber wie die Robespierre’s darf ſich die Feder des Dichters keine Gewalt anmaßen, die geſchichtliche Treue iſt hier vielmehr gebieteriſche Pflicht, deren Ver- letzung ſich an dem Werke des Uebertreters empfindlich rächen muß. Was die Figur Dantons betrifft, ſo muß ich mich jedes Urtheils über dieſelbe enthalten, da es faſt unmöglich war die über alle Begriffe erbärmliche Darſtellung des Schauſpielers welchem dieſe Rolle in die Hände gefallen, von der Schöpfung des Dichters ſo weit abzulöſen daß ein freier Blick auf die letztere möglich geweſen wäre. Die größte Stärke Griepenkerls beſteht indeſſen in der Situations- malerei. Jeder Act, mit Ausnahme des vierten, bringt uns irgendeinen Auftritt von erſchütternder, von überwältigender Wirkung, erſchütternd, überwältigend ſogar in der ziemlich mittelmäßigen Darſtellung auf unſe- rer Bühne. Zweimal iſt Lucile die Trägerin ſolcher Scenen, das erſtemal bei der Verhaftung ihres Camille, das zweitemal nach ſeiner Verurthei- lung. Sie kann ihn nicht retten, ſie will wenigſtens mit ihm ſterben. Selbſt der Gedanke an das ſchlafende Kind daheim, welches beim Erwachen den Vater und die Mutter mit ſeinen großen Augen vergebens ſuchen wird, macht ſie keinen Augenblick irre in ihrem Entſchluß. Wie aber den Tod finden den ſie ſucht? Die Guillotine iſt nicht da für die Lebensmüden. Plötzlich kommt es über die Verzweiſelnde wie eine Offenbarung. Sie ſtürzt ſich unter das Volk mit dem Rufe: es lebe der König! und bricht bewußtlos zu ſammen. Noch mächtiger iſt der Eindruck der Schlußſcene des dritten Actes. Das Urtheil über Danton und ſeine Freunde iſt geſprochen, der verhäng- nißvolle Karren wartet auf ſie. Mit dem Becher in der Hand nimmt Ca- mille Desmoulins mit kurzen und von langen Pauſen unterbrochenen Verſen Abſchied vom Leben. Die Verſe ſind einfach, ſie ſind unbedeutend wenn man will, aber es klingt eine unausſprechliche Wehmuth aus ihnen hervor, die Luſt der Welt, die Freude des Daſeyns legt damit einen letzten ſchauerlichen Proteſt ein gegen den männlichen Todesmuth. „Auf Wie- derſehen ihr Freunde, ſagt Danton nach der letzten Umarmung, auf Wie- derſehen — wenn ſich unſere Köpfe im Korb küſſen.“ Der große und wirkungsreiche dramatiſche Apparat mit welchem der dritte Act ſchließt, läßt den folgenden Act, der faſt lediglich durch die Vor- bereitung und Abhaltung der Feier zu Ehren des höchſten Weſens aus- gefüllt wird, zwiefach kalt und leer erſcheinen. Der vierte Act, die gefähr- liche Klippe der tragiſchen Poeſie, iſt im Robespierre durchaus verfehlt; dir Handlung ſteht darin gänzlich ſtill, und wir müſſen uns ſtatt ihrer einen mehr oder weniger prunkhaften Aufzug genügen laſſen, wie wir deren in den Opern neuern Styls bis zum Ueberdruß zu ſehen bekommen. Gleichwohl iſt dieſer vierte Act keineswegs überflüſſig, er bildet viel- mehr den eigentlichen Hebel der Kataſtrophe. Wie iſt Robespierre zu ſtürzen? haben ſich Tallien, Barras, Freron mehr als einmal gefragt, ohne die rechte Antwort zu finden. Es iſt noch nicht Zeit, hat ihnen Va- dier beharrlich entgegnet; es iſt noch nicht Zeit Partei zu machen, und alles was bis jetzt Partei macht iſt Guillotinenfutter. Tallien ſpricht von dem Dolch der Charlotte Corday, Vadier aber ſchüttelt den Kopf und erklärt daß er eine beſſere Waffe kenne um Robes- pierre zu tödten — nämlich die Lächerlichkeit. Man verſchwört ſich den Mann des Schreckens lächerlich zu machen, lächerlich durch den Zweifel ob er mehr ſey als ein Halbmann, und durch die Ausbeutung ſeines bis in den Myſticismus hinüberſpielenden religiöſen Hanges. Das Feſt des höchſten Weſens gibt dieſem Plan einen erwünſchten Vorwand. 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Man entſchließt ſich zum Sturmlauf gegen den Dictator, und Robespierre ſtürzt weil die von Vadier angelegten Minen den Boden unter ſeinen Füßen ausgehöhlt haben. Nicht an ſeinen blutigen Thaten, nicht an ſeiner Selbſt- überſchätzung, nicht an ſeiner Herrſchſucht ſehen wir Robespierre unter- gehen, ſondern an ſeinem Gottesglauben, und an ſeiner Ueberzeugung daß der Staat, daß die Freiheit eine religiöſe Baſis haben müſſe. Wenn ich dieſe Idee des Dichters hervorhebe, ſo geſchieht es nicht um den Maß- ſtab der theologiſchen Polizei an dieſelbe zu legen, ſondern um anzuer- kennen daß eine hochtragiſche Weihe auf ihr ruht. Hiſtoriſche Rückſichten bei Seite laſſend finden wir in jener Auffaſſung des Endes Robespierre’s die höchſte dichteriſche Verklärung, deren der Gegenſtand fähig war. Ro- bespierre iſt nicht mehr ein gemeines Opfer der Rache, ſein Tod iſt nicht mehr die bloße Sühne einer blutigen Schuld, er ſtirbt auch nicht mehr an einem politiſchen Rechnungsfehler, ſondern das Märtyrerthum eines gro- ßen ſchönen Glaubens ſpielt verſöhnend in ſeine letzte Stunde hinüber, und adelt das Schaffot auf welchem er endet. „Nichts mehr von Partei“ — ſagt der alte Badier indem er ſich von dem Anblick des gefällten Fein- des ſchaudernd abwendet. Ich bin in der Schilderung meiner Eindrücke vielleicht zu ausführlich geweſen, allein es iſt ſchwer, es iſt unmöglich ein anſchauliches Bild des Robespierre mit weniger Federſtrichen zu geben. Er hat unüber treffliche Schönheiten neben großen Schwächen; er iſt ein Werk des Genie, welches von der dramatiſchen Kunſt nicht ſelten im Stich gelaſſen worden iſt, Licht und Schatten ſchillern darin ſo unſtät durcheinander, daß es oft der größ- ten Aufmerkſamkeit bedarf um die Gebiete beider von einander zu unter- ſcheiden.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1850/11>, abgerufen am 01.11.2024.