Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 31. Januar 1850.[Spaltenumbruch]
wollte diese Schwerkraft erhalten wissen und die Wagschale sank dahin. Im Verfassungsausschuß der ersten Kammer hat Dahlmann ergrei- l Berlin, 27 Jan. Der Verwaltungsrath hat in seiner Oesterreich. @ Wien, 27 Jan. Eine große Botschaft, und eine frohe # Wien, 27 Jan. Ungeachtet alle Blätter übereinstimmend von [Spaltenumbruch]
wollte dieſe Schwerkraft erhalten wiſſen und die Wagſchale ſank dahin. Im Verfaſſungsausſchuß der erſten Kammer hat Dahlmann ergrei- ⠇ Berlin, 27 Jan. Der Verwaltungsrath hat in ſeiner Oeſterreich.  Wien, 27 Jan. Eine große Botſchaft, und eine frohe # Wien, 27 Jan. Ungeachtet alle Blätter übereinſtimmend von <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="484"/><cb/> wollte dieſe Schwerkraft erhalten wiſſen und die Wagſchale ſank dahin.<lb/> Nach innen wird ſie erhalten werden, ob nach außen, wird erſt die nächſte Zeit<lb/> darthun. In dieſem Sinn der richtigen Auffaſſung deſſen was es galt,<lb/> muß man die klare, leidenſchaftloſe Rede des Miniſters Manteuffel loben.<lb/> Er forderte die Nachgiebigkeit nicht als Pflicht, „jeder, ſagte er, wird ſich<lb/> ſeine Meinung darüber bereits gebildet haben, und wohl ſchwerlich durch<lb/> Gründe dafür oder dagegen zu überzeugen ſeyn. Ich gebe gern zu daß<lb/> die Anſichten über den Werth der Regierungsvorſchläge verſchieden ſeyn<lb/> können, und daß ich keine neuen Gründe dafür in die Wagſchale zu<lb/> legen vermag,“ er forderte die Zuſtimmung nur an den Patriotismus<lb/> der Verſammlung appellirend, und ſchloß: „Um ganz aufrichtig zu ſeyn,<lb/> ſo wird allerdings der Mehrheit in dieſer Kammer Gewalt angemuthet,<lb/> aber nicht durch uns, durch die Natur der Sache, durch die Vaterlands-<lb/> liebe.“ Gegen dieſe Appellation läßt ſich allerdings viel ſagen, und iſt<lb/> auch geſagt worden. Der Patriotismus iſt in dieſem Fall einer ganz ent-<lb/> gegengeſetzten Auslegung fähig, aber die Unterſuchung, ob die Natur der<lb/> Sache, oder wer der Kammer dieſe Gewalt anlege, war hier nicht mehr<lb/> an der Zeit.</p><lb/> <p>Im Verfaſſungsausſchuß der erſten Kammer hat Dahlmann ergrei-<lb/> fende Worte gegen die Pairie geſprochen. Sie verſetzten einige Pairs<lb/><hi rendition="#aq">in spe</hi> ſehr in Harniſch. Namentlich den Grafen v. Itzenplitz erhitzte<lb/> ein Ausſpruch Dahlmanns: „Bildet man ſich ein daß eine Thalgegend in<lb/> Gebirgsland umzuwandeln ſey? Freilich ein großer Herr kann rund um<lb/> ſeinen Wohnfitz im Flachland Hügel aufwerfen laſſen; dieſe Erdhaufen<lb/> ſind aber keine Berge!“ Der Graf v. Itzenplitz entgegnete: Preußens Ge-<lb/> ſchichte weiſe eine ganze Reihe von erlauchten Namen auf, deren Träger<lb/> wahrhafte Pairs ſeyn würden; es gebe einen hiſtoriſchen Adel in Preu-<lb/> ßen; Arnim (Boitzenburg), Schwerin u. ſ. f. Dahlmann erwiederte<lb/> gelaſſen daß er an geſchichtlichen Kenntniſſen mit dem edeln Grafen<lb/> Schritt zu halten hoffe. Graf Itzenplitz hätte zum Beweiſe, wie der Adel<lb/> im Herzen des Volks lebt, das märkiſche Sprüchwort beherzigen ſollen:<lb/><hi rendition="#et">Vor Itzenplitz,<lb/> Vor Köckeritz<lb/> Der liebe Himmel uns beſchütz! (H. N.)</hi></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>⠇ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 27 Jan.</dateline> <p>Der Verwaltungsrath hat in ſeiner<lb/> Plenarſitzung vom 25 Jan. noch keinen formellen Beſchluß über die<lb/> Vorlagen für Erfurt ausgeſprochen, worauf man eigentlich bereits ge-<lb/> faßt war. Derſelbe ſollte für unveränderte Vorlage des Urentwurfs vom<lb/> 28 Mai v. J. in Erfurt lauten und in der Motivirung die Ablehnung der<lb/> preußiſchen, ſowie überhaupt aller Veränderungsvorſchläge durch die<lb/> Rückſicht auf die verwahrenden Erklärungen Sachſens und Hannovers<lb/> erklären. Wie ich höre lautet der betreffende Vortrag des hiefür nieder-<lb/> geſetzten Ausſchuſſes, welchen Miniſter Vollpracht abgefaßt hat, durchaus<lb/> in dieſem Sinn. Er iſt auch bereits zur Vertheilung unter die Mitglieder<lb/> des Verwaltungsraths gekommen, welche ſich in ihrer Mehrzahl ziemlich<lb/> offen dahin ausſprechen daß nach der Sanctionirung des Entwurfs vom<lb/> Reichstag in Erfurt ſofort die Reichsregierung für den Bundesſtaat ein-<lb/> zutreten habe, ein Reichsminiſterium einzuſetzen und mit einer Vollzugs-<lb/> ordnung zu verſehen ſey. Die ſofortige Reviſion wäre dann nichts weiter<lb/> als die beſtimmte Begränzung der ſofort in Wirkſamkeit tretenden Be-<lb/> ſtimmungen des Entwurfs. Es iſt trotz der in allen Ecken und Enden<lb/> in der Preſſe auftauchenden Nachrichten über einen Gegenverfaſſungsent-<lb/> wurf der Königreiche unter Oeſterreichs Anführung bis heut noch keine<lb/> Mittheilung weder officiell noch vertraulich an das hiefige Cabinet ge-<lb/> langt. Man zweifelt hier nicht daran daß man mit ſolchen Plänen an<lb/> den kleinen Höfen umgeht, aber man glaubt, trotz der Verſicherung des<lb/> württembergiſchen Staatsanzeigers, nicht an das Zuſtandekommen einer<lb/> ſolchen Vereinbarung. Ueber die Wirkung welche die geſtrige veränderte<lb/> Annahme der Propoſitionen hier hervorgebracht, läßt ſich noch nicht viel<lb/> ſagen. Die meiſte Billigung findet die Veränderung des Staatsgerichts-<lb/> hofs in einen beſondern Schwurgerichtshof, da es thatſächlich iſt daß die<lb/> jetzige Organiſation der Schwurgerichte in politiſchen Proceſſen in ein-<lb/> zelnen Provinzen, wo ſich Nationalitäten gegenüberſtehen, rein unhaltbar<lb/> iſt. Der Krauthofer’ſche Proceß in Poſen, ſowie eine ganze Reihe von<lb/> Landesverrathsproceſſen in Gneſen (in derſelben Provinz) bilden den<lb/> ſchlagendſten Beweis. Die Berliner denken bereits an die erſte Feier<lb/> des Conſtitutionsfeſtes nach der Beſchwörung der Verfaſſung, welche gleich<lb/> nach dem Votum der erſten Kammer bevorſteht.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head> <div type="jComment" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Wien,</hi> 27 Jan.</dateline> <p>Eine große Botſchaft, und eine frohe<lb/> zugleich: geſtern iſt aus dem hieſigen Cabinet an die Bundescentralcom-<lb/> miſſion zu Frankfurt und gleichzeitig an die öſterreichiſchen Geſandtſchaf-<lb/> ten bei den übrigen deutſchen Höfen eine Denkſchrift abgegangen, welche<lb/> nichts geringeres enthält als die Ausführung der bekannten Vorlagen<lb/> der Wiener Zeitung vom 26 Oct. v. J. Damals als letztere in die Welt<lb/> hinausgeſtreut wurden, zweifelte man in begreiflicher Befliſſenheit den<lb/><cb/> Ernſt ihrer Abſicht, die Möglichkeit ihrer Ausführung an; es fehlte ſo-<lb/> gar nicht an ſolchen Stimmen welche dieſe Vorſchläge und jede Anwün-<lb/> ſchung an ſie um deßwillen kurz zurückwieſen, weil ſie nicht aus officieller<lb/> Quelle gefloſſen. Dieſer Vorwand fällt nun auf einmal weg. Oeſter-<lb/> reich ſpricht es beſtimmt aus, ſpricht es durch die Organe ſeiner Regie-<lb/> rung und ihrer auswärtigen Vertretung aus, ſpricht es in feſten, poſiti-<lb/> ven Sätzen aus was und wohin es will. Und welches iſt dieſes Ziel?<lb/> Eine „Annäherung“ an Deutſchland? Nicht doch — ſondern eine <hi rendition="#g">Eini-<lb/> gung.</hi> Eine Einigung „mit dem Zollverein?“ Nicht doch — ſondern<lb/> eine Einigung <hi rendition="#g">mit dem geſammten Deutſchland.</hi> Das iſt eine<lb/> Straße, worauf wir die öſterreichiſche Regierung mit freudigem Zuruf<lb/> willkommen heißen, worauf in gleichem Eifer das ganze deutſche Volk ihr<lb/> entgegenkommen wird; eine klare, ſcharf gezogene, unabſehbar bewegte<lb/> und unberechenbar folgenreiche Straße iſt es, gebaut aus dem greifbaren<lb/> Stoffe der nächſten materiellen Intereſſen, gerichtet auf die höchſten Ziele<lb/> eines Volkes und eines Zeitalters, ſogar über deren Gränze weit hinaus-<lb/> reichend in eine unermeßliche Perſpective. Mit dieſem großen Schritte<lb/> wird feſter Boden gewonnen für alle Arbeit an der deutſchen Zukunft, und<lb/> auch dem politiſchen Theile dieſer Arbeit, ſtatt der luftigen Bahn des Er-<lb/> perimentirens und Doctrinirens, worin er bisher verpuffte, ſein Weg be-<lb/> ſtimmt vorgezeichnet. Daß es an Schwierigkeiten auf dieſem Wege nicht<lb/> mangeln wird, an Gefahren und an Hemmniſſen aller Art — darüber<lb/> macht ſich die öſterreichiſche Regierung keine Illufionen. Sie weiß wel-<lb/> chem Widerſtande ſie, von draußen abgeſehen, zunächſt in ihren inneren<lb/> Verhältniſſen begegnen muß, und wie es ihrer ganzen Thätigkeit, ihrer<lb/> vollen, unerſchrockenen Kraft und zukunftſicheren Ueberzeugung bedarf<lb/> um über dieſen Widerſtand und über jene Schwierigkeiten hinwegzukom-<lb/> men. Aber ſie hat ihr Ziel klar erkannt, feſt geſteckt, ſie hat den Weg<lb/> dazu entſchloſſen betreten. Auch der beliebten Verſchleppung und Ver-<lb/> zettelung, womit gerade die wichtigſten Fragen im deutſchen Leben von der<lb/> goldenen Praxis behandelt zu werden pflegen, hat ſie vorgebeugt, indem<lb/> ſie an allen Orten zumal, im Mittelpunkte zu Frankfurt und an den En-<lb/> den aller einzelnen Hauptſtädte, ihre Fäden anknüpfte. Dieſe zu einem<lb/> allgemeinen deutſchen Zollcongreß zu verſchlingen, welcher die ganze, große<lb/> Aufgabe in die Hand nehme — das iſt nun die Sache der deutſchen Re-<lb/> gierungen, des deutſchen Volkes. Oeſterreich hat, indem es die Initia-<lb/> tive in dieſer Sache nahm, einen Muth gezeigt und einen Ernſt welche<lb/> ihm die Geſchichte hoch anrechnen wird. Und damit es am Humor mit-<lb/> ten in dieſem Ernſte nicht gebreche, ſo mußte hier gerade geſtern, an dem-<lb/> ſelben Tage wo die große Botſchaft auslief, ein kleiner Artikel in der<lb/> „Conſtitutionellen Zeitung“ eintreffen, welcher mit ſalbungsreicher Zuver-<lb/> ſicht und in vielen ſpitzigen Worten ausſprach daß die öſterreichiſchen<lb/> Vorſchläge vom 26 Oct. v. J. bloße Windeier ſeyn, in den Sand gelegt,<lb/> ohne daß es mit ihrer Ausbrütung dem Doppeladler jemals wirklicher<lb/> Ernſt oder daß dazu überhaupt eine ernſtliche Möglichkeit ſey. 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Höfen den Rath ertheilt<lb/> ſich vor allem über ein unter ihnen zu ſchließendes Bündniß und einen<lb/> darauf gegründeten deutſchen Verfaſſungsentwurf zu einigen, dem dann<lb/> auch Oeſterreich, falls ſeine eigenthümliche Stellung dabei genügend berück-<lb/> ſichtigt würde, gern beitreten wollte. Bei den deßfalls begonnenen diplo-<lb/> matiſchen Vorverhandlungen war jedoch Oeſterreich bisher ſo gut wie<lb/> nicht betheiligt, ſondern die Initiative darin, ſo viel ich höre, an Hrn.<lb/> v. d. Pfordten überlaſſen. Es entſpricht auch bei weitem mehr der Eigen-<lb/> thümlichkeit der Politik des Fürſten Schwarzenberg, der in dieſer Bezie-<lb/> hung das ganze Miniſterium vertritt, in einem Augenblick wie der gegen-<lb/> wärtige einer iſt, wo die ſtaatsrechtlichen Grundlagen in dem wichtigſten<lb/> deutſchen Staate in Frage geſtellt ſind, und die Rückwirkung der preußi-<lb/> ſchen Verfaſſungskriſe auf die dortige Aufſtellung in Betreff der Verfaſ-<lb/> ſung des engern Bundes ſich auch nicht einmal annähernd berechnen läßt,<lb/> von jedem poſitiven Vorgang in der deutſchen Verfaſſungsfrage Abſtand<lb/> zu nehmen, und ſich einfach darauf zu beſchränken die Fehler der Gegner<lb/> möglichſt gut zu benützen. Daß ſich in dieſer letztern Beziehung hinrei-<lb/> chend Gelegenheit zu erfolgreichen Unternehmungen darbietet, iſt leider<lb/> nicht zu beſtreiten. Vorderhand wird das Streben des öſterreichiſchen Ca-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [484/0004]
wollte dieſe Schwerkraft erhalten wiſſen und die Wagſchale ſank dahin.
Nach innen wird ſie erhalten werden, ob nach außen, wird erſt die nächſte Zeit
darthun. In dieſem Sinn der richtigen Auffaſſung deſſen was es galt,
muß man die klare, leidenſchaftloſe Rede des Miniſters Manteuffel loben.
Er forderte die Nachgiebigkeit nicht als Pflicht, „jeder, ſagte er, wird ſich
ſeine Meinung darüber bereits gebildet haben, und wohl ſchwerlich durch
Gründe dafür oder dagegen zu überzeugen ſeyn. Ich gebe gern zu daß
die Anſichten über den Werth der Regierungsvorſchläge verſchieden ſeyn
können, und daß ich keine neuen Gründe dafür in die Wagſchale zu
legen vermag,“ er forderte die Zuſtimmung nur an den Patriotismus
der Verſammlung appellirend, und ſchloß: „Um ganz aufrichtig zu ſeyn,
ſo wird allerdings der Mehrheit in dieſer Kammer Gewalt angemuthet,
aber nicht durch uns, durch die Natur der Sache, durch die Vaterlands-
liebe.“ Gegen dieſe Appellation läßt ſich allerdings viel ſagen, und iſt
auch geſagt worden. Der Patriotismus iſt in dieſem Fall einer ganz ent-
gegengeſetzten Auslegung fähig, aber die Unterſuchung, ob die Natur der
Sache, oder wer der Kammer dieſe Gewalt anlege, war hier nicht mehr
an der Zeit.
Im Verfaſſungsausſchuß der erſten Kammer hat Dahlmann ergrei-
fende Worte gegen die Pairie geſprochen. Sie verſetzten einige Pairs
in spe ſehr in Harniſch. Namentlich den Grafen v. Itzenplitz erhitzte
ein Ausſpruch Dahlmanns: „Bildet man ſich ein daß eine Thalgegend in
Gebirgsland umzuwandeln ſey? Freilich ein großer Herr kann rund um
ſeinen Wohnfitz im Flachland Hügel aufwerfen laſſen; dieſe Erdhaufen
ſind aber keine Berge!“ Der Graf v. Itzenplitz entgegnete: Preußens Ge-
ſchichte weiſe eine ganze Reihe von erlauchten Namen auf, deren Träger
wahrhafte Pairs ſeyn würden; es gebe einen hiſtoriſchen Adel in Preu-
ßen; Arnim (Boitzenburg), Schwerin u. ſ. f. Dahlmann erwiederte
gelaſſen daß er an geſchichtlichen Kenntniſſen mit dem edeln Grafen
Schritt zu halten hoffe. Graf Itzenplitz hätte zum Beweiſe, wie der Adel
im Herzen des Volks lebt, das märkiſche Sprüchwort beherzigen ſollen:
Vor Itzenplitz,
Vor Köckeritz
Der liebe Himmel uns beſchütz! (H. N.)
⠇ Berlin, 27 Jan. Der Verwaltungsrath hat in ſeiner
Plenarſitzung vom 25 Jan. noch keinen formellen Beſchluß über die
Vorlagen für Erfurt ausgeſprochen, worauf man eigentlich bereits ge-
faßt war. Derſelbe ſollte für unveränderte Vorlage des Urentwurfs vom
28 Mai v. J. in Erfurt lauten und in der Motivirung die Ablehnung der
preußiſchen, ſowie überhaupt aller Veränderungsvorſchläge durch die
Rückſicht auf die verwahrenden Erklärungen Sachſens und Hannovers
erklären. Wie ich höre lautet der betreffende Vortrag des hiefür nieder-
geſetzten Ausſchuſſes, welchen Miniſter Vollpracht abgefaßt hat, durchaus
in dieſem Sinn. Er iſt auch bereits zur Vertheilung unter die Mitglieder
des Verwaltungsraths gekommen, welche ſich in ihrer Mehrzahl ziemlich
offen dahin ausſprechen daß nach der Sanctionirung des Entwurfs vom
Reichstag in Erfurt ſofort die Reichsregierung für den Bundesſtaat ein-
zutreten habe, ein Reichsminiſterium einzuſetzen und mit einer Vollzugs-
ordnung zu verſehen ſey. Die ſofortige Reviſion wäre dann nichts weiter
als die beſtimmte Begränzung der ſofort in Wirkſamkeit tretenden Be-
ſtimmungen des Entwurfs. Es iſt trotz der in allen Ecken und Enden
in der Preſſe auftauchenden Nachrichten über einen Gegenverfaſſungsent-
wurf der Königreiche unter Oeſterreichs Anführung bis heut noch keine
Mittheilung weder officiell noch vertraulich an das hiefige Cabinet ge-
langt. Man zweifelt hier nicht daran daß man mit ſolchen Plänen an
den kleinen Höfen umgeht, aber man glaubt, trotz der Verſicherung des
württembergiſchen Staatsanzeigers, nicht an das Zuſtandekommen einer
ſolchen Vereinbarung. Ueber die Wirkung welche die geſtrige veränderte
Annahme der Propoſitionen hier hervorgebracht, läßt ſich noch nicht viel
ſagen. Die meiſte Billigung findet die Veränderung des Staatsgerichts-
hofs in einen beſondern Schwurgerichtshof, da es thatſächlich iſt daß die
jetzige Organiſation der Schwurgerichte in politiſchen Proceſſen in ein-
zelnen Provinzen, wo ſich Nationalitäten gegenüberſtehen, rein unhaltbar
iſt. Der Krauthofer’ſche Proceß in Poſen, ſowie eine ganze Reihe von
Landesverrathsproceſſen in Gneſen (in derſelben Provinz) bilden den
ſchlagendſten Beweis. Die Berliner denken bereits an die erſte Feier
des Conſtitutionsfeſtes nach der Beſchwörung der Verfaſſung, welche gleich
nach dem Votum der erſten Kammer bevorſteht.
Oeſterreich.  Wien, 27 Jan. Eine große Botſchaft, und eine frohe
zugleich: geſtern iſt aus dem hieſigen Cabinet an die Bundescentralcom-
miſſion zu Frankfurt und gleichzeitig an die öſterreichiſchen Geſandtſchaf-
ten bei den übrigen deutſchen Höfen eine Denkſchrift abgegangen, welche
nichts geringeres enthält als die Ausführung der bekannten Vorlagen
der Wiener Zeitung vom 26 Oct. v. J. Damals als letztere in die Welt
hinausgeſtreut wurden, zweifelte man in begreiflicher Befliſſenheit den
Ernſt ihrer Abſicht, die Möglichkeit ihrer Ausführung an; es fehlte ſo-
gar nicht an ſolchen Stimmen welche dieſe Vorſchläge und jede Anwün-
ſchung an ſie um deßwillen kurz zurückwieſen, weil ſie nicht aus officieller
Quelle gefloſſen. Dieſer Vorwand fällt nun auf einmal weg. Oeſter-
reich ſpricht es beſtimmt aus, ſpricht es durch die Organe ſeiner Regie-
rung und ihrer auswärtigen Vertretung aus, ſpricht es in feſten, poſiti-
ven Sätzen aus was und wohin es will. Und welches iſt dieſes Ziel?
Eine „Annäherung“ an Deutſchland? Nicht doch — ſondern eine Eini-
gung. Eine Einigung „mit dem Zollverein?“ Nicht doch — ſondern
eine Einigung mit dem geſammten Deutſchland. Das iſt eine
Straße, worauf wir die öſterreichiſche Regierung mit freudigem Zuruf
willkommen heißen, worauf in gleichem Eifer das ganze deutſche Volk ihr
entgegenkommen wird; eine klare, ſcharf gezogene, unabſehbar bewegte
und unberechenbar folgenreiche Straße iſt es, gebaut aus dem greifbaren
Stoffe der nächſten materiellen Intereſſen, gerichtet auf die höchſten Ziele
eines Volkes und eines Zeitalters, ſogar über deren Gränze weit hinaus-
reichend in eine unermeßliche Perſpective. Mit dieſem großen Schritte
wird feſter Boden gewonnen für alle Arbeit an der deutſchen Zukunft, und
auch dem politiſchen Theile dieſer Arbeit, ſtatt der luftigen Bahn des Er-
perimentirens und Doctrinirens, worin er bisher verpuffte, ſein Weg be-
ſtimmt vorgezeichnet. Daß es an Schwierigkeiten auf dieſem Wege nicht
mangeln wird, an Gefahren und an Hemmniſſen aller Art — darüber
macht ſich die öſterreichiſche Regierung keine Illufionen. Sie weiß wel-
chem Widerſtande ſie, von draußen abgeſehen, zunächſt in ihren inneren
Verhältniſſen begegnen muß, und wie es ihrer ganzen Thätigkeit, ihrer
vollen, unerſchrockenen Kraft und zukunftſicheren Ueberzeugung bedarf
um über dieſen Widerſtand und über jene Schwierigkeiten hinwegzukom-
men. Aber ſie hat ihr Ziel klar erkannt, feſt geſteckt, ſie hat den Weg
dazu entſchloſſen betreten. Auch der beliebten Verſchleppung und Ver-
zettelung, womit gerade die wichtigſten Fragen im deutſchen Leben von der
goldenen Praxis behandelt zu werden pflegen, hat ſie vorgebeugt, indem
ſie an allen Orten zumal, im Mittelpunkte zu Frankfurt und an den En-
den aller einzelnen Hauptſtädte, ihre Fäden anknüpfte. Dieſe zu einem
allgemeinen deutſchen Zollcongreß zu verſchlingen, welcher die ganze, große
Aufgabe in die Hand nehme — das iſt nun die Sache der deutſchen Re-
gierungen, des deutſchen Volkes. Oeſterreich hat, indem es die Initia-
tive in dieſer Sache nahm, einen Muth gezeigt und einen Ernſt welche
ihm die Geſchichte hoch anrechnen wird. Und damit es am Humor mit-
ten in dieſem Ernſte nicht gebreche, ſo mußte hier gerade geſtern, an dem-
ſelben Tage wo die große Botſchaft auslief, ein kleiner Artikel in der
„Conſtitutionellen Zeitung“ eintreffen, welcher mit ſalbungsreicher Zuver-
ſicht und in vielen ſpitzigen Worten ausſprach daß die öſterreichiſchen
Vorſchläge vom 26 Oct. v. J. bloße Windeier ſeyn, in den Sand gelegt,
ohne daß es mit ihrer Ausbrütung dem Doppeladler jemals wirklicher
Ernſt oder daß dazu überhaupt eine ernſtliche Möglichkeit ſey. Dieſer
Artikel aus Berlin und jene Denkſchrift aus Wien begegneten ſich in
Einer Stunde, in Einer Hand: eine witzige Zufälligkeit wie ſich derglei-
chen zuweilen als ſpielende Randzeichnungen in der Zeitgeſchichte vor-
finden!
# Wien, 27 Jan. Ungeachtet alle Blätter übereinſtimmend von
einem Vierkönigs-Bündniß ſprechen, in Folge deſſen ein neuer Verfaſſungs-
entwurf für Deutſchland, dem auch Oeſterreich beitrete, zu Stande gekom-
men ſey, ſo läßt ſich doch hier nirgends etwas entdecken was auf eine un-
mittelbare Antheilnahme Oeſterreichs bei den deßfallſigen Verhandlungen
deuten würde. Nach ziemlich glaubwürdigen Quellen hat Fürſt Schwar-
zenberg lediglich, als die gänzliche Auflöſung des Dreikönigs-Bündniſſes
nicht mehr zu bezweifeln war, den vier königl. Höfen den Rath ertheilt
ſich vor allem über ein unter ihnen zu ſchließendes Bündniß und einen
darauf gegründeten deutſchen Verfaſſungsentwurf zu einigen, dem dann
auch Oeſterreich, falls ſeine eigenthümliche Stellung dabei genügend berück-
ſichtigt würde, gern beitreten wollte. Bei den deßfalls begonnenen diplo-
matiſchen Vorverhandlungen war jedoch Oeſterreich bisher ſo gut wie
nicht betheiligt, ſondern die Initiative darin, ſo viel ich höre, an Hrn.
v. d. Pfordten überlaſſen. Es entſpricht auch bei weitem mehr der Eigen-
thümlichkeit der Politik des Fürſten Schwarzenberg, der in dieſer Bezie-
hung das ganze Miniſterium vertritt, in einem Augenblick wie der gegen-
wärtige einer iſt, wo die ſtaatsrechtlichen Grundlagen in dem wichtigſten
deutſchen Staate in Frage geſtellt ſind, und die Rückwirkung der preußi-
ſchen Verfaſſungskriſe auf die dortige Aufſtellung in Betreff der Verfaſ-
ſung des engern Bundes ſich auch nicht einmal annähernd berechnen läßt,
von jedem poſitiven Vorgang in der deutſchen Verfaſſungsfrage Abſtand
zu nehmen, und ſich einfach darauf zu beſchränken die Fehler der Gegner
möglichſt gut zu benützen. Daß ſich in dieſer letztern Beziehung hinrei-
chend Gelegenheit zu erfolgreichen Unternehmungen darbietet, iſt leider
nicht zu beſtreiten. Vorderhand wird das Streben des öſterreichiſchen Ca-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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