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Allgemeine Zeitung, Nr. 337, 5. Dezember 1890.

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Morgenblatt Nr. 337. München, Freitag Allgemeine Zeitung 5. December 1890.
[Spaltenumbruch] jetzigen Lebens. Sie, Herr Geheimrath Hintzpeter, werden ver-
zeihen, Sie sind ein begeisterter Philologe, aber nichtsdestoweniger,
die Sache ist Meiner Ansicht nach zu einer Höhe gekommen, daß
es schließlich nicht mehr weiter geht. Es ist weniger Nachdruck auf
das Können, wie auf das Kennen gelegt worden; das zeigt sich
auch bei den Anforderungen, die in den Examen gestellt werden.
Es wird von dem Grundsatz ausgegangen, daß der Schüler vor
allen Dingen soviel wie möglich wissen müsse; ob es für das
Leben paßt oder nicht, das ist Rebensache. Wenn man
sich mit einem der betreffenden Herren darüber unterhält
und ihm klar zu machen versucht, daß der junge Mensch doch
einigermaßen praktisch für das Leben und seine Fragen vorge-
bildet werden solle, dann wird immer gesagt, das sei nicht Auf-
gabe der Schule, Hauptsache sei die Gymnastik des Geistes,
und wenn diese Gymnastik des Geistes ordentlich getrieben
würde, so wäre der junge Mann im Stande, mit dieser
Gymnastik alles fürs Leben Nothwendige zu leisten. Ich glaube,
daß nach diesem Standpunkt nicht mehr verfahren werden kann.

Wenn Ich nun zurückgreife auf die Schulen und speciell
auf das Gymnasium selber, so weiß Ich sehr wohl, daß in
vielen Kreisen man Mich für einen fanatischen Gegner des
Gymnasiums hält und Mich auch zu Gunsten anderer Schul-
formen ausgespielt hat. Meine Herren, das ist nicht
der Fall. Wer selber auf dem Gymnasium gewesen ist und
hinter die Coulissen gesehen hat, der weiß, wo es da sehlt.
Und da fehlt es vor allem an der nationalen Basis. Wir
müssen als Grundlage für das Gymnasium das Deutsche
nehmen, wir sollen nationale junge Deutsche erziehen und nicht
junge Griechen und Römer. Wir müssen von der Basis absehen,
die jahrhundertelang bestanden hat, von der alten klösterlichen Er-
ziehung des Mittelalters, wo das Lateinische maßgebend war und
ein bißchen Griechisch dazu. Das ist nicht mehr maßgebend, wir
müssen das Deutsche zur Basis machen. Der
deutsche Aufsatz muß der Mittelpunkt sein, um
den sich Alles dreht.
Wenn Einer im Abiturienten-
examen einen tadellosen deutschen Aufsatz liefert, so kann man
daraus das Maß der Geistesbildung des jungen Mannes erkennen
und beurtheilen, ob er etwas taugt oder nicht.

Nun wird selbstverständlich vieles eingewendet und gesagt:
Der lateinische Aufsatz ist auch etwas sehr Wichtiges, der lateinische
Aufsatz ist sehr gut, um den Menschen in einer fremden Sprache zu
bilden, und was weiß Ich mehr. Ja, Meine Herren, Ich habe
das nun einmal selber mitgemacht. Wie entsteht denn ein solcher
lateinischer Aussatz? Ich habe es sehr ost erlebt, daß ein junger
Mensch im deutschen Aufsatz -- Ich will einmal sagen, Nr. 4
im ganzen befriedigend, und im lateinischen Aufsatz eine Nr. 2
hat. Der Mensch verdiente Strafe statt Lob, denn daß er den
lateinischen Aufsatz nicht auf dem rechten Wege zu Stande gebracht
hat, das ist klar. Und von allen den lateinischen Aufsätzen, die wir
geschrieben haben, ist noch nicht einer unter zwölf, der nicht
mit solchen Hülfsmitteln zu Stande gekommen ist. Solche Auf-
sätze wurden als "gut" bezeichnet. Das war der lateinische Auf-
satz. Aber wenn wir auf dem Gymnasium einen Aufsatz über
"Minna von Barnhelm" schreiben sollten, bekamen wir kaum "be-
friedigend". Deßwegen sage Ich: weg mit dem lateinischen Auf-
satz, er stört uns und wir verlieren unsre Zeit für das Deutsche
darüber.

Ebenso möchte Ich das Nationale bei uns weiter gefördert
sehen in Fragen der Geschichte, Geographie und der Sage. Fangen
wir erst einmal bei uns zu Hause an. Erst wenn wir in den
verschiedenen Kammern und Stuben Bescheid wissen, dann können
wir ins Museum gehen und uns auch dort umsehen. Aber vor
allen Dingen müssen wir in der vaterländischen Geschichte
Bescheid wissen. Der Große Kurfürst war zu Meiner Schulzeit
nur eine nebelhafte Erscheinung, der siebenjährige Krieg lag bereits
außerhalb aller Betrachtung und die Geschichte schloß mit dem
Ende des vorigen Jahrhunderts, mit der französischen Revolution.
Die Freiheitskriege, die das Wichtigste sind für den jungen Staats-
bürger, wurden nicht durchgenommen, und nur durch ergänzende,
sehr interessante Vorträge des Hrn. Geh. Raths Hinzpeter bin Ich,
Gott sei Dank, in der Lage gewesen, diese Dinge zu erfahren.
Das ist aber gerade das Punctum saliens. Warum werden
denn unsre jungen Leute verführt? Warum tauchen so viele
unklare, confuse Weltverbesserer auf? Warum wird immer
an unsrer Regierung herumgenörgelt und auf das Ausland ver-
wiesen? Weil die jungen Leute nicht wissen, wie unsre Zustände
sich entwickelt haben und daß die Wurzeln in dem Zeitalter der
französischen Revolution liegen. Und darum bin Ich gerade der
festen Ueberzeugung, wenn wir diesen Uebergang aus der
französischen Revolution in das 19. Jahrhundert in einfacher,
objectiver Weise in den Grundzügen den jungen Leuten klar
machen, so bekommen sie ein ganz anderes Verständniß für die
heutigen Fragen, wie sie es bisher hatten. Sie sind dann im
Stande, auf der Universität durch die ergänzenden Vorlesungen,
die sie dann hören, ihr Wissen weiter zu verbessern und zu ver-
größern.

Komme Ich nun auf die Beschäftigung unsrer jungen Leute,
so ist absolut nothwendig, daß wir mit der Anzahl der Stunden
heruntergeben. Hr. Geheime Rath Hinzpeter wird sich erinnern,
daß zur Zeit, wo Ich auf dem Gymnasium in Kassel war, der erste
Rothschrei der Eltern und Familien laut wurde, daß es nicht so
weitergehen könne. Es wurden in Folge dessen Erhebungen von der
Regierung angestellt: Wir waren verpflichtet, alle Morgen unserm
Director Zettel abzugeben mit der Stundenzahl der häuslichen Stunden,
die wir nöthig bätten, um das für den nächsten Tag aufgegebene
Pensum zu bewältigen -- es sind bloß die Zahlen aus der Prima speciell,
die Ich jetzt hier berühre. Nun, Meine Herren, es kamen bei ganz
ehrlichen Angaben -- bei Mir konnte sie noch Hr. Geheime Rath
Hinzpeter controliren -- für Jeden 51/2, 61/2 bis 7 Stunden auf
die häuslichen Arbeiten heraus. Das waren die Abiturienten.
Rechnen Sie noch dazu die 6 Stunden Schule, 2 Stunden Essen,
dann können Sie ausrechnen, was von dem Tag übrig blieb.
Wenn Ich nicht Gelegenheit gehabt hätte, hinaus- und hineinzu-
reiten und noch sonst etwas Mich in der Freiheit zu bewegen,
dann hätte Ich überhaupt nicht gewußt, wie es in der Welt aus-
sieht. Das sind doch immerhin Leistungen, die man jungen
Leuten auf die Dauer nicht aufbürden kann. Nach Meinem Er-
achten muß auch nach unten entschieden nachgeholfen und nach-
gelassen werden.

Meine Herren! Es geht nicht, man darf diesen Bogen nicht
weiter spannen, und nicht so gespannt lassen. Wir müssen hier
herunter, wir haben hier die äußerste Grenze bereits überschritten.
Die Schulen -- Ich will einmal von den Gymnasien sprechen --
haben das Uebermenschliche geleistet, und haben Meiner An-
sicht nach eine allzu starke Ueberproduction der Gebildeten
zuwege gebracht, mehr wie die Nation vertragen kann, und
mehr, wie die Leute selbst vertragen können. Da ist das
Wort, das vom Fürsten Bismarck herrührt, richtig, das
Wort vom "Abiturienten-Proletariat", welches wir haben. Die
sämmtlichen sogenannten Hungercandidaten, namentlich die Herren
Journalisten, das sind vielsach verkommene Gymnasiasten, das ist
eine Gefahr für uns. Dieses Uebermaß, das jetzt schon zu viel
ist, gleichsam ein Rieselseld, das nicht mehr aufnehmen kann, muß
[Spaltenumbruch] beseitigt werden. Ich werde daher kein Gymnasium mehr geneh-
migen, das nicht absolut seine Existenzberechtigung und Nothwen-
digkeit nachweisen kann. Wir haben schon genug.

Nun aber handelt es sich darum, wie kann man den Wün-
schen in Bezug auf classische Bildung und in Bezug auf Real-
bildung und in Bezug auf die Berechtigung zum einjährigfreiwilligen
Dienst am besten beikommen? Ich halte dafür, daß die Sache
ganz einfach dadurch zu erledigen ist, daß man mit einem
radicalen Schritt die bisherigen Anschauungen zur Klärung bringt;
daß man sagt: Classische Gymnasien mit classischer
Bildung, eine zweite Gattung Schulen mit Real-
bildung, aber keine Realgymnasien.
Die Real-
gymnasien sind eine Halbheit, man erreicht mit ihnen nur Halb-
heit der Bildung, und das Ganze gibt Halbheit für das Leben
nachher."

Nach Schluß der Schulconferenz nahm der Kaiser an
dem von Hrn. v. Goßler dargebotenen Frühstück theil, wobei er
neben der Gemahlin des Ministers Platz nahm. Se. Majestät
führte eine lebhafte und zwanglose Unterhaltung mit den Tisch-
gästen und kehrte um 23/4 Uhr nach dem Schlosse zurück. Die
übrigen Theilnehmer verweilten bis gegen 3 Uhr in eifriger
Unterhaltung.



Serbien.

Einer Depesche aus Prokuplje zufolge
wurde am letzten Freitag der serbische Grenzwächter von
Karaula Nr. 15 von Arnauten ermordet; deßgleichen wird
aus Ivanjice die Ermordung zweier Panduren an der serbisch-
türkischen Grenze gemeldet. -- Der Secretär des Prinzen Peter
Karageorgjewitsch,
ein gewisser Nikolajewitsch, hat vor einigen
Tagen zahlreichen hiesigen Persönlichkeiten, sowie fämmtlichen Re-
dactionen die schriftliche Mittheilung gemacht, daß der Metropolit
Michael
dem Prinzen Peter mittelst Segensspruches gestattet habe,
seinen Hauspatron auf einen andern Feiertag zu verlegen; da die
Familie Karageorgjewitsch aus Serbien ausgewiesen ist und der Prinz
bekanntermaßen zur Discese des Metropoliten von Cetinje gehört,
erregt der Fall großes Aufsehen. Der Metropolit hat hiedurch
den Prinzen als serbischen Staatsangehörigen anerkannt. Die
oppositionellen Blätter greifen den Metropoliten deßhalb heftig an;
ein Blatt constatirt, daß der Metropolit Michael mit den ge-
schwornen Feinden der Dynastie geheime Verbindungen unterhalte,
und fordert kategorisch dessen Entlassung.

Nordamerika.

Die Bundestruppen in Fort Logan
haben Befehl erhalten, sich zum Marsche nach Dakota bereit zu
halten. Einer Depesche von Pine Ridge zufolge sind alle Ansiedler
am Cheyenne-Fluß gewarnt worden. Sämmtliche Ranchos am
Weißen Flusse sind ausgeraubt worden. Die Pferde wurden ge-
stohlen und das Rindvieh getödtet. Vier ausgeschickte Spione sind
noch nicht zurückgekehrt, und man befürchtet, daß sie ihr Leben ein-
gebüßt haben. Signalfeuer am nördlichen Laufe des Weißen
Flusses kündigen die Annäherung der Cheyennes an. Die auf-
rührerischen Stämme haben den loyalen angekündigt, daß alle
Spione getödtet werden sollen. Die Ansiedler sliehen nach der
Agentur. Oberst Cody (Buffalo Bill) hat von Mandan an den
"New York Herald" telegraphirt, daß die Indianer ihren Geister-
tanz noch immer fortsetzen und die Lage höchst kritisch ist. Wäre
es Frühjahr, so würde unbedingt der Krieg sofort ausbrechen.
Cody fügt binzu, daß, wenn General Miles nicht mit den In-
dianern fertig werden könne, Niemand sonst den Versuch zu machen
brauche.



Telegraphische Nachrichten.
Privattelegramme der Allgemeinen Zeitung.

Die Arbeiterschutz-Commission
des Reichstags hat heute den zehnstündigen Arbeitstag ver-
heiratheter Frauen abgelehnt, nachdem die Regierungsvertreter
denselben für unannehmbar erklärt hatten.

Der "Dziennik Poznanski" meldet,
daß zum Erzbischof von Gnesen-Posen der Divisionspfarrer
Dr. Leo v. Mieczkowski in Danzig, Ritter des Eisernen Kreuzes,
ausersehen sei.

Der Landtagsabgeordnete Kaufmann
Franz Müller hat dem Stadtrathe von Freiburg 15,000 M.
übergeben, damit dieser das Koch'sche Heilversahren un-
bemittelten Kranken, insbesondere Arbeitern der Weißenborner Papier-
fabrik zugängig mache.

Die Meldung einiger Blätter, gegen den
des Landesverraths angeklagten Stöckel sei das Versahren ein-
gestellt, ist unrichtig; die Voruntersuchung schwebt noch.

Der Finanzminister wird nächster Tage
eine Gesetzesvorlage einbringen bebufs Begünstigung für
Triest geeigneter Industrieunternehmungen;
dieselbe
ist nach dem Muster jener Industriebegünstigungen gearbeitet,
welche in Ungarn speciell zum Vortheile von Fiume geschaffen
worden sind.

Behufs Vorbesprechungen zur Schaffung
einer katholischen Autonomie in Ungarn hat der Cultus-
minister Graf Csaky zahlreiche hervorragende Katholiken zu einer
Conferenz einberufen; vom Episkopat sind nur die Bischöfe
Samassa und Schlauch zu dieser Conferenz geladen.



Telegramme des Wolss'schen Bureans.

Der Bundesrath hat in seiner
heutigen Sitzung den Anträgen von Sachsen und
Bayern betreffend die Einfuhr von Rindvieh aus
Oesterreich-Ungarn sowie dem Entwurfe einer Ver-
ordnung wegen Aufhebung des Verbotes der Einfuhr
von Schweinen, Schweinefleisch und Würsten däni-
schen, schwedischen und norwegischen Ursprunges zu-
gestimmt.
(Der sächsisch-bayerische Antrag bezweckt den Landes-
regierungen die Ermächtigung zu ertheilen, Schlachtvieh aus
Oesterreich-Ungarn in größere, mit Schlachthäusern versehene
Städte einzuführen. D. R.)

Die Arbeiterschutz-Commission
des Reichstags nahm heute die gestern noch unerledigt gebliebenen
Bestimmungen über die Verhältnisse der Gesellen und Ge-
hülfen
(§§. 123--125) nach den Beschlüssen der ersten Lesung
mit einem Antrag Kleist-Retzow an, wonach der Arbeitgeber bei
Vertragsbruch pro Tag den ortsüblichen Tagelohn, höchstens aber
den Betrag einer Woche, zu fordern berechtigt ist. Die Bestim-
mungen über die Lehrlingsverhältnisse (§§. 126-- 133)
wurden unverändert nach den Beschlüssen der ersten Lesung, die
§§. 133a bis 133e bezüglich der Betriebsbeamten mit un-
wesentlichen Compromißänderungen genehmigt.

Das Abgeordnetenhaus berieth
den Antrag Conrad betreffend das Wildschadengesetz in
Verbindung mit dem Antrag Strutz betreffend Aenderung des
[Spaltenumbruch] Jagdpolizeigesetzes. Nach längerer Berathung, wobei Minister
v. Heyden die Nothwendigkeit einer Aenderung der bestehenden
Gesetzgebung betonte, eine Entscheidung beider Häuser des Land-
tages über die Wildschadenfrage aber für wünschenswerth erklärte,
damit die Regierung dazu Stellung nehme, zog Strutz seinen
Antrag zurück, worauf das Haus die zweite Lesung des Antrags
Conrad im Plenum beschloß. Nächste Sitzung morgen 11 Uhr.
Tagesordnung: Volksschulgesetz.

Die Bevölkerungszahl von
Berlin betrug bei der Volkszählung am 1. d. M. nach vor-
läufiger Feststellung 1,574,485.

Bei der Ersatzwahl zum Reichs-
tag
im Wahlkreise Flatow-Schlochau wurde Landrath v. Hell-
dorff-Bedra
(cons.) mit 10,422 Stimmen gewählt. Der frei-
sinnige Candidat Reulirch erhielt 7728 Stimmen.

Heute früh wurden durch den Zu-
sammenstoß eines Personenzugs mit einer Rangirmaschine die Lo-
comotive und zwei Wagen des Personenzugs beschädigt; ein Be-
amter wurde leicht verwundet.

Wie gestern gemeldet, platzte
auf dem Boden des Musenms ein Ablaßrohr der Dampf-
heizung; die Beschädigung ist jedoch gänzlich unerheblich, an
Gegenständen der Sammlungen ist überhaupt kein Schaden ge-
schehen.

Das Wiener Cabinet ließ der "Polit.
Corresp." zufolge in Belgrad mündlich erklären, Oesterreich-
Ungarn könne vor Beendigung der gegenwärtigen handels-
politischen Berathungen mit Deutschland
wegen
der dadurch bedingten völligen Inanspruchnahme aller be-
theiligten Factoren nicht in handelspolitische Verhand-
lungen mit Serbien
eintreten.

Zu Beginn der heutigen Eröffnungs-
sitzung des Abgeordnetenhauses wurde Präsident Smolka,
der bekanntlich im abgelaufenen Sommer lebensgefährlich er-
krankt war, lebhaft begrüßt und dankte für den ihm bereiteten
warmen Empfang. Dem Hause sind folgende Vorlagen zu-
gegangen: Ueber die Handels- und Schisffahrtsconvention mit
Aegypten, über das Recrutencontingent pro 1891, über das
Gesetz, betreffend die Einquartierung der bosnisch-herzegowinischen
Truppen, über die für Ausgaben gelegentlich der Ueber-
schwemmungen im September zu gewährende Indemnität.
Hierauf gab der Finanzminister sein Expose.

Von dem Handelsminister wurde dem Ab-
geordnetenhause
der Handels- und Schiffsahrtsvortrag
mit Aegypten
vorgelegt.

Die Doctoren Lotz in Basel und Schmid
in Bern sind vom Bundesrath abgeordnet worden, um in Berlin
an zuständiger Stelle Alles zu thun, um der Schweiz die Wohl-
thaten der Koch'schen Entdeckung möglichst zu sichern.

Unterhaus. Minister Balfour be-
gründete eine Creditforderung von 5000 Psd. St. für West-
irland
mit dem Nothstand, der daselbst in Folge des Mißrathens
der Kartoffelernte herrscht. Die Beschaffung von Kartoffelsaat soll
erleichtert und die Nothleidenden sollen bei Banten der Regierung
beschäftigt werden.

Die heutige Versammlung der
irischen Abgeordneten
verlief stürmisch. Healy hielt eine
energische Rede gegen Parnell, dessen Gegner die von Clancy be-
antragte Transaction nicht annehmen wollen, so daß die Ab-
lehnung derselben wahrscheinlich ist. Die Sitzung wurde schließlich
auf morgen vertagt.

Professor Sir Joseph Lister hielt gestern
Abend im Kings College-Hospital einen ersten Vortrag nach seiner
Rücklehr aus Berlin; er theilte mit, daß Koch zwei neue Heil-
mittel entdeckt habe,
welche zwei furchtbare contagiöse Krank-
heiten nicht nur heilen, sondern auch verhindern werden;
die genaue Natur dieser Heilmittel könne er nicht enthüllen. Das
Auditorium hat angenommen, daß Lister auf Heilmittel gegen
Diphtheritis und Tetanus hinweisen wollte. Lister bemerkte schließ-
lich, die Heilmittel bestehen aus so einsachen chemischen Substanzen,
daß dieselben Jeder herstellen könne.

Das Leichenbegängniß des Königs
verlief in höchst imposanter Weise. Die Menge auf den Straßen
zeigte eine ehrfurchtsvolle, sympathische Haltung. Der Sarg
war mit Blumen und Kränzen überdeckt. Dem Leichenwagen
folgte ein Wagen mit Kränzen, welche auf dem Sarge keinen
Platz gefunden hatten. Der Fürst von Waldeck-Pyrmont ging
mit den Großherzögen von Sachsen-Weimar und Luxemburg
an der Spitze des Leichenzugs; darauf folgten die anderen
Fürstlichkeiten und die Vertreter der auswärtigen Höfe.
Die feierliche Bestattung erfolgte in der Delfter Kirche. Der-
selben wohnten die auswärtigen Deputationen, die Minister,
die Kammern und die Staatsfunctionäre bei. Nach der Leichen-
rede des Hofpredigers wurde der Sarg in die Krypta versenkt.
Der Justizminister legte die Siegel an.

In der Kammer wurde heute die
Berathung über die Ersparnißcassen, beziehungsweise die Ab-
stufung in der Verzinsung der Einlagen fortgesetzt. Mehrere Redner
beantragten, diese Frage an die Budgetcommission zurückzuverweisen,
aber Rouvier und Freycinet verlangten, daß die Frage der
Sparcassen vertagt und an eine besondere Commission verwiesen
werde, sowie daß die Kammer inzwischen mit der Berathung des
Budgets fortfahre, und stellten die Vertrauensfrage. Der An-
trag der Regierung wurde darauf vollständig mit

322 gegen 193 Stimmen angenommen.

Heute fand hier ein Seelen gottes-
dienst zum Gedächtniß des Königs von Holland
statt,
wobei Präsident Carnot durch General Brugere und das mili-
tärische Gefolge vertreten war; seitens der Regierung waren Mini-
ster Ribot und andere Minister dazu erschienen, ferner wohnten
demselben auch die auswärtigen Vertreter bei. Am Ausgang der
Kirche wurden von Unbekannten in holländischer Sprache gedruckte
Zettel vertheilt, worin "holländische Patrioten" gegen die Ueber-
nahme der Regierung durch die Regentin protestiren.

Der Fürst von Montenegro hat
in Erwiderung auf Pasteurs Anerbieten, den Vorsitz im Comite
zur Fürsorge für fremde Studirende zu übernehmen, den lebhaften
Wunsch ausgesprochen, daß die montenegrinischen Studirenden
würdige Zöglinge des Landes werden, wo sie ihre Ausbildung
empfangen. Er zweifle nicht, daß die Montenegriner die Gefühle
der Dankbarkeit und Hochachtung für das große französische Volk
bewahren werden.

Der "Eclair" berichtet aus Rancy:
Der Gerichtshof verurtheilte einen gewissen Arnoult, welcher
zu Börsenmanövern lügenhafte Depeschen von Rancy und
Toul nach Paris absenden ließ, zu 4 Tagen Arrest.

Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung
von 75 Senatoren; darunter besinden sich die Diplomaten
Graf Rigra und Fedostiani.

Der Strike der Kutscher
ist vollständig beendet.



Morgenblatt Nr. 337. München, Freitag Allgemeine Zeitung 5. December 1890.
[Spaltenumbruch] jetzigen Lebens. Sie, Herr Geheimrath Hintzpeter, werden ver-
zeihen, Sie ſind ein begeiſterter Philologe, aber nichtsdeſtoweniger,
die Sache iſt Meiner Anſicht nach zu einer Höhe gekommen, daß
es ſchließlich nicht mehr weiter geht. Es iſt weniger Nachdruck auf
das Können, wie auf das Kennen gelegt worden; das zeigt ſich
auch bei den Anforderungen, die in den Examen geſtellt werden.
Es wird von dem Grundſatz ausgegangen, daß der Schüler vor
allen Dingen ſoviel wie möglich wiſſen müſſe; ob es für das
Leben paßt oder nicht, das iſt Rebenſache. Wenn man
ſich mit einem der betreffenden Herren darüber unterhält
und ihm klar zu machen verſucht, daß der junge Menſch doch
einigermaßen praktiſch für das Leben und ſeine Fragen vorge-
bildet werden ſolle, dann wird immer geſagt, das ſei nicht Auf-
gabe der Schule, Hauptſache ſei die Gymnaſtik des Geiſtes,
und wenn dieſe Gymnaſtik des Geiſtes ordentlich getrieben
würde, ſo wäre der junge Mann im Stande, mit dieſer
Gymnaſtik alles fürs Leben Nothwendige zu leiſten. Ich glaube,
daß nach dieſem Standpunkt nicht mehr verfahren werden kann.

Wenn Ich nun zurückgreife auf die Schulen und ſpeciell
auf das Gymnaſium ſelber, ſo weiß Ich ſehr wohl, daß in
vielen Kreiſen man Mich für einen fanatiſchen Gegner des
Gymnaſiums hält und Mich auch zu Gunſten anderer Schul-
formen ausgeſpielt hat. Meine Herren, das iſt nicht
der Fall. Wer ſelber auf dem Gymnaſium geweſen iſt und
hinter die Couliſſen geſehen hat, der weiß, wo es da ſehlt.
Und da fehlt es vor allem an der nationalen Baſis. Wir
müſſen als Grundlage für das Gymnaſium das Deutſche
nehmen, wir ſollen nationale junge Deutſche erziehen und nicht
junge Griechen und Römer. Wir müſſen von der Baſis abſehen,
die jahrhundertelang beſtanden hat, von der alten klöſterlichen Er-
ziehung des Mittelalters, wo das Lateiniſche maßgebend war und
ein bißchen Griechiſch dazu. Das iſt nicht mehr maßgebend, wir
müſſen das Deutſche zur Baſis machen. Der
deutſche Aufſatz muß der Mittelpunkt ſein, um
den ſich Alles dreht.
Wenn Einer im Abiturienten-
examen einen tadelloſen deutſchen Aufſatz liefert, ſo kann man
daraus das Maß der Geiſtesbildung des jungen Mannes erkennen
und beurtheilen, ob er etwas taugt oder nicht.

Nun wird ſelbſtverſtändlich vieles eingewendet und geſagt:
Der lateiniſche Aufſatz iſt auch etwas ſehr Wichtiges, der lateiniſche
Aufſatz iſt ſehr gut, um den Menſchen in einer fremden Sprache zu
bilden, und was weiß Ich mehr. Ja, Meine Herren, Ich habe
das nun einmal ſelber mitgemacht. Wie entſteht denn ein ſolcher
lateiniſcher Auſſatz? Ich habe es ſehr oſt erlebt, daß ein junger
Menſch im deutſchen Aufſatz — Ich will einmal ſagen, Nr. 4
im ganzen befriedigend, und im lateiniſchen Aufſatz eine Nr. 2
hat. Der Menſch verdiente Strafe ſtatt Lob, denn daß er den
lateiniſchen Aufſatz nicht auf dem rechten Wege zu Stande gebracht
hat, das iſt klar. Und von allen den lateiniſchen Aufſätzen, die wir
geſchrieben haben, iſt noch nicht einer unter zwölf, der nicht
mit ſolchen Hülfsmitteln zu Stande gekommen iſt. Solche Auf-
ſätze wurden als „gut“ bezeichnet. Das war der lateiniſche Auf-
ſatz. Aber wenn wir auf dem Gymnaſium einen Aufſatz über
„Minna von Barnhelm“ ſchreiben ſollten, bekamen wir kaum „be-
friedigend“. Deßwegen ſage Ich: weg mit dem lateiniſchen Auf-
ſatz, er ſtört uns und wir verlieren unſre Zeit für das Deutſche
darüber.

Ebenſo möchte Ich das Nationale bei uns weiter gefördert
ſehen in Fragen der Geſchichte, Geographie und der Sage. Fangen
wir erſt einmal bei uns zu Hauſe an. Erſt wenn wir in den
verſchiedenen Kammern und Stuben Beſcheid wiſſen, dann können
wir ins Muſeum gehen und uns auch dort umſehen. Aber vor
allen Dingen müſſen wir in der vaterländiſchen Geſchichte
Beſcheid wiſſen. Der Große Kurfürſt war zu Meiner Schulzeit
nur eine nebelhafte Erſcheinung, der ſiebenjährige Krieg lag bereits
außerhalb aller Betrachtung und die Geſchichte ſchloß mit dem
Ende des vorigen Jahrhunderts, mit der franzöſiſchen Revolution.
Die Freiheitskriege, die das Wichtigſte ſind für den jungen Staats-
bürger, wurden nicht durchgenommen, und nur durch ergänzende,
ſehr intereſſante Vorträge des Hrn. Geh. Raths Hinzpeter bin Ich,
Gott ſei Dank, in der Lage geweſen, dieſe Dinge zu erfahren.
Das iſt aber gerade das Punctum saliens. Warum werden
denn unſre jungen Leute verführt? Warum tauchen ſo viele
unklare, confuſe Weltverbeſſerer auf? Warum wird immer
an unſrer Regierung herumgenörgelt und auf das Ausland ver-
wieſen? Weil die jungen Leute nicht wiſſen, wie unſre Zuſtände
ſich entwickelt haben und daß die Wurzeln in dem Zeitalter der
franzöſiſchen Revolution liegen. Und darum bin Ich gerade der
feſten Ueberzeugung, wenn wir dieſen Uebergang aus der
franzöſiſchen Revolution in das 19. Jahrhundert in einfacher,
objectiver Weiſe in den Grundzügen den jungen Leuten klar
machen, ſo bekommen ſie ein ganz anderes Verſtändniß für die
heutigen Fragen, wie ſie es bisher hatten. Sie ſind dann im
Stande, auf der Univerſität durch die ergänzenden Vorleſungen,
die ſie dann hören, ihr Wiſſen weiter zu verbeſſern und zu ver-
größern.

Komme Ich nun auf die Beſchäftigung unſrer jungen Leute,
ſo iſt abſolut nothwendig, daß wir mit der Anzahl der Stunden
heruntergeben. Hr. Geheime Rath Hinzpeter wird ſich erinnern,
daß zur Zeit, wo Ich auf dem Gymnaſium in Kaſſel war, der erſte
Rothſchrei der Eltern und Familien laut wurde, daß es nicht ſo
weitergehen könne. Es wurden in Folge deſſen Erhebungen von der
Regierung angeſtellt: Wir waren verpflichtet, alle Morgen unſerm
Director Zettel abzugeben mit der Stundenzahl der häuslichen Stunden,
die wir nöthig bätten, um das für den nächſten Tag aufgegebene
Penſum zu bewältigen — es ſind bloß die Zahlen aus der Prima ſpeciell,
die Ich jetzt hier berühre. Nun, Meine Herren, es kamen bei ganz
ehrlichen Angaben — bei Mir konnte ſie noch Hr. Geheime Rath
Hinzpeter controliren — für Jeden 5½, 6½ bis 7 Stunden auf
die häuslichen Arbeiten heraus. Das waren die Abiturienten.
Rechnen Sie noch dazu die 6 Stunden Schule, 2 Stunden Eſſen,
dann können Sie ausrechnen, was von dem Tag übrig blieb.
Wenn Ich nicht Gelegenheit gehabt hätte, hinaus- und hineinzu-
reiten und noch ſonſt etwas Mich in der Freiheit zu bewegen,
dann hätte Ich überhaupt nicht gewußt, wie es in der Welt aus-
ſieht. Das ſind doch immerhin Leiſtungen, die man jungen
Leuten auf die Dauer nicht aufbürden kann. Nach Meinem Er-
achten muß auch nach unten entſchieden nachgeholfen und nach-
gelaſſen werden.

Meine Herren! Es geht nicht, man darf dieſen Bogen nicht
weiter ſpannen, und nicht ſo geſpannt laſſen. Wir müſſen hier
herunter, wir haben hier die äußerſte Grenze bereits überſchritten.
Die Schulen — Ich will einmal von den Gymnaſien ſprechen —
haben das Uebermenſchliche geleiſtet, und haben Meiner An-
ſicht nach eine allzu ſtarke Ueberproduction der Gebildeten
zuwege gebracht, mehr wie die Nation vertragen kann, und
mehr, wie die Leute ſelbſt vertragen können. Da iſt das
Wort, das vom Fürſten Bismarck herrührt, richtig, das
Wort vom „Abiturienten-Proletariat“, welches wir haben. Die
ſämmtlichen ſogenannten Hungercandidaten, namentlich die Herren
Journaliſten, das ſind vielſach verkommene Gymnaſiaſten, das iſt
eine Gefahr für uns. Dieſes Uebermaß, das jetzt ſchon zu viel
iſt, gleichſam ein Rieſelſeld, das nicht mehr aufnehmen kann, muß
[Spaltenumbruch] beſeitigt werden. Ich werde daher kein Gymnaſium mehr geneh-
migen, das nicht abſolut ſeine Exiſtenzberechtigung und Nothwen-
digkeit nachweiſen kann. Wir haben ſchon genug.

Nun aber handelt es ſich darum, wie kann man den Wün-
ſchen in Bezug auf claſſiſche Bildung und in Bezug auf Real-
bildung und in Bezug auf die Berechtigung zum einjährigfreiwilligen
Dienſt am beſten beikommen? Ich halte dafür, daß die Sache
ganz einfach dadurch zu erledigen iſt, daß man mit einem
radicalen Schritt die bisherigen Anſchauungen zur Klärung bringt;
daß man ſagt: Claſſiſche Gymnaſien mit claſſiſcher
Bildung, eine zweite Gattung Schulen mit Real-
bildung, aber keine Realgymnaſien.
Die Real-
gymnaſien ſind eine Halbheit, man erreicht mit ihnen nur Halb-
heit der Bildung, und das Ganze gibt Halbheit für das Leben
nachher.“

Nach Schluß der Schulconferenz nahm der Kaiſer an
dem von Hrn. v. Goßler dargebotenen Frühſtück theil, wobei er
neben der Gemahlin des Miniſters Platz nahm. Se. Majeſtät
führte eine lebhafte und zwangloſe Unterhaltung mit den Tiſch-
gäſten und kehrte um 2¾ Uhr nach dem Schloſſe zurück. Die
übrigen Theilnehmer verweilten bis gegen 3 Uhr in eifriger
Unterhaltung.



Serbien.

Einer Depeſche aus Prokuplje zufolge
wurde am letzten Freitag der ſerbiſche Grenzwächter von
Karaula Nr. 15 von Arnauten ermordet; deßgleichen wird
aus Ivanjice die Ermordung zweier Panduren an der ſerbiſch-
türkiſchen Grenze gemeldet. — Der Secretär des Prinzen Peter
Karageorgjewitſch,
ein gewiſſer Nikolajewitſch, hat vor einigen
Tagen zahlreichen hieſigen Perſönlichkeiten, ſowie fämmtlichen Re-
dactionen die ſchriftliche Mittheilung gemacht, daß der Metropolit
Michael
dem Prinzen Peter mittelſt Segensſpruches geſtattet habe,
ſeinen Hauspatron auf einen andern Feiertag zu verlegen; da die
Familie Karageorgjewitſch aus Serbien ausgewieſen iſt und der Prinz
bekanntermaßen zur Disceſe des Metropoliten von Cetinje gehört,
erregt der Fall großes Aufſehen. Der Metropolit hat hiedurch
den Prinzen als ſerbiſchen Staatsangehörigen anerkannt. Die
oppoſitionellen Blätter greifen den Metropoliten deßhalb heftig an;
ein Blatt conſtatirt, daß der Metropolit Michael mit den ge-
ſchwornen Feinden der Dynaſtie geheime Verbindungen unterhalte,
und fordert kategoriſch deſſen Entlaſſung.

Nordamerika.

Die Bundestruppen in Fort Logan
haben Befehl erhalten, ſich zum Marſche nach Dakota bereit zu
halten. Einer Depeſche von Pine Ridge zufolge ſind alle Anſiedler
am Cheyenne-Fluß gewarnt worden. Sämmtliche Ranchos am
Weißen Fluſſe ſind ausgeraubt worden. Die Pferde wurden ge-
ſtohlen und das Rindvieh getödtet. Vier ausgeſchickte Spione ſind
noch nicht zurückgekehrt, und man befürchtet, daß ſie ihr Leben ein-
gebüßt haben. Signalfeuer am nördlichen Laufe des Weißen
Fluſſes kündigen die Annäherung der Cheyennes an. Die auf-
rühreriſchen Stämme haben den loyalen angekündigt, daß alle
Spione getödtet werden ſollen. Die Anſiedler ſliehen nach der
Agentur. Oberſt Cody (Buffalo Bill) hat von Mandan an den
„New York Herald“ telegraphirt, daß die Indianer ihren Geiſter-
tanz noch immer fortſetzen und die Lage höchſt kritiſch iſt. Wäre
es Frühjahr, ſo würde unbedingt der Krieg ſofort ausbrechen.
Cody fügt binzu, daß, wenn General Miles nicht mit den In-
dianern fertig werden könne, Niemand ſonſt den Verſuch zu machen
brauche.



Telegraphiſche Nachrichten.
Privattelegramme der Allgemeinen Zeitung.

Die Arbeiterſchutz-Commiſſion
des Reichstags hat heute den zehnſtündigen Arbeitstag ver-
heiratheter Frauen abgelehnt, nachdem die Regierungsvertreter
denſelben für unannehmbar erklärt hatten.

Der „Dziennik Poznanski“ meldet,
daß zum Erzbiſchof von Gneſen-Poſen der Diviſionspfarrer
Dr. Leo v. Mieczkowski in Danzig, Ritter des Eiſernen Kreuzes,
auserſehen ſei.

Der Landtagsabgeordnete Kaufmann
Franz Müller hat dem Stadtrathe von Freiburg 15,000 M.
übergeben, damit dieſer das Koch’ſche Heilverſahren un-
bemittelten Kranken, insbeſondere Arbeitern der Weißenborner Papier-
fabrik zugängig mache.

Die Meldung einiger Blätter, gegen den
des Landesverraths angeklagten Stöckel ſei das Verſahren ein-
geſtellt, iſt unrichtig; die Vorunterſuchung ſchwebt noch.

Der Finanzminiſter wird nächſter Tage
eine Geſetzesvorlage einbringen bebufs Begünſtigung für
Trieſt geeigneter Induſtrieunternehmungen;
dieſelbe
iſt nach dem Muſter jener Induſtriebegünſtigungen gearbeitet,
welche in Ungarn ſpeciell zum Vortheile von Fiume geſchaffen
worden ſind.

Behufs Vorbeſprechungen zur Schaffung
einer katholiſchen Autonomie in Ungarn hat der Cultus-
miniſter Graf Cſáky zahlreiche hervorragende Katholiken zu einer
Conferenz einberufen; vom Epiſkopat ſind nur die Biſchöfe
Samaſſa und Schlauch zu dieſer Conferenz geladen.



Telegramme des Wolſſ’ſchen Bureans.

Der Bundesrath hat in ſeiner
heutigen Sitzung den Anträgen von Sachſen und
Bayern betreffend die Einfuhr von Rindvieh aus
Oeſterreich-Ungarn ſowie dem Entwurfe einer Ver-
ordnung wegen Aufhebung des Verbotes der Einfuhr
von Schweinen, Schweinefleiſch und Würſten däni-
ſchen, ſchwediſchen und norwegiſchen Urſprunges zu-
geſtimmt.
(Der ſächſiſch-bayeriſche Antrag bezweckt den Landes-
regierungen die Ermächtigung zu ertheilen, Schlachtvieh aus
Oeſterreich-Ungarn in größere, mit Schlachthäuſern verſehene
Städte einzuführen. D. R.)

Die Arbeiterſchutz-Commiſſion
des Reichstags nahm heute die geſtern noch unerledigt gebliebenen
Beſtimmungen über die Verhältniſſe der Geſellen und Ge-
hülfen
(§§. 123—125) nach den Beſchlüſſen der erſten Leſung
mit einem Antrag Kleiſt-Retzow an, wonach der Arbeitgeber bei
Vertragsbruch pro Tag den ortsüblichen Tagelohn, höchſtens aber
den Betrag einer Woche, zu fordern berechtigt iſt. Die Beſtim-
mungen über die Lehrlingsverhältniſſe (§§. 126— 133)
wurden unverändert nach den Beſchlüſſen der erſten Leſung, die
§§. 133a bis 133e bezüglich der Betriebsbeamten mit un-
weſentlichen Compromißänderungen genehmigt.

Das Abgeordnetenhaus berieth
den Antrag Conrad betreffend das Wildſchadengeſetz in
Verbindung mit dem Antrag Strutz betreffend Aenderung des
[Spaltenumbruch] Jagdpolizeigeſetzes. Nach längerer Berathung, wobei Miniſter
v. Heyden die Nothwendigkeit einer Aenderung der beſtehenden
Geſetzgebung betonte, eine Entſcheidung beider Häuſer des Land-
tages über die Wildſchadenfrage aber für wünſchenswerth erklärte,
damit die Regierung dazu Stellung nehme, zog Strutz ſeinen
Antrag zurück, worauf das Haus die zweite Leſung des Antrags
Conrad im Plenum beſchloß. Nächſte Sitzung morgen 11 Uhr.
Tagesordnung: Volksſchulgeſetz.

Die Bevölkerungszahl von
Berlin betrug bei der Volkszählung am 1. d. M. nach vor-
läufiger Feſtſtellung 1,574,485.

Bei der Erſatzwahl zum Reichs-
tag
im Wahlkreiſe Flatow-Schlochau wurde Landrath v. Hell-
dorff-Bedra
(conſ.) mit 10,422 Stimmen gewählt. Der frei-
ſinnige Candidat Reulirch erhielt 7728 Stimmen.

Heute früh wurden durch den Zu-
ſammenſtoß eines Perſonenzugs mit einer Rangirmaſchine die Lo-
comotive und zwei Wagen des Perſonenzugs beſchädigt; ein Be-
amter wurde leicht verwundet.

Wie geſtern gemeldet, platzte
auf dem Boden des Muſenms ein Ablaßrohr der Dampf-
heizung; die Beſchädigung iſt jedoch gänzlich unerheblich, an
Gegenſtänden der Sammlungen iſt überhaupt kein Schaden ge-
ſchehen.

Das Wiener Cabinet ließ der „Polit.
Correſp.“ zufolge in Belgrad mündlich erklären, Oeſterreich-
Ungarn könne vor Beendigung der gegenwärtigen handels-
politiſchen Berathungen mit Deutſchland
wegen
der dadurch bedingten völligen Inanſpruchnahme aller be-
theiligten Factoren nicht in handelspolitiſche Verhand-
lungen mit Serbien
eintreten.

Zu Beginn der heutigen Eröffnungs-
ſitzung des Abgeordnetenhauſes wurde Präſident Smolka,
der bekanntlich im abgelaufenen Sommer lebensgefährlich er-
krankt war, lebhaft begrüßt und dankte für den ihm bereiteten
warmen Empfang. Dem Hauſe ſind folgende Vorlagen zu-
gegangen: Ueber die Handels- und Schiſffahrtsconvention mit
Aegypten, über das Recrutencontingent pro 1891, über das
Geſetz, betreffend die Einquartierung der bosniſch-herzegowiniſchen
Truppen, über die für Ausgaben gelegentlich der Ueber-
ſchwemmungen im September zu gewährende Indemnität.
Hierauf gab der Finanzminiſter ſein Expoſé.

Von dem Handelsminiſter wurde dem Ab-
geordnetenhauſe
der Handels- und Schiffſahrtsvortrag
mit Aegypten
vorgelegt.

Die Doctoren Lotz in Baſel und Schmid
in Bern ſind vom Bundesrath abgeordnet worden, um in Berlin
an zuſtändiger Stelle Alles zu thun, um der Schweiz die Wohl-
thaten der Koch’ſchen Entdeckung möglichſt zu ſichern.

Unterhaus. Miniſter Balfour be-
gründete eine Creditforderung von 5000 Pſd. St. für Weſt-
irland
mit dem Nothſtand, der daſelbſt in Folge des Mißrathens
der Kartoffelernte herrſcht. Die Beſchaffung von Kartoffelſaat ſoll
erleichtert und die Nothleidenden ſollen bei Banten der Regierung
beſchäftigt werden.

Die heutige Verſammlung der
iriſchen Abgeordneten
verlief ſtürmiſch. Healy hielt eine
energiſche Rede gegen Parnell, deſſen Gegner die von Clancy be-
antragte Transaction nicht annehmen wollen, ſo daß die Ab-
lehnung derſelben wahrſcheinlich iſt. Die Sitzung wurde ſchließlich
auf morgen vertagt.

Profeſſor Sir Joſeph Liſter hielt geſtern
Abend im Kings College-Hoſpital einen erſten Vortrag nach ſeiner
Rücklehr aus Berlin; er theilte mit, daß Koch zwei neue Heil-
mittel entdeckt habe,
welche zwei furchtbare contagiöſe Krank-
heiten nicht nur heilen, ſondern auch verhindern werden;
die genaue Natur dieſer Heilmittel könne er nicht enthüllen. Das
Auditorium hat angenommen, daß Liſter auf Heilmittel gegen
Diphtheritis und Tetanus hinweiſen wollte. Liſter bemerkte ſchließ-
lich, die Heilmittel beſtehen aus ſo einſachen chemiſchen Subſtanzen,
daß dieſelben Jeder herſtellen könne.

Das Leichenbegängniß des Königs
verlief in höchſt impoſanter Weiſe. Die Menge auf den Straßen
zeigte eine ehrfurchtsvolle, ſympathiſche Haltung. Der Sarg
war mit Blumen und Kränzen überdeckt. Dem Leichenwagen
folgte ein Wagen mit Kränzen, welche auf dem Sarge keinen
Platz gefunden hatten. Der Fürſt von Waldeck-Pyrmont ging
mit den Großherzögen von Sachſen-Weimar und Luxemburg
an der Spitze des Leichenzugs; darauf folgten die anderen
Fürſtlichkeiten und die Vertreter der auswärtigen Höfe.
Die feierliche Beſtattung erfolgte in der Delfter Kirche. Der-
ſelben wohnten die auswärtigen Deputationen, die Miniſter,
die Kammern und die Staatsfunctionäre bei. Nach der Leichen-
rede des Hofpredigers wurde der Sarg in die Krypta verſenkt.
Der Juſtizminiſter legte die Siegel an.

In der Kammer wurde heute die
Berathung über die Erſparnißcaſſen, beziehungsweiſe die Ab-
ſtufung in der Verzinſung der Einlagen fortgeſetzt. Mehrere Redner
beantragten, dieſe Frage an die Budgetcommiſſion zurückzuverweiſen,
aber Rouvier und Freycinet verlangten, daß die Frage der
Sparcaſſen vertagt und an eine beſondere Commiſſion verwieſen
werde, ſowie daß die Kammer inzwiſchen mit der Berathung des
Budgets fortfahre, und ſtellten die Vertrauensfrage. Der An-
trag der Regierung wurde darauf vollſtändig mit

322 gegen 193 Stimmen angenommen.

Heute fand hier ein Seelen gottes-
dienſt zum Gedächtniß des Königs von Holland
ſtatt,
wobei Präſident Carnot durch General Brugère und das mili-
täriſche Gefolge vertreten war; ſeitens der Regierung waren Mini-
ſter Ribot und andere Miniſter dazu erſchienen, ferner wohnten
demſelben auch die auswärtigen Vertreter bei. Am Ausgang der
Kirche wurden von Unbekannten in holländiſcher Sprache gedruckte
Zettel vertheilt, worin „holländiſche Patrioten“ gegen die Ueber-
nahme der Regierung durch die Regentin proteſtiren.

Der Fürſt von Montenegro hat
in Erwiderung auf Paſteurs Anerbieten, den Vorſitz im Comité
zur Fürſorge für fremde Studirende zu übernehmen, den lebhaften
Wunſch ausgeſprochen, daß die montenegriniſchen Studirenden
würdige Zöglinge des Landes werden, wo ſie ihre Ausbildung
empfangen. Er zweifle nicht, daß die Montenegriner die Gefühle
der Dankbarkeit und Hochachtung für das große franzöſiſche Volk
bewahren werden.

Der „Eclair“ berichtet aus Rancy:
Der Gerichtshof verurtheilte einen gewiſſen Arnoult, welcher
zu Börſenmanövern lügenhafte Depeſchen von Rancy und
Toul nach Paris abſenden ließ, zu 4 Tagen Arreſt.

Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung
von 75 Senatoren; darunter beſinden ſich die Diplomaten
Graf Rigra und Fedoſtiani.

Der Strike der Kutſcher
iſt vollſtändig beendet.



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[Seite 3.[3]/0003] Morgenblatt Nr. 337. München, Freitag Allgemeine Zeitung 5. December 1890. jetzigen Lebens. Sie, Herr Geheimrath Hintzpeter, werden ver- zeihen, Sie ſind ein begeiſterter Philologe, aber nichtsdeſtoweniger, die Sache iſt Meiner Anſicht nach zu einer Höhe gekommen, daß es ſchließlich nicht mehr weiter geht. Es iſt weniger Nachdruck auf das Können, wie auf das Kennen gelegt worden; das zeigt ſich auch bei den Anforderungen, die in den Examen geſtellt werden. Es wird von dem Grundſatz ausgegangen, daß der Schüler vor allen Dingen ſoviel wie möglich wiſſen müſſe; ob es für das Leben paßt oder nicht, das iſt Rebenſache. Wenn man ſich mit einem der betreffenden Herren darüber unterhält und ihm klar zu machen verſucht, daß der junge Menſch doch einigermaßen praktiſch für das Leben und ſeine Fragen vorge- bildet werden ſolle, dann wird immer geſagt, das ſei nicht Auf- gabe der Schule, Hauptſache ſei die Gymnaſtik des Geiſtes, und wenn dieſe Gymnaſtik des Geiſtes ordentlich getrieben würde, ſo wäre der junge Mann im Stande, mit dieſer Gymnaſtik alles fürs Leben Nothwendige zu leiſten. Ich glaube, daß nach dieſem Standpunkt nicht mehr verfahren werden kann. Wenn Ich nun zurückgreife auf die Schulen und ſpeciell auf das Gymnaſium ſelber, ſo weiß Ich ſehr wohl, daß in vielen Kreiſen man Mich für einen fanatiſchen Gegner des Gymnaſiums hält und Mich auch zu Gunſten anderer Schul- formen ausgeſpielt hat. Meine Herren, das iſt nicht der Fall. Wer ſelber auf dem Gymnaſium geweſen iſt und hinter die Couliſſen geſehen hat, der weiß, wo es da ſehlt. Und da fehlt es vor allem an der nationalen Baſis. Wir müſſen als Grundlage für das Gymnaſium das Deutſche nehmen, wir ſollen nationale junge Deutſche erziehen und nicht junge Griechen und Römer. Wir müſſen von der Baſis abſehen, die jahrhundertelang beſtanden hat, von der alten klöſterlichen Er- ziehung des Mittelalters, wo das Lateiniſche maßgebend war und ein bißchen Griechiſch dazu. Das iſt nicht mehr maßgebend, wir müſſen das Deutſche zur Baſis machen. Der deutſche Aufſatz muß der Mittelpunkt ſein, um den ſich Alles dreht. Wenn Einer im Abiturienten- examen einen tadelloſen deutſchen Aufſatz liefert, ſo kann man daraus das Maß der Geiſtesbildung des jungen Mannes erkennen und beurtheilen, ob er etwas taugt oder nicht. Nun wird ſelbſtverſtändlich vieles eingewendet und geſagt: Der lateiniſche Aufſatz iſt auch etwas ſehr Wichtiges, der lateiniſche Aufſatz iſt ſehr gut, um den Menſchen in einer fremden Sprache zu bilden, und was weiß Ich mehr. Ja, Meine Herren, Ich habe das nun einmal ſelber mitgemacht. Wie entſteht denn ein ſolcher lateiniſcher Auſſatz? Ich habe es ſehr oſt erlebt, daß ein junger Menſch im deutſchen Aufſatz — Ich will einmal ſagen, Nr. 4 im ganzen befriedigend, und im lateiniſchen Aufſatz eine Nr. 2 hat. Der Menſch verdiente Strafe ſtatt Lob, denn daß er den lateiniſchen Aufſatz nicht auf dem rechten Wege zu Stande gebracht hat, das iſt klar. Und von allen den lateiniſchen Aufſätzen, die wir geſchrieben haben, iſt noch nicht einer unter zwölf, der nicht mit ſolchen Hülfsmitteln zu Stande gekommen iſt. Solche Auf- ſätze wurden als „gut“ bezeichnet. Das war der lateiniſche Auf- ſatz. Aber wenn wir auf dem Gymnaſium einen Aufſatz über „Minna von Barnhelm“ ſchreiben ſollten, bekamen wir kaum „be- friedigend“. Deßwegen ſage Ich: weg mit dem lateiniſchen Auf- ſatz, er ſtört uns und wir verlieren unſre Zeit für das Deutſche darüber. Ebenſo möchte Ich das Nationale bei uns weiter gefördert ſehen in Fragen der Geſchichte, Geographie und der Sage. Fangen wir erſt einmal bei uns zu Hauſe an. Erſt wenn wir in den verſchiedenen Kammern und Stuben Beſcheid wiſſen, dann können wir ins Muſeum gehen und uns auch dort umſehen. Aber vor allen Dingen müſſen wir in der vaterländiſchen Geſchichte Beſcheid wiſſen. Der Große Kurfürſt war zu Meiner Schulzeit nur eine nebelhafte Erſcheinung, der ſiebenjährige Krieg lag bereits außerhalb aller Betrachtung und die Geſchichte ſchloß mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, mit der franzöſiſchen Revolution. Die Freiheitskriege, die das Wichtigſte ſind für den jungen Staats- bürger, wurden nicht durchgenommen, und nur durch ergänzende, ſehr intereſſante Vorträge des Hrn. Geh. Raths Hinzpeter bin Ich, Gott ſei Dank, in der Lage geweſen, dieſe Dinge zu erfahren. Das iſt aber gerade das Punctum saliens. Warum werden denn unſre jungen Leute verführt? Warum tauchen ſo viele unklare, confuſe Weltverbeſſerer auf? Warum wird immer an unſrer Regierung herumgenörgelt und auf das Ausland ver- wieſen? Weil die jungen Leute nicht wiſſen, wie unſre Zuſtände ſich entwickelt haben und daß die Wurzeln in dem Zeitalter der franzöſiſchen Revolution liegen. Und darum bin Ich gerade der feſten Ueberzeugung, wenn wir dieſen Uebergang aus der franzöſiſchen Revolution in das 19. Jahrhundert in einfacher, objectiver Weiſe in den Grundzügen den jungen Leuten klar machen, ſo bekommen ſie ein ganz anderes Verſtändniß für die heutigen Fragen, wie ſie es bisher hatten. Sie ſind dann im Stande, auf der Univerſität durch die ergänzenden Vorleſungen, die ſie dann hören, ihr Wiſſen weiter zu verbeſſern und zu ver- größern. Komme Ich nun auf die Beſchäftigung unſrer jungen Leute, ſo iſt abſolut nothwendig, daß wir mit der Anzahl der Stunden heruntergeben. Hr. Geheime Rath Hinzpeter wird ſich erinnern, daß zur Zeit, wo Ich auf dem Gymnaſium in Kaſſel war, der erſte Rothſchrei der Eltern und Familien laut wurde, daß es nicht ſo weitergehen könne. Es wurden in Folge deſſen Erhebungen von der Regierung angeſtellt: Wir waren verpflichtet, alle Morgen unſerm Director Zettel abzugeben mit der Stundenzahl der häuslichen Stunden, die wir nöthig bätten, um das für den nächſten Tag aufgegebene Penſum zu bewältigen — es ſind bloß die Zahlen aus der Prima ſpeciell, die Ich jetzt hier berühre. Nun, Meine Herren, es kamen bei ganz ehrlichen Angaben — bei Mir konnte ſie noch Hr. Geheime Rath Hinzpeter controliren — für Jeden 5½, 6½ bis 7 Stunden auf die häuslichen Arbeiten heraus. Das waren die Abiturienten. Rechnen Sie noch dazu die 6 Stunden Schule, 2 Stunden Eſſen, dann können Sie ausrechnen, was von dem Tag übrig blieb. Wenn Ich nicht Gelegenheit gehabt hätte, hinaus- und hineinzu- reiten und noch ſonſt etwas Mich in der Freiheit zu bewegen, dann hätte Ich überhaupt nicht gewußt, wie es in der Welt aus- ſieht. Das ſind doch immerhin Leiſtungen, die man jungen Leuten auf die Dauer nicht aufbürden kann. Nach Meinem Er- achten muß auch nach unten entſchieden nachgeholfen und nach- gelaſſen werden. Meine Herren! Es geht nicht, man darf dieſen Bogen nicht weiter ſpannen, und nicht ſo geſpannt laſſen. Wir müſſen hier herunter, wir haben hier die äußerſte Grenze bereits überſchritten. Die Schulen — Ich will einmal von den Gymnaſien ſprechen — haben das Uebermenſchliche geleiſtet, und haben Meiner An- ſicht nach eine allzu ſtarke Ueberproduction der Gebildeten zuwege gebracht, mehr wie die Nation vertragen kann, und mehr, wie die Leute ſelbſt vertragen können. Da iſt das Wort, das vom Fürſten Bismarck herrührt, richtig, das Wort vom „Abiturienten-Proletariat“, welches wir haben. Die ſämmtlichen ſogenannten Hungercandidaten, namentlich die Herren Journaliſten, das ſind vielſach verkommene Gymnaſiaſten, das iſt eine Gefahr für uns. Dieſes Uebermaß, das jetzt ſchon zu viel iſt, gleichſam ein Rieſelſeld, das nicht mehr aufnehmen kann, muß beſeitigt werden. Ich werde daher kein Gymnaſium mehr geneh- migen, das nicht abſolut ſeine Exiſtenzberechtigung und Nothwen- digkeit nachweiſen kann. Wir haben ſchon genug. Nun aber handelt es ſich darum, wie kann man den Wün- ſchen in Bezug auf claſſiſche Bildung und in Bezug auf Real- bildung und in Bezug auf die Berechtigung zum einjährigfreiwilligen Dienſt am beſten beikommen? Ich halte dafür, daß die Sache ganz einfach dadurch zu erledigen iſt, daß man mit einem radicalen Schritt die bisherigen Anſchauungen zur Klärung bringt; daß man ſagt: Claſſiſche Gymnaſien mit claſſiſcher Bildung, eine zweite Gattung Schulen mit Real- bildung, aber keine Realgymnaſien. Die Real- gymnaſien ſind eine Halbheit, man erreicht mit ihnen nur Halb- heit der Bildung, und das Ganze gibt Halbheit für das Leben nachher.“ Nach Schluß der Schulconferenz nahm der Kaiſer an dem von Hrn. v. Goßler dargebotenen Frühſtück theil, wobei er neben der Gemahlin des Miniſters Platz nahm. Se. Majeſtät führte eine lebhafte und zwangloſe Unterhaltung mit den Tiſch- gäſten und kehrte um 2¾ Uhr nach dem Schloſſe zurück. Die übrigen Theilnehmer verweilten bis gegen 3 Uhr in eifriger Unterhaltung. Serbien. R. Belgrad, 1. Dec.Einer Depeſche aus Prokuplje zufolge wurde am letzten Freitag der ſerbiſche Grenzwächter von Karaula Nr. 15 von Arnauten ermordet; deßgleichen wird aus Ivanjice die Ermordung zweier Panduren an der ſerbiſch- türkiſchen Grenze gemeldet. — Der Secretär des Prinzen Peter Karageorgjewitſch, ein gewiſſer Nikolajewitſch, hat vor einigen Tagen zahlreichen hieſigen Perſönlichkeiten, ſowie fämmtlichen Re- dactionen die ſchriftliche Mittheilung gemacht, daß der Metropolit Michael dem Prinzen Peter mittelſt Segensſpruches geſtattet habe, ſeinen Hauspatron auf einen andern Feiertag zu verlegen; da die Familie Karageorgjewitſch aus Serbien ausgewieſen iſt und der Prinz bekanntermaßen zur Disceſe des Metropoliten von Cetinje gehört, erregt der Fall großes Aufſehen. Der Metropolit hat hiedurch den Prinzen als ſerbiſchen Staatsangehörigen anerkannt. Die oppoſitionellen Blätter greifen den Metropoliten deßhalb heftig an; ein Blatt conſtatirt, daß der Metropolit Michael mit den ge- ſchwornen Feinden der Dynaſtie geheime Verbindungen unterhalte, und fordert kategoriſch deſſen Entlaſſung. Nordamerika. * New-York, 2. Dec.Die Bundestruppen in Fort Logan haben Befehl erhalten, ſich zum Marſche nach Dakota bereit zu halten. Einer Depeſche von Pine Ridge zufolge ſind alle Anſiedler am Cheyenne-Fluß gewarnt worden. Sämmtliche Ranchos am Weißen Fluſſe ſind ausgeraubt worden. Die Pferde wurden ge- ſtohlen und das Rindvieh getödtet. Vier ausgeſchickte Spione ſind noch nicht zurückgekehrt, und man befürchtet, daß ſie ihr Leben ein- gebüßt haben. Signalfeuer am nördlichen Laufe des Weißen Fluſſes kündigen die Annäherung der Cheyennes an. Die auf- rühreriſchen Stämme haben den loyalen angekündigt, daß alle Spione getödtet werden ſollen. Die Anſiedler ſliehen nach der Agentur. Oberſt Cody (Buffalo Bill) hat von Mandan an den „New York Herald“ telegraphirt, daß die Indianer ihren Geiſter- tanz noch immer fortſetzen und die Lage höchſt kritiſch iſt. Wäre es Frühjahr, ſo würde unbedingt der Krieg ſofort ausbrechen. Cody fügt binzu, daß, wenn General Miles nicht mit den In- dianern fertig werden könne, Niemand ſonſt den Verſuch zu machen brauche. Telegraphiſche Nachrichten. Privattelegramme der Allgemeinen Zeitung. ✡ Berlin, 4. Dec.Die Arbeiterſchutz-Commiſſion des Reichstags hat heute den zehnſtündigen Arbeitstag ver- heiratheter Frauen abgelehnt, nachdem die Regierungsvertreter denſelben für unannehmbar erklärt hatten. &#xfffc; Poſen, 4. Dec.Der „Dziennik Poznanski“ meldet, daß zum Erzbiſchof von Gneſen-Poſen der Diviſionspfarrer Dr. Leo v. Mieczkowski in Danzig, Ritter des Eiſernen Kreuzes, auserſehen ſei. &#xfffc; Dresden, 4. Dec.Der Landtagsabgeordnete Kaufmann Franz Müller hat dem Stadtrathe von Freiburg 15,000 M. übergeben, damit dieſer das Koch’ſche Heilverſahren un- bemittelten Kranken, insbeſondere Arbeitern der Weißenborner Papier- fabrik zugängig mache. n. Metz, 4. Dec.Die Meldung einiger Blätter, gegen den des Landesverraths angeklagten Stöckel ſei das Verſahren ein- geſtellt, iſt unrichtig; die Vorunterſuchung ſchwebt noch. S. Wien, 4. Dec.Der Finanzminiſter wird nächſter Tage eine Geſetzesvorlage einbringen bebufs Begünſtigung für Trieſt geeigneter Induſtrieunternehmungen; dieſelbe iſt nach dem Muſter jener Induſtriebegünſtigungen gearbeitet, welche in Ungarn ſpeciell zum Vortheile von Fiume geſchaffen worden ſind. &#xfffc; Peſt, 4. Dec.Behufs Vorbeſprechungen zur Schaffung einer katholiſchen Autonomie in Ungarn hat der Cultus- miniſter Graf Cſáky zahlreiche hervorragende Katholiken zu einer Conferenz einberufen; vom Epiſkopat ſind nur die Biſchöfe Samaſſa und Schlauch zu dieſer Conferenz geladen. Telegramme des Wolſſ’ſchen Bureans. * Berlin, 4. Dec.Der Bundesrath hat in ſeiner heutigen Sitzung den Anträgen von Sachſen und Bayern betreffend die Einfuhr von Rindvieh aus Oeſterreich-Ungarn ſowie dem Entwurfe einer Ver- ordnung wegen Aufhebung des Verbotes der Einfuhr von Schweinen, Schweinefleiſch und Würſten däni- ſchen, ſchwediſchen und norwegiſchen Urſprunges zu- geſtimmt. (Der ſächſiſch-bayeriſche Antrag bezweckt den Landes- regierungen die Ermächtigung zu ertheilen, Schlachtvieh aus Oeſterreich-Ungarn in größere, mit Schlachthäuſern verſehene Städte einzuführen. D. R.) * Berlin, 4. Dec.Die Arbeiterſchutz-Commiſſion des Reichstags nahm heute die geſtern noch unerledigt gebliebenen Beſtimmungen über die Verhältniſſe der Geſellen und Ge- hülfen (§§. 123—125) nach den Beſchlüſſen der erſten Leſung mit einem Antrag Kleiſt-Retzow an, wonach der Arbeitgeber bei Vertragsbruch pro Tag den ortsüblichen Tagelohn, höchſtens aber den Betrag einer Woche, zu fordern berechtigt iſt. Die Beſtim- mungen über die Lehrlingsverhältniſſe (§§. 126— 133) wurden unverändert nach den Beſchlüſſen der erſten Leſung, die §§. 133a bis 133e bezüglich der Betriebsbeamten mit un- weſentlichen Compromißänderungen genehmigt. * Berlin, 4. Dec.Das Abgeordnetenhaus berieth den Antrag Conrad betreffend das Wildſchadengeſetz in Verbindung mit dem Antrag Strutz betreffend Aenderung des Jagdpolizeigeſetzes. Nach längerer Berathung, wobei Miniſter v. Heyden die Nothwendigkeit einer Aenderung der beſtehenden Geſetzgebung betonte, eine Entſcheidung beider Häuſer des Land- tages über die Wildſchadenfrage aber für wünſchenswerth erklärte, damit die Regierung dazu Stellung nehme, zog Strutz ſeinen Antrag zurück, worauf das Haus die zweite Leſung des Antrags Conrad im Plenum beſchloß. Nächſte Sitzung morgen 11 Uhr. Tagesordnung: Volksſchulgeſetz. * Berlin, 4. Dec.Die Bevölkerungszahl von Berlin betrug bei der Volkszählung am 1. d. M. nach vor- läufiger Feſtſtellung 1,574,485. * Grandenz, 4. Dec.Bei der Erſatzwahl zum Reichs- tag im Wahlkreiſe Flatow-Schlochau wurde Landrath v. Hell- dorff-Bedra (conſ.) mit 10,422 Stimmen gewählt. Der frei- ſinnige Candidat Reulirch erhielt 7728 Stimmen. * Hildesheim, 4. Dec.Heute früh wurden durch den Zu- ſammenſtoß eines Perſonenzugs mit einer Rangirmaſchine die Lo- comotive und zwei Wagen des Perſonenzugs beſchädigt; ein Be- amter wurde leicht verwundet. * Braunſchweig, 4. Dec.Wie geſtern gemeldet, platzte auf dem Boden des Muſenms ein Ablaßrohr der Dampf- heizung; die Beſchädigung iſt jedoch gänzlich unerheblich, an Gegenſtänden der Sammlungen iſt überhaupt kein Schaden ge- ſchehen. * Wien, 4. Dec.Das Wiener Cabinet ließ der „Polit. Correſp.“ zufolge in Belgrad mündlich erklären, Oeſterreich- Ungarn könne vor Beendigung der gegenwärtigen handels- politiſchen Berathungen mit Deutſchland wegen der dadurch bedingten völligen Inanſpruchnahme aller be- theiligten Factoren nicht in handelspolitiſche Verhand- lungen mit Serbien eintreten. * Wien, 4. Dec.Zu Beginn der heutigen Eröffnungs- ſitzung des Abgeordnetenhauſes wurde Präſident Smolka, der bekanntlich im abgelaufenen Sommer lebensgefährlich er- krankt war, lebhaft begrüßt und dankte für den ihm bereiteten warmen Empfang. Dem Hauſe ſind folgende Vorlagen zu- gegangen: Ueber die Handels- und Schiſffahrtsconvention mit Aegypten, über das Recrutencontingent pro 1891, über das Geſetz, betreffend die Einquartierung der bosniſch-herzegowiniſchen Truppen, über die für Ausgaben gelegentlich der Ueber- ſchwemmungen im September zu gewährende Indemnität. Hierauf gab der Finanzminiſter ſein Expoſé. * Peſt, 4. Dec.Von dem Handelsminiſter wurde dem Ab- geordnetenhauſe der Handels- und Schiffſahrtsvortrag mit Aegypten vorgelegt. * Bern, 4. Dec.Die Doctoren Lotz in Baſel und Schmid in Bern ſind vom Bundesrath abgeordnet worden, um in Berlin an zuſtändiger Stelle Alles zu thun, um der Schweiz die Wohl- thaten der Koch’ſchen Entdeckung möglichſt zu ſichern. * London, 4. Dec.Unterhaus. Miniſter Balfour be- gründete eine Creditforderung von 5000 Pſd. St. für Weſt- irland mit dem Nothſtand, der daſelbſt in Folge des Mißrathens der Kartoffelernte herrſcht. Die Beſchaffung von Kartoffelſaat ſoll erleichtert und die Nothleidenden ſollen bei Banten der Regierung beſchäftigt werden. * London, 4. Dec.Die heutige Verſammlung der iriſchen Abgeordneten verlief ſtürmiſch. Healy hielt eine energiſche Rede gegen Parnell, deſſen Gegner die von Clancy be- antragte Transaction nicht annehmen wollen, ſo daß die Ab- lehnung derſelben wahrſcheinlich iſt. Die Sitzung wurde ſchließlich auf morgen vertagt. * London, 4. Dec.Profeſſor Sir Joſeph Liſter hielt geſtern Abend im Kings College-Hoſpital einen erſten Vortrag nach ſeiner Rücklehr aus Berlin; er theilte mit, daß Koch zwei neue Heil- mittel entdeckt habe, welche zwei furchtbare contagiöſe Krank- heiten nicht nur heilen, ſondern auch verhindern werden; die genaue Natur dieſer Heilmittel könne er nicht enthüllen. Das Auditorium hat angenommen, daß Liſter auf Heilmittel gegen Diphtheritis und Tetanus hinweiſen wollte. Liſter bemerkte ſchließ- lich, die Heilmittel beſtehen aus ſo einſachen chemiſchen Subſtanzen, daß dieſelben Jeder herſtellen könne. * Haag, 4. Dec.Das Leichenbegängniß des Königs verlief in höchſt impoſanter Weiſe. Die Menge auf den Straßen zeigte eine ehrfurchtsvolle, ſympathiſche Haltung. Der Sarg war mit Blumen und Kränzen überdeckt. Dem Leichenwagen folgte ein Wagen mit Kränzen, welche auf dem Sarge keinen Platz gefunden hatten. Der Fürſt von Waldeck-Pyrmont ging mit den Großherzögen von Sachſen-Weimar und Luxemburg an der Spitze des Leichenzugs; darauf folgten die anderen Fürſtlichkeiten und die Vertreter der auswärtigen Höfe. Die feierliche Beſtattung erfolgte in der Delfter Kirche. Der- ſelben wohnten die auswärtigen Deputationen, die Miniſter, die Kammern und die Staatsfunctionäre bei. Nach der Leichen- rede des Hofpredigers wurde der Sarg in die Krypta verſenkt. Der Juſtizminiſter legte die Siegel an. A. H. Paris, 4. Dec.In der Kammer wurde heute die Berathung über die Erſparnißcaſſen, beziehungsweiſe die Ab- ſtufung in der Verzinſung der Einlagen fortgeſetzt. Mehrere Redner beantragten, dieſe Frage an die Budgetcommiſſion zurückzuverweiſen, aber Rouvier und Freycinet verlangten, daß die Frage der Sparcaſſen vertagt und an eine beſondere Commiſſion verwieſen werde, ſowie daß die Kammer inzwiſchen mit der Berathung des Budgets fortfahre, und ſtellten die Vertrauensfrage. Der An- trag der Regierung wurde darauf vollſtändig mit 322 gegen 193 Stimmen angenommen. * Paris, 4. Dec.Heute fand hier ein Seelen gottes- dienſt zum Gedächtniß des Königs von Holland ſtatt, wobei Präſident Carnot durch General Brugère und das mili- täriſche Gefolge vertreten war; ſeitens der Regierung waren Mini- ſter Ribot und andere Miniſter dazu erſchienen, ferner wohnten demſelben auch die auswärtigen Vertreter bei. Am Ausgang der Kirche wurden von Unbekannten in holländiſcher Sprache gedruckte Zettel vertheilt, worin „holländiſche Patrioten“ gegen die Ueber- nahme der Regierung durch die Regentin proteſtiren. * Paris, 4. Dec.Der Fürſt von Montenegro hat in Erwiderung auf Paſteurs Anerbieten, den Vorſitz im Comité zur Fürſorge für fremde Studirende zu übernehmen, den lebhaften Wunſch ausgeſprochen, daß die montenegriniſchen Studirenden würdige Zöglinge des Landes werden, wo ſie ihre Ausbildung empfangen. Er zweifle nicht, daß die Montenegriner die Gefühle der Dankbarkeit und Hochachtung für das große franzöſiſche Volk bewahren werden. * Paris, 4. Dec.Der „Eclair“ berichtet aus Rancy: Der Gerichtshof verurtheilte einen gewiſſen Arnoult, welcher zu Börſenmanövern lügenhafte Depeſchen von Rancy und Toul nach Paris abſenden ließ, zu 4 Tagen Arreſt. * Rom, 4. Dec.Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung von 75 Senatoren; darunter beſinden ſich die Diplomaten Graf Rigra und Fedoſtiani. * Rio de Janeiro, 3. Dec.Der Strike der Kutſcher iſt vollſtändig beendet.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 337, 5. Dezember 1890, S. Seite 3.[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine337_1890/3>, abgerufen am 01.06.2024.