Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914.Allgemeine Zeitung 22. August 1914. [Spaltenumbruch]
da dieses den Bundesgenossen Frankreichs, Rußland bekämpfe undFrankreichs Feind, das Deutsche Reich unterstütze. Zugleich er- klärte der Botschafter, daß mit Rücksicht auf das Verhalten Frank- reichs auch Großbritannien sich als im Kriegszustand mit der Monarchie befindlich betrachte. Die Admiralität hat Befehl erteilt, die Feindseligkeiten gegen Oesterreich-Ungarn zu beginnen. Zur Vorgeschichte des Krieges. Wer trägt die Schuld an der unzureichenden Beantwortung, In Serbien herrscht Ministerpräsident Pasitsch nur dem Namen Italiens Haltung. Mit Rücksicht auf umlaufende Gerüchte, daß Italien gegenüber [Spaltenumbruch] Rumänien. Ministerpräsident Graf Tißa richtete an den Abgeordneten Wir erleben jetzt Die Türkei. Das Wolffsche Telegraphenbureau läßt sich von der Süd- Die gesamte Oeffentlichkeit verfolgt mit zunehmender Spannung Unsere Kolonien. Nachrichten aus Südwestafrika besagen, daß das dortige Schutz- Japan. Kurz nach Beginn des Krieges war auch schon von der Haltung Eine Antwort ist bis zum Schluß unseres Blattes noch nicht Allgemeine Zeitung 22. Auguſt 1914. [Spaltenumbruch]
da dieſes den Bundesgenoſſen Frankreichs, Rußland bekämpfe undFrankreichs Feind, das Deutſche Reich unterſtütze. Zugleich er- klärte der Botſchafter, daß mit Rückſicht auf das Verhalten Frank- reichs auch Großbritannien ſich als im Kriegszuſtand mit der Monarchie befindlich betrachte. Die Admiralität hat Befehl erteilt, die Feindſeligkeiten gegen Oeſterreich-Ungarn zu beginnen. Zur Vorgeſchichte des Krieges. Wer trägt die Schuld an der unzureichenden Beantwortung, In Serbien herrſcht Miniſterpräſident Paſitſch nur dem Namen Italiens Haltung. Mit Rückſicht auf umlaufende Gerüchte, daß Italien gegenüber [Spaltenumbruch] Rumänien. Miniſterpräſident Graf Tiſza richtete an den Abgeordneten Wir erleben jetzt Die Türkei. Das Wolffſche Telegraphenbureau läßt ſich von der Süd- Die geſamte Oeffentlichkeit verfolgt mit zunehmender Spannung Unſere Kolonien. Nachrichten aus Südweſtafrika beſagen, daß das dortige Schutz- Japan. 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Das rumäniſche Volk muß zeigen, ob es<lb/> eine Verſtändigung und ein Zuſammenwirken mit dem Deutſchtum<lb/> und Ungartum wünſcht oder ob es ſich dem panſlawiſchen Koloß in<lb/> die Arme werfen will. Jeder Akt treuer Vaterlandsliebe bildet<lb/> heute den Granitwürfel zu dem Fundamente einer ſchöneren, mit<lb/> gegenſeitigem Vertrauen und gegenſeitiger Sympathie ſich auf-<lb/> bauenden Zukunft.</quote> </cit> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Türkei.</hi> </head><lb/> <p>Das Wolffſche Telegraphenbureau läßt ſich von der Süd-<lb/> ſlawiſchen Korreſpondenz aus Konſtantinopel melden:</p><lb/> <cit> <quote>Die geſamte Oeffentlichkeit verfolgt mit zunehmender Spannung<lb/> den Verlauf der kriegeriſchen Ereigniſſe in Europa, wobei ſich die<lb/> Sympathien des Publikums und der türkiſchen Preſſe immer aus-<lb/> geſprochener der Sache der verbündeten Zentralmächte zuwenden.<lb/> Die Berichte über die deutſchen Erfolge gegen Frankreich und das<lb/> Fortſchreiten der öſterreichiſchen Aktion finden in der Konſtan-<lb/> tinopeler Preſſe den lebhafteſten Widerhall, während die Weg-<lb/> nahme der türkiſchen Kriegsſchiffe durch England fortgeſetzt den<lb/> Gegenſtand heftiger Angriffe gegen die engliſche Regierung bildet.<lb/> Ueber Gewaltakte der ruſſiſchen Truppen bei ihrem Abzug aus<lb/> den armeniſchen Grenzgebieten wird ergänzend gemeldet, daß die<lb/> Ruſſen wahre Wüſteneien hinter ſich ließen, ſowie daß ſie eine<lb/> große Zahl mohammedaniſcher Bewohner in unmenſchlicher Weiſe<lb/> töteten. 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Wie das Wolffſche Telegraphenbureau<lb/> offiziell meldet, hat der japaniſche Geſchäftsträger in Berlin im<lb/> Auftrage ſeiner Regierung dem Auswärtigen Amt eine Note über-<lb/> mittelt, worin unter Berufung auf das engliſch-japaniſche Bündnis<lb/> die ſofortige Zurückziehung der deutſchen Kriegsſchiffe aus den<lb/> japaniſchen und chineſiſchen Gewäſſern oder die Abrüſtung dieſer<lb/> Schiffe, ferner bis zum 15. September die bedingungsloſe Ueber-<lb/> gabe des geſamten Pachtgebietes von Kiautſchau an die japaniſchen<lb/> Behörden und die unbedingte Annahme dieſer Forderungen bis<lb/> zum 23. d. M. verlangt wird.</p><lb/> <p>Eine Antwort iſt bis zum Schluß unſeres Blattes noch nicht<lb/> bekannt geworden. 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Allgemeine Zeitung 22. Auguſt 1914.
da dieſes den Bundesgenoſſen Frankreichs, Rußland bekämpfe und
Frankreichs Feind, das Deutſche Reich unterſtütze. Zugleich er-
klärte der Botſchafter, daß mit Rückſicht auf das Verhalten Frank-
reichs auch Großbritannien ſich als im Kriegszuſtand mit der
Monarchie befindlich betrachte. Die Admiralität hat Befehl erteilt,
die Feindſeligkeiten gegen Oeſterreich-Ungarn zu beginnen.
Zur Vorgeſchichte des Krieges.
Wer trägt die Schuld an der unzureichenden Beantwortung,
die Serbien dem öſterreichiſchen Ultimatum erteilt hat und die dann
die unmittelbare Veranlaſſung zum franzöſiſchen Kriege geworden
iſt? Auf dieſe Frage gibt ein unterm 26. Juli, alſo unmittelbar
vor dem Ausbruch des Krieges geſchriebener Brief einen merk-
würdigen Aufſchluß, den der Berichterſtatter des Berliner
„Deutſchen Kuriers“ aus Semlin veröffentlicht und aus dem die
Bayeriſche Staatszeitung nachſtehende Hauptſtellen veröffentlicht:
In Serbien herrſcht Miniſterpräſident Paſitſch nur dem Namen
nach. In Wirklichkeit haben das Heft die Generale Jankowitſch,
Putnik und ihre Offiziere in den Händen. Das haben die Ereigniſſe
bei der Ueberreichung der ſerbiſchen Antwortnote auf das öſter-
reichiſche Ultimatum zur Evidenz bewieſen. Von einem der Regie-
rung naheſtehenden Herrn, der auch Mitglied der Skuptſchtina iſt,
und der eine vermittelnde Rolle zwiſchen Herrn Paſitſch und dem
General Jankowitſch geſpielt hat, ſind mir folgende Erklärungen
gemacht worden: Paſitſch und der Kronprinz Alexander waren bis
geſtern nachmittag um 3 Uhr für bedingungsloſe Annahme der
öſterreichiſchen Bedingungen, da ſie ſich abſolut keine ſichere Hilfe
durch Rußland verſprachen. Es war auch ſchon die Annahme der
Bedingungen formuliert. Allerdings waren in ihr einige Klauſeln
enthalten, die der ſerbiſchen Regierung eine Rückzugsdeckung vor
der öffentlichen Meinung verſchaffen ſollten. In der vierten Nach-
mittagsſtunde war man dabei, die Annahme nochmals zu redigie-
ren. Paſitſch hatte ſich inzwiſchen des Einverſtändniſſes der Mehr-
heit der Parteiführer verſichert gehabt, das um ſo bereitwilliger ge-
geben wurde, als es galt, einen großen Schlag gegen die allmächtige
Offizierspartei Serbiens zu führen, die ſich allgemach bei der Mehr-
heit des Parlaments durch ihr herausforderndes Auftreten verhaßt
gemacht hatte.
Da erhielt Jankowitſch durch irgend einen Verräter Kenntnis
von den Schritten der Regierung. Er ſtürmte mit einigen ihm
Ergebenen in den Konak, wo die Mitglieder des Miniſteriums,
einige Parteiführer und der Kronprinz noch verſammelt waren.
Nun ſoll es zu einer dramatiſch bewegten Szene gekommen ſein,
in deren Verlauf Jankowitſch durch ſeine Drohungen den Thron-
folger derart einſchüchterte, daß dieſer erklärt haben ſoll, lieber ab-
zudanken, als länger unter dem Terrorismus der eigentlichen Ge-
walthaber von Serbien zu ſtehen. Auch Paſitſch ſoll mit der Demiſ-
ſion gedroht haben. Jankowitſch lief aus dem Königspalaſt und kam
eine halbe Stunde ſpäter mit einer Anzahl Offiziere und Natio-
naliſten wieder, nachdem er vorher den Konak hatte umſtellen laſſen.
Was ſich dann im Laufe der nächſten fünf Minuten zugetragen
haben mag, iſt nach dem, was ich zu hören bekam, zu ſenſationell,
als daß ich es wiederzugeben wage. Um ein Haar, und das Blut-
bad, das Offiziere an dem König Alexander und der armen Draga
Maſchin an jener Stelle angerichtet hatten, wäre an dieſem Sams-
tag wiederholt worden, wenn nicht im letzten Augenblick die omi-
nöſe, myſteriöſe Depeſche aus Petersburg neben dem bereitgehal-
tenen Revolver in die Wagſchale geworfen worden wäre zugunſten
der Zurückziehung der fertig redigierten Annahme der öſterreichi-
ſchen Bedingungen. Der Fluch der böſen Tag, die fortzeugend ...
Daß das Volk und die Volksvertreter unter dieſen Umſtänden nicht
für den Krieg ſind, bedarf kaum einer ausdrücklichen Verſicherung.
Italiens Haltung.
Mit Rückſicht auf umlaufende Gerüchte, daß Italien gegenüber
Deutſchland und Oeſterreich-Ungarn eine wenig freundliche Haltung
einnehme, beauftragte die italieniſche Regierung ihren Berliner
Geſchäftsträger, dieſen falſchen Gerüchten entgegenzutreten. Der
italieniſche Geſchäftsträger erſuchte in Erfüllung dieſes Auftrages
das Auswärtige Amt, dieſe Ausſtreuungen für unbegründet zu er-
klären. Der italieniſche Botſchafter in Berlin, Vollati, iſt in Rom
eingetroffen.
Rumänien.
Miniſterpräſident Graf Tiſza richtete an den Abgeordneten
Alexander Vajda, den er in einer Sitzung der letzten Parlaments-
ſeſſion infolge eines von dem panſlawiſchen Agitator Gerowsſky an
Vajda gerichteten Schreibens der Teilnahme an der panſlawiſchen
Agitation beſchuldigte, ein offenes Schreiben, in dem er, anknüpfend
an eine von Vajda beim Kriegsausbruch im Bukareſter Adeverul
veröffentlichte dreibundfreundliche patriotiſche Erklärung, bereit-
willig anerkannt, daß durch Vajdas jetziges Auftreten ſeine, Tiſzas,
frühere Annahme widerlegt werde. Er fährt fort:
Wir erleben jetzt
entſcheidende Stunden. Das rumäniſche Volk muß zeigen, ob es
eine Verſtändigung und ein Zuſammenwirken mit dem Deutſchtum
und Ungartum wünſcht oder ob es ſich dem panſlawiſchen Koloß in
die Arme werfen will. Jeder Akt treuer Vaterlandsliebe bildet
heute den Granitwürfel zu dem Fundamente einer ſchöneren, mit
gegenſeitigem Vertrauen und gegenſeitiger Sympathie ſich auf-
bauenden Zukunft.
Die Türkei.
Das Wolffſche Telegraphenbureau läßt ſich von der Süd-
ſlawiſchen Korreſpondenz aus Konſtantinopel melden:
Die geſamte Oeffentlichkeit verfolgt mit zunehmender Spannung
den Verlauf der kriegeriſchen Ereigniſſe in Europa, wobei ſich die
Sympathien des Publikums und der türkiſchen Preſſe immer aus-
geſprochener der Sache der verbündeten Zentralmächte zuwenden.
Die Berichte über die deutſchen Erfolge gegen Frankreich und das
Fortſchreiten der öſterreichiſchen Aktion finden in der Konſtan-
tinopeler Preſſe den lebhafteſten Widerhall, während die Weg-
nahme der türkiſchen Kriegsſchiffe durch England fortgeſetzt den
Gegenſtand heftiger Angriffe gegen die engliſche Regierung bildet.
Ueber Gewaltakte der ruſſiſchen Truppen bei ihrem Abzug aus
den armeniſchen Grenzgebieten wird ergänzend gemeldet, daß die
Ruſſen wahre Wüſteneien hinter ſich ließen, ſowie daß ſie eine
große Zahl mohammedaniſcher Bewohner in unmenſchlicher Weiſe
töteten. Wie in der Regierung naheſtehenden Kreiſen verlautet,
wurde der türkiſche Botſchafter in Petersburg angewieſen, dieſe
Vorgänge zur Sprache zu bringen und auf die in der Türkei herr-
ſchende Stimmung als Folge dieſer Ereigniſſe hinzuweiſen.
Unſere Kolonien.
Nachrichten aus Südweſtafrika beſagen, daß das dortige Schutz-
gebiet bisher unbehelligt geblieben iſt. Auch in Kamerun hat
ſich bis jetzt nichts kriegeriſches ereignet. Von Deutſch-Oſtafrika
fehlen direkte, von der Südſee alle Nachrichten. — In Togo haben
unbedeutende Patrouillengefechte mit eingedrungenen franzöſiſchen
Truppenabteilungen ſtattgefunden, bei denen der Feind drei Tote,
die deutſchen Abteilungen keine Verluſte zu verzeichnen hatten. Auch
engliſche Truppen ſind in Togo vorgedrungen, ohne bis jetzt mit
den deutſchen Abteilungen in Berührung gekommen zu ſein.
Japan.
Kurz nach Beginn des Krieges war auch ſchon von der Haltung
Japans, den Dreibundmächten gegenüber, die Rede. Ein, wie
man jetzt ſieht, voreiliges Telegramm wußte ſogar zu melden, daß
ſich Japan Oeſterreich genähert habe, wofür Oeſterreich ſeinerſeits
ſein vollkommenes Desintereſſement zugeſichert habe, was ja ſchon
dshalb unwahrſcheinlich war, weil Oeſterreich bekanntlich in Oſtaſien
überhaupt keine Intereſſen hat. Inzwiſchen hat ſich in der zu-
wartenden Haltung Japans eine für Deutſchland bedeutungsvolle
Wendung vollzogen. Wie das Wolffſche Telegraphenbureau
offiziell meldet, hat der japaniſche Geſchäftsträger in Berlin im
Auftrage ſeiner Regierung dem Auswärtigen Amt eine Note über-
mittelt, worin unter Berufung auf das engliſch-japaniſche Bündnis
die ſofortige Zurückziehung der deutſchen Kriegsſchiffe aus den
japaniſchen und chineſiſchen Gewäſſern oder die Abrüſtung dieſer
Schiffe, ferner bis zum 15. September die bedingungsloſe Ueber-
gabe des geſamten Pachtgebietes von Kiautſchau an die japaniſchen
Behörden und die unbedingte Annahme dieſer Forderungen bis
zum 23. d. M. verlangt wird.
Eine Antwort iſt bis zum Schluß unſeres Blattes noch nicht
bekannt geworden. Wenn wir auch Kiautſchau aufgeben müſſen,
da wir es eben im gegenwärtigen Augenblick nicht genügend
ſchützen können, würde dies natürlich auf den Fortgang des Krieges
nicht den mindeſten Einfluß ausüben, da die Entſcheidung ſelbſt-
verſtändlich nicht zur See und in fernen Meeren, ſondern auf
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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