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Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914.

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12. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] WTB. Wien, 7. Sept. Aus dem Kriegspressequartier wird
amtlich gemeldet: Das Armeeoberkommando hat am 7. ds. folgenden
Befehl erlassen:
Es gereicht mir zur besonderen Freude, bekannt geben zu kön-
nen, daß ungefähr 4000 Mann serbische Truppen bei dem
Versuche, östlich Mitrowitza in unser Gebiet einzubrechen, gefan-
gen genommen
wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde von
unseren braven Truppen im Süden auch serbisches Kriegsmaterial
erbeutet. Dies ist sofort allgemein zu verlautbaren.

Erzherzog Friedrich, General der Infanterie.

Nach späteren Meldungen erhöht sich die Zahl der bei Mitro-
witza gefangenen Serben auf 5000.



England.

Dem Wolffschen Telegraphenbureau wird über Wien eine Mel-
dung der Südslawischen Korrespondenz aus Konstantinopel
weitergegeben, die lautet:

Wie an unterrichteter Stelle verlautet, liegt im Hafen von Ale-
xandrien
ein schwer beschädigter englischer Kreuzer, der deutliche
Spuren einer Beschießung aufweist. Außerdem liegt dort ein zweiter
englischer Kreuzer, ein Torpedojäger und zwei Torpedoboote, die
nach Port Said geflüchtet waren, im Dock in Reparatur.

Nach nunmehr eingetroffenen zuverlässigen Meldungen ist
Samoa am 29. August von den Engländernohne Kampf
besetzt
worden.



Im Anschluß an frühere ähnliche Besprechungen fand am
5. September im Reichstagsgebäude zu Berlin unter dem Vorsitz
des ersten Vizepräsidenten Dr. Paasche eine Beratung führender
Mitglieder der bürgerlichen Parteien des Reichstages in
der Absicht statt, den festen Willen von Abgeordneten, die sicher den
Reichstag und das deutsche Volk hinter sich haben, zu bekunden, auch
im Kampf zur See alle Kräfte der Nation bis zu Ende einzusetzen.
Der hohen politischen Bedeutung der gefaßten Beschlüsse ent-
sprechend, wurde sogleich nach Abschluß der Beratung nachfolgende
Mitteilung dem Staatssekretär des Marineamts zur Kenntnis ge-
bracht:

Die unterzeichneten Mitglieder des Reichstags erklären sich be-
reit, in ihren Fraktionen und im Reichstage dafür einzutreten, daß
alle Maßregeln des Reichsmarineamts, welche die Kriegsnot er-
heischt, in etatsrechtlicher Hinsicht und bezüglich der Rechnungslegung
genehmigt werden. Insbesondere sind sie bereit einzutreten:

1. Für den sofortigen Ersatz verlorener Schiffe.

2. Für die sofortige Durchführung aller 1912 beschlossenen
Maßnahmen.

3. Für den sofortigen Bau des 1915 fälligen Schiffsersatzes.

4. Für die Herabsetzung der Lebensdauer der Schiffe von 20
auf 15 Jahre.




Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung vermittelt die Bekannt-
schaft einer neuen Verschleierung der Tatsachen, wie sie von unserem
englischen Feinde Sir Edward Grey ausgeht:

Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Nach hier vor-
liegenden Nachrichten hat Sir Edward Grey im Unterhaus er-
klärt, die von der deutschen Regierung veranlaßte Veröffent-
lichung des deutsch-englischen Telegramm-
wechsels
vor dem Kriege sei unvollständig. Fürst Lichnowsky
habe seine Meldung über das bekannte Telephongespräch gleich dar-
auf telegraphisch zurückgezogen, nachdem er darüber aufgeklärt wor-
den sei, daß ein Mißverständnis vorliege; dieses Telegramm sei
nicht veröffentlicht worden. Die "Times" hat anscheinend auf
Grund von Informationen von amtlicher Seite dieselbe Behauptung
aufgestellt und daran die Bemerkung geknüpft, das Telegramm sei
von der deutschen Regierung unterdrückt worden, um England der
Perfidie zu beschuldigen und Deutschlands Friedensliebe beweisen
zu können. Wir stellen demgegenüber fest, daß ein solches Tele-
gramm nicht existiert. Fürst Lichnowsky hat außer dem bereits
veröffentlichten Telegramm, das um 11 Uhr vormittags aus Lon-
don abgegangen war, am 1. August noch folgende Telegramme ab-
gesandt:
1. Um 1 Uhr 15 Min. nachmittags: Der Privatsekretär Sir
Edward Greys war eben bei mir, um mir zu sagen, der Minister
wolle Vorschläge für die Neutralität Englands machen, selbst für
[Spaltenumbruch] den Fall, daß wir mit Rußland wie mit Frankreich Krieg hätten.
Ich sehe Sir Edward Grey heute nachmittag und werde sofort be-
richten.

2. Um 1/2 6 Uhr abends: Sir Edward Grey las mir soeben die
nachstehende Erklärung vor, die vom Kabinett einstimmig gefaßt
worden war: Die Antwort der deutschen Regierung bezüglich der
Neutralität Belgiens ist ungemein bedauerlich, weil die Neutralität
Belgiens die Gefühle dieses Landes angeht. Wenn Deutschland einen
Weg sehen könnte, die gleiche positive Antwort zu geben, wie die-
jenige, die von Frankreich gegeben worden ist, würde dies wesent-
lich dazu beitragen, die Besorgnis und die Spannung hier zu be-
heben, während es auf der anderen Seite äußerst schwierig sein
würde, die öffentliche Stimmung in diesem Lande zurückzudämmen,
wenn eine Verletzung der Neutralität Belgiens durch einen der
Kämpfenden stattfinde, während der andere diese respektiert.

Auf meine Frage, ob er unter der Bedingung, daß wir die bel-
gische Neutralität wahrten, mir eine bestimmte Erklärung über die
Neutralität Großbritanniens abgeben könne, erwiderte der Minister,
das sei ihm nicht möglich, doch würde diese Frage eine große Rolle
bei der hiesigen öffentlichen Meinung spielen. Verletzten wir die
belgische Neutralität in einem Kriege mit Frankreich, so würde sicher-
lich ein Umschwung in der Stimmung eintreten, die es der hiesigen
Regierung erschweren würde, eine freundliche Neutralität einzuneh-
men. Vorläufig beständen nicht die geringsten Absichten, gegen uns
feindlich vorzugehen. Man würde dies, wenn möglich, zu vermeiden
wünschen. Es ließe sich aber schwerlich eine Linie ziehen, bis wohin
wir gehen dürften, ohne daß man diesseits einschreite. Er kam
immer wieder auf die belgische Neutralität zurück und meinte, diese
Frage würde jedenfalls eine große Rolle spielen. Er habe sich auch
schon gedacht, ob es nicht möglich wäre, daß wir und Frankreich
uns im Falle eines russischen Krieges bewaffnet gegenüber stehen
blieben, ohne uns anzugreifen. Ich frug ihn, ob er in der Lage
wäre, zu erklären, daß Frankreich auf einen derartigen Punkt ein-
gehen würde. Da wir weder Frankreich zerstören noch Gebietsteile
erobern wollten, könne ich mir denken, daß wir uns auf ein der-
artiges Abkommen einlassen würden, das uns die Neutralität Groß-
britanniens sichere. Der Minister sagte, er wolle sich erkundigen,
verkannte auch nicht die Schwierigkeiten beiderseits, das Militär in
Untätigkeit zurückzuhalten.


3. Um 1/2 9 Uhr abends: Meine Meldung von heute früh ist
durch meine Meldung von heute abend aufgehoben. Da ein posi-
tiver englischer Vorschlag überhaupt nicht vorliegt, erübrigen sich
weitere Schritte im Sinne der mir erteilten Weisungen.


Wie ersichtlich, enthalten diese Telegramme keinerlei Andeutung
darüber, daß ein Mißverständnis vorgelegen habe und nichts über
die von englischer Seite behauptete Aufklärung des angeblichen
Mißverständnisses.



Der obigen Auslassung setzen wir nachstehende Aeußerungen
unseres Reichskanzlers über den englischen Lügen-
krieg
zur Seite:

Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt folgende Mit-
teilung des Reichskanzlers an die Vertreter der United Preß und
der Associated Preß:

Großes Hauptquartier, 2. September.

Ich weiß nicht, was man in Amerika über diesen Krieg
denkt, ich nehme aber an, daß dort inzwischen der Telegramm-
wechsel des Kaisers
mit dem Kaiser von Rußland und dem
König von England bekannt geworden ist, der unwiderleglich vor
der Geschichte Zeugnis dafür ablegt, wie der Kaiser bis zum letzten
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mühungen mußten aber vergeblich bleiben, da Rußland unter allen
Umständen zum Kriege entschlossen war, und England, das durch
Jahrzehnte hindurch den deutschfeindlichen Nationalismus in Ruß-
land und Frankreich ermutigte, die glänzende Gelegenheit, die sich
ihm bot, die so oft betonte Friedensliebe zu bewähren, ungenützt
vorübergehen ließ, sonst hätte wenigstens der Krieg Deutschlands
mit Frankreich und England vermieden werden können. Wenn
sich einmal die Archive öffnen, so wird die Welt erfahren, wie oft
Deutschland England die Freundeshand entgegenstreckte, aber Eng-
land wollte die Freundschaft mit Deutschland nicht. Eifersüchtig

[irrelevantes Material]

12. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] WTB. Wien, 7. Sept. Aus dem Kriegspreſſequartier wird
amtlich gemeldet: Das Armeeoberkommando hat am 7. ds. folgenden
Befehl erlaſſen:
Es gereicht mir zur beſonderen Freude, bekannt geben zu kön-
nen, daß ungefähr 4000 Mann ſerbiſche Truppen bei dem
Verſuche, öſtlich Mitrowitza in unſer Gebiet einzubrechen, gefan-
gen genommen
wurden. Bei dieſer Gelegenheit wurde von
unſeren braven Truppen im Süden auch ſerbiſches Kriegsmaterial
erbeutet. Dies iſt ſofort allgemein zu verlautbaren.

Erzherzog Friedrich, General der Infanterie.

Nach ſpäteren Meldungen erhöht ſich die Zahl der bei Mitro-
witza gefangenen Serben auf 5000.



England.

Dem Wolffſchen Telegraphenbureau wird über Wien eine Mel-
dung der Südſlawiſchen Korreſpondenz aus Konſtantinopel
weitergegeben, die lautet:

Wie an unterrichteter Stelle verlautet, liegt im Hafen von Ale-
xandrien
ein ſchwer beſchädigter engliſcher Kreuzer, der deutliche
Spuren einer Beſchießung aufweiſt. Außerdem liegt dort ein zweiter
engliſcher Kreuzer, ein Torpedojäger und zwei Torpedoboote, die
nach Port Said geflüchtet waren, im Dock in Reparatur.

Nach nunmehr eingetroffenen zuverläſſigen Meldungen iſt
Samoa am 29. Auguſt von den Engländernohne Kampf
beſetzt
worden.



Im Anſchluß an frühere ähnliche Beſprechungen fand am
5. September im Reichstagsgebäude zu Berlin unter dem Vorſitz
des erſten Vizepräſidenten Dr. Paaſche eine Beratung führender
Mitglieder der bürgerlichen Parteien des Reichstages in
der Abſicht ſtatt, den feſten Willen von Abgeordneten, die ſicher den
Reichstag und das deutſche Volk hinter ſich haben, zu bekunden, auch
im Kampf zur See alle Kräfte der Nation bis zu Ende einzuſetzen.
Der hohen politiſchen Bedeutung der gefaßten Beſchlüſſe ent-
ſprechend, wurde ſogleich nach Abſchluß der Beratung nachfolgende
Mitteilung dem Staatsſekretär des Marineamts zur Kenntnis ge-
bracht:

Die unterzeichneten Mitglieder des Reichstags erklären ſich be-
reit, in ihren Fraktionen und im Reichstage dafür einzutreten, daß
alle Maßregeln des Reichsmarineamts, welche die Kriegsnot er-
heiſcht, in etatsrechtlicher Hinſicht und bezüglich der Rechnungslegung
genehmigt werden. Insbeſondere ſind ſie bereit einzutreten:

1. Für den ſofortigen Erſatz verlorener Schiffe.

2. Für die ſofortige Durchführung aller 1912 beſchloſſenen
Maßnahmen.

3. Für den ſofortigen Bau des 1915 fälligen Schiffserſatzes.

4. Für die Herabſetzung der Lebensdauer der Schiffe von 20
auf 15 Jahre.




Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung vermittelt die Bekannt-
ſchaft einer neuen Verſchleierung der Tatſachen, wie ſie von unſerem
engliſchen Feinde Sir Edward Grey ausgeht:

Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ ſchreibt: Nach hier vor-
liegenden Nachrichten hat Sir Edward Grey im Unterhaus er-
klärt, die von der deutſchen Regierung veranlaßte Veröffent-
lichung des deutſch-engliſchen Telegramm-
wechſels
vor dem Kriege ſei unvollſtändig. Fürſt Lichnowsky
habe ſeine Meldung über das bekannte Telephongeſpräch gleich dar-
auf telegraphiſch zurückgezogen, nachdem er darüber aufgeklärt wor-
den ſei, daß ein Mißverſtändnis vorliege; dieſes Telegramm ſei
nicht veröffentlicht worden. Die „Times“ hat anſcheinend auf
Grund von Informationen von amtlicher Seite dieſelbe Behauptung
aufgeſtellt und daran die Bemerkung geknüpft, das Telegramm ſei
von der deutſchen Regierung unterdrückt worden, um England der
Perfidie zu beſchuldigen und Deutſchlands Friedensliebe beweiſen
zu können. Wir ſtellen demgegenüber feſt, daß ein ſolches Tele-
gramm nicht exiſtiert. Fürſt Lichnowsky hat außer dem bereits
veröffentlichten Telegramm, das um 11 Uhr vormittags aus Lon-
don abgegangen war, am 1. Auguſt noch folgende Telegramme ab-
geſandt:
1. Um 1 Uhr 15 Min. nachmittags: Der Privatſekretär Sir
Edward Greys war eben bei mir, um mir zu ſagen, der Miniſter
wolle Vorſchläge für die Neutralität Englands machen, ſelbſt für
[Spaltenumbruch] den Fall, daß wir mit Rußland wie mit Frankreich Krieg hätten.
Ich ſehe Sir Edward Grey heute nachmittag und werde ſofort be-
richten.

2. Um ½ 6 Uhr abends: Sir Edward Grey las mir ſoeben die
nachſtehende Erklärung vor, die vom Kabinett einſtimmig gefaßt
worden war: Die Antwort der deutſchen Regierung bezüglich der
Neutralität Belgiens iſt ungemein bedauerlich, weil die Neutralität
Belgiens die Gefühle dieſes Landes angeht. Wenn Deutſchland einen
Weg ſehen könnte, die gleiche poſitive Antwort zu geben, wie die-
jenige, die von Frankreich gegeben worden iſt, würde dies weſent-
lich dazu beitragen, die Beſorgnis und die Spannung hier zu be-
heben, während es auf der anderen Seite äußerſt ſchwierig ſein
würde, die öffentliche Stimmung in dieſem Lande zurückzudämmen,
wenn eine Verletzung der Neutralität Belgiens durch einen der
Kämpfenden ſtattfinde, während der andere dieſe reſpektiert.

Auf meine Frage, ob er unter der Bedingung, daß wir die bel-
giſche Neutralität wahrten, mir eine beſtimmte Erklärung über die
Neutralität Großbritanniens abgeben könne, erwiderte der Miniſter,
das ſei ihm nicht möglich, doch würde dieſe Frage eine große Rolle
bei der hieſigen öffentlichen Meinung ſpielen. Verletzten wir die
belgiſche Neutralität in einem Kriege mit Frankreich, ſo würde ſicher-
lich ein Umſchwung in der Stimmung eintreten, die es der hieſigen
Regierung erſchweren würde, eine freundliche Neutralität einzuneh-
men. Vorläufig beſtänden nicht die geringſten Abſichten, gegen uns
feindlich vorzugehen. Man würde dies, wenn möglich, zu vermeiden
wünſchen. Es ließe ſich aber ſchwerlich eine Linie ziehen, bis wohin
wir gehen dürften, ohne daß man diesſeits einſchreite. Er kam
immer wieder auf die belgiſche Neutralität zurück und meinte, dieſe
Frage würde jedenfalls eine große Rolle ſpielen. Er habe ſich auch
ſchon gedacht, ob es nicht möglich wäre, daß wir und Frankreich
uns im Falle eines ruſſiſchen Krieges bewaffnet gegenüber ſtehen
blieben, ohne uns anzugreifen. Ich frug ihn, ob er in der Lage
wäre, zu erklären, daß Frankreich auf einen derartigen Punkt ein-
gehen würde. Da wir weder Frankreich zerſtören noch Gebietsteile
erobern wollten, könne ich mir denken, daß wir uns auf ein der-
artiges Abkommen einlaſſen würden, das uns die Neutralität Groß-
britanniens ſichere. Der Miniſter ſagte, er wolle ſich erkundigen,
verkannte auch nicht die Schwierigkeiten beiderſeits, das Militär in
Untätigkeit zurückzuhalten.


3. Um ½ 9 Uhr abends: Meine Meldung von heute früh iſt
durch meine Meldung von heute abend aufgehoben. Da ein poſi-
tiver engliſcher Vorſchlag überhaupt nicht vorliegt, erübrigen ſich
weitere Schritte im Sinne der mir erteilten Weiſungen.


Wie erſichtlich, enthalten dieſe Telegramme keinerlei Andeutung
darüber, daß ein Mißverſtändnis vorgelegen habe und nichts über
die von engliſcher Seite behauptete Aufklärung des angeblichen
Mißverſtändniſſes.



Der obigen Auslaſſung ſetzen wir nachſtehende Aeußerungen
unſeres Reichskanzlers über den engliſchen Lügen-
krieg
zur Seite:

Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ bringt folgende Mit-
teilung des Reichskanzlers an die Vertreter der United Preß und
der Aſſociated Preß:

Großes Hauptquartier, 2. September.

Ich weiß nicht, was man in Amerika über dieſen Krieg
denkt, ich nehme aber an, daß dort inzwiſchen der Telegramm-
wechſel des Kaiſers
mit dem Kaiſer von Rußland und dem
König von England bekannt geworden iſt, der unwiderleglich vor
der Geſchichte Zeugnis dafür ablegt, wie der Kaiſer bis zum letzten
Augenblick bemüht geweſen iſt, den Frieden zu erhalten. Dieſe Be-
mühungen mußten aber vergeblich bleiben, da Rußland unter allen
Umſtänden zum Kriege entſchloſſen war, und England, das durch
Jahrzehnte hindurch den deutſchfeindlichen Nationalismus in Ruß-
land und Frankreich ermutigte, die glänzende Gelegenheit, die ſich
ihm bot, die ſo oft betonte Friedensliebe zu bewähren, ungenützt
vorübergehen ließ, ſonſt hätte wenigſtens der Krieg Deutſchlands
mit Frankreich und England vermieden werden können. Wenn
ſich einmal die Archive öffnen, ſo wird die Welt erfahren, wie oft
Deutſchland England die Freundeshand entgegenſtreckte, aber Eng-
land wollte die Freundſchaft mit Deutſchland nicht. Eiferſüchtig

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[555/0005] 12. September 1914. Allgemeine Zeitung WTB. Wien, 7. Sept. Aus dem Kriegspreſſequartier wird amtlich gemeldet: Das Armeeoberkommando hat am 7. ds. folgenden Befehl erlaſſen: Es gereicht mir zur beſonderen Freude, bekannt geben zu kön- nen, daß ungefähr 4000 Mann ſerbiſche Truppen bei dem Verſuche, öſtlich Mitrowitza in unſer Gebiet einzubrechen, gefan- gen genommen wurden. Bei dieſer Gelegenheit wurde von unſeren braven Truppen im Süden auch ſerbiſches Kriegsmaterial erbeutet. Dies iſt ſofort allgemein zu verlautbaren. Erzherzog Friedrich, General der Infanterie. Nach ſpäteren Meldungen erhöht ſich die Zahl der bei Mitro- witza gefangenen Serben auf 5000. England. Dem Wolffſchen Telegraphenbureau wird über Wien eine Mel- dung der Südſlawiſchen Korreſpondenz aus Konſtantinopel weitergegeben, die lautet: Wie an unterrichteter Stelle verlautet, liegt im Hafen von Ale- xandrien ein ſchwer beſchädigter engliſcher Kreuzer, der deutliche Spuren einer Beſchießung aufweiſt. Außerdem liegt dort ein zweiter engliſcher Kreuzer, ein Torpedojäger und zwei Torpedoboote, die nach Port Said geflüchtet waren, im Dock in Reparatur. Nach nunmehr eingetroffenen zuverläſſigen Meldungen iſt Samoa am 29. Auguſt von den Engländernohne Kampf beſetzt worden. Im Anſchluß an frühere ähnliche Beſprechungen fand am 5. September im Reichstagsgebäude zu Berlin unter dem Vorſitz des erſten Vizepräſidenten Dr. Paaſche eine Beratung führender Mitglieder der bürgerlichen Parteien des Reichstages in der Abſicht ſtatt, den feſten Willen von Abgeordneten, die ſicher den Reichstag und das deutſche Volk hinter ſich haben, zu bekunden, auch im Kampf zur See alle Kräfte der Nation bis zu Ende einzuſetzen. Der hohen politiſchen Bedeutung der gefaßten Beſchlüſſe ent- ſprechend, wurde ſogleich nach Abſchluß der Beratung nachfolgende Mitteilung dem Staatsſekretär des Marineamts zur Kenntnis ge- bracht: Die unterzeichneten Mitglieder des Reichstags erklären ſich be- reit, in ihren Fraktionen und im Reichstage dafür einzutreten, daß alle Maßregeln des Reichsmarineamts, welche die Kriegsnot er- heiſcht, in etatsrechtlicher Hinſicht und bezüglich der Rechnungslegung genehmigt werden. Insbeſondere ſind ſie bereit einzutreten: 1. Für den ſofortigen Erſatz verlorener Schiffe. 2. Für die ſofortige Durchführung aller 1912 beſchloſſenen Maßnahmen. 3. Für den ſofortigen Bau des 1915 fälligen Schiffserſatzes. 4. Für die Herabſetzung der Lebensdauer der Schiffe von 20 auf 15 Jahre. Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung vermittelt die Bekannt- ſchaft einer neuen Verſchleierung der Tatſachen, wie ſie von unſerem engliſchen Feinde Sir Edward Grey ausgeht: Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ ſchreibt: Nach hier vor- liegenden Nachrichten hat Sir Edward Grey im Unterhaus er- klärt, die von der deutſchen Regierung veranlaßte Veröffent- lichung des deutſch-engliſchen Telegramm- wechſels vor dem Kriege ſei unvollſtändig. Fürſt Lichnowsky habe ſeine Meldung über das bekannte Telephongeſpräch gleich dar- auf telegraphiſch zurückgezogen, nachdem er darüber aufgeklärt wor- den ſei, daß ein Mißverſtändnis vorliege; dieſes Telegramm ſei nicht veröffentlicht worden. Die „Times“ hat anſcheinend auf Grund von Informationen von amtlicher Seite dieſelbe Behauptung aufgeſtellt und daran die Bemerkung geknüpft, das Telegramm ſei von der deutſchen Regierung unterdrückt worden, um England der Perfidie zu beſchuldigen und Deutſchlands Friedensliebe beweiſen zu können. Wir ſtellen demgegenüber feſt, daß ein ſolches Tele- gramm nicht exiſtiert. Fürſt Lichnowsky hat außer dem bereits veröffentlichten Telegramm, das um 11 Uhr vormittags aus Lon- don abgegangen war, am 1. Auguſt noch folgende Telegramme ab- geſandt: 1. Um 1 Uhr 15 Min. nachmittags: Der Privatſekretär Sir Edward Greys war eben bei mir, um mir zu ſagen, der Miniſter wolle Vorſchläge für die Neutralität Englands machen, ſelbſt für den Fall, daß wir mit Rußland wie mit Frankreich Krieg hätten. Ich ſehe Sir Edward Grey heute nachmittag und werde ſofort be- richten. 2. Um ½ 6 Uhr abends: Sir Edward Grey las mir ſoeben die nachſtehende Erklärung vor, die vom Kabinett einſtimmig gefaßt worden war: Die Antwort der deutſchen Regierung bezüglich der Neutralität Belgiens iſt ungemein bedauerlich, weil die Neutralität Belgiens die Gefühle dieſes Landes angeht. Wenn Deutſchland einen Weg ſehen könnte, die gleiche poſitive Antwort zu geben, wie die- jenige, die von Frankreich gegeben worden iſt, würde dies weſent- lich dazu beitragen, die Beſorgnis und die Spannung hier zu be- heben, während es auf der anderen Seite äußerſt ſchwierig ſein würde, die öffentliche Stimmung in dieſem Lande zurückzudämmen, wenn eine Verletzung der Neutralität Belgiens durch einen der Kämpfenden ſtattfinde, während der andere dieſe reſpektiert. Auf meine Frage, ob er unter der Bedingung, daß wir die bel- giſche Neutralität wahrten, mir eine beſtimmte Erklärung über die Neutralität Großbritanniens abgeben könne, erwiderte der Miniſter, das ſei ihm nicht möglich, doch würde dieſe Frage eine große Rolle bei der hieſigen öffentlichen Meinung ſpielen. Verletzten wir die belgiſche Neutralität in einem Kriege mit Frankreich, ſo würde ſicher- lich ein Umſchwung in der Stimmung eintreten, die es der hieſigen Regierung erſchweren würde, eine freundliche Neutralität einzuneh- men. Vorläufig beſtänden nicht die geringſten Abſichten, gegen uns feindlich vorzugehen. Man würde dies, wenn möglich, zu vermeiden wünſchen. Es ließe ſich aber ſchwerlich eine Linie ziehen, bis wohin wir gehen dürften, ohne daß man diesſeits einſchreite. Er kam immer wieder auf die belgiſche Neutralität zurück und meinte, dieſe Frage würde jedenfalls eine große Rolle ſpielen. Er habe ſich auch ſchon gedacht, ob es nicht möglich wäre, daß wir und Frankreich uns im Falle eines ruſſiſchen Krieges bewaffnet gegenüber ſtehen blieben, ohne uns anzugreifen. Ich frug ihn, ob er in der Lage wäre, zu erklären, daß Frankreich auf einen derartigen Punkt ein- gehen würde. Da wir weder Frankreich zerſtören noch Gebietsteile erobern wollten, könne ich mir denken, daß wir uns auf ein der- artiges Abkommen einlaſſen würden, das uns die Neutralität Groß- britanniens ſichere. Der Miniſter ſagte, er wolle ſich erkundigen, verkannte auch nicht die Schwierigkeiten beiderſeits, das Militär in Untätigkeit zurückzuhalten. 3. Um ½ 9 Uhr abends: Meine Meldung von heute früh iſt durch meine Meldung von heute abend aufgehoben. Da ein poſi- tiver engliſcher Vorſchlag überhaupt nicht vorliegt, erübrigen ſich weitere Schritte im Sinne der mir erteilten Weiſungen. Wie erſichtlich, enthalten dieſe Telegramme keinerlei Andeutung darüber, daß ein Mißverſtändnis vorgelegen habe und nichts über die von engliſcher Seite behauptete Aufklärung des angeblichen Mißverſtändniſſes. Der obigen Auslaſſung ſetzen wir nachſtehende Aeußerungen unſeres Reichskanzlers über den engliſchen Lügen- krieg zur Seite: Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ bringt folgende Mit- teilung des Reichskanzlers an die Vertreter der United Preß und der Aſſociated Preß: Großes Hauptquartier, 2. September. Ich weiß nicht, was man in Amerika über dieſen Krieg denkt, ich nehme aber an, daß dort inzwiſchen der Telegramm- wechſel des Kaiſers mit dem Kaiſer von Rußland und dem König von England bekannt geworden iſt, der unwiderleglich vor der Geſchichte Zeugnis dafür ablegt, wie der Kaiſer bis zum letzten Augenblick bemüht geweſen iſt, den Frieden zu erhalten. Dieſe Be- mühungen mußten aber vergeblich bleiben, da Rußland unter allen Umſtänden zum Kriege entſchloſſen war, und England, das durch Jahrzehnte hindurch den deutſchfeindlichen Nationalismus in Ruß- land und Frankreich ermutigte, die glänzende Gelegenheit, die ſich ihm bot, die ſo oft betonte Friedensliebe zu bewähren, ungenützt vorübergehen ließ, ſonſt hätte wenigſtens der Krieg Deutſchlands mit Frankreich und England vermieden werden können. Wenn ſich einmal die Archive öffnen, ſo wird die Welt erfahren, wie oft Deutſchland England die Freundeshand entgegenſtreckte, aber Eng- land wollte die Freundſchaft mit Deutſchland nicht. Eiferſüchtig _

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine37_1914/5>, abgerufen am 20.05.2024.