Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 9. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
niczewski, Grabowski u. a.) ihr Mandat niedergelegt haben, weil sie Be- Berlin, 6 Febr. Die Feierlichkeit der Beeidigung der Verfassung Schleswig-Holstein. Kiel, 2 Febr. In der heutigen Sitzung [Spaltenumbruch]
niczewski, Grabowski u. a.) ihr Mandat niedergelegt haben, weil ſie Be- Berlin, 6 Febr. Die Feierlichkeit der Beeidigung der Verfaſſung Schleswig-Holſtein. Kiel, 2 Febr. In der heutigen Sitzung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="627"/><cb/> niczewski, Grabowski u. a.) ihr Mandat niedergelegt haben, weil ſie Be-<lb/> denken trügen den Eid auf die Verfaſſung zu leiſten. Der Präſident be-<lb/> merkt, er werde die Anordnung der Neuwahlen veranlaſſen. Dann fährt<lb/> die Kammer in der Verhandlung über die Aufhebung der Mahl- und<lb/> Schlachtſteuer u. ſ. w. fort. Der Referent Camphauſen ſucht die Ein-<lb/> wendungen gegen den Geſetzentwurf zu widerlegen. Daß die Aufhebung<lb/> der Schlachtſteuer in Paris den Preis des Fleiſches nicht gemindert habe<lb/> beweiſe nichts, weil in der kurzen Zeit keine Umwandlung hätte erfolgen<lb/> können. Gegen die Behauptung als ob nur die Bäcker u. ſ. w. den Vor-<lb/> theil haben würden, ſpreche die Macht der Concurrenz. In England ſey<lb/> die Einkommenſteuer erſt auf drei Jahre eingeführt, dann auf weitere fünf<lb/> Jahre verlängert worden, und wenn auch jetzt an die Aufhebung nicht ge-<lb/> dacht werde, ſo ſcheine das doch ſehr für dieſe Steuer zu ſprechen. Die<lb/> Kammer entſcheidet hierauf daß die Spetialdiscuſſion über die §§. 1 und 2<lb/> der Regierungsvorlage ſchon durch die allgemeine erledigt ſey, und es<lb/> kommt zunächſt das Pochhammerſche Amendement zur Abſtimmung. Das-<lb/> ſelbe wird verworfen mit 164 gegen 132 Stimmen, worauf die §§. 1 und 2<lb/> der Vorlage mit 250 gegen 41 Stimmen angenommen werden. Nach<lb/> ihnen ſoll an die Stelle der bisherigen Mahl- und Schlachtſteuer und der<lb/> Claſſenſteuer eine Einkommenſteuer treten für alle Einwohner des Staats<lb/> von einem jährlichen Einkommen über 1000 Thlt., und eine neue Claſſen-<lb/> ſteuer für diejenigen Einwohner deren Einkommen den Betrag von<lb/> 1000 Thlr. nicht überſteigt. In der geſtrigen Abendſitzung der erſten<lb/> Kammer kamen die §§. 1 und 2 des Ablöſungsgeſetzes zur Berathung.<lb/> Gegen die darin enthaltenen Beſtimmungen kämpften namentlich die<lb/> Abgg. v. Manteuffel und v. Gerlach. Die Worte des erſtern: er weiſe<lb/> auf die „Thränen der Berechtigten“ hin, riefen Heiterkeit auf der Linken<lb/> hervor, worauf der Redner ſchnell hinzufügte: auf die Thränen ſo vieler<lb/> Geiſtlichen und Lehrer! Hr. v. Gerlach ſagte: die Stände der Ritter und<lb/> Grundbeſitzer hätten allerdings Sühnopfer zu bringen, weil ſie 1848 das<lb/> Heer und den König hätten beſchimpfen laſſen, und durch ſie unvernünfti-<lb/> getweiſe die Kopfzahlwahl beſchloſſen worden ſey. Er ſelber wolle ſich nicht<lb/> ausſchließen. Hätte er ſich damals in Berlin aufgehalten, ſo wäre er viel-<lb/> leicht auch ſchwach geweſen; er wolle alſo ſeinen Theil der Sühne auf ſich<lb/> nehmen, da ja ohnehin Solidarität das Weſen der ſtändiſchen Verfaſſung<lb/> ſey wie der conſtitutionellen. Trotz dieſes Eingangs erklärt ſich der Red-<lb/> ner gegen die unentgeltliche Aufhebung der in §. 2 bezeichneten Rechte.<lb/> Er nennt denſelben „märzgemäß, aber nicht decembergemäß,“ und richtet<lb/> an die Verſammlnng die Frage: „Sie wollen die Feudalrechte aufheben?<lb/> Wie können Sie da die Krone beſtehen laſſen, die doch die feudalſte Inſti-<lb/> tution iſt?“ Der Präſident fordert den Redner auf die Krone nicht in die<lb/> Beſprechung zu ziehen; der Redner aber proteſtirt, er müſſe ſeinen Gedan-<lb/> ken ausführen dürfen, und ſucht ſchließlich noch durch einen Ausſpruch<lb/> des Abg. Bucher in der Berliner Verſammlung des Jahrs 1848 zu bewei-<lb/> ſen daß man nur in der Revolution an die Aufhebung der Reallaſten<lb/> denken konten, nicht mehr aber nach Feſtſtellung der Verfaſſung. Die<lb/> Kammer nahm die beiden Paragraphen des Geſetzes mit geringen Aende-<lb/> rungen in der Faſſung der zweiten Kammer an. Dasſelbe geſchah heute<lb/> nach wenig bedeutender Discuſſion mit den §§. 3—5 und 36—49 (über<lb/> Beſitzveränderungsabgaben). Heute findet in beiden Kammern eine<lb/> Abendſitzung ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 6 Febr.</dateline> <p>Die Feierlichkeit der Beeidigung der Verfaſſung<lb/> hat heute Vormittag im königlichen Schloſſe ſtattgefunden. Sie wurde<lb/> eingeleitet durch eine gottesdienſtliche Feier in den ſämmtlichen Kirchen<lb/> Berlins, welcher Se. Maj. der König und die hier anweſenden Prinzen<lb/> des königlichen Hauſes in der Domkirche beiwohnten. Um 11 Uhr ver-<lb/> ſammelten ſich die Mitglieder beider Kammern in dem Ritterſaal des<lb/> Schloſſes, und nach Eintritt des Staatsminiſteriums wurde von dem Mi-<lb/> niſterpräſidenten Grafen v. Brandenburg die feierliche Handlung eröffnet.<lb/> Nachdem Se. Maj. der König von dem Staatsminiſterium hiervon in<lb/> Kenntniß geſetzt worden, begab ſich der König unter Vorantritt des<lb/> Staatsminiſteriums in Begleitung der hier anweſenden Prinzen und des<lb/> königlichen Gefolges in den Ritterſaal und nahm Platz auf dem Thron,<lb/> neben welchem ſich zur Rechten die königlichen Prinzen, zur Linken die<lb/> Miniſter aufſtellten. Vor dem Thron lag auf einem Tiſch die Verfaſ-<lb/> ſungsurkunde vom 31 Jan. 1850. Se. Maj. der König hielt darauf fol-<lb/> gende Anſprache an die verſammelten Kammern und ſchloß dieſelbe mit<lb/> dem verfaſſungsmäßigen eidlichen Gelöbniß: <cit><quote>„Meine Herren! Ich bitte<lb/> um Ihre Aufmerkſamkeit. Was Ich ſagen werde, ſind Meine eigenſten<lb/> Worte, denn Ich erſcheine heute vor Ihnen wie nie zuvor und nie hernach.<lb/> Ich bin hier, nicht um die angebornen und ererbten heiligen Pflichten des<lb/> königlichen Amtes zu üben (die hocherhaben ſind über dem Meinen und<lb/> Wollen der Parteien); vor allem nicht gedeckt durch die Verantwortlich-<lb/> keit Meiner höchſten Räthe, ſondern <hi rendition="#g">als Ich ſelbſt allein</hi>, als ein<lb/> Mann von Ehre, der ſein Theuerſtes, ſein Wort geben will, ein <hi rendition="#g">Ja, voll-<lb/><cb/> kräftig</hi> und <hi rendition="#g">bedächtig</hi>. Darum einiges zuvor. Das Werk dem Ich<lb/> heute Meine Beſtätigung aufdrücken will, iſt entſtanden in einem Jahre<lb/> welches die Treue werdender Geſchlechter wohl mit Thränen, aber verge-<lb/> bens wünſchen wird aus unſerer Geſchichte hinauszuringen. In der<lb/> Form in der es Ihnen vorgelegt worden, iſt es allerdings das Werk auf-<lb/> opfernder Treue von Männern die dieſen Thron gerettet haben, gegen die<lb/> Meine Dankbarkeit nur mit Meinem Leben erlöſchen wird; aber es wurde<lb/> ſo in den Tagen in welchen, im buchſtäblichen Sinne des Wortes, das Da-<lb/> ſeyn des Vaterlandes bedroht war. Es war das Werk des Augenblicks,<lb/> und es trug den breiten Stempel ſeines Urſprungs. Die Frage iſt ge-<lb/> rechtfertigt wie Ich bei ſolcher Betrachtung dieſem Werke die Sanction<lb/> geben könne? Dennoch <hi rendition="#g">will</hi> Ich es, weil Ich es <hi rendition="#g">kann</hi>, und daß Ich es<lb/> kann, verdank’ Ich Ihnen allein, Meine Herren. Sie haben die beſſernde<lb/> Hand daran gelegt, Sie haben bedenkliches daraus entfernt, gutes hinein-<lb/> getragen und Mir durch Ihre treffliche Arbeit und durch die Aufnahme<lb/> Meiner letzten Vorſchläge <hi rendition="#g">ein Pfand gegeben</hi> daß Sie die vor der<lb/> Sanction vegonnene Arbeit der Vervollkommnung auch nachher nicht<lb/> laſſen wollen, und daß es unſerem vereinten redlichen Streben auf verfaſ-<lb/> ſungsmäßigem Wege gelingen wird es den Lebensbedingungen Preußens<lb/> immer entſprechender zu machen. Ich <hi rendition="#g">darf</hi> dieß Werk beſtätigen, <hi rendition="#g">weil<lb/> Ich es in Hoffnung kann</hi>. Das erkenne Ich mit allerwärmſtem Dank<lb/> gegen Sie, Meine Herren, und Ich ſprech’ es gerührt und freudig aus,<lb/> Sie <hi rendition="#g">haben</hi> den Dank des Vaterlandes verdient. Und ſo erklär’ Ich,<lb/> Gott iſt deß Zeuge, daß Mein Gelöbniß auf die Verfaſſung treu, wahr-<lb/> haftig und ohne Rückhalt iſt. Allein, Leben und Segen der Verfaſſung,<lb/> das fühlen Ihre und alle edlen Herzen im Lande, hängen von der Er-<lb/> füllung unabweislicher Bedingungen ab. Sie, meine Herren, müſſen<lb/> Mir helfen und die Landtage nach Ihnen und die Treue Meines Volkes muß<lb/> Mir helfen wider die ſo die <hi rendition="#g">königlich verliehene</hi> Freiheit zum Deckel<lb/> der Vosheit machen und dieſelbe gegen ihren Urheber kehren, gegen die von<lb/> Gott eingeſetzte Obrigkeit; wider <hi rendition="#g">die</hi> welche dieſe Urkunde gleichſam als<lb/> Erſatz der göttlichen Vorſehung, unſerer Geſchichte und der alten heili-<lb/> gen Treue betrachten möchten; alle guten Kräfte im Lande müſſen ſich<lb/> vereinigen in Unterthanentreue, in Ehrfurcht gegen das Königthum und<lb/> dieſen Thron, der auf den Siegen unſerer Heere ruht, in Beobachtung der<lb/> Geſetze, in wahrhaftiger Erfüllung des Huldigungseides, ſowie des neuen<lb/> Schwurs „<hi rendition="#g">der Treue und des Gehorſams gegen den König und<lb/> desgewiſſenhaften Haltens der Verfaſſung;</hi>“ mit einem Worte:<lb/> ſeine Lebensbedingung iſt die <hi rendition="#g">daß Mir das Regieren mit die ſem<lb/> Geſetze möglich gemacht werde</hi> — denn in Preußen muß der Kö-<lb/> nig regieren, und Ich regiere nicht weil es alſo Mein Wohlgefallen iſt,<lb/> Gott weiß es! ſondern weil es Gottes Ordnung iſt; darum aber <hi rendition="#g">will<lb/> Ich auch regieren</hi>. Ein freies Volk unter einem freien Könige, das<lb/> war Meine Looſung ſeit zehn Jahren, das iſt ſie heut und ſoll es bleiben,<lb/> ſo lang Ich athme. Ehe ich zur Handlung des Tages ſchreite, werde Ich<lb/> zwei Gelöbniſſe vor Ihnen erneuern. Das gebietet Mir der Blick auf die zehn<lb/> verfloſſenen Jahre Meiner Regierung. Zum erſten erneuere, wiederhole<lb/> und beſtätige Ich feierlich und ausdrücklich die Gelöbniſſe die Ich vor<lb/> Gott und Menſchen bei den Huldigungen zu Königsberg und hier geleiſtet<lb/> habe! — Ja! Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe! Zum zweiten erneuere,<lb/> wiederhole und beſtätige Ich feierlich und ausdrücklich das heilige Gelöb-<lb/> niß welches Ich am 11 April 1847 ausgeſprochen: „Mit Meinem Hauſe<lb/> dem Herrn zu dienen.“ Ja! Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe!<lb/> Dieß Gelöbniß ſteht über allen anderen, es muß in einem jeden ent-<lb/> halten ſeyn, und alle anderen Gelöbniſſe, ſollen ſie anders Werth haben,<lb/> wie lautes Lebenswaſſer durchſtrömen. Jetzt aber und indem Ich die Verfaſ-<lb/> ſungsurkunde kraft königlicher Machtvollkommenheit hiermit beſtätige, ge-<lb/> lobe Ich feierlich, wahrhaftig und ausdrücklich vor Gott und Menſchen die<lb/> Verfaſſung meines Landes und Reiches feſt und unverbrüchlich zu halten<lb/> und in Uebereinſtimmung mit ihr und den Geſetzen zu regieren. Ja!<lb/> Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe! Und nun befehle Ich das be-<lb/> ſtätigte Geſetz in die Hände des allmächtigen Gottes, deſſen Walten in<lb/> der Geſchichte Preußens handgreiflich zu erkennen iſt, auf daß Er aus<lb/> dieſem Menſchenwerke ein Werkzeug des Heils machen wolle für unſer<lb/> theures Vaterland: nämlich der Geltendmachung Seiner heiligen Rechte<lb/> und Ordnungen! Alſo ſey es!“</quote></cit> Hierauf folgte die Beeidigung der<lb/> Verfaſſung durch die Mitglieder des Staatsminiſteriums, die beiden<lb/> Kammerpräſidenten und die ſämmtlich erſchienenen Mitglieder der erſten<lb/> und zweiten Kammer. (<hi rendition="#g">Staatsanzeiger.)</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Schleswig-Holſtein</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Kiel,</hi> 2 Febr.</dateline> <p>In der heutigen Sitzung<lb/> der Landesverſammlung wurde das letzte Schreiben der Vertrauensmänner<lb/> an den König von Dänemark mitgetheilt. Die Vertrauensmänner er-<lb/> klären darin daß ſie durch die letzte königliche Mittheilung die Ausſicht<lb/> auf eine Berathung beiderſeitiger Vertrauensmänner als abgeſchnitten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [627/0003]
niczewski, Grabowski u. a.) ihr Mandat niedergelegt haben, weil ſie Be-
denken trügen den Eid auf die Verfaſſung zu leiſten. Der Präſident be-
merkt, er werde die Anordnung der Neuwahlen veranlaſſen. Dann fährt
die Kammer in der Verhandlung über die Aufhebung der Mahl- und
Schlachtſteuer u. ſ. w. fort. Der Referent Camphauſen ſucht die Ein-
wendungen gegen den Geſetzentwurf zu widerlegen. Daß die Aufhebung
der Schlachtſteuer in Paris den Preis des Fleiſches nicht gemindert habe
beweiſe nichts, weil in der kurzen Zeit keine Umwandlung hätte erfolgen
können. Gegen die Behauptung als ob nur die Bäcker u. ſ. w. den Vor-
theil haben würden, ſpreche die Macht der Concurrenz. In England ſey
die Einkommenſteuer erſt auf drei Jahre eingeführt, dann auf weitere fünf
Jahre verlängert worden, und wenn auch jetzt an die Aufhebung nicht ge-
dacht werde, ſo ſcheine das doch ſehr für dieſe Steuer zu ſprechen. Die
Kammer entſcheidet hierauf daß die Spetialdiscuſſion über die §§. 1 und 2
der Regierungsvorlage ſchon durch die allgemeine erledigt ſey, und es
kommt zunächſt das Pochhammerſche Amendement zur Abſtimmung. Das-
ſelbe wird verworfen mit 164 gegen 132 Stimmen, worauf die §§. 1 und 2
der Vorlage mit 250 gegen 41 Stimmen angenommen werden. Nach
ihnen ſoll an die Stelle der bisherigen Mahl- und Schlachtſteuer und der
Claſſenſteuer eine Einkommenſteuer treten für alle Einwohner des Staats
von einem jährlichen Einkommen über 1000 Thlt., und eine neue Claſſen-
ſteuer für diejenigen Einwohner deren Einkommen den Betrag von
1000 Thlr. nicht überſteigt. In der geſtrigen Abendſitzung der erſten
Kammer kamen die §§. 1 und 2 des Ablöſungsgeſetzes zur Berathung.
Gegen die darin enthaltenen Beſtimmungen kämpften namentlich die
Abgg. v. Manteuffel und v. Gerlach. Die Worte des erſtern: er weiſe
auf die „Thränen der Berechtigten“ hin, riefen Heiterkeit auf der Linken
hervor, worauf der Redner ſchnell hinzufügte: auf die Thränen ſo vieler
Geiſtlichen und Lehrer! Hr. v. Gerlach ſagte: die Stände der Ritter und
Grundbeſitzer hätten allerdings Sühnopfer zu bringen, weil ſie 1848 das
Heer und den König hätten beſchimpfen laſſen, und durch ſie unvernünfti-
getweiſe die Kopfzahlwahl beſchloſſen worden ſey. Er ſelber wolle ſich nicht
ausſchließen. Hätte er ſich damals in Berlin aufgehalten, ſo wäre er viel-
leicht auch ſchwach geweſen; er wolle alſo ſeinen Theil der Sühne auf ſich
nehmen, da ja ohnehin Solidarität das Weſen der ſtändiſchen Verfaſſung
ſey wie der conſtitutionellen. Trotz dieſes Eingangs erklärt ſich der Red-
ner gegen die unentgeltliche Aufhebung der in §. 2 bezeichneten Rechte.
Er nennt denſelben „märzgemäß, aber nicht decembergemäß,“ und richtet
an die Verſammlnng die Frage: „Sie wollen die Feudalrechte aufheben?
Wie können Sie da die Krone beſtehen laſſen, die doch die feudalſte Inſti-
tution iſt?“ Der Präſident fordert den Redner auf die Krone nicht in die
Beſprechung zu ziehen; der Redner aber proteſtirt, er müſſe ſeinen Gedan-
ken ausführen dürfen, und ſucht ſchließlich noch durch einen Ausſpruch
des Abg. Bucher in der Berliner Verſammlung des Jahrs 1848 zu bewei-
ſen daß man nur in der Revolution an die Aufhebung der Reallaſten
denken konten, nicht mehr aber nach Feſtſtellung der Verfaſſung. Die
Kammer nahm die beiden Paragraphen des Geſetzes mit geringen Aende-
rungen in der Faſſung der zweiten Kammer an. Dasſelbe geſchah heute
nach wenig bedeutender Discuſſion mit den §§. 3—5 und 36—49 (über
Beſitzveränderungsabgaben). Heute findet in beiden Kammern eine
Abendſitzung ſtatt.
Berlin, 6 Febr. Die Feierlichkeit der Beeidigung der Verfaſſung
hat heute Vormittag im königlichen Schloſſe ſtattgefunden. Sie wurde
eingeleitet durch eine gottesdienſtliche Feier in den ſämmtlichen Kirchen
Berlins, welcher Se. Maj. der König und die hier anweſenden Prinzen
des königlichen Hauſes in der Domkirche beiwohnten. Um 11 Uhr ver-
ſammelten ſich die Mitglieder beider Kammern in dem Ritterſaal des
Schloſſes, und nach Eintritt des Staatsminiſteriums wurde von dem Mi-
niſterpräſidenten Grafen v. Brandenburg die feierliche Handlung eröffnet.
Nachdem Se. Maj. der König von dem Staatsminiſterium hiervon in
Kenntniß geſetzt worden, begab ſich der König unter Vorantritt des
Staatsminiſteriums in Begleitung der hier anweſenden Prinzen und des
königlichen Gefolges in den Ritterſaal und nahm Platz auf dem Thron,
neben welchem ſich zur Rechten die königlichen Prinzen, zur Linken die
Miniſter aufſtellten. Vor dem Thron lag auf einem Tiſch die Verfaſ-
ſungsurkunde vom 31 Jan. 1850. Se. Maj. der König hielt darauf fol-
gende Anſprache an die verſammelten Kammern und ſchloß dieſelbe mit
dem verfaſſungsmäßigen eidlichen Gelöbniß: „Meine Herren! Ich bitte
um Ihre Aufmerkſamkeit. Was Ich ſagen werde, ſind Meine eigenſten
Worte, denn Ich erſcheine heute vor Ihnen wie nie zuvor und nie hernach.
Ich bin hier, nicht um die angebornen und ererbten heiligen Pflichten des
königlichen Amtes zu üben (die hocherhaben ſind über dem Meinen und
Wollen der Parteien); vor allem nicht gedeckt durch die Verantwortlich-
keit Meiner höchſten Räthe, ſondern als Ich ſelbſt allein, als ein
Mann von Ehre, der ſein Theuerſtes, ſein Wort geben will, ein Ja, voll-
kräftig und bedächtig. Darum einiges zuvor. Das Werk dem Ich
heute Meine Beſtätigung aufdrücken will, iſt entſtanden in einem Jahre
welches die Treue werdender Geſchlechter wohl mit Thränen, aber verge-
bens wünſchen wird aus unſerer Geſchichte hinauszuringen. In der
Form in der es Ihnen vorgelegt worden, iſt es allerdings das Werk auf-
opfernder Treue von Männern die dieſen Thron gerettet haben, gegen die
Meine Dankbarkeit nur mit Meinem Leben erlöſchen wird; aber es wurde
ſo in den Tagen in welchen, im buchſtäblichen Sinne des Wortes, das Da-
ſeyn des Vaterlandes bedroht war. Es war das Werk des Augenblicks,
und es trug den breiten Stempel ſeines Urſprungs. Die Frage iſt ge-
rechtfertigt wie Ich bei ſolcher Betrachtung dieſem Werke die Sanction
geben könne? Dennoch will Ich es, weil Ich es kann, und daß Ich es
kann, verdank’ Ich Ihnen allein, Meine Herren. Sie haben die beſſernde
Hand daran gelegt, Sie haben bedenkliches daraus entfernt, gutes hinein-
getragen und Mir durch Ihre treffliche Arbeit und durch die Aufnahme
Meiner letzten Vorſchläge ein Pfand gegeben daß Sie die vor der
Sanction vegonnene Arbeit der Vervollkommnung auch nachher nicht
laſſen wollen, und daß es unſerem vereinten redlichen Streben auf verfaſ-
ſungsmäßigem Wege gelingen wird es den Lebensbedingungen Preußens
immer entſprechender zu machen. Ich darf dieß Werk beſtätigen, weil
Ich es in Hoffnung kann. Das erkenne Ich mit allerwärmſtem Dank
gegen Sie, Meine Herren, und Ich ſprech’ es gerührt und freudig aus,
Sie haben den Dank des Vaterlandes verdient. Und ſo erklär’ Ich,
Gott iſt deß Zeuge, daß Mein Gelöbniß auf die Verfaſſung treu, wahr-
haftig und ohne Rückhalt iſt. Allein, Leben und Segen der Verfaſſung,
das fühlen Ihre und alle edlen Herzen im Lande, hängen von der Er-
füllung unabweislicher Bedingungen ab. Sie, meine Herren, müſſen
Mir helfen und die Landtage nach Ihnen und die Treue Meines Volkes muß
Mir helfen wider die ſo die königlich verliehene Freiheit zum Deckel
der Vosheit machen und dieſelbe gegen ihren Urheber kehren, gegen die von
Gott eingeſetzte Obrigkeit; wider die welche dieſe Urkunde gleichſam als
Erſatz der göttlichen Vorſehung, unſerer Geſchichte und der alten heili-
gen Treue betrachten möchten; alle guten Kräfte im Lande müſſen ſich
vereinigen in Unterthanentreue, in Ehrfurcht gegen das Königthum und
dieſen Thron, der auf den Siegen unſerer Heere ruht, in Beobachtung der
Geſetze, in wahrhaftiger Erfüllung des Huldigungseides, ſowie des neuen
Schwurs „der Treue und des Gehorſams gegen den König und
desgewiſſenhaften Haltens der Verfaſſung;“ mit einem Worte:
ſeine Lebensbedingung iſt die daß Mir das Regieren mit die ſem
Geſetze möglich gemacht werde — denn in Preußen muß der Kö-
nig regieren, und Ich regiere nicht weil es alſo Mein Wohlgefallen iſt,
Gott weiß es! ſondern weil es Gottes Ordnung iſt; darum aber will
Ich auch regieren. Ein freies Volk unter einem freien Könige, das
war Meine Looſung ſeit zehn Jahren, das iſt ſie heut und ſoll es bleiben,
ſo lang Ich athme. Ehe ich zur Handlung des Tages ſchreite, werde Ich
zwei Gelöbniſſe vor Ihnen erneuern. Das gebietet Mir der Blick auf die zehn
verfloſſenen Jahre Meiner Regierung. Zum erſten erneuere, wiederhole
und beſtätige Ich feierlich und ausdrücklich die Gelöbniſſe die Ich vor
Gott und Menſchen bei den Huldigungen zu Königsberg und hier geleiſtet
habe! — Ja! Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe! Zum zweiten erneuere,
wiederhole und beſtätige Ich feierlich und ausdrücklich das heilige Gelöb-
niß welches Ich am 11 April 1847 ausgeſprochen: „Mit Meinem Hauſe
dem Herrn zu dienen.“ Ja! Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe!
Dieß Gelöbniß ſteht über allen anderen, es muß in einem jeden ent-
halten ſeyn, und alle anderen Gelöbniſſe, ſollen ſie anders Werth haben,
wie lautes Lebenswaſſer durchſtrömen. Jetzt aber und indem Ich die Verfaſ-
ſungsurkunde kraft königlicher Machtvollkommenheit hiermit beſtätige, ge-
lobe Ich feierlich, wahrhaftig und ausdrücklich vor Gott und Menſchen die
Verfaſſung meines Landes und Reiches feſt und unverbrüchlich zu halten
und in Uebereinſtimmung mit ihr und den Geſetzen zu regieren. Ja!
Ja! das will Ich, ſo Gott Mir helfe! Und nun befehle Ich das be-
ſtätigte Geſetz in die Hände des allmächtigen Gottes, deſſen Walten in
der Geſchichte Preußens handgreiflich zu erkennen iſt, auf daß Er aus
dieſem Menſchenwerke ein Werkzeug des Heils machen wolle für unſer
theures Vaterland: nämlich der Geltendmachung Seiner heiligen Rechte
und Ordnungen! Alſo ſey es!“ Hierauf folgte die Beeidigung der
Verfaſſung durch die Mitglieder des Staatsminiſteriums, die beiden
Kammerpräſidenten und die ſämmtlich erſchienenen Mitglieder der erſten
und zweiten Kammer. (Staatsanzeiger.)
Schleswig-Holſtein.
Kiel, 2 Febr. In der heutigen Sitzung
der Landesverſammlung wurde das letzte Schreiben der Vertrauensmänner
an den König von Dänemark mitgetheilt. Die Vertrauensmänner er-
klären darin daß ſie durch die letzte königliche Mittheilung die Ausſicht
auf eine Berathung beiderſeitiger Vertrauensmänner als abgeſchnitten
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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