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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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Die vergangene Nacht verlief von
11 Uhr ab vollkommen ruhig, und auch bis jetzt fand keine weitere Ruhe-
störung dahier statt. Heute Morgens sah man das Aufruhrgesetz an den
Straßenecken angeschlagen, jedoch nur kurze Zeit, da es alsbald allent-
halben vom Volke wieder abgerissen wurde. Zahlreiche Militärabthei-
lungen halten den Tag über den Platz vor dem arg mitgenommenen Po-
lizeigebäude und die dahin führenden Straßen besetzt, und häufige Pa-
trouillen zu Fuß und zu Pferd durchziehen die Straßen. Die Stimmung
des Volkes ist indeß nichts weniger als ruhig, und auf dem Rathhause,
dessen Säle vom frühen Morgen an bis Nachmittags fortwährend von
Schaaren aufgeregter und unzufriedener Einwohner besetzt waren, ver-
faßte der Magistrat eine Adresse an den König des Inhalts:
die Urheber der gestrigen Ruhestörung, den zeitigen Polizeidirector
Mark einerseits von seinem Amt sofort zu entfernen und die Gräfin
Landsfeld andrerseits in fichern Gewahrsam zu bringen unter ausrei-
chender Garantie für öffentliche Ruhe und Sicherheit. Auf dieses wohl-
motivirte Ansuchen entschloß sich Se. Maj. Mittags 1 Uhr nachfolgen-
den Entscheid zu geben, welcher indeß noch vielfach sehr lau und ungläu-
big aufgenommen wird.

München. Bekanntmachung. 1) Wir von Gottes Gnaden Kö-
nig von Bayern etc. etc. finden Uns zu der Erklärung bewogen daß
die Gräfin v. Landsfeld das bayerische Jndigenat zu befitzen aufgehört
hat.


Ludwig. Graf v. Waldkirch, Staats-
rath.

2) Se. Majestät der König haben den Polizeidirector Mark seiner
Stelle zu entheben, und an solche den königlichen Landrichter v. Pech-
mann wieder zu ernennen geruht. An den Letztern ist sofort Estaf-
sette mit der Anforderung abgegangen seinen Posten alsbald anzu-
treten. Der königl. Polizeiobercommissär Frhr. v. Lindenfels wird
inzwischen die Leitung der Geschäfte übernehmen.


Ludwig. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath.

3) Jn Anbetracht daß die Gräfin v. Landsfeld, welche laut Allerhöch-
ster Entschließung Sr. Majestät des Königs vom heutigen aufgehört
hat das baverische Jndigenat zu besitzen, ihre Versuche nicht aufgibt
die Ruhe der Hauptstadt und des ganzen Landes zu stören, sind unterm
heutigen alle Gerichts- und Polizeibehörden des Königreichs ange-
wiesen worden auf besagte Gräfin zu fahnden, sie überall, wo man sie
finden mag, zu Haft zu bringen, und auf die nächste Festung zu ver-
schaffen, um sie sofort der richterlichen Untersuchung zu überweisen.


Justizministerium und Ministerium des
Jnnern. v. Beisler, Staatsrath. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath.
Solches wird hiemit zur allgemeinen Kenntniß gebracht. München,
17 März 1848. Der Magistrat der königl. Haupt- und Residenzstadt
München. v. Steinsdorf, Bürgermeister. Lachmayr, Secretär.

So eben komme ich von dem Polizei-
gebäude. So zerstört wie heute sah dessen Außenseite noch nie aus.
Auch im Innern ist vieles ruinirt. Arbeiter sind eben beschäftigt das
aufgerissene Pflaster herzustellen. Militär hält die Zugänge der nächst-
liegenden Straßen besetzt. An allen Straßenecken ist zu lesen: "Die
Bürger und Einwohner Münchens werden benachrichtigt daß eine Adresse
an die hohe Kammer der Abgeordneten zur Unterschrift im großen Rath-
haussaale am Freitag und Sonnabend von Morgens 8 Uhr bis Abends
6 Uhr zur gefälligen Unterschrift aufliegt."


Heute Mittag erfolgte die Ihnen mit-
getheilte Bekanntmachung. Bürger und Studenten die eben im Begriff
waren die Fortsetzung ihrer Sorge für die öffentliche Ordnung von der
Gewährung des endlich Zugesagten abhängig zu machen, werden in ihrem
Wetteifer gegen auftauchende Excesse fortfahren. Gestern wurden sie
häufig, jedoch keiner bedenklich, von Steinwürfen des Pöbels getroffen.
Die drei Studentencompagnien der Isaren, Bayern und Schwaben haben
neben der Linie am meisten die bereits begonnene Erstürmung des bür-
gerlichen Zeughauses verhütet. Dem ganzen Freicorps ward heute das
wohlverdienteste Lob für ihre geftrige treffliche Haltung sowohl durch
den König als den Landwehr. Obercommandanten Herzog Mar ertheilt.
-- Die Meldung eines Jhrer hiefigen Correspondenten über die Excesse
von gestern Nacht muß ich dahin berichtigen daß weder gegen das Polizei-
gebäude noch aus demselben ein Schuß fiel. Auch konnte die geringe
Zahl der wirklich Eingedrungenen nur unbedeutende Papiere aus dem
Zimmer des Profosen etc. erringen und zum Fenster hinauswerfen. --
So höchst bedauerlich es ist daß Lola Montez das baderische Jndigenat
erhielt, so wenig kann es einleuchten wie es ihr einseitig genommen wer-
[Spaltenumbruch] den kann, und es wäre daher im Jnteresse des geficherten Rechts zu wün-
schen daß durch eine Art Jndemnity-Bill die bereite Zustimmung der
Stände erholt würde. Nicht unbezeichnend ist der Umstand daß, als
heute Mittag bei Publication obiger Beschlüsse auf dem Rathhause eine
Stimme verlangte der Spanierin die Adelsverleihung zu entziehen, dieß
aufs entschiedenste zurückgewiesen wurde, mit dem Bemerken: pfle solle nur
adelig bleiben."


Vergeblich bemüht man sich das
Räthsel zu lösen das in den diametral sich widersprechenden Angaben
über den Aufenthalt der Gräfin Landsfeld während der letzten Tage liegt.
War sie hier oder nicht? Eine Anzahl Bürger welche gestern Mittag
Ausschluß hierüber von dem nunmehr abgesetzten Polizeidirector ver-
langten erhielten die Antwort: es sey ein Staatsgeheimniß (nach
andern lautete sie: er halte sich nicht verbunden hierüber Auffchluß zu
geben). Ferner sollen Gendarmen auf ähnliche Fragen geantwortet
haben: wenn uns befohlen würde sie zu fangen, wir hätten sie ficherlich
in einer Viertelstunde. Viele Leute wollen sie gestern und vorgestern
gesehen haben, und einzelne ihrer ehemaligen Günstlinge sollen bei der
Haussuchung der Studenten zitternd gesagt haben: ja sie war hier, ist
aber entflohen. Diesem entgegen verbürgen ganz verlässige Männer
die gestern und heute hier ankamen die Gräfin vor einigen Tagen in
Heidelberg gesehen zu haben, und auch Sie brachten heute Abend eine
hiemit gleichlautende Correspondenz von dort. Die heute als Nach-
wirkung der gestrigen Aufregung und in Folge energischer Forderungen
von Seite der hiesigen Einwohnerschaft erlassenen königlichen Beschlüsse,
durch welche der Gräfin das bayerische Jndigenat entzogen und fie,
wie man hier allgemein sich ausdrückt, für vogelfrei erklärt wird, gibt
ebensowenig bestimmte Anhaltspunkte für die Aufhellung des hierüber
liegenden Dunkels. Wie dem aber auch seyn mag, wir find nun des
ungebetenen Gastes, und wie wir hoffen definitiv, los, und können uns
ungestört ernstern und wichtigern Dingen zuwenden. -- Meinem gestrigen
Schreiben muß ich berichtigend und ergänzend nachtragen daß das
Paßbureau nicht erbrochen wurde, sondern daß der herausgeworfenen
Schriften wenige wichtigen Jnhalts und nur aus dem Anzeigezimmer
der Gendarmerie genommen waren. Die Studirenden haben während
der ganzen Nacht überall eine äußerst lobenswerthe und erfolgreiche
Thätigkeit neben den andern Truppen entwickelt. Jhrem energischen
Einschreiten verdankt man es zunächst daß das bürgerliche Zeughaus
nicht von Volkshaufen gestürmt wurde, wozu der Anfang schon gemacht war.
Es wurde ihnen dafür aber auch heute schon durch ein Handbillet des
Königs die verdiente Anerkennung gezollt, und ihr Hauptquartier war
einer der ersten Plätze, wohin man mündlich die später an die Straßen-
ecken angeschlagenen Entschließungen des Königs berichtete. Um sie
für alle Fälle gerüstet zu machen wurden auf ihrer Hauptwache zehn-
tausend Stück Patronen niedergelegt. -- Der Volkswitz trägt seit einigen
Tagen in einer neuen Art von Flugschriftenlitteratur die innere und
hauptsächlich äußere Politik in Formen ein die aus dem Kotechismus
genommen find. So circulirt in Tausenden von Abdrücken ein öster-
reichisches, preußisches, russisches Vaterunser, ein Glaubensbekenntniß,
die zehn Gebote etc. dieser Länder. Einzelne dieser Producte finde mit
trefflichem Humor abgefaßt, während andere trivial und werthlos find,
wie auch fast alle Caricaturen welche die jüngsten Tage geboren haben.
Noch muß ich des feierlichen Empfangs Erwähnung thun welcher heute
Nachmittag 3 Uhr den ungefähr neunzig aus der Rheinpfalz mit der
Eisenbahn angekommenen Gästen zu Theil wurde. Viele Hunderte von
Menschen begrüßten sie beim Aussteigen mit Hochrufen und geleiteten
sie in die Stadt. Einer von ihnen war im Bahnhof auf einen hohen
Platz gestiegen und hatte von dort aus einige Worte des Dank es an die
Versammlung gerichtet, mit denen er die Aufmunterung zu gemein-
samem festen Zusammenwirken für die großen Zwecke der neuesten Zeit
verband und mit einem begeistert erwiederten Hoch auf Deutschlands
Einheit schloß.


Was man seit unserem ersten
Bericht erfährt, dient nur dazu das Arge der vorgegangenen Scenen zu
erhöhen. Nur zu sehr sind Thätlichkeiten gegen Personen vorgefallen.
Einer der Gutsherren, der sich vergeblich durch Geld zu lösen suchte, liegt
mit eingeschlagenen Zähnen darnieder; einer der Amtleute mußte sich
in einen Taubenschlag flüchten um der Wuth der Tumultuanten zu ent-
gehen; ein anderer wurde zu Boden geschlagen. Ob die von der Er-
wordung mehreter Landrichter eingelaufenen Nachrichten zuverlässig
sind, kann bis jetzt noch nicht genau ermittelt werden. Jn äbnlicher Art

[Spaltenumbruch]

Die vergangene Nacht verlief von
11 Uhr ab vollkommen ruhig, und auch bis jetzt fand keine weitere Ruhe-
ſtörung dahier ſtatt. Heute Morgens ſah man das Aufruhrgeſetz an den
Straßenecken angeſchlagen, jedoch nur kurze Zeit, da es alsbald allent-
halben vom Volke wieder abgeriſſen wurde. Zahlreiche Militärabthei-
lungen halten den Tag über den Platz vor dem arg mitgenommenen Po-
lizeigebäude und die dahin führenden Straßen beſetzt, und häufige Pa-
trouillen zu Fuß und zu Pferd durchziehen die Straßen. Die Stimmung
des Volkes iſt indeß nichts weniger als ruhig, und auf dem Rathhauſe,
deſſen Säle vom frühen Morgen an bis Nachmittags fortwährend von
Schaaren aufgeregter und unzufriedener Einwohner beſetzt waren, ver-
faßte der Magiſtrat eine Adreſſe an den König des Inhalts:
die Urheber der geſtrigen Ruheſtörung, den zeitigen Polizeidirector
Mark einerſeits von ſeinem Amt ſofort zu entfernen und die Gräfin
Landsfeld andrerſeits in fichern Gewahrſam zu bringen unter ausrei-
chender Garantie für öffentliche Ruhe und Sicherheit. Auf dieſes wohl-
motivirte Anſuchen entſchloß ſich Se. Maj. Mittags 1 Uhr nachfolgen-
den Entſcheid zu geben, welcher indeß noch vielfach ſehr lau und ungläu-
big aufgenommen wird.

München. Bekanntmachung. 1) Wir von Gottes Gnaden Kö-
nig von Bayern ꝛc. ꝛc. finden Uns zu der Erklärung bewogen daß
die Gräfin v. Landsfeld das bayeriſche Jndigenat zu befitzen aufgehört
hat.


Ludwig. Graf v. Waldkirch, Staats-
rath.

2) Se. Majeſtät der König haben den Polizeidirector Mark ſeiner
Stelle zu entheben, und an ſolche den königlichen Landrichter v. Pech-
mann wieder zu ernennen geruht. An den Letztern iſt ſofort Eſtaf-
ſette mit der Anforderung abgegangen ſeinen Poſten alsbald anzu-
treten. Der königl. Polizeiobercommiſſär Frhr. v. Lindenfels wird
inzwiſchen die Leitung der Geſchäfte übernehmen.


Ludwig. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath.

3) Jn Anbetracht daß die Gräfin v. Landsfeld, welche laut Allerhöch-
ſter Entſchließung Sr. Majeſtät des Königs vom heutigen aufgehört
hat das baveriſche Jndigenat zu beſitzen, ihre Verſuche nicht aufgibt
die Ruhe der Hauptſtadt und des ganzen Landes zu ſtören, ſind unterm
heutigen alle Gerichts- und Polizeibehörden des Königreichs ange-
wieſen worden auf beſagte Gräfin zu fahnden, ſie überall, wo man ſie
finden mag, zu Haft zu bringen, und auf die nächſte Feſtung zu ver-
ſchaffen, um ſie ſofort der richterlichen Unterſuchung zu überweiſen.


Juſtizminiſterium und Miniſterium des
Jnnern. v. Beisler, Staatsrath. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath.
Solches wird hiemit zur allgemeinen Kenntniß gebracht. München,
17 März 1848. Der Magiſtrat der königl. Haupt- und Reſidenzſtadt
München. v. Steinsdorf, Bürgermeiſter. Lachmayr, Secretär.

So eben komme ich von dem Polizei-
gebäude. So zerſtört wie heute ſah deſſen Außenſeite noch nie aus.
Auch im Innern iſt vieles ruinirt. Arbeiter ſind eben beſchäftigt das
aufgeriſſene Pflaſter herzuſtellen. Militär hält die Zugänge der nächſt-
liegenden Straßen beſetzt. An allen Straßenecken iſt zu leſen: „Die
Bürger und Einwohner Münchens werden benachrichtigt daß eine Adreſſe
an die hohe Kammer der Abgeordneten zur Unterſchrift im großen Rath-
hausſaale am Freitag und Sonnabend von Morgens 8 Uhr bis Abends
6 Uhr zur gefälligen Unterſchrift aufliegt.“


Heute Mittag erfolgte die Ihnen mit-
getheilte Bekanntmachung. Bürger und Studenten die eben im Begriff
waren die Fortſetzung ihrer Sorge für die öffentliche Ordnung von der
Gewährung des endlich Zugeſagten abhängig zu machen, werden in ihrem
Wetteifer gegen auftauchende Exceſſe fortfahren. Geſtern wurden ſie
häufig, jedoch keiner bedenklich, von Steinwürfen des Pöbels getroffen.
Die drei Studentencompagnien der Iſaren, Bayern und Schwaben haben
neben der Linie am meiſten die bereits begonnene Erſtürmung des bür-
gerlichen Zeughauſes verhütet. Dem ganzen Freicorps ward heute das
wohlverdienteſte Lob für ihre geftrige treffliche Haltung ſowohl durch
den König als den Landwehr. Obercommandanten Herzog Mar ertheilt.
— Die Meldung eines Jhrer hiefigen Correſpondenten über die Exceſſe
von geſtern Nacht muß ich dahin berichtigen daß weder gegen das Polizei-
gebäude noch aus demſelben ein Schuß fiel. Auch konnte die geringe
Zahl der wirklich Eingedrungenen nur unbedeutende Papiere aus dem
Zimmer des Profoſen ꝛc. erringen und zum Fenſter hinauswerfen. —
So höchſt bedauerlich es iſt daß Lola Montez das baderiſche Jndigenat
erhielt, ſo wenig kann es einleuchten wie es ihr einſeitig genommen wer-
[Spaltenumbruch] den kann, und es wäre daher im Jntereſſe des geficherten Rechts zu wün-
ſchen daß durch eine Art Jndemnity-Bill die bereite Zuſtimmung der
Stände erholt würde. Nicht unbezeichnend iſt der Umſtand daß, als
heute Mittag bei Publication obiger Beſchlüſſe auf dem Rathhauſe eine
Stimme verlangte der Spanierin die Adelsverleihung zu entziehen, dieß
aufs entſchiedenſte zurückgewieſen wurde, mit dem Bemerken: pfle ſolle nur
adelig bleiben.“


Vergeblich bemüht man ſich das
Räthſel zu löſen das in den diametral ſich widerſprechenden Angaben
über den Aufenthalt der Gräfin Landsfeld während der letzten Tage liegt.
War ſie hier oder nicht? Eine Anzahl Bürger welche geſtern Mittag
Auſſchluß hierüber von dem nunmehr abgeſetzten Polizeidirector ver-
langten erhielten die Antwort: es ſey ein Staatsgeheimniß (nach
andern lautete ſie: er halte ſich nicht verbunden hierüber Auffchluß zu
geben). Ferner ſollen Gendarmen auf ähnliche Fragen geantwortet
haben: wenn uns befohlen würde ſie zu fangen, wir hätten ſie ficherlich
in einer Viertelſtunde. Viele Leute wollen ſie geſtern und vorgeſtern
geſehen haben, und einzelne ihrer ehemaligen Günſtlinge ſollen bei der
Hausſuchung der Studenten zitternd geſagt haben: ja ſie war hier, iſt
aber entflohen. Dieſem entgegen verbürgen ganz verläſſige Männer
die geſtern und heute hier ankamen die Gräfin vor einigen Tagen in
Heidelberg geſehen zu haben, und auch Sie brachten heute Abend eine
hiemit gleichlautende Correſpondenz von dort. Die heute als Nach-
wirkung der geſtrigen Aufregung und in Folge energiſcher Forderungen
von Seite der hieſigen Einwohnerſchaft erlaſſenen königlichen Beſchlüſſe,
durch welche der Gräfin das bayeriſche Jndigenat entzogen und fie,
wie man hier allgemein ſich ausdrückt, für vogelfrei erklärt wird, gibt
ebenſowenig beſtimmte Anhaltspunkte für die Aufhellung des hierüber
liegenden Dunkels. Wie dem aber auch ſeyn mag, wir find nun des
ungebetenen Gaſtes, und wie wir hoffen definitiv, los, und können uns
ungeſtört ernſtern und wichtigern Dingen zuwenden. — Meinem geſtrigen
Schreiben muß ich berichtigend und ergänzend nachtragen daß das
Paßbureau nicht erbrochen wurde, ſondern daß der herausgeworfenen
Schriften wenige wichtigen Jnhalts und nur aus dem Anzeigezimmer
der Gendarmerie genommen waren. Die Studirenden haben während
der ganzen Nacht überall eine äußerſt lobenswerthe und erfolgreiche
Thätigkeit neben den andern Truppen entwickelt. Jhrem energiſchen
Einſchreiten verdankt man es zunächſt daß das bürgerliche Zeughaus
nicht von Volkshaufen geſtürmt wurde, wozu der Anfang ſchon gemacht war.
Es wurde ihnen dafür aber auch heute ſchon durch ein Handbillet des
Königs die verdiente Anerkennung gezollt, und ihr Hauptquartier war
einer der erſten Plätze, wohin man mündlich die ſpäter an die Straßen-
ecken angeſchlagenen Entſchließungen des Königs berichtete. Um ſie
für alle Fälle gerüſtet zu machen wurden auf ihrer Hauptwache zehn-
tauſend Stück Patronen niedergelegt. — Der Volkswitz trägt ſeit einigen
Tagen in einer neuen Art von Flugſchriftenlitteratur die innere und
hauptſächlich äußere Politik in Formen ein die aus dem Kotechismus
genommen find. So circulirt in Tauſenden von Abdrücken ein öſter-
reichiſches, preußiſches, ruſſiſches Vaterunſer, ein Glaubensbekenntniß,
die zehn Gebote ꝛc. dieſer Länder. Einzelne dieſer Producte finde mit
trefflichem Humor abgefaßt, während andere trivial und werthlos find,
wie auch faſt alle Caricaturen welche die jüngſten Tage geboren haben.
Noch muß ich des feierlichen Empfangs Erwähnung thun welcher heute
Nachmittag 3 Uhr den ungefähr neunzig aus der Rheinpfalz mit der
Eiſenbahn angekommenen Gäſten zu Theil wurde. Viele Hunderte von
Menſchen begrüßten ſie beim Ausſteigen mit Hochrufen und geleiteten
ſie in die Stadt. Einer von ihnen war im Bahnhof auf einen hohen
Platz geſtiegen und hatte von dort aus einige Worte des Dank es an die
Verſammlung gerichtet, mit denen er die Aufmunterung zu gemein-
ſamem feſten Zuſammenwirken für die großen Zwecke der neueſten Zeit
verband und mit einem begeiſtert erwiederten Hoch auf Deutſchlands
Einheit ſchloß.


Was man ſeit unſerem erſten
Bericht erfährt, dient nur dazu das Arge der vorgegangenen Scenen zu
erhöhen. Nur zu ſehr ſind Thätlichkeiten gegen Perſonen vorgefallen.
Einer der Gutsherren, der ſich vergeblich durch Geld zu löſen ſuchte, liegt
mit eingeſchlagenen Zähnen darnieder; einer der Amtleute mußte ſich
in einen Taubenſchlag flüchten um der Wuth der Tumultuanten zu ent-
gehen; ein anderer wurde zu Boden geſchlagen. Ob die von der Er-
wordung mehreter Landrichter eingelaufenen Nachrichten zuverläſſig
ſind, kann bis jetzt noch nicht genau ermittelt werden. Jn äbnlicher Art

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[1234/0002] ## München, 17 März. Die vergangene Nacht verlief von 11 Uhr ab vollkommen ruhig, und auch bis jetzt fand keine weitere Ruhe- ſtörung dahier ſtatt. Heute Morgens ſah man das Aufruhrgeſetz an den Straßenecken angeſchlagen, jedoch nur kurze Zeit, da es alsbald allent- halben vom Volke wieder abgeriſſen wurde. Zahlreiche Militärabthei- lungen halten den Tag über den Platz vor dem arg mitgenommenen Po- lizeigebäude und die dahin führenden Straßen beſetzt, und häufige Pa- trouillen zu Fuß und zu Pferd durchziehen die Straßen. Die Stimmung des Volkes iſt indeß nichts weniger als ruhig, und auf dem Rathhauſe, deſſen Säle vom frühen Morgen an bis Nachmittags fortwährend von Schaaren aufgeregter und unzufriedener Einwohner beſetzt waren, ver- faßte der Magiſtrat eine Adreſſe an den König des Inhalts: die Urheber der geſtrigen Ruheſtörung, den zeitigen Polizeidirector Mark einerſeits von ſeinem Amt ſofort zu entfernen und die Gräfin Landsfeld andrerſeits in fichern Gewahrſam zu bringen unter ausrei- chender Garantie für öffentliche Ruhe und Sicherheit. Auf dieſes wohl- motivirte Anſuchen entſchloß ſich Se. Maj. Mittags 1 Uhr nachfolgen- den Entſcheid zu geben, welcher indeß noch vielfach ſehr lau und ungläu- big aufgenommen wird. München. Bekanntmachung. 1) Wir von Gottes Gnaden Kö- nig von Bayern ꝛc. ꝛc. finden Uns zu der Erklärung bewogen daß die Gräfin v. Landsfeld das bayeriſche Jndigenat zu befitzen aufgehört hat. München, 17 März 1848. Ludwig. Graf v. Waldkirch, Staats- rath. 2) Se. Majeſtät der König haben den Polizeidirector Mark ſeiner Stelle zu entheben, und an ſolche den königlichen Landrichter v. Pech- mann wieder zu ernennen geruht. An den Letztern iſt ſofort Eſtaf- ſette mit der Anforderung abgegangen ſeinen Poſten alsbald anzu- treten. Der königl. Polizeiobercommiſſär Frhr. v. Lindenfels wird inzwiſchen die Leitung der Geſchäfte übernehmen. München, 17 März 1848. Ludwig. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath. 3) Jn Anbetracht daß die Gräfin v. Landsfeld, welche laut Allerhöch- ſter Entſchließung Sr. Majeſtät des Königs vom heutigen aufgehört hat das baveriſche Jndigenat zu beſitzen, ihre Verſuche nicht aufgibt die Ruhe der Hauptſtadt und des ganzen Landes zu ſtören, ſind unterm heutigen alle Gerichts- und Polizeibehörden des Königreichs ange- wieſen worden auf beſagte Gräfin zu fahnden, ſie überall, wo man ſie finden mag, zu Haft zu bringen, und auf die nächſte Feſtung zu ver- ſchaffen, um ſie ſofort der richterlichen Unterſuchung zu überweiſen. München, 17 März 1848. Juſtizminiſterium und Miniſterium des Jnnern. v. Beisler, Staatsrath. Frhr. v. Thon-Dittmer, Staatsrath. Solches wird hiemit zur allgemeinen Kenntniß gebracht. München, 17 März 1848. Der Magiſtrat der königl. Haupt- und Reſidenzſtadt München. v. Steinsdorf, Bürgermeiſter. Lachmayr, Secretär.  München, 17 März. So eben komme ich von dem Polizei- gebäude. So zerſtört wie heute ſah deſſen Außenſeite noch nie aus. Auch im Innern iſt vieles ruinirt. Arbeiter ſind eben beſchäftigt das aufgeriſſene Pflaſter herzuſtellen. Militär hält die Zugänge der nächſt- liegenden Straßen beſetzt. An allen Straßenecken iſt zu leſen: „Die Bürger und Einwohner Münchens werden benachrichtigt daß eine Adreſſe an die hohe Kammer der Abgeordneten zur Unterſchrift im großen Rath- hausſaale am Freitag und Sonnabend von Morgens 8 Uhr bis Abends 6 Uhr zur gefälligen Unterſchrift aufliegt.“ ║ München, 17 März. Heute Mittag erfolgte die Ihnen mit- getheilte Bekanntmachung. Bürger und Studenten die eben im Begriff waren die Fortſetzung ihrer Sorge für die öffentliche Ordnung von der Gewährung des endlich Zugeſagten abhängig zu machen, werden in ihrem Wetteifer gegen auftauchende Exceſſe fortfahren. Geſtern wurden ſie häufig, jedoch keiner bedenklich, von Steinwürfen des Pöbels getroffen. Die drei Studentencompagnien der Iſaren, Bayern und Schwaben haben neben der Linie am meiſten die bereits begonnene Erſtürmung des bür- gerlichen Zeughauſes verhütet. Dem ganzen Freicorps ward heute das wohlverdienteſte Lob für ihre geftrige treffliche Haltung ſowohl durch den König als den Landwehr. Obercommandanten Herzog Mar ertheilt. — Die Meldung eines Jhrer hiefigen Correſpondenten über die Exceſſe von geſtern Nacht muß ich dahin berichtigen daß weder gegen das Polizei- gebäude noch aus demſelben ein Schuß fiel. Auch konnte die geringe Zahl der wirklich Eingedrungenen nur unbedeutende Papiere aus dem Zimmer des Profoſen ꝛc. erringen und zum Fenſter hinauswerfen. — So höchſt bedauerlich es iſt daß Lola Montez das baderiſche Jndigenat erhielt, ſo wenig kann es einleuchten wie es ihr einſeitig genommen wer- den kann, und es wäre daher im Jntereſſe des geficherten Rechts zu wün- ſchen daß durch eine Art Jndemnity-Bill die bereite Zuſtimmung der Stände erholt würde. Nicht unbezeichnend iſt der Umſtand daß, als heute Mittag bei Publication obiger Beſchlüſſe auf dem Rathhauſe eine Stimme verlangte der Spanierin die Adelsverleihung zu entziehen, dieß aufs entſchiedenſte zurückgewieſen wurde, mit dem Bemerken: pfle ſolle nur adelig bleiben.“ Ω München, 17 März. Vergeblich bemüht man ſich das Räthſel zu löſen das in den diametral ſich widerſprechenden Angaben über den Aufenthalt der Gräfin Landsfeld während der letzten Tage liegt. War ſie hier oder nicht? Eine Anzahl Bürger welche geſtern Mittag Auſſchluß hierüber von dem nunmehr abgeſetzten Polizeidirector ver- langten erhielten die Antwort: es ſey ein Staatsgeheimniß (nach andern lautete ſie: er halte ſich nicht verbunden hierüber Auffchluß zu geben). Ferner ſollen Gendarmen auf ähnliche Fragen geantwortet haben: wenn uns befohlen würde ſie zu fangen, wir hätten ſie ficherlich in einer Viertelſtunde. Viele Leute wollen ſie geſtern und vorgeſtern geſehen haben, und einzelne ihrer ehemaligen Günſtlinge ſollen bei der Hausſuchung der Studenten zitternd geſagt haben: ja ſie war hier, iſt aber entflohen. Dieſem entgegen verbürgen ganz verläſſige Männer die geſtern und heute hier ankamen die Gräfin vor einigen Tagen in Heidelberg geſehen zu haben, und auch Sie brachten heute Abend eine hiemit gleichlautende Correſpondenz von dort. Die heute als Nach- wirkung der geſtrigen Aufregung und in Folge energiſcher Forderungen von Seite der hieſigen Einwohnerſchaft erlaſſenen königlichen Beſchlüſſe, durch welche der Gräfin das bayeriſche Jndigenat entzogen und fie, wie man hier allgemein ſich ausdrückt, für vogelfrei erklärt wird, gibt ebenſowenig beſtimmte Anhaltspunkte für die Aufhellung des hierüber liegenden Dunkels. Wie dem aber auch ſeyn mag, wir find nun des ungebetenen Gaſtes, und wie wir hoffen definitiv, los, und können uns ungeſtört ernſtern und wichtigern Dingen zuwenden. — Meinem geſtrigen Schreiben muß ich berichtigend und ergänzend nachtragen daß das Paßbureau nicht erbrochen wurde, ſondern daß der herausgeworfenen Schriften wenige wichtigen Jnhalts und nur aus dem Anzeigezimmer der Gendarmerie genommen waren. Die Studirenden haben während der ganzen Nacht überall eine äußerſt lobenswerthe und erfolgreiche Thätigkeit neben den andern Truppen entwickelt. Jhrem energiſchen Einſchreiten verdankt man es zunächſt daß das bürgerliche Zeughaus nicht von Volkshaufen geſtürmt wurde, wozu der Anfang ſchon gemacht war. Es wurde ihnen dafür aber auch heute ſchon durch ein Handbillet des Königs die verdiente Anerkennung gezollt, und ihr Hauptquartier war einer der erſten Plätze, wohin man mündlich die ſpäter an die Straßen- ecken angeſchlagenen Entſchließungen des Königs berichtete. Um ſie für alle Fälle gerüſtet zu machen wurden auf ihrer Hauptwache zehn- tauſend Stück Patronen niedergelegt. — Der Volkswitz trägt ſeit einigen Tagen in einer neuen Art von Flugſchriftenlitteratur die innere und hauptſächlich äußere Politik in Formen ein die aus dem Kotechismus genommen find. So circulirt in Tauſenden von Abdrücken ein öſter- reichiſches, preußiſches, ruſſiſches Vaterunſer, ein Glaubensbekenntniß, die zehn Gebote ꝛc. dieſer Länder. Einzelne dieſer Producte finde mit trefflichem Humor abgefaßt, während andere trivial und werthlos find, wie auch faſt alle Caricaturen welche die jüngſten Tage geboren haben. Noch muß ich des feierlichen Empfangs Erwähnung thun welcher heute Nachmittag 3 Uhr den ungefähr neunzig aus der Rheinpfalz mit der Eiſenbahn angekommenen Gäſten zu Theil wurde. Viele Hunderte von Menſchen begrüßten ſie beim Ausſteigen mit Hochrufen und geleiteten ſie in die Stadt. Einer von ihnen war im Bahnhof auf einen hohen Platz geſtiegen und hatte von dort aus einige Worte des Dank es an die Verſammlung gerichtet, mit denen er die Aufmunterung zu gemein- ſamem feſten Zuſammenwirken für die großen Zwecke der neueſten Zeit verband und mit einem begeiſtert erwiederten Hoch auf Deutſchlands Einheit ſchloß. * Bamberg, 14 März. Abends. Was man ſeit unſerem erſten Bericht erfährt, dient nur dazu das Arge der vorgegangenen Scenen zu erhöhen. Nur zu ſehr ſind Thätlichkeiten gegen Perſonen vorgefallen. Einer der Gutsherren, der ſich vergeblich durch Geld zu löſen ſuchte, liegt mit eingeſchlagenen Zähnen darnieder; einer der Amtleute mußte ſich in einen Taubenſchlag flüchten um der Wuth der Tumultuanten zu ent- gehen; ein anderer wurde zu Boden geſchlagen. Ob die von der Er- wordung mehreter Landrichter eingelaufenen Nachrichten zuverläſſig ſind, kann bis jetzt noch nicht genau ermittelt werden. Jn äbnlicher Art

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. 1234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/2>, abgerufen am 31.10.2024.