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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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Die provisorische Regierung hat einen immer schwereren Stand ge-
genüber der zunehmenden Zahl der Clubs (La Presse führt in einem
Verzeichniß 52 auf) deren Leitung die Masse des Volks unbedingt folgt,
und die nun gefunden haben müssen daß sie doch noch nicht hinlänglich
organisirt seyen um die Wahlen der Nationalgarde und der National-
versammlung in ganz Frankreich zu beherrschen. Daher sollte die Regierung
angegangen werden daß sie 1) die Truppen von Paris entfernt lasse;
2) die Wahlen der Nationalgarde bis 5 April und 3) die Wahlen zur
Nationalversammlung bis 31 Mai verschieben möchte. Diese "Wünsche
des Volks von Paris" wurden in einer Adresse niedergelegt, und gestern
Nachmittag 1 Uhr setzte sich eine unermeßliche Colonne von jungen Leu-
ten und Arbeitern von dem Revolutionsplatz in Bewegung, um eine
Deputation von 40 Delegirten der Clubs und der verschiedenen Corpo-
rationen vor das Rathhaus zu begleiten. Züge auf Züge folgten sich
in größter Ordnung, unter dem Wehen zahlloser Tricolorfahnen mit
den Inschriften der verschiedenen Associationen, und wie sie auf dem
Platz anlangten stellten sie sich jede hinter ihrer Fahne auf. Gegen 2 Uhr
war die Regierung versammelt und empfing die Deputation. Der Bür-
ger Gerard verlas die Adresse. Hr. Louis Blanc im Namen der Re-
gierung versprach: die Wünsche des Volks sollten in ernste Erwägung
gezogen werden, bemerkte aber es könne selbst nicht wollen daß die Re-
gierung die es zu seinem Vertreter erkoren, einer Drohung nachgebe.
Die Regierung habe den festen Willen mit dem Volk zu gehen, mit ihm
zu leben, wenn es seyn müßte für es zu sterben. Das seyen Redens-
arten, versetzte einer der Delegirten, das Volk wolle eine bestimmte
Antwort. Die Regierung möchte sich Zeit nehmen sich zu bedenken, aber
ohne eine Antwort würden sie nicht gehen. Hr. Ledru-Rollin erwiederte
daß die Delegirten zwar Paris repräsentirten, daß sie aber wohl begrei-
fen würden daß Frankreich aus der Gesammtheit aller Bürger bestehe.
Nun habe sich die Regierung an alle Commissäre der Departements ge-
wendet mit der Frage: ob die Wahlen bis 9 April materiell möglich,
und ob es im Interesse der Republik sey daß sie am 9 April stattfinden?
Von dieser Antwort müsse der Entscheid der Regierung abhängen. Pa-
ris sey allerdings die thätigste und darum intelligenteste Stadt von
Frankreich, aber sie könne doch nicht den Anspruch machen ganz Frank-
reich zu repräsentiren. Die Departements müßten sich aussprechen, da-
mit man nicht sage Paris sey alles. Cabet, der Communistenchef der
bei der Deputation war, forderte nun zum Weggehen auf, damit die
Regierung rathschlagen könne. Ein anderer Delegirter bemerkte: es
seyen zwei Fragen auf welche eine unmittelbare Antwort gegeben wer-
den könne -- sie betreffen nur Paris -- die Fortschickung aller besolde-
ten Truppen und den Aufschub der Wahlen der Nationalgarde. Aber-
mals ermahnte, beschwor Hr. Louis Blanc sie möchten doch der Regie-
rung Zeit, wenn auch nur einen Tag vergönnen um zu rathschlagen ehe
sie eine so wichtige Entschließung fasse. Ein Hr. Sobriet versicherte sie
hätten volles Vertrauen, wollten ihr keine Gewalt anthun. Das Volk
wolle warten, aber es entbehre oft des Nothwendigsten. Die Regierung
dürfe keinen Augenblick vergessen daß sie für die Subsistenz aller Bürger
sorgen müsse, denn die Arbeit mangle jetzt. Die welche offen oder heim-
lich die Republik angriffen, begingen ein Verbrechen der beleidigten Mensch-
heit. Das Volk begreife seine Rechte und seine Pflichten. Es sey berufen
dem Land die hohe moralische und sociale Leitung zu geben, verirrte
Menschen die noch einmal versuchen könnten privilegirte Körper aufrecht-
halten zu wollen in den Schooß der Gleichheit zurückzuführen. Das Umlauf-
schreiben des Bürgers Ledru-Rollin habe den Beifall des Volkes. Einige
Delegirte wollten nun wissen ob die ganze provisorische Regierung das
Umlaufschreiben billige? Da dieser Zweifel Hrn. v. Lamartine anging,
so ergriff er das Wort, und seiner Beredsamkeit gelang es endlich die
Gemüther zu beschwichtigen. Das Volk fühle, sagte er unter anderm,
daß keine Regierung möglich sey als unter der Bedingung daß es
vertraue dieser Regierung, ihr eine moralische Autorität übertra-
ge. Die moralische Autorität bedürfe die Regierung nicht bloß für
sich, sondern für das Volk, für die Departements, für Europa -- sie be-
stehe in ihrer völligen Unabhängigkeit von jedem äußern Druck.
Was sie um sich sehen? Eine kleine Gruppe Männer ohne Waffen, ohne ma-
terielle Stütze, ohne Soldaten, ohne Wachen, ohne eine Autorität als die
das Volk aufrechthalte. Dadurch daß es sie an ihnen achte, die sonst nichts
suchten, die sich ganz in dieses Volk versenkten aus dem sie hervorgegan-
gen, und die in der Republik eine so energische und gefährliche Rolle nur
darum übernommen um die Bürgen zu seyn dieser volksthümlichen In-
teressen, die unter den bis jetzt durchlaufenen Monarchien, Aristokra-
tien, Oligarchien geopfert worden. Damit aber diese Gesinnung
ihre Wirkung habe, diese volksthümlichen Principien eine für das Glück
und die Rechte des Volks nützliche Anwendung finden können, sey die
friedliche Fortdauer des geschenkten Vertrauens nothwendig. Was
könnten wir euch entgegensetzen, rief er aus. Nur Eines -- euere ei-
gene Vernunft, die Macht dieser eigenen Vernunft die sich hier allein
zwischen euch und uns stellt, diese unsichtbare allmächtige moralische
[Spaltenumbruch] Kraft die uns Ruhe einflößt und uns unabhängig und würdig macht
gegenüber der Masse die diesen Palast des Volks umsteht, der nur
durch seine Unverletzlichkeit vertheidigt wird. Diese letzte Schranke un-
serer Unabhängigkeit als Regierung und als Menschen, wir werden sie
vertheidigen bis zum Tod wenn der Druck der Menge sie überschreiten
wollte. Nicht für uns, sondern zumeist für euch wird es seyn wenn
wir in ihrer Vertheidigung umkommen. Er machte nun bemerklich
daß die 1500 bis 2000 Mann Truppen auf den äußersten Posten
von Paris zerstreut niemand beunruhigen können, daß der Soldat
jetzt auch Bürger sey, wie sie alle, und erklärte endlich daß er um kei-
nen Preis einwilligen werde seine Meinung oder die seiner Collegen zu
verpfänden um sich ein Decret entreißen zu lassen das so viel hieße als der
Nation zu sagen daß Paris das Monopol der Freiheit und der Republik
anspreche, und daß sie im Namen der Hauptstadt und unter dem Druck
einer zwar wohlgesinnten aber durch ihre Zahl gebieterischen Masse die
Dictatur der vor aller Welt von ganz Frankreich errungenen Freiheit
ausüben wollten. Wenn sie ihm befehlen wollten im Zwang zu rath-
schlagen und die ganze Nation außerhalb Paris gleichsam außer dem
Gesetz zu erklären, auf drei, sechs Monate oder vielleicht länger von ih-
rer Repräsentation und ihrer Verfassung auszuschließen, so würden sie
ihm nicht eher dieses Votum entreißen als nachdem sie seine Brust mit
Kugeln durchbohrt hätten. Diese muthvolle Sprache machte Eindruck,
mehrere Mitglieder der Deputation drückten ihm die Hand, einer be-
theuerte das Volk sey nur da um die provisorische Regierung zu unter-
stützen. So traten sie ab, und Hr. v. Lamartine warnte noch vor einem
achtzehnten Brumaire des Volks, der leicht einen achtzehnten Bru-
maire des Despotismus herbeiführen könnte. In diesem Augen-
blick begehrte das unten versammelte Volk mit lautem Geschrei die
Mitglieder der Regierung zu sehen, diese gingen hinab und bestiegen
ein vor dem Stadthaus errichtetes Gerüst. Noch einmal nahm Hr. Louis
Blanc unter tiefer Stille das Wort, um dem Volk für den Ausdruck sei-
ner Wünsche zu danken und es zu bitten sich jetzt in Ordnung zu ent-
fernen. Unter dem donnernden Ruf: "Hoch die Republik! Hoch die pro-
visorische Regierung!" brach der Zug auf in der Richtung der Bastille-
säule, und noch gegen 5 Uhr sah man die letzten der 150,000 Männer
welche den Zug bildeten, vor der Facade des Hötel de Ville vorüberzie-
hen. Diese ganze Demonstration war theils eine Antwort auf den Auf-
zug der Bärenmützen, theils durch das Gerücht veranlaßt daß eine Car-
listische Schilderhebung im Werk sey. Daß eine solche erfolglos wäre,
ist jedoch das allgemeine Urtheil der Presse.

Italien.

* Nachrichten aus Mailand über den Eindruck der Wiener Ereig-
nisse fehlen uns noch. In Venedig brach am 17 ungeheurer Jubel aus
als ein Dampfboot die ersten Berichte gebracht hatte. Die politischen Ge-
fangenen wurden mit Gewalt der Freiheit wiedergegeben. Tommaseo
und Manin scheint der Gouverneur, auf das Dringen des Volks, selbst
ihrer Haft entlassen zu haben. In der Aufregung wurde alles durchein-
andergerufen: Hoch der Republik, Pius IX, dem Kaiser, selbst den
Deutschen!

Ein Schreiben der Times d. d. Mailand 6 März schließt mit
folgenden Worten: "Dem Wiener Cabinet ist jetzt eine goldene Gelegen-
heit dargeboten. Der Adel und die Begüterten in der Lombardei sind
über die Folgen der französischen Revolution so erschrocken daß sie gern
billigen Bedingungen nachgeben werden, um sich ihren Reichthum und
einen Antheil Unabhängigkeit zu sichern. Ja, sie werden selbst froh
seyn der Anwesenheit eines fremden Heers zur Vertheidigung ihrer
Gränze, sollte diese wie in frühern Zeiten (von den Franzosen) ange-
griffen werden."

Handels- und Börsennachrichten.

Consols 81.


3proc. 51.50, 4proc. 59, 5proc. 74.50, Bankactien
1750, belg. 5proc. 69, Anleh. v. 1842 69, neap. 5proc. 69, röm. 58, span.
3proc. 22, piem. 790, Vers. E.-B. rechte 105, linke 115, Paris-Orleans
765, Rouen 412.50, Lyon 292.50, Straßburg 340, Nordbahn 335, Rouen-
Havre 212.50, Mars.-Avignon 305, Straßb.-Basel 88.75, Orl.-Vierzon 220,
Bordeaur 400, Boulogne-Amiens 170, Tours-Nantes 330. -- Die Bankiers
Delessert, Königswärter und einige andere Häuser haben gestern ihre Zah-
lungen eingestellt.


21/2proc. 41, 3proc. 48, 4proc. 60, Syndic.
31/2proc. 611/4, Met.. 5proc. 60, Ard. 73/4.


Oesterr. 5proc. Metall. 76, 21/2proc.
371/2, Bankactien 1320, 250fl.-Loose 92 P., Bethmann'sche Oblig. 41/2proc.
72 P., preuß. 50Thlr.-Prämiensch. 821/2 P., Staatsschuldsch. 85 P., bayer.
Oblig. 31/2proc. 77, württemberg. Oblig. 31/2proc. 74, 41/2proc. 921/2, had.
31/2proc. 72, 35fl.-Loose 26, darmst. 31/2proc. Oblig. 74, 4proc. 851/2, 50fl.-
Loose 58, 25fl.-Loose 22, kurh. Fried.-Wilh.-Nordb. 38, 40Thlr.-Loose 231/2,
nass. 31/2proc. 74, Frankfurt 31/2proc. 911/4, 84 P., Taunusbahn für E. M.
280, holl. Integr. 41, span. 3proc. 17, sardin. 36Fr.-Loose 26 P., Disconto
4 P.



Verantwortliche Redaction:
Dr. Gustav Kolb. Dr. C. A. Mebold.
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart.
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Die proviſoriſche Regierung hat einen immer ſchwereren Stand ge-
genüber der zunehmenden Zahl der Clubs (La Preſſe führt in einem
Verzeichniß 52 auf) deren Leitung die Maſſe des Volks unbedingt folgt,
und die nun gefunden haben müſſen daß ſie doch noch nicht hinlänglich
organiſirt ſeyen um die Wahlen der Nationalgarde und der National-
verſammlung in ganz Frankreich zu beherrſchen. Daher ſollte die Regierung
angegangen werden daß ſie 1) die Truppen von Paris entfernt laſſe;
2) die Wahlen der Nationalgarde bis 5 April und 3) die Wahlen zur
Nationalverſammlung bis 31 Mai verſchieben möchte. Dieſe „Wünſche
des Volks von Paris“ wurden in einer Adreſſe niedergelegt, und geſtern
Nachmittag 1 Uhr ſetzte ſich eine unermeßliche Colonne von jungen Leu-
ten und Arbeitern von dem Revolutionsplatz in Bewegung, um eine
Deputation von 40 Delegirten der Clubs und der verſchiedenen Corpo-
rationen vor das Rathhaus zu begleiten. Züge auf Züge folgten ſich
in größter Ordnung, unter dem Wehen zahlloſer Tricolorfahnen mit
den Inſchriften der verſchiedenen Aſſociationen, und wie ſie auf dem
Platz anlangten ſtellten ſie ſich jede hinter ihrer Fahne auf. Gegen 2 Uhr
war die Regierung verſammelt und empfing die Deputation. Der Bür-
ger Gérard verlas die Adreſſe. Hr. Louis Blanc im Namen der Re-
gierung verſprach: die Wünſche des Volks ſollten in ernſte Erwägung
gezogen werden, bemerkte aber es könne ſelbſt nicht wollen daß die Re-
gierung die es zu ſeinem Vertreter erkoren, einer Drohung nachgebe.
Die Regierung habe den feſten Willen mit dem Volk zu gehen, mit ihm
zu leben, wenn es ſeyn müßte für es zu ſterben. Das ſeyen Redens-
arten, verſetzte einer der Delegirten, das Volk wolle eine beſtimmte
Antwort. Die Regierung möchte ſich Zeit nehmen ſich zu bedenken, aber
ohne eine Antwort würden ſie nicht gehen. Hr. Ledru-Rollin erwiederte
daß die Delegirten zwar Paris repräſentirten, daß ſie aber wohl begrei-
fen würden daß Frankreich aus der Geſammtheit aller Bürger beſtehe.
Nun habe ſich die Regierung an alle Commiſſäre der Departements ge-
wendet mit der Frage: ob die Wahlen bis 9 April materiell möglich,
und ob es im Intereſſe der Republik ſey daß ſie am 9 April ſtattfinden?
Von dieſer Antwort müſſe der Entſcheid der Regierung abhängen. Pa-
ris ſey allerdings die thätigſte und darum intelligenteſte Stadt von
Frankreich, aber ſie könne doch nicht den Anſpruch machen ganz Frank-
reich zu repräſentiren. Die Departements müßten ſich ausſprechen, da-
mit man nicht ſage Paris ſey alles. Cabet, der Communiſtenchef der
bei der Deputation war, forderte nun zum Weggehen auf, damit die
Regierung rathſchlagen könne. Ein anderer Delegirter bemerkte: es
ſeyen zwei Fragen auf welche eine unmittelbare Antwort gegeben wer-
den könne — ſie betreffen nur Paris — die Fortſchickung aller beſolde-
ten Truppen und den Aufſchub der Wahlen der Nationalgarde. Aber-
mals ermahnte, beſchwor Hr. Louis Blanc ſie möchten doch der Regie-
rung Zeit, wenn auch nur einen Tag vergönnen um zu rathſchlagen ehe
ſie eine ſo wichtige Entſchließung faſſe. Ein Hr. Sobriet verſicherte ſie
hätten volles Vertrauen, wollten ihr keine Gewalt anthun. Das Volk
wolle warten, aber es entbehre oft des Nothwendigſten. Die Regierung
dürfe keinen Augenblick vergeſſen daß ſie für die Subſiſtenz aller Bürger
ſorgen müſſe, denn die Arbeit mangle jetzt. Die welche offen oder heim-
lich die Republik angriffen, begingen ein Verbrechen der beleidigten Menſch-
heit. Das Volk begreife ſeine Rechte und ſeine Pflichten. Es ſey berufen
dem Land die hohe moraliſche und ſociale Leitung zu geben, verirrte
Menſchen die noch einmal verſuchen könnten privilegirte Körper aufrecht-
halten zu wollen in den Schooß der Gleichheit zurückzuführen. Das Umlauf-
ſchreiben des Bürgers Ledru-Rollin habe den Beifall des Volkes. Einige
Delegirte wollten nun wiſſen ob die ganze proviſoriſche Regierung das
Umlaufſchreiben billige? Da dieſer Zweifel Hrn. v. Lamartine anging,
ſo ergriff er das Wort, und ſeiner Beredſamkeit gelang es endlich die
Gemüther zu beſchwichtigen. Das Volk fühle, ſagte er unter anderm,
daß keine Regierung möglich ſey als unter der Bedingung daß es
vertraue dieſer Regierung, ihr eine moraliſche Autorität übertra-
ge. Die moraliſche Autorität bedürfe die Regierung nicht bloß für
ſich, ſondern für das Volk, für die Departements, für Europa — ſie be-
ſtehe in ihrer völligen Unabhängigkeit von jedem äußern Druck.
Was ſie um ſich ſehen? Eine kleine Gruppe Männer ohne Waffen, ohne ma-
terielle Stütze, ohne Soldaten, ohne Wachen, ohne eine Autorität als die
das Volk aufrechthalte. Dadurch daß es ſie an ihnen achte, die ſonſt nichts
ſuchten, die ſich ganz in dieſes Volk verſenkten aus dem ſie hervorgegan-
gen, und die in der Republik eine ſo energiſche und gefährliche Rolle nur
darum übernommen um die Bürgen zu ſeyn dieſer volksthümlichen In-
tereſſen, die unter den bis jetzt durchlaufenen Monarchien, Ariſtokra-
tien, Oligarchien geopfert worden. Damit aber dieſe Geſinnung
ihre Wirkung habe, dieſe volksthümlichen Principien eine für das Glück
und die Rechte des Volks nützliche Anwendung finden können, ſey die
friedliche Fortdauer des geſchenkten Vertrauens nothwendig. Was
könnten wir euch entgegenſetzen, rief er aus. Nur Eines — euere ei-
gene Vernunft, die Macht dieſer eigenen Vernunft die ſich hier allein
zwiſchen euch und uns ſtellt, dieſe unſichtbare allmächtige moraliſche
[Spaltenumbruch] Kraft die uns Ruhe einflößt und uns unabhängig und würdig macht
gegenüber der Maſſe die dieſen Palaſt des Volks umſteht, der nur
durch ſeine Unverletzlichkeit vertheidigt wird. Dieſe letzte Schranke un-
ſerer Unabhängigkeit als Regierung und als Menſchen, wir werden ſie
vertheidigen bis zum Tod wenn der Druck der Menge ſie überſchreiten
wollte. Nicht für uns, ſondern zumeiſt für euch wird es ſeyn wenn
wir in ihrer Vertheidigung umkommen. Er machte nun bemerklich
daß die 1500 bis 2000 Mann Truppen auf den äußerſten Poſten
von Paris zerſtreut niemand beunruhigen können, daß der Soldat
jetzt auch Bürger ſey, wie ſie alle, und erklärte endlich daß er um kei-
nen Preis einwilligen werde ſeine Meinung oder die ſeiner Collegen zu
verpfänden um ſich ein Decret entreißen zu laſſen das ſo viel hieße als der
Nation zu ſagen daß Paris das Monopol der Freiheit und der Republik
anſpreche, und daß ſie im Namen der Hauptſtadt und unter dem Druck
einer zwar wohlgeſinnten aber durch ihre Zahl gebieteriſchen Maſſe die
Dictatur der vor aller Welt von ganz Frankreich errungenen Freiheit
ausüben wollten. Wenn ſie ihm befehlen wollten im Zwang zu rath-
ſchlagen und die ganze Nation außerhalb Paris gleichſam außer dem
Geſetz zu erklären, auf drei, ſechs Monate oder vielleicht länger von ih-
rer Repräſentation und ihrer Verfaſſung auszuſchließen, ſo würden ſie
ihm nicht eher dieſes Votum entreißen als nachdem ſie ſeine Bruſt mit
Kugeln durchbohrt hätten. Dieſe muthvolle Sprache machte Eindruck,
mehrere Mitglieder der Deputation drückten ihm die Hand, einer be-
theuerte das Volk ſey nur da um die proviſoriſche Regierung zu unter-
ſtützen. So traten ſie ab, und Hr. v. Lamartine warnte noch vor einem
achtzehnten Brumaire des Volks, der leicht einen achtzehnten Bru-
maire des Deſpotismus herbeiführen könnte. In dieſem Augen-
blick begehrte das unten verſammelte Volk mit lautem Geſchrei die
Mitglieder der Regierung zu ſehen, dieſe gingen hinab und beſtiegen
ein vor dem Stadthaus errichtetes Gerüſt. Noch einmal nahm Hr. Louis
Blanc unter tiefer Stille das Wort, um dem Volk für den Ausdruck ſei-
ner Wünſche zu danken und es zu bitten ſich jetzt in Ordnung zu ent-
fernen. Unter dem donnernden Ruf: „Hoch die Republik! Hoch die pro-
viſoriſche Regierung!“ brach der Zug auf in der Richtung der Baſtille-
ſäule, und noch gegen 5 Uhr ſah man die letzten der 150,000 Männer
welche den Zug bildeten, vor der Facade des Hötel de Ville vorüberzie-
hen. Dieſe ganze Demonſtration war theils eine Antwort auf den Auf-
zug der Bärenmützen, theils durch das Gerücht veranlaßt daß eine Car-
liſtiſche Schilderhebung im Werk ſey. Daß eine ſolche erfolglos wäre,
iſt jedoch das allgemeine Urtheil der Preſſe.

Italien.

* Nachrichten aus Mailand über den Eindruck der Wiener Ereig-
niſſe fehlen uns noch. In Venedig brach am 17 ungeheurer Jubel aus
als ein Dampfboot die erſten Berichte gebracht hatte. Die politiſchen Ge-
fangenen wurden mit Gewalt der Freiheit wiedergegeben. Tommaſeo
und Manin ſcheint der Gouverneur, auf das Dringen des Volks, ſelbſt
ihrer Haft entlaſſen zu haben. In der Aufregung wurde alles durchein-
andergerufen: Hoch der Republik, Pius IX, dem Kaiſer, ſelbſt den
Deutſchen!

Ein Schreiben der Times d. d. Mailand 6 März ſchließt mit
folgenden Worten: „Dem Wiener Cabinet iſt jetzt eine goldene Gelegen-
heit dargeboten. Der Adel und die Begüterten in der Lombardei ſind
über die Folgen der franzöſiſchen Revolution ſo erſchrocken daß ſie gern
billigen Bedingungen nachgeben werden, um ſich ihren Reichthum und
einen Antheil Unabhängigkeit zu ſichern. Ja, ſie werden ſelbſt froh
ſeyn der Anweſenheit eines fremden Heers zur Vertheidigung ihrer
Gränze, ſollte dieſe wie in frühern Zeiten (von den Franzoſen) ange-
griffen werden.“

Handels- und Börſennachrichten.

Conſols 81.


3proc. 51.50, 4proc. 59, 5proc. 74.50, Bankactien
1750, belg. 5proc. 69, Anleh. v. 1842 69, neap. 5proc. 69, röm. 58, ſpan.
3proc. 22, piem. 790, Verſ. E.-B. rechte 105, linke 115, Paris-Orleans
765, Rouen 412.50, Lyon 292.50, Straßburg 340, Nordbahn 335, Rouen-
Havre 212.50, Marſ.-Avignon 305, Straßb.-Baſel 88.75, Orl.-Vierzon 220,
Bordeaur 400, Boulogne-Amiens 170, Tours-Nantes 330. — Die Bankiers
Deleſſert, Königswärter und einige andere Häuſer haben geſtern ihre Zah-
lungen eingeſtellt.


2½proc. 41, 3proc. 48, 4proc. 60, Syndic.
3½proc. 61¼, Met.. 5proc. 60, Ard. 7¾.


Oeſterr. 5proc. Metall. 76, 2½proc.
37½, Bankactien 1320, 250fl.-Looſe 92 P., Bethmann’ſche Oblig. 4½proc.
72 P., preuß. 50Thlr.-Prämienſch. 82½ P., Staatsſchuldſch. 85 P., bayer.
Oblig. 3½proc. 77, württemberg. Oblig. 3½proc. 74, 4½proc. 92½, had.
3½proc. 72, 35fl.-Looſe 26, darmſt. 3½proc. Oblig. 74, 4proc. 85½, 50fl.-
Looſe 58, 25fl.-Looſe 22, kurh. Fried.-Wilh.-Nordb. 38, 40Thlr.-Looſe 23½,
naſſ. 3½proc. 74, Frankfurt 3½proc. 91¼, 84 P., Taunusbahn für E. M.
280, holl. Integr. 41, ſpan. 3proc. 17, ſardin. 36Fr.-Looſe 26 P., Disconto
4 P.



Verantwortliche Redaction:
Dr. Guſtav Kolb. Dr. C. A. Mebold.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung in Stuttgart.
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[1304/0008] Die proviſoriſche Regierung hat einen immer ſchwereren Stand ge- genüber der zunehmenden Zahl der Clubs (La Preſſe führt in einem Verzeichniß 52 auf) deren Leitung die Maſſe des Volks unbedingt folgt, und die nun gefunden haben müſſen daß ſie doch noch nicht hinlänglich organiſirt ſeyen um die Wahlen der Nationalgarde und der National- verſammlung in ganz Frankreich zu beherrſchen. Daher ſollte die Regierung angegangen werden daß ſie 1) die Truppen von Paris entfernt laſſe; 2) die Wahlen der Nationalgarde bis 5 April und 3) die Wahlen zur Nationalverſammlung bis 31 Mai verſchieben möchte. Dieſe „Wünſche des Volks von Paris“ wurden in einer Adreſſe niedergelegt, und geſtern Nachmittag 1 Uhr ſetzte ſich eine unermeßliche Colonne von jungen Leu- ten und Arbeitern von dem Revolutionsplatz in Bewegung, um eine Deputation von 40 Delegirten der Clubs und der verſchiedenen Corpo- rationen vor das Rathhaus zu begleiten. Züge auf Züge folgten ſich in größter Ordnung, unter dem Wehen zahlloſer Tricolorfahnen mit den Inſchriften der verſchiedenen Aſſociationen, und wie ſie auf dem Platz anlangten ſtellten ſie ſich jede hinter ihrer Fahne auf. Gegen 2 Uhr war die Regierung verſammelt und empfing die Deputation. Der Bür- ger Gérard verlas die Adreſſe. Hr. Louis Blanc im Namen der Re- gierung verſprach: die Wünſche des Volks ſollten in ernſte Erwägung gezogen werden, bemerkte aber es könne ſelbſt nicht wollen daß die Re- gierung die es zu ſeinem Vertreter erkoren, einer Drohung nachgebe. Die Regierung habe den feſten Willen mit dem Volk zu gehen, mit ihm zu leben, wenn es ſeyn müßte für es zu ſterben. Das ſeyen Redens- arten, verſetzte einer der Delegirten, das Volk wolle eine beſtimmte Antwort. Die Regierung möchte ſich Zeit nehmen ſich zu bedenken, aber ohne eine Antwort würden ſie nicht gehen. Hr. Ledru-Rollin erwiederte daß die Delegirten zwar Paris repräſentirten, daß ſie aber wohl begrei- fen würden daß Frankreich aus der Geſammtheit aller Bürger beſtehe. Nun habe ſich die Regierung an alle Commiſſäre der Departements ge- wendet mit der Frage: ob die Wahlen bis 9 April materiell möglich, und ob es im Intereſſe der Republik ſey daß ſie am 9 April ſtattfinden? Von dieſer Antwort müſſe der Entſcheid der Regierung abhängen. Pa- ris ſey allerdings die thätigſte und darum intelligenteſte Stadt von Frankreich, aber ſie könne doch nicht den Anſpruch machen ganz Frank- reich zu repräſentiren. Die Departements müßten ſich ausſprechen, da- mit man nicht ſage Paris ſey alles. Cabet, der Communiſtenchef der bei der Deputation war, forderte nun zum Weggehen auf, damit die Regierung rathſchlagen könne. Ein anderer Delegirter bemerkte: es ſeyen zwei Fragen auf welche eine unmittelbare Antwort gegeben wer- den könne — ſie betreffen nur Paris — die Fortſchickung aller beſolde- ten Truppen und den Aufſchub der Wahlen der Nationalgarde. Aber- mals ermahnte, beſchwor Hr. Louis Blanc ſie möchten doch der Regie- rung Zeit, wenn auch nur einen Tag vergönnen um zu rathſchlagen ehe ſie eine ſo wichtige Entſchließung faſſe. Ein Hr. Sobriet verſicherte ſie hätten volles Vertrauen, wollten ihr keine Gewalt anthun. Das Volk wolle warten, aber es entbehre oft des Nothwendigſten. Die Regierung dürfe keinen Augenblick vergeſſen daß ſie für die Subſiſtenz aller Bürger ſorgen müſſe, denn die Arbeit mangle jetzt. Die welche offen oder heim- lich die Republik angriffen, begingen ein Verbrechen der beleidigten Menſch- heit. Das Volk begreife ſeine Rechte und ſeine Pflichten. Es ſey berufen dem Land die hohe moraliſche und ſociale Leitung zu geben, verirrte Menſchen die noch einmal verſuchen könnten privilegirte Körper aufrecht- halten zu wollen in den Schooß der Gleichheit zurückzuführen. Das Umlauf- ſchreiben des Bürgers Ledru-Rollin habe den Beifall des Volkes. Einige Delegirte wollten nun wiſſen ob die ganze proviſoriſche Regierung das Umlaufſchreiben billige? Da dieſer Zweifel Hrn. v. Lamartine anging, ſo ergriff er das Wort, und ſeiner Beredſamkeit gelang es endlich die Gemüther zu beſchwichtigen. Das Volk fühle, ſagte er unter anderm, daß keine Regierung möglich ſey als unter der Bedingung daß es vertraue dieſer Regierung, ihr eine moraliſche Autorität übertra- ge. Die moraliſche Autorität bedürfe die Regierung nicht bloß für ſich, ſondern für das Volk, für die Departements, für Europa — ſie be- ſtehe in ihrer völligen Unabhängigkeit von jedem äußern Druck. Was ſie um ſich ſehen? Eine kleine Gruppe Männer ohne Waffen, ohne ma- terielle Stütze, ohne Soldaten, ohne Wachen, ohne eine Autorität als die das Volk aufrechthalte. Dadurch daß es ſie an ihnen achte, die ſonſt nichts ſuchten, die ſich ganz in dieſes Volk verſenkten aus dem ſie hervorgegan- gen, und die in der Republik eine ſo energiſche und gefährliche Rolle nur darum übernommen um die Bürgen zu ſeyn dieſer volksthümlichen In- tereſſen, die unter den bis jetzt durchlaufenen Monarchien, Ariſtokra- tien, Oligarchien geopfert worden. Damit aber dieſe Geſinnung ihre Wirkung habe, dieſe volksthümlichen Principien eine für das Glück und die Rechte des Volks nützliche Anwendung finden können, ſey die friedliche Fortdauer des geſchenkten Vertrauens nothwendig. Was könnten wir euch entgegenſetzen, rief er aus. Nur Eines — euere ei- gene Vernunft, die Macht dieſer eigenen Vernunft die ſich hier allein zwiſchen euch und uns ſtellt, dieſe unſichtbare allmächtige moraliſche Kraft die uns Ruhe einflößt und uns unabhängig und würdig macht gegenüber der Maſſe die dieſen Palaſt des Volks umſteht, der nur durch ſeine Unverletzlichkeit vertheidigt wird. Dieſe letzte Schranke un- ſerer Unabhängigkeit als Regierung und als Menſchen, wir werden ſie vertheidigen bis zum Tod wenn der Druck der Menge ſie überſchreiten wollte. Nicht für uns, ſondern zumeiſt für euch wird es ſeyn wenn wir in ihrer Vertheidigung umkommen. Er machte nun bemerklich daß die 1500 bis 2000 Mann Truppen auf den äußerſten Poſten von Paris zerſtreut niemand beunruhigen können, daß der Soldat jetzt auch Bürger ſey, wie ſie alle, und erklärte endlich daß er um kei- nen Preis einwilligen werde ſeine Meinung oder die ſeiner Collegen zu verpfänden um ſich ein Decret entreißen zu laſſen das ſo viel hieße als der Nation zu ſagen daß Paris das Monopol der Freiheit und der Republik anſpreche, und daß ſie im Namen der Hauptſtadt und unter dem Druck einer zwar wohlgeſinnten aber durch ihre Zahl gebieteriſchen Maſſe die Dictatur der vor aller Welt von ganz Frankreich errungenen Freiheit ausüben wollten. Wenn ſie ihm befehlen wollten im Zwang zu rath- ſchlagen und die ganze Nation außerhalb Paris gleichſam außer dem Geſetz zu erklären, auf drei, ſechs Monate oder vielleicht länger von ih- rer Repräſentation und ihrer Verfaſſung auszuſchließen, ſo würden ſie ihm nicht eher dieſes Votum entreißen als nachdem ſie ſeine Bruſt mit Kugeln durchbohrt hätten. Dieſe muthvolle Sprache machte Eindruck, mehrere Mitglieder der Deputation drückten ihm die Hand, einer be- theuerte das Volk ſey nur da um die proviſoriſche Regierung zu unter- ſtützen. So traten ſie ab, und Hr. v. Lamartine warnte noch vor einem achtzehnten Brumaire des Volks, der leicht einen achtzehnten Bru- maire des Deſpotismus herbeiführen könnte. In dieſem Augen- blick begehrte das unten verſammelte Volk mit lautem Geſchrei die Mitglieder der Regierung zu ſehen, dieſe gingen hinab und beſtiegen ein vor dem Stadthaus errichtetes Gerüſt. Noch einmal nahm Hr. Louis Blanc unter tiefer Stille das Wort, um dem Volk für den Ausdruck ſei- ner Wünſche zu danken und es zu bitten ſich jetzt in Ordnung zu ent- fernen. Unter dem donnernden Ruf: „Hoch die Republik! Hoch die pro- viſoriſche Regierung!“ brach der Zug auf in der Richtung der Baſtille- ſäule, und noch gegen 5 Uhr ſah man die letzten der 150,000 Männer welche den Zug bildeten, vor der Facade des Hötel de Ville vorüberzie- hen. Dieſe ganze Demonſtration war theils eine Antwort auf den Auf- zug der Bärenmützen, theils durch das Gerücht veranlaßt daß eine Car- liſtiſche Schilderhebung im Werk ſey. Daß eine ſolche erfolglos wäre, iſt jedoch das allgemeine Urtheil der Preſſe. Italien. * Nachrichten aus Mailand über den Eindruck der Wiener Ereig- niſſe fehlen uns noch. In Venedig brach am 17 ungeheurer Jubel aus als ein Dampfboot die erſten Berichte gebracht hatte. Die politiſchen Ge- fangenen wurden mit Gewalt der Freiheit wiedergegeben. Tommaſeo und Manin ſcheint der Gouverneur, auf das Dringen des Volks, ſelbſt ihrer Haft entlaſſen zu haben. In der Aufregung wurde alles durchein- andergerufen: Hoch der Republik, Pius IX, dem Kaiſer, ſelbſt den Deutſchen! Ein Schreiben der Times d. d. Mailand 6 März ſchließt mit folgenden Worten: „Dem Wiener Cabinet iſt jetzt eine goldene Gelegen- heit dargeboten. Der Adel und die Begüterten in der Lombardei ſind über die Folgen der franzöſiſchen Revolution ſo erſchrocken daß ſie gern billigen Bedingungen nachgeben werden, um ſich ihren Reichthum und einen Antheil Unabhängigkeit zu ſichern. Ja, ſie werden ſelbſt froh ſeyn der Anweſenheit eines fremden Heers zur Vertheidigung ihrer Gränze, ſollte dieſe wie in frühern Zeiten (von den Franzoſen) ange- griffen werden.“ Handels- und Börſennachrichten. London, 17 März. Conſols 81. 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848
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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. 1304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/8>, abgerufen am 01.06.2024.