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Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.

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[Spaltenumbruch] 13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einschränkung der
polizeilichen Gewalt und Verfügung daß allen k. k. Polizeidirectionen
und Commissariaten jede richterliche Gewalt abgenommen werde. 15)
Aufhebung der Verzehrungssteuer. 16) Modificirung des Stempel-
gesetzes mit Rücksichtnahme des verarmten Bürger- und Bauernstan-
des, namentlich in den Geschäften des adeligen und streitigen Richter-
amts und Bedachtnahme auf den Personalstempel. 17) Dotirung der
Geistlichkeit durch den Staat und Verwendung der in Steyermark
gelegenen Kirchengüter zum steyerischen Communalvermögen. 18) Ge-
staltung der ausschließenden Vertretung des Gemeindewesens durch
einen von allen Bürgern aus der Mitte der gewerb- und geschäft-
treibenden Bürger gewählten und der Gemeinde verantwortlichen Aus-
schuß. 19) Recht der Bürgerschaft ihre Beamten zu wählen und
zu entlassen. 20) Bestellung der Bürgermeistersstelle aus der Mitte
der Bürger mit Beigabe eines Vicebürgermeisters, dem die Leitung
des Gerichtes obliegt. Beide von den Bürgern gewählt. 21) Auf-
hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Uebertragung der gegen-
wärtig vom Magistrate ausgeübten Civil- und Criminaljustiz an's
k. k. Landrecht. 22) Uebernahme der Erhaltung der Polizeimannschaft
von Seite der hohen Staatsverwaltung. 23) Ausschließendes Recht des
Bürgerausschusses Gemeindeanlagen zu bestimmen oder zu modificiren auf-
zuheben. 24) Bestimmung daß auf Kosten der Gemeinde keine wie immer
geartete Baute oder Verschönerung in dem Weichbilde der Stadt Grätz
ohne einhellige Zustimmung aller Glieder des Gemeindeausschusses an-
geordnet werden dürfe. 25) Verweisung der Jesuiten und der den-
selben affiliirten Gesellschaften aus dem ganzen österreichischen Kaiser-
staate. Diese unsere Wünsche legen wir vertrauensvoll mit der wie-
derholten Versicherung unserer Ergebenheit und Anhänglichkeit an das
Herz Euerer k. k. Majestät, mit der ergebensten Bitte denselben noch
im Laufe dieses Monats stattzugeben.

Se. Excellenz der Gouverneur, Graf von Wikenburg, erschien in der
Versammlung, ließ sich die ganze Petition vorlesen und gab nach je-
dem einzelnen Punkte freisinnige Antworten ab, die von den tröstlich-
sten Versicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten,
von einem energischen Redner vertretenen Masse gegenüber einen har-
ten Stand, da sie von ihm alsbaldige Suspension der Polizeigewalt
verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh-
ren, so wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge-
stattete. Die ganze Versammlung ging befriedigt auseinander, und
ein Theil derselben brachte dem in seine Gemächer zurückgekehrten Landes-
chef unmittelbar darauf ein begeistertes Lebehoch, das er aus dem Fen-
ster mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiserl. Hoheit dem
Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Versammlung ebenfalls
ein Hoch dargebracht.

Das Theater bot
heute ein nie erlebtes Schauspiel. Es wurde Bauernfelds "Großjährig"
gegeben. Die Schauspieler erschienen mit Bändern in Landesfarben,
weiß und grün, was einen Sturm von Beifall hervorrief. Das Er-
scheinen des Gouverneurs in der Hofloge steigerte denselben, so daß
die Schauspieler lange nicht weiter spielen konnten. Es wurde die
Absingung der Volkshymne verlangt. Das ganze Publicum, nicht
wie sonst das Theaterpersonal, sang dießmal unser herrliches Lied.
Als der erste Act zu Ende war, verkündete der Gouverneur von seinem
Sitze aus eine eben erhaltene telegraphische Nachricht folgenden In-
halts: "Constitution und Preßfreiheit wie in Deutschland. In Wien
herrscht gränzenloser Jubel." Nun war auch bei uns des Jubels kein
Maß mehr. Die Volkshymne wurde noch einmal gesungen, hierauf:
"Was ist des Deutschen Vaterland." Dann stürmte die Menge unter
dem Rufe: Constitution! Beleuchtung! aus dem Theater und durch
alle Gassen der Stadt fort. In wenigen Minuten war die ganze Stadt
illuminirt. Eine Militärmusikbande durchzieht die Stadt. Man bringt
dem Erzherzog Johann und dem Gouverneur endlose Vivats. Es ist
alles wie ein Traum! Gute Nacht!

Der Jubel ist nicht
nur herabgestimmt, er hat einer tiefen Bestürzung Platz gemacht.
Man verbreitet nämlich die Nachricht: die gestern vom Gouverneur
mitgetheilte telegraphische Nachricht, die keine officielle war, sey vor-
eilig gewesen; man wolle in Wien die Constitution nicht gewähren,
das ganze Volk stehe drohend der Regierung gegenüber und warte
nur die festgesetzte Zeit ab, um stürmend loszubrechen. Man er-
zählt sich auch daß bereits eine Schaar von Landleuten unserer Stadt
[Spaltenumbruch] sich nähere, um mit uns zu wirken. Nachmittag wird im Redouten-
saale wieder eine Berathung der Bürger und Studenten stattfinden.

Die Berathung war
stürmisch; man verlangte augenblickliche Bewaffnung mit Flinten und
Kanonen, Ausfolgung der Munition, Uebernahme der Hauptposten etc.
kurz eine gänzliche Sicherstellung der Bewohner gegen das Militär das,
einem vorläufigen Beschlusse zufolge, die Vorstädte besetzen sollte und
somit, wie man meinte, die Stadt umzingeln oder überrumpeln könnte.
Se. Excellenz der Gouverneur beruhigte die Gemüther soviel möglich
durch Mittheilung anderer telegraphischen Berichte, durch Aufführung
eines Grätzer Bürgers, der Wien Tags zuvor verlassen und die Stadt
ruhig gefunden, und durch die Erklärung daß er die Polizeigewalt
persönlich ausüben werde, welche Mittheilung enthustastisch aufgenom-
men wurde. Abends 5 Uhr kam das Manifest des Kaisers das die
Constitution verhieß. Der Gouverneur, eben am Hauptwachplatze an-
wesend, improvisirte die Verlautbarung von einem offenen Fiakerwa-
gen herab vor der rings versammelten zahllosen Menge. Später im
Theater Bauernfels "deutscher Krieger," wiederholte Verkündigung des
Manifestes, Volkshymne, das deutsche Vaterland, wiederholte Illu-
mination.



Aus Paris.

Wenn man alle Phrasen zur Seite läßt,
was ist die heutige Lage Frankreichs? Wir gewahren ein Land das
ganz und gar nicht auf eine Revolution vorbereitet war, obwohl die
Revolution in seinen Adern kochte. Diese Revolution lag einzig in
der Lage der Handwerkerclasse, in ihrer Organisation, in den sich in
ihrem Schooße entwickelnden geheimen Verbindungen, in den Theorien
jener Männer welche unter dem Namen der Denker seit der Julius-
revolution bemüht waren in den Geist der Handwerksclassen das Ei
ihrer socialen Theorien auszubrüten. Die Handwerksclasse hat drei
Punkte in Frankreich wo sie besonders vorherrschend ist: Paris, Lyon,
Rouen; wie ich sie hier der Reihe nach aufzähle nimmt ihre Bedeutung
ab. In Rouen ist die Stellung der Handwerker zu den Fabricanten
weniger gespannt als in Lyon, in Lyon weniger als zu Paris. Diese
letztere Stadt ist die wahre Hauptstadt der Handwerkerclasse in Frank-
reich. Man schlägt ihre Zahl, insofern sie über Frankreich verbreitet
ist, zu sechs oder sieben Millionen an, vielleicht ist diese Ziffer über-
trieben. Dem sey wie ihm wolle, so ist es doch nur verhältnißmäßig
ein geringer Theil dieser Classe welcher in einer politischen und socialen
Verschwörung sich wirklich verflochten befand; aber in der Geschichte
geben die Kühnen, die unter Zucht stehenden und Organistrten stets
den Ausschlag; die Massen folgen. Der Handwerkerstand zu Paris ist
von einem ungeheuern Selbstbewußtseyn besessen; seine Leiter, der
Mehrzahl nach Männer die vor der Pairskammer als Angeklagte ge-
standen hatten, von denen viele in Staatsgefängnissen vor der Zeit
ergraut waren, sind Männer von der entschiedensten, von der wildesten
Energie, bereit zu den entschlossensten Schlägen. Das wußte man im
voraus. Aber Frankreich ist ein großes ackerbauendes Land, und die
ackerbauende Classe stand allen diesen Einflüssen fremd, die Bürgerclasse
war ihnen entschieden abhold, der Schule standen sie fern; ja ein Theil
der ächt republicanisch Gesinnten, z. B. die ganze radicale Partei die
im National ihr Organ hatte, war dem Treiben der Socialisten durch-
aus abhold, deßhalb im vollkommensten Mißcredit bei der Handwerker-
classe, gar nicht entschieden urplötzlich mit der orleanistischen Gegen-
wart zu brechen, denn sie hoffte darauf daß ihr die Opposition zufallen
würde, sie hoffte auf einen stets tiefern Bruch der Opposition und des
Hauses Orleans, sie wartete den Punkt ab wo das Haus Orleans
gewaltsam gegen die Opposition einschreiten würde wegen ihrer stür-
mischen Bewegungen in Betreff der Abänderungen im Wahlgesetz. Die
gewaltige Explosion wie sie erfolgt ist war ihr unter dieser Form so
rasch, so plötzlich, so entscheidend, selbst unerwartet. Wenn die Revo-
lution also rascher vor sich ging als die radicale Partei erwartet hatte,
was soll man von der Bestürzung, ja von der Ueberrumpelung der
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gefädelt hatte, während sie dieselbe durchaus nicht erwartete, denn nie-
mals hat wohl ein Ministerium während der Krise selber mit so viel
naiver Gutherzigkeit Platz genommen wie das Ministerium Odilon-
Barrot, niemals ist wohl so sehr ein Ministerium von seiner eignen
Naivetät getäuscht worden, und noch jetzt, sollte man meinen, schiebt es

[Spaltenumbruch] 13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einſchränkung der
polizeilichen Gewalt und Verfügung daß allen k. k. Polizeidirectionen
und Commiſſariaten jede richterliche Gewalt abgenommen werde. 15)
Aufhebung der Verzehrungsſteuer. 16) Modificirung des Stempel-
geſetzes mit Rückſichtnahme des verarmten Bürger- und Bauernſtan-
des, namentlich in den Geſchäften des adeligen und ſtreitigen Richter-
amts und Bedachtnahme auf den Perſonalſtempel. 17) Dotirung der
Geiſtlichkeit durch den Staat und Verwendung der in Steyermark
gelegenen Kirchengüter zum ſteyeriſchen Communalvermögen. 18) Ge-
ſtaltung der ausſchließenden Vertretung des Gemeindeweſens durch
einen von allen Bürgern aus der Mitte der gewerb- und geſchäft-
treibenden Bürger gewählten und der Gemeinde verantwortlichen Aus-
ſchuß. 19) Recht der Bürgerſchaft ihre Beamten zu wählen und
zu entlaſſen. 20) Beſtellung der Bürgermeiſtersſtelle aus der Mitte
der Bürger mit Beigabe eines Vicebürgermeiſters, dem die Leitung
des Gerichtes obliegt. Beide von den Bürgern gewählt. 21) Auf-
hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Uebertragung der gegen-
wärtig vom Magiſtrate ausgeübten Civil- und Criminaljuſtiz an’s
k. k. Landrecht. 22) Uebernahme der Erhaltung der Polizeimannſchaft
von Seite der hohen Staatsverwaltung. 23) Ausſchließendes Recht des
Bürgerausſchuſſes Gemeindeanlagen zu beſtimmen oder zu modificiren auf-
zuheben. 24) Beſtimmung daß auf Koſten der Gemeinde keine wie immer
geartete Baute oder Verſchönerung in dem Weichbilde der Stadt Grätz
ohne einhellige Zuſtimmung aller Glieder des Gemeindeausſchuſſes an-
geordnet werden dürfe. 25) Verweiſung der Jeſuiten und der den-
ſelben affiliirten Geſellſchaften aus dem ganzen öſterreichiſchen Kaiſer-
ſtaate. Dieſe unſere Wünſche legen wir vertrauensvoll mit der wie-
derholten Verſicherung unſerer Ergebenheit und Anhänglichkeit an das
Herz Euerer k. k. Majeſtät, mit der ergebenſten Bitte denſelben noch
im Laufe dieſes Monats ſtattzugeben.

Se. Excellenz der Gouverneur, Graf von Wikenburg, erſchien in der
Verſammlung, ließ ſich die ganze Petition vorleſen und gab nach je-
dem einzelnen Punkte freiſinnige Antworten ab, die von den tröſtlich-
ſten Verſicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten,
von einem energiſchen Redner vertretenen Maſſe gegenüber einen har-
ten Stand, da ſie von ihm alsbaldige Suspenſion der Polizeigewalt
verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh-
ren, ſo wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge-
ſtattete. Die ganze Verſammlung ging befriedigt auseinander, und
ein Theil derſelben brachte dem in ſeine Gemächer zurückgekehrten Landes-
chef unmittelbar darauf ein begeiſtertes Lebehoch, das er aus dem Fen-
ſter mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiſerl. Hoheit dem
Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Verſammlung ebenfalls
ein Hoch dargebracht.

Das Theater bot
heute ein nie erlebtes Schauſpiel. Es wurde Bauernfelds „Großjährig“
gegeben. Die Schauſpieler erſchienen mit Bändern in Landesfarben,
weiß und grün, was einen Sturm von Beifall hervorrief. Das Er-
ſcheinen des Gouverneurs in der Hofloge ſteigerte denſelben, ſo daß
die Schauſpieler lange nicht weiter ſpielen konnten. Es wurde die
Abſingung der Volkshymne verlangt. Das ganze Publicum, nicht
wie ſonſt das Theaterperſonal, ſang dießmal unſer herrliches Lied.
Als der erſte Act zu Ende war, verkündete der Gouverneur von ſeinem
Sitze aus eine eben erhaltene telegraphiſche Nachricht folgenden In-
halts: „Conſtitution und Preßfreiheit wie in Deutſchland. In Wien
herrſcht gränzenloſer Jubel.“ Nun war auch bei uns des Jubels kein
Maß mehr. Die Volkshymne wurde noch einmal geſungen, hierauf:
„Was iſt des Deutſchen Vaterland.“ Dann ſtürmte die Menge unter
dem Rufe: Conſtitution! Beleuchtung! aus dem Theater und durch
alle Gaſſen der Stadt fort. In wenigen Minuten war die ganze Stadt
illuminirt. Eine Militärmuſikbande durchzieht die Stadt. Man bringt
dem Erzherzog Johann und dem Gouverneur endloſe Vivats. Es iſt
alles wie ein Traum! Gute Nacht!

Der Jubel iſt nicht
nur herabgeſtimmt, er hat einer tiefen Beſtürzung Platz gemacht.
Man verbreitet nämlich die Nachricht: die geſtern vom Gouverneur
mitgetheilte telegraphiſche Nachricht, die keine officielle war, ſey vor-
eilig geweſen; man wolle in Wien die Conſtitution nicht gewähren,
das ganze Volk ſtehe drohend der Regierung gegenüber und warte
nur die feſtgeſetzte Zeit ab, um ſtürmend loszubrechen. Man er-
zählt ſich auch daß bereits eine Schaar von Landleuten unſerer Stadt
[Spaltenumbruch] ſich nähere, um mit uns zu wirken. Nachmittag wird im Redouten-
ſaale wieder eine Berathung der Bürger und Studenten ſtattfinden.

Die Berathung war
ſtürmiſch; man verlangte augenblickliche Bewaffnung mit Flinten und
Kanonen, Ausfolgung der Munition, Uebernahme der Hauptpoſten ꝛc.
kurz eine gänzliche Sicherſtellung der Bewohner gegen das Militär das,
einem vorläufigen Beſchluſſe zufolge, die Vorſtädte beſetzen ſollte und
ſomit, wie man meinte, die Stadt umzingeln oder überrumpeln könnte.
Se. Excellenz der Gouverneur beruhigte die Gemüther ſoviel möglich
durch Mittheilung anderer telegraphiſchen Berichte, durch Aufführung
eines Grätzer Bürgers, der Wien Tags zuvor verlaſſen und die Stadt
ruhig gefunden, und durch die Erklärung daß er die Polizeigewalt
perſönlich ausüben werde, welche Mittheilung enthuſtaſtiſch aufgenom-
men wurde. Abends 5 Uhr kam das Manifeſt des Kaiſers das die
Conſtitution verhieß. Der Gouverneur, eben am Hauptwachplatze an-
weſend, improviſirte die Verlautbarung von einem offenen Fiakerwa-
gen herab vor der rings verſammelten zahlloſen Menge. Später im
Theater Bauernfels „deutſcher Krieger,“ wiederholte Verkündigung des
Manifeſtes, Volkshymne, das deutſche Vaterland, wiederholte Illu-
mination.



Aus Paris.

Wenn man alle Phraſen zur Seite läßt,
was iſt die heutige Lage Frankreichs? Wir gewahren ein Land das
ganz und gar nicht auf eine Revolution vorbereitet war, obwohl die
Revolution in ſeinen Adern kochte. Dieſe Revolution lag einzig in
der Lage der Handwerkerclaſſe, in ihrer Organiſation, in den ſich in
ihrem Schooße entwickelnden geheimen Verbindungen, in den Theorien
jener Männer welche unter dem Namen der Denker ſeit der Julius-
revolution bemüht waren in den Geiſt der Handwerksclaſſen das Ei
ihrer ſocialen Theorien auszubrüten. Die Handwerksclaſſe hat drei
Punkte in Frankreich wo ſie beſonders vorherrſchend iſt: Paris, Lyon,
Rouen; wie ich ſie hier der Reihe nach aufzähle nimmt ihre Bedeutung
ab. In Rouen iſt die Stellung der Handwerker zu den Fabricanten
weniger geſpannt als in Lyon, in Lyon weniger als zu Paris. Dieſe
letztere Stadt iſt die wahre Hauptſtadt der Handwerkerclaſſe in Frank-
reich. Man ſchlägt ihre Zahl, inſofern ſie über Frankreich verbreitet
iſt, zu ſechs oder ſieben Millionen an, vielleicht iſt dieſe Ziffer über-
trieben. Dem ſey wie ihm wolle, ſo iſt es doch nur verhältnißmäßig
ein geringer Theil dieſer Claſſe welcher in einer politiſchen und ſocialen
Verſchwörung ſich wirklich verflochten befand; aber in der Geſchichte
geben die Kühnen, die unter Zucht ſtehenden und Organiſtrten ſtets
den Ausſchlag; die Maſſen folgen. Der Handwerkerſtand zu Paris iſt
von einem ungeheuern Selbſtbewußtſeyn beſeſſen; ſeine Leiter, der
Mehrzahl nach Männer die vor der Pairskammer als Angeklagte ge-
ſtanden hatten, von denen viele in Staatsgefängniſſen vor der Zeit
ergraut waren, ſind Männer von der entſchiedenſten, von der wildeſten
Energie, bereit zu den entſchloſſenſten Schlägen. Das wußte man im
voraus. Aber Frankreich iſt ein großes ackerbauendes Land, und die
ackerbauende Claſſe ſtand allen dieſen Einflüſſen fremd, die Bürgerclaſſe
war ihnen entſchieden abhold, der Schule ſtanden ſie fern; ja ein Theil
der ächt republicaniſch Geſinnten, z. B. die ganze radicale Partei die
im National ihr Organ hatte, war dem Treiben der Socialiſten durch-
aus abhold, deßhalb im vollkommenſten Mißcredit bei der Handwerker-
claſſe, gar nicht entſchieden urplötzlich mit der orleaniſtiſchen Gegen-
wart zu brechen, denn ſie hoffte darauf daß ihr die Oppoſition zufallen
würde, ſie hoffte auf einen ſtets tiefern Bruch der Oppoſition und des
Hauſes Orleans, ſie wartete den Punkt ab wo das Haus Orleans
gewaltſam gegen die Oppoſition einſchreiten würde wegen ihrer ſtür-
miſchen Bewegungen in Betreff der Abänderungen im Wahlgeſetz. Die
gewaltige Exploſion wie ſie erfolgt iſt war ihr unter dieſer Form ſo
raſch, ſo plötzlich, ſo entſcheidend, ſelbſt unerwartet. Wenn die Revo-
lution alſo raſcher vor ſich ging als die radicale Partei erwartet hatte,
was ſoll man von der Beſtürzung, ja von der Ueberrumpelung der
Oppoſition ſagen, welche ſo blind war nicht einzuſehen daß ſie ſie ein-
gefädelt hatte, während ſie dieſelbe durchaus nicht erwartete, denn nie-
mals hat wohl ein Miniſterium während der Kriſe ſelber mit ſo viel
naiver Gutherzigkeit Platz genommen wie das Miniſterium Odilon-
Barrot, niemals iſt wohl ſo ſehr ein Miniſterium von ſeiner eignen
Naivetät getäuſcht worden, und noch jetzt, ſollte man meinen, ſchiebt es

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[1324/0012] 13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einſchränkung der polizeilichen Gewalt und Verfügung daß allen k. k. Polizeidirectionen und Commiſſariaten jede richterliche Gewalt abgenommen werde. 15) Aufhebung der Verzehrungsſteuer. 16) Modificirung des Stempel- geſetzes mit Rückſichtnahme des verarmten Bürger- und Bauernſtan- des, namentlich in den Geſchäften des adeligen und ſtreitigen Richter- amts und Bedachtnahme auf den Perſonalſtempel. 17) Dotirung der Geiſtlichkeit durch den Staat und Verwendung der in Steyermark gelegenen Kirchengüter zum ſteyeriſchen Communalvermögen. 18) Ge- ſtaltung der ausſchließenden Vertretung des Gemeindeweſens durch einen von allen Bürgern aus der Mitte der gewerb- und geſchäft- treibenden Bürger gewählten und der Gemeinde verantwortlichen Aus- ſchuß. 19) Recht der Bürgerſchaft ihre Beamten zu wählen und zu entlaſſen. 20) Beſtellung der Bürgermeiſtersſtelle aus der Mitte der Bürger mit Beigabe eines Vicebürgermeiſters, dem die Leitung des Gerichtes obliegt. Beide von den Bürgern gewählt. 21) Auf- hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Uebertragung der gegen- wärtig vom Magiſtrate ausgeübten Civil- und Criminaljuſtiz an’s k. k. Landrecht. 22) Uebernahme der Erhaltung der Polizeimannſchaft von Seite der hohen Staatsverwaltung. 23) Ausſchließendes Recht des Bürgerausſchuſſes Gemeindeanlagen zu beſtimmen oder zu modificiren auf- zuheben. 24) Beſtimmung daß auf Koſten der Gemeinde keine wie immer geartete Baute oder Verſchönerung in dem Weichbilde der Stadt Grätz ohne einhellige Zuſtimmung aller Glieder des Gemeindeausſchuſſes an- geordnet werden dürfe. 25) Verweiſung der Jeſuiten und der den- ſelben affiliirten Geſellſchaften aus dem ganzen öſterreichiſchen Kaiſer- ſtaate. Dieſe unſere Wünſche legen wir vertrauensvoll mit der wie- derholten Verſicherung unſerer Ergebenheit und Anhänglichkeit an das Herz Euerer k. k. Majeſtät, mit der ergebenſten Bitte denſelben noch im Laufe dieſes Monats ſtattzugeben. Grätz am 15 März 1848.“ Se. Excellenz der Gouverneur, Graf von Wikenburg, erſchien in der Verſammlung, ließ ſich die ganze Petition vorleſen und gab nach je- dem einzelnen Punkte freiſinnige Antworten ab, die von den tröſtlich- ſten Verſicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten, von einem energiſchen Redner vertretenen Maſſe gegenüber einen har- ten Stand, da ſie von ihm alsbaldige Suspenſion der Polizeigewalt verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh- ren, ſo wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge- ſtattete. Die ganze Verſammlung ging befriedigt auseinander, und ein Theil derſelben brachte dem in ſeine Gemächer zurückgekehrten Landes- chef unmittelbar darauf ein begeiſtertes Lebehoch, das er aus dem Fen- ſter mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiſerl. Hoheit dem Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Verſammlung ebenfalls ein Hoch dargebracht. # Grätz, 15 März. Nachts 11 Uhr.Das Theater bot heute ein nie erlebtes Schauſpiel. Es wurde Bauernfelds „Großjährig“ gegeben. Die Schauſpieler erſchienen mit Bändern in Landesfarben, weiß und grün, was einen Sturm von Beifall hervorrief. Das Er- ſcheinen des Gouverneurs in der Hofloge ſteigerte denſelben, ſo daß die Schauſpieler lange nicht weiter ſpielen konnten. Es wurde die Abſingung der Volkshymne verlangt. Das ganze Publicum, nicht wie ſonſt das Theaterperſonal, ſang dießmal unſer herrliches Lied. Als der erſte Act zu Ende war, verkündete der Gouverneur von ſeinem Sitze aus eine eben erhaltene telegraphiſche Nachricht folgenden In- halts: „Conſtitution und Preßfreiheit wie in Deutſchland. In Wien herrſcht gränzenloſer Jubel.“ Nun war auch bei uns des Jubels kein Maß mehr. Die Volkshymne wurde noch einmal geſungen, hierauf: „Was iſt des Deutſchen Vaterland.“ Dann ſtürmte die Menge unter dem Rufe: Conſtitution! Beleuchtung! aus dem Theater und durch alle Gaſſen der Stadt fort. In wenigen Minuten war die ganze Stadt illuminirt. Eine Militärmuſikbande durchzieht die Stadt. Man bringt dem Erzherzog Johann und dem Gouverneur endloſe Vivats. Es iſt alles wie ein Traum! Gute Nacht! # Grätz, 16 März. 11 Uhr Vormittags.Der Jubel iſt nicht nur herabgeſtimmt, er hat einer tiefen Beſtürzung Platz gemacht. Man verbreitet nämlich die Nachricht: die geſtern vom Gouverneur mitgetheilte telegraphiſche Nachricht, die keine officielle war, ſey vor- eilig geweſen; man wolle in Wien die Conſtitution nicht gewähren, das ganze Volk ſtehe drohend der Regierung gegenüber und warte nur die feſtgeſetzte Zeit ab, um ſtürmend loszubrechen. Man er- zählt ſich auch daß bereits eine Schaar von Landleuten unſerer Stadt ſich nähere, um mit uns zu wirken. Nachmittag wird im Redouten- ſaale wieder eine Berathung der Bürger und Studenten ſtattfinden. # Grätz, 16 März. Nachts 10 Uhr.Die Berathung war ſtürmiſch; man verlangte augenblickliche Bewaffnung mit Flinten und Kanonen, Ausfolgung der Munition, Uebernahme der Hauptpoſten ꝛc. kurz eine gänzliche Sicherſtellung der Bewohner gegen das Militär das, einem vorläufigen Beſchluſſe zufolge, die Vorſtädte beſetzen ſollte und ſomit, wie man meinte, die Stadt umzingeln oder überrumpeln könnte. Se. Excellenz der Gouverneur beruhigte die Gemüther ſoviel möglich durch Mittheilung anderer telegraphiſchen Berichte, durch Aufführung eines Grätzer Bürgers, der Wien Tags zuvor verlaſſen und die Stadt ruhig gefunden, und durch die Erklärung daß er die Polizeigewalt perſönlich ausüben werde, welche Mittheilung enthuſtaſtiſch aufgenom- men wurde. Abends 5 Uhr kam das Manifeſt des Kaiſers das die Conſtitution verhieß. Der Gouverneur, eben am Hauptwachplatze an- weſend, improviſirte die Verlautbarung von einem offenen Fiakerwa- gen herab vor der rings verſammelten zahlloſen Menge. Später im Theater Bauernfels „deutſcher Krieger,“ wiederholte Verkündigung des Manifeſtes, Volkshymne, das deutſche Vaterland, wiederholte Illu- mination. Aus Paris. ♀ Paris, 16 März.Wenn man alle Phraſen zur Seite läßt, was iſt die heutige Lage Frankreichs? Wir gewahren ein Land das ganz und gar nicht auf eine Revolution vorbereitet war, obwohl die Revolution in ſeinen Adern kochte. Dieſe Revolution lag einzig in der Lage der Handwerkerclaſſe, in ihrer Organiſation, in den ſich in ihrem Schooße entwickelnden geheimen Verbindungen, in den Theorien jener Männer welche unter dem Namen der Denker ſeit der Julius- revolution bemüht waren in den Geiſt der Handwerksclaſſen das Ei ihrer ſocialen Theorien auszubrüten. Die Handwerksclaſſe hat drei Punkte in Frankreich wo ſie beſonders vorherrſchend iſt: Paris, Lyon, Rouen; wie ich ſie hier der Reihe nach aufzähle nimmt ihre Bedeutung ab. In Rouen iſt die Stellung der Handwerker zu den Fabricanten weniger geſpannt als in Lyon, in Lyon weniger als zu Paris. Dieſe letztere Stadt iſt die wahre Hauptſtadt der Handwerkerclaſſe in Frank- reich. Man ſchlägt ihre Zahl, inſofern ſie über Frankreich verbreitet iſt, zu ſechs oder ſieben Millionen an, vielleicht iſt dieſe Ziffer über- trieben. Dem ſey wie ihm wolle, ſo iſt es doch nur verhältnißmäßig ein geringer Theil dieſer Claſſe welcher in einer politiſchen und ſocialen Verſchwörung ſich wirklich verflochten befand; aber in der Geſchichte geben die Kühnen, die unter Zucht ſtehenden und Organiſtrten ſtets den Ausſchlag; die Maſſen folgen. Der Handwerkerſtand zu Paris iſt von einem ungeheuern Selbſtbewußtſeyn beſeſſen; ſeine Leiter, der Mehrzahl nach Männer die vor der Pairskammer als Angeklagte ge- ſtanden hatten, von denen viele in Staatsgefängniſſen vor der Zeit ergraut waren, ſind Männer von der entſchiedenſten, von der wildeſten Energie, bereit zu den entſchloſſenſten Schlägen. Das wußte man im voraus. Aber Frankreich iſt ein großes ackerbauendes Land, und die ackerbauende Claſſe ſtand allen dieſen Einflüſſen fremd, die Bürgerclaſſe war ihnen entſchieden abhold, der Schule ſtanden ſie fern; ja ein Theil der ächt republicaniſch Geſinnten, z. B. die ganze radicale Partei die im National ihr Organ hatte, war dem Treiben der Socialiſten durch- aus abhold, deßhalb im vollkommenſten Mißcredit bei der Handwerker- claſſe, gar nicht entſchieden urplötzlich mit der orleaniſtiſchen Gegen- wart zu brechen, denn ſie hoffte darauf daß ihr die Oppoſition zufallen würde, ſie hoffte auf einen ſtets tiefern Bruch der Oppoſition und des Hauſes Orleans, ſie wartete den Punkt ab wo das Haus Orleans gewaltſam gegen die Oppoſition einſchreiten würde wegen ihrer ſtür- miſchen Bewegungen in Betreff der Abänderungen im Wahlgeſetz. Die gewaltige Exploſion wie ſie erfolgt iſt war ihr unter dieſer Form ſo raſch, ſo plötzlich, ſo entſcheidend, ſelbſt unerwartet. Wenn die Revo- lution alſo raſcher vor ſich ging als die radicale Partei erwartet hatte, was ſoll man von der Beſtürzung, ja von der Ueberrumpelung der Oppoſition ſagen, welche ſo blind war nicht einzuſehen daß ſie ſie ein- gefädelt hatte, während ſie dieſelbe durchaus nicht erwartete, denn nie- mals hat wohl ein Miniſterium während der Kriſe ſelber mit ſo viel naiver Gutherzigkeit Platz genommen wie das Miniſterium Odilon- Barrot, niemals iſt wohl ſo ſehr ein Miniſterium von ſeiner eignen Naivetät getäuſcht worden, und noch jetzt, ſollte man meinen, ſchiebt es

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848, S. 1324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine83_1848/12>, abgerufen am 10.06.2024.