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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen sofort gewäh-
ren, die andern Bitten aber um Sachen rücksichtlich deren er an die Mit-
wirkung der Stände gebunden, durch Vorlagen an diese erledigen werde."
Nach dieser Eröffnung zog die Menge ruhig ab. Der Magistrat ließ
darauf sofort die Adresse der Bürgerschaft, welche die Bitten enthält,
seine befürwortende Petition und die Gewährungen des Königs
drucken und Abends in der Stadt vertheilen. Abends gab es vielfachen
Auflauf und Spectakel, "vor einigen Häusern (wie die Hannoversche Zei-
tung sagt) wurden Vivats gebracht" -- nämlich bei beliebten Bürgern
und Führern der Bewegung -- "an andern wurden Fenster eingeworfen"
-- nämlich beim Geh. Cabinetsrath v. Falcke, der Seele unsers Cabi-
nets, der Gräsin Grote, einer beim König sehr einflußreichen Dame, und
bei einigen Polizeibeamten. Da man die Wohnung der Gräfin Grote
nicht genau wußte, litten einige benachbarte Häuser aus Irrthum mit
unter den Steinwürfen; an einem dieser irrthümlich beschädigten Häuser
fand sich am andern Morgen die Inschrift: "Wir bitten um Entschuldi-
gung." Der königliche Palast dem sich mehrmals lärmende Haufen zu
nähern versuchten, war durch Aufstellung von Truppen geschützt, wie
denn auch sonst zahlreiche Patrouillen und Truppenabtheilungen die Lär-
menden möglichst zu vertreiben suchten, ohne jedoch irgendwie von der
Waffe Gebrauch zu machen. Um Mitternacht war alles ruhig. Am an-
dern Morgen, gestern den 18, wurde ein Extrablatt der Hannoverschen
Zeitung ausgegeben, welches ebenfalls die Adresse der Bürgerschaft und
die Petition des Magistrats brachte, zugleich aber über die vom König
gemachten Concessionen in durchaus von der am Tage zuvor vom Ma-
gistrate dieserhalb veröffentlichten Mittheilung abweichender Weise refe-
rirte: es war nach dieser Version der Hannoverschen Zei-
tung gar nichts direct bewilligt worden.
Zugleich erfolgte
eine officielle Resolution des Königs an den Magistrat, welche mit
der Version der Hannoverschen Zeitung übereinstimmte. Dieses offen-
bare Zurücknehmen des gestern Bewilligten machte sehr böses Blut. Für
den Abend waren Excesse zu besorgen, denen man durch Vorbereitung
zur Entfaltung großer militärischer Maßregeln zu begegnen suchte; die
Promenaden welche rings um die Stadt und namentlich die fashionabeln
Straßen umgeben sind mit Pfosten eingefaßt, welche durch Ketten ver-
bunden sind; diese Ketten wurden eiligst entfernt, damit die Cavallerie
nicht dadurch gehemmt werde, auch andere Hindernisse beseitigt. Inzwi-
schen mag die Kunde von den Wiener Ereignissen doch zum Bessern ein-
gewirkt haben. Man forderte die Bürgerschaft in aller Eile zur Errich-
tung einer -- vorläufig unbewaffneten -- Schutzwache auf, welche die
Aufrechthaltung der Ruhe übernahm; dagegen sollte das Militär nur
auf Requisition dieser Bürgerwache einschreiten dürfen, die Thore wur-
den gegen Gesindel, das etwa von außen eindringen wolle, gesperrt etc.
So verging der Abend durchaus ruhig. Dagegen wurde -- und die
Vereinigung zu der Bürgerwache bot zur Verabredung zu gemeinschaft-
lichem Handeln die bequemste Gelegenheit -- ein neuer Zug vor des Kö-
nigs Palast auf heute morgen verabredet, um nun die am 17 bewillig-
ten, am 18 in Frage gestellten Bewilligungen in unzweifelhafterer Weise
zu erlangen. Die Regierung erhielt davon Kunde, und nun wurden durch
den Landdrosten v. Dachenhausen und die Adjutanten des Königs Ver-
handlungen mit der Bürgerschaft und dem Magistrat angeknüpft. Um
11 Uhr Nachts noch ward das Concept einer neuen königlichen Resolu-
tion vorgelegt, welche die vom 17 erklären sollte; die Bürgerschaft ver-
warf diese und forderte unbedingte Genehmigung der Veröffentlichung
des Magistrats über die gemachten Bewilligungen. Diese ward endlich
zugestanden, noch um Mitternacht vom König unterzeichnet und die deß-
fallsige Resolution in der Nacht gedruckt, heute früh in der Stadt ver-
theilt. Dieselbe -- wie zu guter Vorbedeutung der Contrasignatur des
Hrn. v. Falcke entbehrend -- bestätigt einfach die Version der Magi-
stratsmittheilung als die ächte. Jetzt ist alles ruhig, d. h. hinsichtlich
der gemachten Bewilligungen; dagegen ist eine Petition wegen Entlas-
sung des Ministeriums im Gange. Eine eben solche ist, in Osnabrück
unterzeichnet, hieher unterwegs. In Osnabrück ist überhaupt die Stim-
mung eine sehr erhöhte; als die Nachricht von Metternichs Falle an-
langte, wurde die ganze Stadt erleuchtet, und zwar illuminirte nicht bloß
die Bürgerschaft, sondern auch die königlichen Beamten, ja das könig-
liche Schloß und die Caserne wurden illuminirt, und zwar diese unter
Zurückweisung der angebotenen Kosten aus der Regimentscasse durch die
Beiträge der Unterofficiere, die sich das nicht nehmen lassen wollten. --
Aus Celle ist eine ungemein energische Petition eingetroffen, ähnliche
auch von vielen andern Städten und Corporationen; für Eröffnung des
[Spaltenumbruch] Landtags ist der Besuch von vielen Tausenden aus allen Gegenden des
Landes zu erwarten, die ihre Deputirten hieher geleiten wollen. Die Er-
öffnung wird übrigens durch den Prinzen Bernhard v. Solms-Braun-
fels vorgenommen werden; der König, trotz seiner Krankheit bis vor-
gestern noch entschlossen die Eröffnung in Person vorzunehmen, fühlt
sich jetzt zu krank und schwach dazu.

Wie ich Ihnen
vor einiger Zeit schrieb daß bei uns, in Oldenburg, Mecklenburg, Pom-
mern die Bewegung am spätesten ausbrechen würde, so ist es auch ge-
kommen. Das beweglichste Element, Osnabrück, ging, wie zu erwarten
war, am ersten los und erwies sich auch jetzt am intensivsten thätig.
Die natürliche Ruhe und Zähigkeit des niedersächsischen Volkscharak-
ters ließ die Gährung nur langsam voranschreiten und sich in gesetzlicher
Form weiter bewegen. Da kam das merkwürdige Ereigniß in Göttin-
gen hinzu. Die nach Northeim ausgezogenen Studenten zerstreuten
sich von da wie Fermente im ganzen Land. So schnell als man es
kaum denken konnte kam eine Osnabrücker Adresse nach Göttingen mit
Antrag zum gemeinschaftlichen Handeln. Alle Städte communiciren
miteinander, bieten sich selbst bewaffnete Hülfe an. Ja -- was Gott
verhüten wolle -- selbst Freischaarenzüge aus dem benachbarten Hessen
wurden angeboten. Seit Wien gefallen und Berlin im vollen Aufruhr
ist, wird auch in Hannover der fernere Widerstand unmöglich. Falcke,
welcher noch in sehr unpassender Weise sich jüngst gegen mehrere Depu-
tationen benahm, wird seinem Lehrer und Meister Metternich bald nach-
folgen. In diesem Augenblick sind Bürgerausschüsse von Osnabrück,
Hildesheim und Hannover vereinigt um einen Wechsel des Ministeriums
zu verlangen und dem König Candidaten zu präsentiren, unter ihnen
Stüve und Breusing von Osnabrück. Wahrscheinlich werden alle bis-
herigen Minister abtreten. Doch hofft man daß Graf Wedel, als ein
populärer und ehrenwerther, freisinniger Mann, Minister und Curator
der Universität bleiben wird. Sicherem Vernehmen nach hat derselbe
die Handlungsweise des Polizeidirectors in Göttingen durchaus miß-
billigt, und er wird für die Zukunft die sichersten Garantien beantragen,
so daß der demnächstigen Rückkehr der Studirenden nach Göttingen
nichts im Wege stehen wird.

Der Geheimerath v. Falcke hat
gestern seine Entlassung gegeben oder erhalten -- nennen Sie's wie
Sie wollen. Entlassen war er schon als am Tage vor seinem Rücktritt
der König eine Proclamation ohne seine Gegenzeichnung erlassen hatte
in welcher er seine (Falcke's) letzte Ausfertigungen vollständig desa-
vouirte. Die Bürgerschaft war aufs äußerste erbittert über die Ver-
letzung ihres Magistrats, dessen Erklärung über die Gewährungen des
Königs durch Hrn. v. Falckes spätern Bescheid geradezu widerlegt wa-
ren. Die Bürger waren entschlossen Falcke's Abgang als das einzige
Mittel zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther durchzusetzen. Er
kam ihnen zuvor. 5000 Bürger, schnell zu einer unbewaffneten Bür-
gergarde organisirt, haben übrigens die am Freitag ernstlich bedrohte
Ruhe der Stadt gestern und ehegestern vollständig erhalten. Kein Sol-
dat durfte sich sehen lassen.

Preußen.

Durch das unselige Zaudern in
Berlin kommt unsere ganze Provinz in eine fieberhafte Spannung. Preu-
ßen wollte sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen, so ist es denn
hinter allen deutschen Staaten zurückgeblieben, selbst hinter Oesterreich.
Der Unwille über diesen Verlauf der Dinge ist hier allgemein. Selbst
das Volk spottet über den "preußischen allmählichen Fortschritt." "Im-
mer langsam voran! Immer langsam voran! Damit der Oesterreicher
uns vorkommen kann!" So singt man jetzt das bekannte Lied, und in
der heutigen Zeitung wird die Theaterdirection aufgefordert "die Wie-
ner in Berlin" zu geben. Aber ernste Besorgnisse erregen die Folgen der
allgemeinen Unsicherheit und des Mangels an Zutrauen in Handel und
Gewerbe. Manche Fabricanten müssen aus Mangel an Absatz ihre Arbei-
ter entlassen, und die unter diesen Leuten herrschende Gährung wird da-
durch vermehrt. Sie haben in unserer Nähe ähnliche Ausschweifungen
begangen wie die Bauern in Süddeutschland. Sie sind in Banden um-
hergezogen, haben an verschiedenen Orten Fabriken zerstört, namentlich
in Solingen, wo eine Anlage der Seehandlung ihren Unwillen auf sich
zog, wo die sonst geschmiedeten Waaren von Metall gegossen werden, und so
ihrer Handarbeit Abbruch geschieht. Sehr ernstliche Unordnungen haben
auch in Mühlheim an der Ruhr stattgefunden, und in Elberfeld, wo die
Arbeiter sich sogar des Rathhauses bemächtigt hatten, und blutig mit

[Spaltenumbruch] urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen ſofort gewäh-
ren, die andern Bitten aber um Sachen rückſichtlich deren er an die Mit-
wirkung der Stände gebunden, durch Vorlagen an dieſe erledigen werde.“
Nach dieſer Eröffnung zog die Menge ruhig ab. Der Magiſtrat ließ
darauf ſofort die Adreſſe der Bürgerſchaft, welche die Bitten enthält,
ſeine befürwortende Petition und die Gewährungen des Königs
drucken und Abends in der Stadt vertheilen. Abends gab es vielfachen
Auflauf und Spectakel, „vor einigen Häuſern (wie die Hannoverſche Zei-
tung ſagt) wurden Vivats gebracht“ — nämlich bei beliebten Bürgern
und Führern der Bewegung — „an andern wurden Fenſter eingeworfen“
— nämlich beim Geh. Cabinetsrath v. Falcke, der Seele unſers Cabi-
nets, der Gräſin Grote, einer beim König ſehr einflußreichen Dame, und
bei einigen Polizeibeamten. Da man die Wohnung der Gräfin Grote
nicht genau wußte, litten einige benachbarte Häuſer aus Irrthum mit
unter den Steinwürfen; an einem dieſer irrthümlich beſchädigten Häuſer
fand ſich am andern Morgen die Inſchrift: „Wir bitten um Entſchuldi-
gung.“ Der königliche Palaſt dem ſich mehrmals lärmende Haufen zu
nähern verſuchten, war durch Aufſtellung von Truppen geſchützt, wie
denn auch ſonſt zahlreiche Patrouillen und Truppenabtheilungen die Lär-
menden möglichſt zu vertreiben ſuchten, ohne jedoch irgendwie von der
Waffe Gebrauch zu machen. Um Mitternacht war alles ruhig. Am an-
dern Morgen, geſtern den 18, wurde ein Extrablatt der Hannoverſchen
Zeitung ausgegeben, welches ebenfalls die Adreſſe der Bürgerſchaft und
die Petition des Magiſtrats brachte, zugleich aber über die vom König
gemachten Conceſſionen in durchaus von der am Tage zuvor vom Ma-
giſtrate dieſerhalb veröffentlichten Mittheilung abweichender Weiſe refe-
rirte: es war nach dieſer Verſion der Hannoverſchen Zei-
tung gar nichts direct bewilligt worden.
Zugleich erfolgte
eine officielle Reſolution des Königs an den Magiſtrat, welche mit
der Verſion der Hannoverſchen Zeitung übereinſtimmte. Dieſes offen-
bare Zurücknehmen des geſtern Bewilligten machte ſehr böſes Blut. Für
den Abend waren Exceſſe zu beſorgen, denen man durch Vorbereitung
zur Entfaltung großer militäriſcher Maßregeln zu begegnen ſuchte; die
Promenaden welche rings um die Stadt und namentlich die faſhionabeln
Straßen umgeben ſind mit Pfoſten eingefaßt, welche durch Ketten ver-
bunden ſind; dieſe Ketten wurden eiligſt entfernt, damit die Cavallerie
nicht dadurch gehemmt werde, auch andere Hinderniſſe beſeitigt. Inzwi-
ſchen mag die Kunde von den Wiener Ereigniſſen doch zum Beſſern ein-
gewirkt haben. Man forderte die Bürgerſchaft in aller Eile zur Errich-
tung einer — vorläufig unbewaffneten — Schutzwache auf, welche die
Aufrechthaltung der Ruhe übernahm; dagegen ſollte das Militär nur
auf Requiſition dieſer Bürgerwache einſchreiten dürfen, die Thore wur-
den gegen Geſindel, das etwa von außen eindringen wolle, geſperrt ꝛc.
So verging der Abend durchaus ruhig. Dagegen wurde — und die
Vereinigung zu der Bürgerwache bot zur Verabredung zu gemeinſchaft-
lichem Handeln die bequemſte Gelegenheit — ein neuer Zug vor des Kö-
nigs Palaſt auf heute morgen verabredet, um nun die am 17 bewillig-
ten, am 18 in Frage geſtellten Bewilligungen in unzweifelhafterer Weiſe
zu erlangen. Die Regierung erhielt davon Kunde, und nun wurden durch
den Landdroſten v. Dachenhauſen und die Adjutanten des Königs Ver-
handlungen mit der Bürgerſchaft und dem Magiſtrat angeknüpft. Um
11 Uhr Nachts noch ward das Concept einer neuen königlichen Reſolu-
tion vorgelegt, welche die vom 17 erklären ſollte; die Bürgerſchaft ver-
warf dieſe und forderte unbedingte Genehmigung der Veröffentlichung
des Magiſtrats über die gemachten Bewilligungen. Dieſe ward endlich
zugeſtanden, noch um Mitternacht vom König unterzeichnet und die deß-
fallſige Reſolution in der Nacht gedruckt, heute früh in der Stadt ver-
theilt. Dieſelbe — wie zu guter Vorbedeutung der Contraſignatur des
Hrn. v. Falcke entbehrend — beſtätigt einfach die Verſion der Magi-
ſtratsmittheilung als die ächte. Jetzt iſt alles ruhig, d. h. hinſichtlich
der gemachten Bewilligungen; dagegen iſt eine Petition wegen Entlaſ-
ſung des Miniſteriums im Gange. Eine eben ſolche iſt, in Osnabrück
unterzeichnet, hieher unterwegs. In Osnabrück iſt überhaupt die Stim-
mung eine ſehr erhöhte; als die Nachricht von Metternichs Falle an-
langte, wurde die ganze Stadt erleuchtet, und zwar illuminirte nicht bloß
die Bürgerſchaft, ſondern auch die königlichen Beamten, ja das könig-
liche Schloß und die Caſerne wurden illuminirt, und zwar dieſe unter
Zurückweiſung der angebotenen Koſten aus der Regimentscaſſe durch die
Beiträge der Unterofficiere, die ſich das nicht nehmen laſſen wollten. —
Aus Celle iſt eine ungemein energiſche Petition eingetroffen, ähnliche
auch von vielen andern Städten und Corporationen; für Eröffnung des
[Spaltenumbruch] Landtags iſt der Beſuch von vielen Tauſenden aus allen Gegenden des
Landes zu erwarten, die ihre Deputirten hieher geleiten wollen. Die Er-
öffnung wird übrigens durch den Prinzen Bernhard v. Solms-Braun-
fels vorgenommen werden; der König, trotz ſeiner Krankheit bis vor-
geſtern noch entſchloſſen die Eröffnung in Perſon vorzunehmen, fühlt
ſich jetzt zu krank und ſchwach dazu.

Wie ich Ihnen
vor einiger Zeit ſchrieb daß bei uns, in Oldenburg, Mecklenburg, Pom-
mern die Bewegung am ſpäteſten ausbrechen würde, ſo iſt es auch ge-
kommen. Das beweglichſte Element, Osnabrück, ging, wie zu erwarten
war, am erſten los und erwies ſich auch jetzt am intenſivſten thätig.
Die natürliche Ruhe und Zähigkeit des niederſächſiſchen Volkscharak-
ters ließ die Gährung nur langſam voranſchreiten und ſich in geſetzlicher
Form weiter bewegen. Da kam das merkwürdige Ereigniß in Göttin-
gen hinzu. Die nach Northeim ausgezogenen Studenten zerſtreuten
ſich von da wie Fermente im ganzen Land. So ſchnell als man es
kaum denken konnte kam eine Osnabrücker Adreſſe nach Göttingen mit
Antrag zum gemeinſchaftlichen Handeln. Alle Städte communiciren
miteinander, bieten ſich ſelbſt bewaffnete Hülfe an. Ja — was Gott
verhüten wolle — ſelbſt Freiſchaarenzüge aus dem benachbarten Heſſen
wurden angeboten. Seit Wien gefallen und Berlin im vollen Aufruhr
iſt, wird auch in Hannover der fernere Widerſtand unmöglich. Falcke,
welcher noch in ſehr unpaſſender Weiſe ſich jüngſt gegen mehrere Depu-
tationen benahm, wird ſeinem Lehrer und Meiſter Metternich bald nach-
folgen. In dieſem Augenblick ſind Bürgerausſchüſſe von Osnabrück,
Hildesheim und Hannover vereinigt um einen Wechſel des Miniſteriums
zu verlangen und dem König Candidaten zu präſentiren, unter ihnen
Stüve und Breuſing von Osnabrück. Wahrſcheinlich werden alle bis-
herigen Miniſter abtreten. Doch hofft man daß Graf Wedel, als ein
populärer und ehrenwerther, freiſinniger Mann, Miniſter und Curator
der Univerſität bleiben wird. Sicherem Vernehmen nach hat derſelbe
die Handlungsweiſe des Polizeidirectors in Göttingen durchaus miß-
billigt, und er wird für die Zukunft die ſicherſten Garantien beantragen,
ſo daß der demnächſtigen Rückkehr der Studirenden nach Göttingen
nichts im Wege ſtehen wird.

Der Geheimerath v. Falcke hat
geſtern ſeine Entlaſſung gegeben oder erhalten — nennen Sie’s wie
Sie wollen. Entlaſſen war er ſchon als am Tage vor ſeinem Rücktritt
der König eine Proclamation ohne ſeine Gegenzeichnung erlaſſen hatte
in welcher er ſeine (Falcke’s) letzte Ausfertigungen vollſtändig desa-
vouirte. Die Bürgerſchaft war aufs äußerſte erbittert über die Ver-
letzung ihres Magiſtrats, deſſen Erklärung über die Gewährungen des
Königs durch Hrn. v. Falckes ſpätern Beſcheid geradezu widerlegt wa-
ren. Die Bürger waren entſchloſſen Falcke’s Abgang als das einzige
Mittel zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther durchzuſetzen. Er
kam ihnen zuvor. 5000 Bürger, ſchnell zu einer unbewaffneten Bür-
gergarde organiſirt, haben übrigens die am Freitag ernſtlich bedrohte
Ruhe der Stadt geſtern und ehegeſtern vollſtändig erhalten. Kein Sol-
dat durfte ſich ſehen laſſen.

Preußen.

Durch das unſelige Zaudern in
Berlin kommt unſere ganze Provinz in eine fieberhafte Spannung. Preu-
ßen wollte ſich nicht an die Spitze der Bewegung ſtellen, ſo iſt es denn
hinter allen deutſchen Staaten zurückgeblieben, ſelbſt hinter Oeſterreich.
Der Unwille über dieſen Verlauf der Dinge iſt hier allgemein. Selbſt
das Volk ſpottet über den „preußiſchen allmählichen Fortſchritt.“ „Im-
mer langſam voran! Immer langſam voran! Damit der Oeſterreicher
uns vorkommen kann!“ So ſingt man jetzt das bekannte Lied, und in
der heutigen Zeitung wird die Theaterdirection aufgefordert „die Wie-
ner in Berlin“ zu geben. Aber ernſte Beſorgniſſe erregen die Folgen der
allgemeinen Unſicherheit und des Mangels an Zutrauen in Handel und
Gewerbe. Manche Fabricanten müſſen aus Mangel an Abſatz ihre Arbei-
ter entlaſſen, und die unter dieſen Leuten herrſchende Gährung wird da-
durch vermehrt. Sie haben in unſerer Nähe ähnliche Ausſchweifungen
begangen wie die Bauern in Süddeutſchland. Sie ſind in Banden um-
hergezogen, haben an verſchiedenen Orten Fabriken zerſtört, namentlich
in Solingen, wo eine Anlage der Seehandlung ihren Unwillen auf ſich
zog, wo die ſonſt geſchmiedeten Waaren von Metall gegoſſen werden, und ſo
ihrer Handarbeit Abbruch geſchieht. Sehr ernſtliche Unordnungen haben
auch in Mühlheim an der Ruhr ſtattgefunden, und in Elberfeld, wo die
Arbeiter ſich ſogar des Rathhauſes bemächtigt hatten, und blutig mit

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[1331/0003] urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen ſofort gewäh- ren, die andern Bitten aber um Sachen rückſichtlich deren er an die Mit- wirkung der Stände gebunden, durch Vorlagen an dieſe erledigen werde.“ Nach dieſer Eröffnung zog die Menge ruhig ab. Der Magiſtrat ließ darauf ſofort die Adreſſe der Bürgerſchaft, welche die Bitten enthält, ſeine befürwortende Petition und die Gewährungen des Königs drucken und Abends in der Stadt vertheilen. Abends gab es vielfachen Auflauf und Spectakel, „vor einigen Häuſern (wie die Hannoverſche Zei- tung ſagt) wurden Vivats gebracht“ — nämlich bei beliebten Bürgern und Führern der Bewegung — „an andern wurden Fenſter eingeworfen“ — nämlich beim Geh. Cabinetsrath v. Falcke, der Seele unſers Cabi- nets, der Gräſin Grote, einer beim König ſehr einflußreichen Dame, und bei einigen Polizeibeamten. Da man die Wohnung der Gräfin Grote nicht genau wußte, litten einige benachbarte Häuſer aus Irrthum mit unter den Steinwürfen; an einem dieſer irrthümlich beſchädigten Häuſer fand ſich am andern Morgen die Inſchrift: „Wir bitten um Entſchuldi- gung.“ Der königliche Palaſt dem ſich mehrmals lärmende Haufen zu nähern verſuchten, war durch Aufſtellung von Truppen geſchützt, wie denn auch ſonſt zahlreiche Patrouillen und Truppenabtheilungen die Lär- menden möglichſt zu vertreiben ſuchten, ohne jedoch irgendwie von der Waffe Gebrauch zu machen. Um Mitternacht war alles ruhig. Am an- dern Morgen, geſtern den 18, wurde ein Extrablatt der Hannoverſchen Zeitung ausgegeben, welches ebenfalls die Adreſſe der Bürgerſchaft und die Petition des Magiſtrats brachte, zugleich aber über die vom König gemachten Conceſſionen in durchaus von der am Tage zuvor vom Ma- giſtrate dieſerhalb veröffentlichten Mittheilung abweichender Weiſe refe- rirte: es war nach dieſer Verſion der Hannoverſchen Zei- tung gar nichts direct bewilligt worden. Zugleich erfolgte eine officielle Reſolution des Königs an den Magiſtrat, welche mit der Verſion der Hannoverſchen Zeitung übereinſtimmte. Dieſes offen- bare Zurücknehmen des geſtern Bewilligten machte ſehr böſes Blut. Für den Abend waren Exceſſe zu beſorgen, denen man durch Vorbereitung zur Entfaltung großer militäriſcher Maßregeln zu begegnen ſuchte; die Promenaden welche rings um die Stadt und namentlich die faſhionabeln Straßen umgeben ſind mit Pfoſten eingefaßt, welche durch Ketten ver- bunden ſind; dieſe Ketten wurden eiligſt entfernt, damit die Cavallerie nicht dadurch gehemmt werde, auch andere Hinderniſſe beſeitigt. Inzwi- ſchen mag die Kunde von den Wiener Ereigniſſen doch zum Beſſern ein- gewirkt haben. Man forderte die Bürgerſchaft in aller Eile zur Errich- tung einer — vorläufig unbewaffneten — Schutzwache auf, welche die Aufrechthaltung der Ruhe übernahm; dagegen ſollte das Militär nur auf Requiſition dieſer Bürgerwache einſchreiten dürfen, die Thore wur- den gegen Geſindel, das etwa von außen eindringen wolle, geſperrt ꝛc. So verging der Abend durchaus ruhig. Dagegen wurde — und die Vereinigung zu der Bürgerwache bot zur Verabredung zu gemeinſchaft- lichem Handeln die bequemſte Gelegenheit — ein neuer Zug vor des Kö- nigs Palaſt auf heute morgen verabredet, um nun die am 17 bewillig- ten, am 18 in Frage geſtellten Bewilligungen in unzweifelhafterer Weiſe zu erlangen. Die Regierung erhielt davon Kunde, und nun wurden durch den Landdroſten v. Dachenhauſen und die Adjutanten des Königs Ver- handlungen mit der Bürgerſchaft und dem Magiſtrat angeknüpft. Um 11 Uhr Nachts noch ward das Concept einer neuen königlichen Reſolu- tion vorgelegt, welche die vom 17 erklären ſollte; die Bürgerſchaft ver- warf dieſe und forderte unbedingte Genehmigung der Veröffentlichung des Magiſtrats über die gemachten Bewilligungen. Dieſe ward endlich zugeſtanden, noch um Mitternacht vom König unterzeichnet und die deß- fallſige Reſolution in der Nacht gedruckt, heute früh in der Stadt ver- theilt. Dieſelbe — wie zu guter Vorbedeutung der Contraſignatur des Hrn. v. Falcke entbehrend — beſtätigt einfach die Verſion der Magi- ſtratsmittheilung als die ächte. Jetzt iſt alles ruhig, d. h. hinſichtlich der gemachten Bewilligungen; dagegen iſt eine Petition wegen Entlaſ- ſung des Miniſteriums im Gange. Eine eben ſolche iſt, in Osnabrück unterzeichnet, hieher unterwegs. In Osnabrück iſt überhaupt die Stim- mung eine ſehr erhöhte; als die Nachricht von Metternichs Falle an- langte, wurde die ganze Stadt erleuchtet, und zwar illuminirte nicht bloß die Bürgerſchaft, ſondern auch die königlichen Beamten, ja das könig- liche Schloß und die Caſerne wurden illuminirt, und zwar dieſe unter Zurückweiſung der angebotenen Koſten aus der Regimentscaſſe durch die Beiträge der Unterofficiere, die ſich das nicht nehmen laſſen wollten. — Aus Celle iſt eine ungemein energiſche Petition eingetroffen, ähnliche auch von vielen andern Städten und Corporationen; für Eröffnung des Landtags iſt der Beſuch von vielen Tauſenden aus allen Gegenden des Landes zu erwarten, die ihre Deputirten hieher geleiten wollen. Die Er- öffnung wird übrigens durch den Prinzen Bernhard v. Solms-Braun- fels vorgenommen werden; der König, trotz ſeiner Krankheit bis vor- geſtern noch entſchloſſen die Eröffnung in Perſon vorzunehmen, fühlt ſich jetzt zu krank und ſchwach dazu. † Aus dem Hannoveriſchen, 20 März.Wie ich Ihnen vor einiger Zeit ſchrieb daß bei uns, in Oldenburg, Mecklenburg, Pom- mern die Bewegung am ſpäteſten ausbrechen würde, ſo iſt es auch ge- kommen. Das beweglichſte Element, Osnabrück, ging, wie zu erwarten war, am erſten los und erwies ſich auch jetzt am intenſivſten thätig. Die natürliche Ruhe und Zähigkeit des niederſächſiſchen Volkscharak- ters ließ die Gährung nur langſam voranſchreiten und ſich in geſetzlicher Form weiter bewegen. Da kam das merkwürdige Ereigniß in Göttin- gen hinzu. Die nach Northeim ausgezogenen Studenten zerſtreuten ſich von da wie Fermente im ganzen Land. So ſchnell als man es kaum denken konnte kam eine Osnabrücker Adreſſe nach Göttingen mit Antrag zum gemeinſchaftlichen Handeln. Alle Städte communiciren miteinander, bieten ſich ſelbſt bewaffnete Hülfe an. Ja — was Gott verhüten wolle — ſelbſt Freiſchaarenzüge aus dem benachbarten Heſſen wurden angeboten. Seit Wien gefallen und Berlin im vollen Aufruhr iſt, wird auch in Hannover der fernere Widerſtand unmöglich. Falcke, welcher noch in ſehr unpaſſender Weiſe ſich jüngſt gegen mehrere Depu- tationen benahm, wird ſeinem Lehrer und Meiſter Metternich bald nach- folgen. In dieſem Augenblick ſind Bürgerausſchüſſe von Osnabrück, Hildesheim und Hannover vereinigt um einen Wechſel des Miniſteriums zu verlangen und dem König Candidaten zu präſentiren, unter ihnen Stüve und Breuſing von Osnabrück. Wahrſcheinlich werden alle bis- herigen Miniſter abtreten. Doch hofft man daß Graf Wedel, als ein populärer und ehrenwerther, freiſinniger Mann, Miniſter und Curator der Univerſität bleiben wird. Sicherem Vernehmen nach hat derſelbe die Handlungsweiſe des Polizeidirectors in Göttingen durchaus miß- billigt, und er wird für die Zukunft die ſicherſten Garantien beantragen, ſo daß der demnächſtigen Rückkehr der Studirenden nach Göttingen nichts im Wege ſtehen wird. *** Hannover, 20 März.Der Geheimerath v. Falcke hat geſtern ſeine Entlaſſung gegeben oder erhalten — nennen Sie’s wie Sie wollen. Entlaſſen war er ſchon als am Tage vor ſeinem Rücktritt der König eine Proclamation ohne ſeine Gegenzeichnung erlaſſen hatte in welcher er ſeine (Falcke’s) letzte Ausfertigungen vollſtändig desa- vouirte. Die Bürgerſchaft war aufs äußerſte erbittert über die Ver- letzung ihres Magiſtrats, deſſen Erklärung über die Gewährungen des Königs durch Hrn. v. Falckes ſpätern Beſcheid geradezu widerlegt wa- ren. Die Bürger waren entſchloſſen Falcke’s Abgang als das einzige Mittel zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther durchzuſetzen. Er kam ihnen zuvor. 5000 Bürger, ſchnell zu einer unbewaffneten Bür- gergarde organiſirt, haben übrigens die am Freitag ernſtlich bedrohte Ruhe der Stadt geſtern und ehegeſtern vollſtändig erhalten. Kein Sol- dat durfte ſich ſehen laſſen. Preußen. ⊙ Köln, 19 März.Durch das unſelige Zaudern in Berlin kommt unſere ganze Provinz in eine fieberhafte Spannung. Preu- ßen wollte ſich nicht an die Spitze der Bewegung ſtellen, ſo iſt es denn hinter allen deutſchen Staaten zurückgeblieben, ſelbſt hinter Oeſterreich. Der Unwille über dieſen Verlauf der Dinge iſt hier allgemein. Selbſt das Volk ſpottet über den „preußiſchen allmählichen Fortſchritt.“ „Im- mer langſam voran! Immer langſam voran! Damit der Oeſterreicher uns vorkommen kann!“ So ſingt man jetzt das bekannte Lied, und in der heutigen Zeitung wird die Theaterdirection aufgefordert „die Wie- ner in Berlin“ zu geben. Aber ernſte Beſorgniſſe erregen die Folgen der allgemeinen Unſicherheit und des Mangels an Zutrauen in Handel und Gewerbe. Manche Fabricanten müſſen aus Mangel an Abſatz ihre Arbei- ter entlaſſen, und die unter dieſen Leuten herrſchende Gährung wird da- durch vermehrt. Sie haben in unſerer Nähe ähnliche Ausſchweifungen begangen wie die Bauern in Süddeutſchland. Sie ſind in Banden um- hergezogen, haben an verſchiedenen Orten Fabriken zerſtört, namentlich in Solingen, wo eine Anlage der Seehandlung ihren Unwillen auf ſich zog, wo die ſonſt geſchmiedeten Waaren von Metall gegoſſen werden, und ſo ihrer Handarbeit Abbruch geſchieht. Sehr ernſtliche Unordnungen haben auch in Mühlheim an der Ruhr ſtattgefunden, und in Elberfeld, wo die Arbeiter ſich ſogar des Rathhauſes bemächtigt hatten, und blutig mit

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/3>, abgerufen am 12.06.2024.