Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.[Spaltenumbruch]
Bauern in wilder Empörung brennend und sengend hinstürmen und mit Das neue preußische Gesetz über die Presse. Wir Friedrich Wilhelm etc. etc. haben bereits im vergangenen Jahr *) Die Hauptstelle dieses Artikels der Times haben wir in der Allgem. Zeitung mitgetheilt. Uebrigens sind über die Bauernunruhen in Würt- temberg sehr übertriebene Berichte in die englischen Zeitungen ge- kommen. **) Solche "Special-Constables" haben sich in fast allen deutschen Städten
gebildet. [Spaltenumbruch]
Bauern in wilder Empörung brennend und ſengend hinſtürmen und mit Das neue preußiſche Geſetz über die Preſſe. Wir Friedrich Wilhelm ꝛc. ꝛc. haben bereits im vergangenen Jahr *) Die Hauptſtelle dieſes Artikels der Times haben wir in der Allgem. Zeitung mitgetheilt. Uebrigens ſind über die Bauernunruhen in Würt- temberg ſehr übertriebene Berichte in die engliſchen Zeitungen ge- kommen. **) Solche „Special-Conſtables“ haben ſich in faſt allen deutſchen Städten
gebildet. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0012" n="1356"/><cb/> Bauern in wilder Empörung brennend und ſengend hinſtürmen und mit<lb/> dem Worte der Freiheit im Munde auf Adel, Beamte und Juden Jagd<lb/> machen zu ſehen. Noch in der geſtrigen Times finden Sie einen ſchönen,<lb/> kenntnißreichen, herzlichen Aufſatz über die politiſche Bewegung im<lb/> alten Vaterlande voller Vertrauen und Hoffnung geſchrieben; aber<lb/> offenbar verfaßt ehe die traurigen Nachrichten von den Bauernaufſtän-<lb/> den eingetroffen waren.<note place="foot" n="*)">Die Hauptſtelle dieſes Artikels der <hi rendition="#g">Times</hi> haben wir in der Allgem.<lb/> Zeitung mitgetheilt. Uebrigens ſind über die Bauernunruhen in Würt-<lb/> temberg ſehr übertriebene Berichte in die engliſchen Zeitungen ge-<lb/> kommen.</note> Hier in England und Schottland hat ſich<lb/> der Sturm, welcher uns einen Augenblick lang zu drohen ſchien, ſchon<lb/> wieder gelegt. Die einzige Nachwirkung iſt daß die Behörden wachſamer<lb/> geworden und in allen nur einigermaßen bedrohten Städten und Gegen-<lb/> den Tauſende von Bürgern, und zwar vom höchſten Adel bis zu gemei-<lb/> nen Arbeitern hinab, ſich hinzugedrängt haben und fortwährend hinzu-<lb/> drängen, um ſich als <hi rendition="#g">Specialconſtables</hi> beeidigen zu laſſen, und<lb/> ſomit die Verpflichtung auf ſich zu nehmen ihr Viertel gegen jeden<lb/> Tumult beſchützen zu helfen. Dieß iſt freilich in wenig Worten geſagt,<lb/> und bietet dem Zeitungsleſer keine Unterhaltung dar. Aber welche Be-<lb/> lehrung liegt nicht darin für den Denker! Wie mögen Fürſten und<lb/> Völker ſich an dem Schauſpiel ſpiegeln!<note place="foot" n="**)">Solche „Special-Conſtables“ haben ſich in faſt allen deutſchen Städten<lb/> gebildet.</note> Wie mögen ſie daraus den<lb/> Werth einer geregelten vernünftigen Freiheit in einem wohlgegliederten<lb/> Staat erkennen und lernen wie nur der Deſpotismus, die Beamten-<lb/> willkür, das unſinnige Vertrauen auf Militärmacht Gefahr bringen,<lb/> aber nicht geſetzliche Freiheit. Leidet irgendein Land an ſchweren<lb/> Steuern, ſo leidet England daran, herrſcht in irgendeinem Stockung in<lb/> Fabriken und Handel, ſo herrſcht ſie hier; gibt es irgendwo große<lb/> Menſchenmaſſen in engen Bezirken angehäuft ohne Beſchäftigung, ohne<lb/> Brod, ſo finden ſie ſich in unſern Städten und Fabrikgegenden häufiger<lb/> und in gedrückteren Umſtänden als ſonſtwo. Ja ſind unter irgendeiner<lb/> Nation revolutionäre Ideen in Umlauf geweſen, haben ſich bei irgend-<lb/> einer Vereine gebildet um die bürgerlichen Verhältniſſe umzugeſtalten,<lb/> ſo iſt es in Großbritannien geſchehen. Und doch, in dem Augenblick wo<lb/> ſich in Frankreich die durchgreifendſte Revolution verwirklicht hat die<lb/> wohl je in der Weltgeſchichte vorgekommen iſt, indem nicht nur eine<lb/> Dynaſtie und das Königthum überhaupt mit Einem Schlag in Trümmer<lb/> gegangen, ſondern auch beinahe der Communismus Herr geworden iſt,<lb/> und in den ſchönen Perioden eines Carnot, Ledru-Rollin und ſelbſt<lb/> eines Lamartine ſpricht; wo alle andern Staaten, von dem Rückſchlag<lb/> erſchüttert, aus ihren Fugen zu ſpringen drohen, ſchlägt in dieſem<lb/> Inſelreiche bloß die Polizei mit ihren Stäben die erſten Verſuche zur<lb/> Unordnung nieder, verhandelt das Parlament über die gewöhnlichen<lb/> Gegenſtände ſeines Bereichs ruhig fort, und ſteht die Nation in ſich un-<lb/> bewegt, in voller Muße das Thun und Treiben anderer zu betrachten<lb/> und zu beſprechen. Nicht daß was andere Völker ſo ſehr bewegt hier<lb/> ohne Wirkung bleiben könnte, und nicht ſchon gewirkt hätte. So hat<lb/> z. B. der durch den Drang der Zeit angeregte Wunſch in allen Fächern<lb/> der Verwaltung die ſtrengſte Sparſamkeit eintreten zu ſehen viel ſchnel-<lb/> leres Gehör gefunden. In allen Miniſterien und Aemtern ſind Com-<lb/> miſſarien mit Unterſuchungen beſchäftigt, wie dieſelben mit weniger<lb/> Koſten geführt werden können; beſonders iſt man in der Admiralität<lb/> und im Kriegsminiſterium thätig um Marine und Heer weniger koſt-<lb/> ſpielig und doch wirkſamer zu machen. Und ich zweifle nicht daß das<lb/> nächſte Budget in dieſen Beziehungen Erſtaunen erregen wird. Dabei<lb/> hat auch das Beſtreben in Kirche und Staat die Zuſtände der arbeiten-<lb/> den Claſſen zu verbeſſern einen neuen Anſtoß bekommen, und wird ſich<lb/> in kurzem auf die mannichfachſte Weiſe äußern. Vor allem wird man<lb/> ſich bemühen das Armenweſen auf eine weniger barſche und drückende<lb/> Weiſe zu verwalten, und den Arbeiter empfinden laſſen daß man ſeinen<lb/> Anſpruch auf Unterſtützung und Pflege im Nothfall und im Alter an-<lb/> erkennt und zu befriedigen meint. Selbſt unſere Chartiſten, die doch,<lb/> wenn auch nicht dem Namen nach, nichts geringeres anſtreben als eine<lb/> Republik, ſehen ein daß hier durch Gewalt nichts zu erlangen ſteht als<lb/> blutige Köpfe, Deportation oder Galgen, und geben ſich große Mühe<lb/> durch Reden und Schrift ſich von dem Geſindel zu ſcheiden, das ſich durch<lb/> Plünderung und Zerſtörung bemerklich zu machen ſuchte. Nur durch<lb/> die Macht der Ueberzeugung wollen ſie ihre Anſichten geltend machen;<lb/> und hiergegen hat niemand eine Einwendung. Die Mittelclaſſen wer-<lb/><cb/> den, nun das Parlament ſich mit ſo großer Mehrheit dafür entſchieden<lb/> hat, die Einkommenſteuer auch in ihrer jetzigen Form ſich drei Jahre<lb/> länger gefallen laſſen; gewiß daß das Miniſterium in der Zwiſchenzeit<lb/> ein neues, weniger drückendes Steuerſyſtem ausarbeiten muß. Nur<lb/> Irland macht von allem eine Ausnahme. Dort treiben, wie gewöhnlich,<lb/> Schurken und Narren wieder alles auf die Spitze, ſetzen durch revolutionäres<lb/> Geſchwätz und Geſchreibe ſich ſelbſt zwecklos in Lebensgefahr, das ſo<lb/> ſehr der Ruhe bedürftige und armſelige Volk in Gährung, zwingen die<lb/> Regierung ihre Aufmerkſamkeit von den innern Verbeſſerungen auf bloße<lb/> Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe zu wenden, und hin-<lb/> dern die Anlegung von Capitalien auf Ackerbau, Gewerbe oder Handel,<lb/> wodurch allein der hungernden Menge geholfen werden könnte. Freilich<lb/> läuft vieles auf bloßes Schwadroniren hinaus; denn die allgemeine<lb/> Verſchmelzung der ſtreitenden Parteien ſcheint zu unterbleiben, und das<lb/> Monſter-Meeting, welches geſtern am St. Patriciustage hatte ſtatt-<lb/> finden ſollen, iſt abgeſagt worden. Aber die Wirkung bleibt dieſelbe.<lb/> Doch auch dieſe heilloſe Gährung gibt der Welt dieſelbe Lehre wie die<lb/> eben beſchriebene Ruhe und Sicherheit in der Schweſterinſel. Denn<lb/> auch hier trägt ein vieljähriges ſchlechtes Verwaltungsſyſtem, wodurch<lb/> die große Maſſe der Nation zu Gunſten einer Minorität im Druck und<lb/> unter Bevormundung gehalten worden, ſeine Früchte; und das jetzige<lb/> Geſchlecht wird noch ſchwer dafür zu büßen haben daß ſeine Voreltern<lb/> Irland überhaupt erobert, nach der Eroberung aber nicht mit England<lb/> verſchmolzen. In Handel und Fabrikweſen iſt es noch immerfort ſehr<lb/> ſtill; und die Stockung und Bankerotte in Frankreich und anderwärts<lb/> ſind nicht geeignet hier neues Leben hervorzurufen, wenn auch der Ver-<lb/> fall des franzöſiſchen Fabrikweſens am Ende dem engliſchen zu ſtatten<lb/> kommen muß. Die Witterung ſcheint ſich indeſſen beſſern zu wollen.<lb/> Nachdem es ſeit Wochen, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, im-<lb/> merfort geregnet, hatten wir in den letzten 72 Stunden einen ununter-<lb/> brochenen Guß, welcher alle niedrigen Gegenden ganz unter Waſſer<lb/> geſetzt haben muß. Heute iſt es aber ſehr ſchön; der Himmel iſt heiter,<lb/> und der Wind der ſich von Weſten nach Norden gedreht, verſpricht den-<lb/> ſelben ſo zu erhalten. Es iſt wirklich hohe Zeit, wenn wir nicht eine<lb/> ſchlechte Ernte haben ſollen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Das neue preußiſche Geſetz über die Preſſe.</hi> </hi> </head><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>Wir Friedrich Wilhelm ꝛc. ꝛc. haben bereits im vergangenen Jahr<lb/> bei der deutſchen Bundesverſammlung eine auf Cenſurfreiheit beruhende<lb/> Preßgeſetzgebung in Antrag gebracht. Nachdem inzwiſchen der Bundes-<lb/> beſchluß vom 3 März d. J. ergangen, ein für alle deutſchen Bundesſtaaten<lb/> gemeinſames Preßgeſetz aber, wie Wir es im Intereſſe deutſcher Einheit<lb/> gewünſcht hätten, für jetzt nicht zu erzielen geweſen iſt, verordnen Wir,<lb/> unter Vorbehalt eines nach Anhörung des Vereinigten Landtags zu er-<lb/> laſſenden Preßgeſetzes, auf den Antrag Unſeres Staatsminiſteriums,<lb/> was folgt: §. 1. Die Cenſur wird hiermit aufgehoben. Alle auf die<lb/> Cenſur bezüglichen Beſtimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und<lb/> Strafvorſchriften treten außer Kraft. §. 2. Die Entſcheidung darüber:<lb/> ob in Druckſchriften oder vermittelſt mechaniſch vervielfältigter Bild-<lb/> werke ein Verbrechen oder Vergehen verübt worden, und wer dafür<lb/> ſtrafbar ſey, ſteht den ordentlichen Gerichten zu. Dieſelben haben hier-<lb/> bei lediglich nach den Vorſchriften der in Unſern Staaten geltenden<lb/> Strafgeſetze ſich zu achten. Sämmtliche zur weitern Verbreitung noch<lb/> vorräthige Exemplare von Schriften oder Bildwerken welche rechts-<lb/> kräftig für verbrecheriſch erachtet worden, ſind ganz oder theilweiſe zu<lb/> vernichten. Auch hierüber haben die Gerichte zu erkennen. §. 3. Auf<lb/> jeder Druckſchrift muß am Schluß der Name und Wohnort des Druckers,<lb/> auf jedem mechaniſch vervielfältigten Bildwerke am Fuß der Name und<lb/> Wohnort desjenigen der die Vervielfältigung bewirkt hat, angegeben<lb/> werden. Außerdem muß auf der Schrift oder dem Bildwerke, wenn<lb/> ſie, es ſey mit oder ohne Uebertragung des Verlagsrechts, durch den<lb/> Buch- oder Kunſthandel verbreitet werden ſollen, der Name und Wohn-<lb/> ort der mit der Verbreitung beauftragten Handlung genannt ſeyn.<lb/> §. 4. Für periodiſch erſcheinende Schriften gelten folgende Beſtimmungen:<lb/> 1) Wer fortan eine Zeitſchrift in kürzern als monatlichen Friſten her-<lb/> ausgeben will, iſt verpflichtet vor der Herausgebe: <hi rendition="#aq">a)</hi> in einem dem Ober-<lb/> präſidenten einzureichenden Proſpectus die Gegenſtände mit welchen ſich<lb/> die Zeitſchrift beſchäftigen, die Zeitabſchnitte in denen ſie erſcheinen ſoll,<lb/> ſowie den Titel, beſtimmt anzugeben, und <hi rendition="#aq">b)</hi> eine Caution zu beſtellen<lb/> deren Höhe, wenn das Blatt ſechsmal oder öfter wöchentlich erſcheinen<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1356/0012]
Bauern in wilder Empörung brennend und ſengend hinſtürmen und mit
dem Worte der Freiheit im Munde auf Adel, Beamte und Juden Jagd
machen zu ſehen. Noch in der geſtrigen Times finden Sie einen ſchönen,
kenntnißreichen, herzlichen Aufſatz über die politiſche Bewegung im
alten Vaterlande voller Vertrauen und Hoffnung geſchrieben; aber
offenbar verfaßt ehe die traurigen Nachrichten von den Bauernaufſtän-
den eingetroffen waren. *) Hier in England und Schottland hat ſich
der Sturm, welcher uns einen Augenblick lang zu drohen ſchien, ſchon
wieder gelegt. Die einzige Nachwirkung iſt daß die Behörden wachſamer
geworden und in allen nur einigermaßen bedrohten Städten und Gegen-
den Tauſende von Bürgern, und zwar vom höchſten Adel bis zu gemei-
nen Arbeitern hinab, ſich hinzugedrängt haben und fortwährend hinzu-
drängen, um ſich als Specialconſtables beeidigen zu laſſen, und
ſomit die Verpflichtung auf ſich zu nehmen ihr Viertel gegen jeden
Tumult beſchützen zu helfen. Dieß iſt freilich in wenig Worten geſagt,
und bietet dem Zeitungsleſer keine Unterhaltung dar. Aber welche Be-
lehrung liegt nicht darin für den Denker! Wie mögen Fürſten und
Völker ſich an dem Schauſpiel ſpiegeln! **) Wie mögen ſie daraus den
Werth einer geregelten vernünftigen Freiheit in einem wohlgegliederten
Staat erkennen und lernen wie nur der Deſpotismus, die Beamten-
willkür, das unſinnige Vertrauen auf Militärmacht Gefahr bringen,
aber nicht geſetzliche Freiheit. Leidet irgendein Land an ſchweren
Steuern, ſo leidet England daran, herrſcht in irgendeinem Stockung in
Fabriken und Handel, ſo herrſcht ſie hier; gibt es irgendwo große
Menſchenmaſſen in engen Bezirken angehäuft ohne Beſchäftigung, ohne
Brod, ſo finden ſie ſich in unſern Städten und Fabrikgegenden häufiger
und in gedrückteren Umſtänden als ſonſtwo. Ja ſind unter irgendeiner
Nation revolutionäre Ideen in Umlauf geweſen, haben ſich bei irgend-
einer Vereine gebildet um die bürgerlichen Verhältniſſe umzugeſtalten,
ſo iſt es in Großbritannien geſchehen. Und doch, in dem Augenblick wo
ſich in Frankreich die durchgreifendſte Revolution verwirklicht hat die
wohl je in der Weltgeſchichte vorgekommen iſt, indem nicht nur eine
Dynaſtie und das Königthum überhaupt mit Einem Schlag in Trümmer
gegangen, ſondern auch beinahe der Communismus Herr geworden iſt,
und in den ſchönen Perioden eines Carnot, Ledru-Rollin und ſelbſt
eines Lamartine ſpricht; wo alle andern Staaten, von dem Rückſchlag
erſchüttert, aus ihren Fugen zu ſpringen drohen, ſchlägt in dieſem
Inſelreiche bloß die Polizei mit ihren Stäben die erſten Verſuche zur
Unordnung nieder, verhandelt das Parlament über die gewöhnlichen
Gegenſtände ſeines Bereichs ruhig fort, und ſteht die Nation in ſich un-
bewegt, in voller Muße das Thun und Treiben anderer zu betrachten
und zu beſprechen. Nicht daß was andere Völker ſo ſehr bewegt hier
ohne Wirkung bleiben könnte, und nicht ſchon gewirkt hätte. So hat
z. B. der durch den Drang der Zeit angeregte Wunſch in allen Fächern
der Verwaltung die ſtrengſte Sparſamkeit eintreten zu ſehen viel ſchnel-
leres Gehör gefunden. In allen Miniſterien und Aemtern ſind Com-
miſſarien mit Unterſuchungen beſchäftigt, wie dieſelben mit weniger
Koſten geführt werden können; beſonders iſt man in der Admiralität
und im Kriegsminiſterium thätig um Marine und Heer weniger koſt-
ſpielig und doch wirkſamer zu machen. Und ich zweifle nicht daß das
nächſte Budget in dieſen Beziehungen Erſtaunen erregen wird. Dabei
hat auch das Beſtreben in Kirche und Staat die Zuſtände der arbeiten-
den Claſſen zu verbeſſern einen neuen Anſtoß bekommen, und wird ſich
in kurzem auf die mannichfachſte Weiſe äußern. Vor allem wird man
ſich bemühen das Armenweſen auf eine weniger barſche und drückende
Weiſe zu verwalten, und den Arbeiter empfinden laſſen daß man ſeinen
Anſpruch auf Unterſtützung und Pflege im Nothfall und im Alter an-
erkennt und zu befriedigen meint. Selbſt unſere Chartiſten, die doch,
wenn auch nicht dem Namen nach, nichts geringeres anſtreben als eine
Republik, ſehen ein daß hier durch Gewalt nichts zu erlangen ſteht als
blutige Köpfe, Deportation oder Galgen, und geben ſich große Mühe
durch Reden und Schrift ſich von dem Geſindel zu ſcheiden, das ſich durch
Plünderung und Zerſtörung bemerklich zu machen ſuchte. Nur durch
die Macht der Ueberzeugung wollen ſie ihre Anſichten geltend machen;
und hiergegen hat niemand eine Einwendung. Die Mittelclaſſen wer-
den, nun das Parlament ſich mit ſo großer Mehrheit dafür entſchieden
hat, die Einkommenſteuer auch in ihrer jetzigen Form ſich drei Jahre
länger gefallen laſſen; gewiß daß das Miniſterium in der Zwiſchenzeit
ein neues, weniger drückendes Steuerſyſtem ausarbeiten muß. Nur
Irland macht von allem eine Ausnahme. Dort treiben, wie gewöhnlich,
Schurken und Narren wieder alles auf die Spitze, ſetzen durch revolutionäres
Geſchwätz und Geſchreibe ſich ſelbſt zwecklos in Lebensgefahr, das ſo
ſehr der Ruhe bedürftige und armſelige Volk in Gährung, zwingen die
Regierung ihre Aufmerkſamkeit von den innern Verbeſſerungen auf bloße
Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe zu wenden, und hin-
dern die Anlegung von Capitalien auf Ackerbau, Gewerbe oder Handel,
wodurch allein der hungernden Menge geholfen werden könnte. Freilich
läuft vieles auf bloßes Schwadroniren hinaus; denn die allgemeine
Verſchmelzung der ſtreitenden Parteien ſcheint zu unterbleiben, und das
Monſter-Meeting, welches geſtern am St. Patriciustage hatte ſtatt-
finden ſollen, iſt abgeſagt worden. Aber die Wirkung bleibt dieſelbe.
Doch auch dieſe heilloſe Gährung gibt der Welt dieſelbe Lehre wie die
eben beſchriebene Ruhe und Sicherheit in der Schweſterinſel. Denn
auch hier trägt ein vieljähriges ſchlechtes Verwaltungsſyſtem, wodurch
die große Maſſe der Nation zu Gunſten einer Minorität im Druck und
unter Bevormundung gehalten worden, ſeine Früchte; und das jetzige
Geſchlecht wird noch ſchwer dafür zu büßen haben daß ſeine Voreltern
Irland überhaupt erobert, nach der Eroberung aber nicht mit England
verſchmolzen. In Handel und Fabrikweſen iſt es noch immerfort ſehr
ſtill; und die Stockung und Bankerotte in Frankreich und anderwärts
ſind nicht geeignet hier neues Leben hervorzurufen, wenn auch der Ver-
fall des franzöſiſchen Fabrikweſens am Ende dem engliſchen zu ſtatten
kommen muß. Die Witterung ſcheint ſich indeſſen beſſern zu wollen.
Nachdem es ſeit Wochen, wenn auch mit einigen Unterbrechungen, im-
merfort geregnet, hatten wir in den letzten 72 Stunden einen ununter-
brochenen Guß, welcher alle niedrigen Gegenden ganz unter Waſſer
geſetzt haben muß. Heute iſt es aber ſehr ſchön; der Himmel iſt heiter,
und der Wind der ſich von Weſten nach Norden gedreht, verſpricht den-
ſelben ſo zu erhalten. Es iſt wirklich hohe Zeit, wenn wir nicht eine
ſchlechte Ernte haben ſollen.
Das neue preußiſche Geſetz über die Preſſe.
Wir Friedrich Wilhelm ꝛc. ꝛc. haben bereits im vergangenen Jahr
bei der deutſchen Bundesverſammlung eine auf Cenſurfreiheit beruhende
Preßgeſetzgebung in Antrag gebracht. Nachdem inzwiſchen der Bundes-
beſchluß vom 3 März d. J. ergangen, ein für alle deutſchen Bundesſtaaten
gemeinſames Preßgeſetz aber, wie Wir es im Intereſſe deutſcher Einheit
gewünſcht hätten, für jetzt nicht zu erzielen geweſen iſt, verordnen Wir,
unter Vorbehalt eines nach Anhörung des Vereinigten Landtags zu er-
laſſenden Preßgeſetzes, auf den Antrag Unſeres Staatsminiſteriums,
was folgt: §. 1. Die Cenſur wird hiermit aufgehoben. Alle auf die
Cenſur bezüglichen Beſtimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und
Strafvorſchriften treten außer Kraft. §. 2. Die Entſcheidung darüber:
ob in Druckſchriften oder vermittelſt mechaniſch vervielfältigter Bild-
werke ein Verbrechen oder Vergehen verübt worden, und wer dafür
ſtrafbar ſey, ſteht den ordentlichen Gerichten zu. Dieſelben haben hier-
bei lediglich nach den Vorſchriften der in Unſern Staaten geltenden
Strafgeſetze ſich zu achten. Sämmtliche zur weitern Verbreitung noch
vorräthige Exemplare von Schriften oder Bildwerken welche rechts-
kräftig für verbrecheriſch erachtet worden, ſind ganz oder theilweiſe zu
vernichten. Auch hierüber haben die Gerichte zu erkennen. §. 3. Auf
jeder Druckſchrift muß am Schluß der Name und Wohnort des Druckers,
auf jedem mechaniſch vervielfältigten Bildwerke am Fuß der Name und
Wohnort desjenigen der die Vervielfältigung bewirkt hat, angegeben
werden. Außerdem muß auf der Schrift oder dem Bildwerke, wenn
ſie, es ſey mit oder ohne Uebertragung des Verlagsrechts, durch den
Buch- oder Kunſthandel verbreitet werden ſollen, der Name und Wohn-
ort der mit der Verbreitung beauftragten Handlung genannt ſeyn.
§. 4. Für periodiſch erſcheinende Schriften gelten folgende Beſtimmungen:
1) Wer fortan eine Zeitſchrift in kürzern als monatlichen Friſten her-
ausgeben will, iſt verpflichtet vor der Herausgebe: a) in einem dem Ober-
präſidenten einzureichenden Proſpectus die Gegenſtände mit welchen ſich
die Zeitſchrift beſchäftigen, die Zeitabſchnitte in denen ſie erſcheinen ſoll,
ſowie den Titel, beſtimmt anzugeben, und b) eine Caution zu beſtellen
deren Höhe, wenn das Blatt ſechsmal oder öfter wöchentlich erſcheinen
*) Die Hauptſtelle dieſes Artikels der Times haben wir in der Allgem.
Zeitung mitgetheilt. Uebrigens ſind über die Bauernunruhen in Würt-
temberg ſehr übertriebene Berichte in die engliſchen Zeitungen ge-
kommen.
**) Solche „Special-Conſtables“ haben ſich in faſt allen deutſchen Städten
gebildet.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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