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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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Die neueste Wiener Ztg. verkündigt die Errichtung eines eigenen
Ministeriums des öffentlichen Unterrichts.

Großbritannien.

Die amtliche Gazette enthält folgende, in die jetzigen Weltereig-
nisse fast idyllisch hereinklingendc Anzeige: "Die Lords des geheimen
Raths haben den Erzbischof von Canterbury beauftragt die Formel ei-
nes Dankgebets für die glückliche Entbindung Ihrer Maj. von einer
Prinzessin zu entwerfen, welches in allen Kirchen und Capellen in
England und Wales gebetet werden soll. Aehnliches soll in Schottland
geschehen." Die Inthronisation des neuen Primas in der alten Kathe-
drale zu Canterbury ist übrigens noch auf einige Zeit verschoben.


Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale kamen heute Vor-
mittags von Dartmouth, wo sie gestern Morgens gelandet, auf der
Eisenbahn in Maidenhead an, besuchten von da ihre Familie in Clare-
mont und kamen später nach London herein, wo sie im Buckinghampalast
eine Unterredung mit dem Prinzen Albert hatten.


Im weitern Verlauf der Unterhaussitzung am 21 März gab,
auf eine Frage Lord Dudley Stuarts, Viscount Palmerston die
Antwort: er habe eine Depesche d.d. Wien 14 März erhalten mit der
Anzeige daß Fürst Metternich aufgehört habe erster Minister von Oester-
reich zu seyn. Weiter wisse er nichts über den Zustand Oesterreichs.
Die lachlustigen Commoners nahmen diese lakonische Erklärung mit
Heiterkeit auf. In sehr ernstem Tone dagegen wird Oesterreichs gegen-
wärtige Lage von der Presse besprochen. Die Times, welche über
Metternich, als nicht mehr der Politik sondern nur noch der Geschichte
angehörig, bereits ein strenges Todtengericht ergehen läßt, bringt für
Oesterreich, wenn es als Weltmacht fortbestehen wolle, sehr drastische
Heilmittel in Vorschlag. "Zwei Bahnen," sagt sie, "liegen jetzt offen
welche die Ereignisse in Oesterreich nehmen können. Wenn in diesem
Augenblick ein Staatsmann oder eine Anzahl Staatsmänner aufstün-
de, und wenn eines von den jüngeren Gliedern der kaiserlichen Fami-
lie welches das nöthige Vertrauen, Willensstärke und Geisteskraft be-
säße, die Leitung der Staatsangelegenheiten übernähme, in diesem Fall
ist der Zustand Oesterreichs keineswegs ein verzweifelter. Die Hülfs-
quellen des Landes, die bisher verkümmerten und eingedämmten, sind uner-
schöpflich; der Charakter des Volks in den deutschen Provinzen ist nicht zu Un-
ruhen geneigt; das aristokratische Element ist sehr kräftig, und wenn der
hohe Adel nicht ganz blind und unfähig ist, so wird er einsehen daß seine
eigene Rettung sowie die des Staats davon abhängt daß er mit reger
Thätigkeit für die Sache vernünftiger Reform in die Schranken tritt.
Daß einige das Staatsschiff durch diese Stürme zu steuern fähige Männer
in Oesterreich vorhanden sind, glauben wir; aber welche Aussicht da ist daß
sie zur Ausübung der Regierungsgewalt berufen werden, wissen wir nicht.
Gleichwohl nichts anderes kann das gänzliche Verderben von dem alten
Kaiserreich abwenden... Der Thronerbe, Sohn des Erzherzogs Franz
Karl, ist fast noch ein Knabe;*) vielleicht ist der Erzherzog Stephan das
einzige Glied des Kaiserhauses welches auf das Vertrauen der Nation
rechnen könnte; aber er ist Palatinus von Ungarn, und hat dort mehr
als genug zu thun. Was die dringend nothwendigen Reformen betrifft,
so sind sie unermeßlich und allumfassend; es gilt die Abschaffung des
ganzen bisherigen Verwaltungssystems und die Austreibung einer Horde
von Beamten welche der Fluch des Reiches sind. Vollbringt ein Mann
diese Herculesarbeiten, so kann Oesterreich gerettet werden; denn die
Elemente zu einer starken und gedeihlichen, nicht in demotratische Zügel-
losigkeit ausartenden Regierung mangeln nicht. Allein dieß ist die
günstigere Ansicht der Sache, deren Verwirklichung wir kaum zu hoffen
wagen. Die wahrscheinlichere Alternative ist von mehr beunruhigender
und revolutionärer Art. Bei der jetzigen Stimmung in vielen der Pro-
vinzen und bei dem elektrischen Zustande der politischen Atmosphäre von
ganz Europa dürfte der Sturz der Centralgewalt, der es so lange ge-
lungen ihre sich widerstrebenden Richtungen zu neutralistren, leicht eine
Reihe örtlicher Ausbrüche zur Folge haben. Schon ist das Lauffeuer
entzündet, und das ganze Baugerüst des Kaiserreichs war seit lange
unterminirt. Wien hat eine Revolution gemacht, aber die Behörde dieser
[Spaltenumbruch] Stadt kann nicht hoffen den buntzusammengesetzten Staat zu beherrschen,
wie Paris Frankreich beherrscht. "Apres moi le deluge" ist ein wohl-
bekannter Wahlspruch des gefallenen Staatskanzlers. Aber in diesem
Augenblick sind diese inneren Gefahren noch sehr erschwert durch
die Schwierigkeiten von auswärts. In Italien kann ein feindlicher
Zusammenstoß mit Sardinien oder mit Frankreich in jedem Augenblick
durch den Ehrgeiz eines Fürsten oder die Leidenschaften einer Republik
herbeigeführt werden. Auf seiner Ostgränze berührt Oesterreich das
Bollwerk des Absolutismus, und die Politik welche der Kaiser von Ruß-
land gegen die überrheinische Revolution beobachtet haben würde, wird
sehr zweifelhaft wenn die Bewegung von seinem eigenen Gebiet nur
durch die Weichsel getrennt ist. Endlich ist in eben dieser verhängniß-
vollen Zeit ganz Deutschland von einer Erschütterung durchbebt welche,
wir wissen es nicht, zur Einigung oder zur Auflösung führt. Die deutsche
Politik des österreichischen Cabinets ist jetzt ein geknicktes Rohr. Fürst
Metternich, der in Pfennigen weise und in Pfunden thörichte Staats-
mann, hat alle Maschinen seiner Macht in völligem Zerfall zurückge-
lassen, und wer unser Urtheil über ihn zu hart findet, dem deuten wir
auf das schauerliche Wirrsal und auf den drohenden Ruin eines von
den edelsten Reichen des europäischen Festlands. Das ist Metternichs
Werk!"

(Wir hoffen daß Oesterreichs Entwickelung diese düstern Pro-
phezeiungen Lügen strafe, auch wenn die Lombardei für immer verloren
gehen und Galizien der polnischen Erhebung, die nicht ausbleiben wird,
sich anschließen sollte. Uebrigens haben wir heute wieder Briefe aus
Krakau welche die durch alle Zeitungen laufenden Gerüchte von ausge-
brochenen Aufständen aufs neue widerlegen.)

Die 43,000 Seeleute, die in der Unterhaussitzung am 20 März der
Admiralität bewilligt wurden, zerfallen in 27,500 Matrosen, 2000 Schiffs-
jungen und 13,325 Marinesoldaten. Der Kostenanschlag dafür ist
1,475,000 Pf. St.


Durch den elektrischen Telegraphen wird über Liverpool aus Dublin
gemeldet daß gegen Smith O'Brien, das Haupt der Jung-Irland-Par-
tei, John Mitchell, den Herausgeber des "United Irishman," und
Meagher den ältern Verhaftsbefehle wegen empörerischer Umtriebe er-
lassen sind. Die Lage Irlands wird von Tag zu Tag bedenklicher.


Einer Notiz in Daily News zufolge hätte die brittische Regierung
-- wahrscheinlich wegen des ungewissen Bestandes ihrer Verhältnisse zu
Frankreich -- beschlossen die indische Ueberlandpost fortan über Triest
und Deutschland
gehen zu lassen.

Frankreich.

Neueste Decrete der provisorischen Regierung: der Sitz des Gene-
ralstabs der Nationalgarde von Paris wird nach den Tuilerien, Pa-
villon Marsan, verlegt (also die Bestimmung des Schlosses zu einem
Hospital der invaliden Arbeiter stillschweigend zurückgenommen); zu
Erbauung eines provisorischen Saals für die Nationalversammlung
werden 250,000 Fr. ausgesetzt, 500,000 Fr. zur Erhaltung der Gebäude
der ehemaligen Civilliste: des Louvre nebst Galerie, der Tuilerien nebst
Garten, des Palais-National, des Palais de l'Elysee, der Schlösser
zu Versailles, St. Cloud, Fontainebleau, Meudon, Compiegne u. s. w.;
endlich werden unter Hinweisung auf ein Gesetz von 1669 die Park-
mauern von Neuilly an dem Ufer der Seine soweit zurückgesetzt daß ein
Leinpfad angelegt werden kann, dessen Kosten die ehemalige Privat-
domäne zu tragen hat. Die Erbauung eines provisorischen Saals für
die Nationalversammlung scheint einen beabsichtigten Aufschub der Ein-
berufung vorauszusetzen, wenn es sich nicht anders bloß um eine Erwei-
terung der Räumlichkeiten im Palast der vorigen Abgeordnetenkammer
handelt. In den Departements wird man schon darüber unruhig daß
die Wahlen so lange aufgeschoben werden. Von Rouen ist eine Adresse
mit 17,928 Unterschriften an die Regierung eingelaufen, welche gegen
eine weitere Vertagung Einsprache thut. Namentlich ist in den großen
Gewerbs- und Handelsstädten der Wunsch allgemein daß die Wahlen
unverweilt vorgenommen werden, wogegen von anderer Seite eingewen-
det wird die Verfertigung der Wahllisten in so kurzer Zeit sey unmöglich.


Es sind uns zwei neuentstandene Journale: L'ordre, Journal des
Gardes Nationales,
und la Voix des Clubs, zugekommen. Der Preis
beider ist 24 Fr. jährlich, das Format Klein-Folio, ungefähr vom

*) Er ist 18 Jahre alt und eröffnete den letzten ungarischen Reichstag.
Es ist bekannt mit welchen Lobeserhebungen Kossuth in seiner berühm-
ten Rede sich über ihn aussprach.
[Spaltenumbruch]

Die neueſte Wiener Ztg. verkündigt die Errichtung eines eigenen
Miniſteriums des öffentlichen Unterrichts.

Großbritannien.

Die amtliche Gazette enthält folgende, in die jetzigen Weltereig-
niſſe faſt idylliſch hereinklingendc Anzeige: „Die Lords des geheimen
Raths haben den Erzbiſchof von Canterbury beauftragt die Formel ei-
nes Dankgebets für die glückliche Entbindung Ihrer Maj. von einer
Prinzeſſin zu entwerfen, welches in allen Kirchen und Capellen in
England und Wales gebetet werden ſoll. Aehnliches ſoll in Schottland
geſchehen.“ Die Inthroniſation des neuen Primas in der alten Kathe-
drale zu Canterbury iſt übrigens noch auf einige Zeit verſchoben.


Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale kamen heute Vor-
mittags von Dartmouth, wo ſie geſtern Morgens gelandet, auf der
Eiſenbahn in Maidenhead an, beſuchten von da ihre Familie in Clare-
mont und kamen ſpäter nach London herein, wo ſie im Buckinghampalaſt
eine Unterredung mit dem Prinzen Albert hatten.


Im weitern Verlauf der Unterhausſitzung am 21 März gab,
auf eine Frage Lord Dudley Stuarts, Viscount Palmerſton die
Antwort: er habe eine Depeſche d.d. Wien 14 März erhalten mit der
Anzeige daß Fürſt Metternich aufgehört habe erſter Miniſter von Oeſter-
reich zu ſeyn. Weiter wiſſe er nichts über den Zuſtand Oeſterreichs.
Die lachluſtigen Commoners nahmen dieſe lakoniſche Erklärung mit
Heiterkeit auf. In ſehr ernſtem Tone dagegen wird Oeſterreichs gegen-
wärtige Lage von der Preſſe beſprochen. Die Times, welche über
Metternich, als nicht mehr der Politik ſondern nur noch der Geſchichte
angehörig, bereits ein ſtrenges Todtengericht ergehen läßt, bringt für
Oeſterreich, wenn es als Weltmacht fortbeſtehen wolle, ſehr draſtiſche
Heilmittel in Vorſchlag. „Zwei Bahnen,“ ſagt ſie, „liegen jetzt offen
welche die Ereigniſſe in Oeſterreich nehmen können. Wenn in dieſem
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de, und wenn eines von den jüngeren Gliedern der kaiſerlichen Fami-
lie welches das nöthige Vertrauen, Willensſtärke und Geiſteskraft be-
ſäße, die Leitung der Staatsangelegenheiten übernähme, in dieſem Fall
iſt der Zuſtand Oeſterreichs keineswegs ein verzweifelter. Die Hülfs-
quellen des Landes, die bisher verkümmerten und eingedämmten, ſind uner-
ſchöpflich; der Charakter des Volks in den deutſchen Provinzen iſt nicht zu Un-
ruhen geneigt; das ariſtokratiſche Element iſt ſehr kräftig, und wenn der
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eigene Rettung ſowie die des Staats davon abhängt daß er mit reger
Thätigkeit für die Sache vernünftiger Reform in die Schranken tritt.
Daß einige das Staatsſchiff durch dieſe Stürme zu ſteuern fähige Männer
in Oeſterreich vorhanden ſind, glauben wir; aber welche Ausſicht da iſt daß
ſie zur Ausübung der Regierungsgewalt berufen werden, wiſſen wir nicht.
Gleichwohl nichts anderes kann das gänzliche Verderben von dem alten
Kaiſerreich abwenden... Der Thronerbe, Sohn des Erzherzogs Franz
Karl, iſt faſt noch ein Knabe;*) vielleicht iſt der Erzherzog Stephan das
einzige Glied des Kaiſerhauſes welches auf das Vertrauen der Nation
rechnen könnte; aber er iſt Palatinus von Ungarn, und hat dort mehr
als genug zu thun. Was die dringend nothwendigen Reformen betrifft,
ſo ſind ſie unermeßlich und allumfaſſend; es gilt die Abſchaffung des
ganzen bisherigen Verwaltungsſyſtems und die Austreibung einer Horde
von Beamten welche der Fluch des Reiches ſind. Vollbringt ein Mann
dieſe Herculesarbeiten, ſo kann Oeſterreich gerettet werden; denn die
Elemente zu einer ſtarken und gedeihlichen, nicht in demotratiſche Zügel-
loſigkeit ausartenden Regierung mangeln nicht. Allein dieß iſt die
günſtigere Anſicht der Sache, deren Verwirklichung wir kaum zu hoffen
wagen. Die wahrſcheinlichere Alternative iſt von mehr beunruhigender
und revolutionärer Art. Bei der jetzigen Stimmung in vielen der Pro-
vinzen und bei dem elektriſchen Zuſtande der politiſchen Atmoſphäre von
ganz Europa dürfte der Sturz der Centralgewalt, der es ſo lange ge-
lungen ihre ſich widerſtrebenden Richtungen zu neutraliſtren, leicht eine
Reihe örtlicher Ausbrüche zur Folge haben. Schon iſt das Lauffeuer
entzündet, und das ganze Baugerüſt des Kaiſerreichs war ſeit lange
unterminirt. Wien hat eine Revolution gemacht, aber die Behörde dieſer
[Spaltenumbruch] Stadt kann nicht hoffen den buntzuſammengeſetzten Staat zu beherrſchen,
wie Paris Frankreich beherrſcht. „Après moi le déluge“ iſt ein wohl-
bekannter Wahlſpruch des gefallenen Staatskanzlers. Aber in dieſem
Augenblick ſind dieſe inneren Gefahren noch ſehr erſchwert durch
die Schwierigkeiten von auswärts. In Italien kann ein feindlicher
Zuſammenſtoß mit Sardinien oder mit Frankreich in jedem Augenblick
durch den Ehrgeiz eines Fürſten oder die Leidenſchaften einer Republik
herbeigeführt werden. Auf ſeiner Oſtgränze berührt Oeſterreich das
Bollwerk des Abſolutiſmus, und die Politik welche der Kaiſer von Ruß-
land gegen die überrheiniſche Revolution beobachtet haben würde, wird
ſehr zweifelhaft wenn die Bewegung von ſeinem eigenen Gebiet nur
durch die Weichſel getrennt iſt. Endlich iſt in eben dieſer verhängniß-
vollen Zeit ganz Deutſchland von einer Erſchütterung durchbebt welche,
wir wiſſen es nicht, zur Einigung oder zur Auflöſung führt. Die deutſche
Politik des öſterreichiſchen Cabinets iſt jetzt ein geknicktes Rohr. Fürſt
Metternich, der in Pfennigen weiſe und in Pfunden thörichte Staats-
mann, hat alle Maſchinen ſeiner Macht in völligem Zerfall zurückge-
laſſen, und wer unſer Urtheil über ihn zu hart findet, dem deuten wir
auf das ſchauerliche Wirrſal und auf den drohenden Ruin eines von
den edelſten Reichen des europäiſchen Feſtlands. Das iſt Metternichs
Werk!“

(Wir hoffen daß Oeſterreichs Entwickelung dieſe düſtern Pro-
phezeiungen Lügen ſtrafe, auch wenn die Lombardei für immer verloren
gehen und Galizien der polniſchen Erhebung, die nicht ausbleiben wird,
ſich anſchließen ſollte. Uebrigens haben wir heute wieder Briefe aus
Krakau welche die durch alle Zeitungen laufenden Gerüchte von ausge-
brochenen Aufſtänden aufs neue widerlegen.)

Die 43,000 Seeleute, die in der Unterhausſitzung am 20 März der
Admiralität bewilligt wurden, zerfallen in 27,500 Matroſen, 2000 Schiffs-
jungen und 13,325 Marineſoldaten. Der Koſtenanſchlag dafür iſt
1,475,000 Pf. St.


Durch den elektriſchen Telegraphen wird über Liverpool aus Dublin
gemeldet daß gegen Smith O’Brien, das Haupt der Jung-Irland-Par-
tei, John Mitchell, den Herausgeber des „United Iriſhman,“ und
Meagher den ältern Verhaftsbefehle wegen empöreriſcher Umtriebe er-
laſſen ſind. Die Lage Irlands wird von Tag zu Tag bedenklicher.


Einer Notiz in Daily News zufolge hätte die brittiſche Regierung
— wahrſcheinlich wegen des ungewiſſen Beſtandes ihrer Verhältniſſe zu
Frankreich — beſchloſſen die indiſche Ueberlandpoſt fortan über Trieſt
und Deutſchland
gehen zu laſſen.

Frankreich.

Neueſte Decrete der proviſoriſchen Regierung: der Sitz des Gene-
ralſtabs der Nationalgarde von Paris wird nach den Tuilerien, Pa-
villon Marſan, verlegt (alſo die Beſtimmung des Schloſſes zu einem
Hoſpital der invaliden Arbeiter ſtillſchweigend zurückgenommen); zu
Erbauung eines proviſoriſchen Saals für die Nationalverſammlung
werden 250,000 Fr. ausgeſetzt, 500,000 Fr. zur Erhaltung der Gebäude
der ehemaligen Civilliſte: des Louvre nebſt Galerie, der Tuilerien nebſt
Garten, des Palais-National, des Palais de l’Elyſee, der Schlöſſer
zu Verſailles, St. Cloud, Fontainebleau, Meudon, Compiègne u. ſ. w.;
endlich werden unter Hinweiſung auf ein Geſetz von 1669 die Park-
mauern von Neuilly an dem Ufer der Seine ſoweit zurückgeſetzt daß ein
Leinpfad angelegt werden kann, deſſen Koſten die ehemalige Privat-
domäne zu tragen hat. Die Erbauung eines proviſoriſchen Saals für
die Nationalverſammlung ſcheint einen beabſichtigten Aufſchub der Ein-
berufung vorauszuſetzen, wenn es ſich nicht anders bloß um eine Erwei-
terung der Räumlichkeiten im Palaſt der vorigen Abgeordnetenkammer
handelt. In den Departements wird man ſchon darüber unruhig daß
die Wahlen ſo lange aufgeſchoben werden. Von Rouen iſt eine Adreſſe
mit 17,928 Unterſchriften an die Regierung eingelaufen, welche gegen
eine weitere Vertagung Einſprache thut. Namentlich iſt in den großen
Gewerbs- und Handelsſtädten der Wunſch allgemein daß die Wahlen
unverweilt vorgenommen werden, wogegen von anderer Seite eingewen-
det wird die Verfertigung der Wahlliſten in ſo kurzer Zeit ſey unmöglich.


Es ſind uns zwei neuentſtandene Journale: L’ordre, Journal des
Gardes Nationales,
und la Voix des Clubs, zugekommen. Der Preis
beider iſt 24 Fr. jährlich, das Format Klein-Folio, ungefähr vom

*) Er iſt 18 Jahre alt und eröffnete den letzten ungariſchen Reichstag.
Es iſt bekannt mit welchen Lobeserhebungen Koſſuth in ſeiner berühm-
ten Rede ſich über ihn ausſprach.
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[1383/0007] Die neueſte Wiener Ztg. verkündigt die Errichtung eines eigenen Miniſteriums des öffentlichen Unterrichts. Großbritannien. London, 22 März. Die amtliche Gazette enthält folgende, in die jetzigen Weltereig- niſſe faſt idylliſch hereinklingendc Anzeige: „Die Lords des geheimen Raths haben den Erzbiſchof von Canterbury beauftragt die Formel ei- nes Dankgebets für die glückliche Entbindung Ihrer Maj. von einer Prinzeſſin zu entwerfen, welches in allen Kirchen und Capellen in England und Wales gebetet werden ſoll. Aehnliches ſoll in Schottland geſchehen.“ Die Inthroniſation des neuen Primas in der alten Kathe- drale zu Canterbury iſt übrigens noch auf einige Zeit verſchoben. Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale kamen heute Vor- mittags von Dartmouth, wo ſie geſtern Morgens gelandet, auf der Eiſenbahn in Maidenhead an, beſuchten von da ihre Familie in Clare- mont und kamen ſpäter nach London herein, wo ſie im Buckinghampalaſt eine Unterredung mit dem Prinzen Albert hatten. Im weitern Verlauf der Unterhausſitzung am 21 März gab, auf eine Frage Lord Dudley Stuarts, Viscount Palmerſton die Antwort: er habe eine Depeſche d.d. Wien 14 März erhalten mit der Anzeige daß Fürſt Metternich aufgehört habe erſter Miniſter von Oeſter- reich zu ſeyn. Weiter wiſſe er nichts über den Zuſtand Oeſterreichs. Die lachluſtigen Commoners nahmen dieſe lakoniſche Erklärung mit Heiterkeit auf. In ſehr ernſtem Tone dagegen wird Oeſterreichs gegen- wärtige Lage von der Preſſe beſprochen. Die Times, welche über Metternich, als nicht mehr der Politik ſondern nur noch der Geſchichte angehörig, bereits ein ſtrenges Todtengericht ergehen läßt, bringt für Oeſterreich, wenn es als Weltmacht fortbeſtehen wolle, ſehr draſtiſche Heilmittel in Vorſchlag. „Zwei Bahnen,“ ſagt ſie, „liegen jetzt offen welche die Ereigniſſe in Oeſterreich nehmen können. Wenn in dieſem Augenblick ein Staatsmann oder eine Anzahl Staatsmänner aufſtün- de, und wenn eines von den jüngeren Gliedern der kaiſerlichen Fami- lie welches das nöthige Vertrauen, Willensſtärke und Geiſteskraft be- ſäße, die Leitung der Staatsangelegenheiten übernähme, in dieſem Fall iſt der Zuſtand Oeſterreichs keineswegs ein verzweifelter. Die Hülfs- quellen des Landes, die bisher verkümmerten und eingedämmten, ſind uner- ſchöpflich; der Charakter des Volks in den deutſchen Provinzen iſt nicht zu Un- ruhen geneigt; das ariſtokratiſche Element iſt ſehr kräftig, und wenn der hohe Adel nicht ganz blind und unfähig iſt, ſo wird er einſehen daß ſeine eigene Rettung ſowie die des Staats davon abhängt daß er mit reger Thätigkeit für die Sache vernünftiger Reform in die Schranken tritt. Daß einige das Staatsſchiff durch dieſe Stürme zu ſteuern fähige Männer in Oeſterreich vorhanden ſind, glauben wir; aber welche Ausſicht da iſt daß ſie zur Ausübung der Regierungsgewalt berufen werden, wiſſen wir nicht. Gleichwohl nichts anderes kann das gänzliche Verderben von dem alten Kaiſerreich abwenden... Der Thronerbe, Sohn des Erzherzogs Franz Karl, iſt faſt noch ein Knabe; *) vielleicht iſt der Erzherzog Stephan das einzige Glied des Kaiſerhauſes welches auf das Vertrauen der Nation rechnen könnte; aber er iſt Palatinus von Ungarn, und hat dort mehr als genug zu thun. Was die dringend nothwendigen Reformen betrifft, ſo ſind ſie unermeßlich und allumfaſſend; es gilt die Abſchaffung des ganzen bisherigen Verwaltungsſyſtems und die Austreibung einer Horde von Beamten welche der Fluch des Reiches ſind. Vollbringt ein Mann dieſe Herculesarbeiten, ſo kann Oeſterreich gerettet werden; denn die Elemente zu einer ſtarken und gedeihlichen, nicht in demotratiſche Zügel- loſigkeit ausartenden Regierung mangeln nicht. Allein dieß iſt die günſtigere Anſicht der Sache, deren Verwirklichung wir kaum zu hoffen wagen. Die wahrſcheinlichere Alternative iſt von mehr beunruhigender und revolutionärer Art. Bei der jetzigen Stimmung in vielen der Pro- vinzen und bei dem elektriſchen Zuſtande der politiſchen Atmoſphäre von ganz Europa dürfte der Sturz der Centralgewalt, der es ſo lange ge- lungen ihre ſich widerſtrebenden Richtungen zu neutraliſtren, leicht eine Reihe örtlicher Ausbrüche zur Folge haben. Schon iſt das Lauffeuer entzündet, und das ganze Baugerüſt des Kaiſerreichs war ſeit lange unterminirt. Wien hat eine Revolution gemacht, aber die Behörde dieſer Stadt kann nicht hoffen den buntzuſammengeſetzten Staat zu beherrſchen, wie Paris Frankreich beherrſcht. „Après moi le déluge“ iſt ein wohl- bekannter Wahlſpruch des gefallenen Staatskanzlers. Aber in dieſem Augenblick ſind dieſe inneren Gefahren noch ſehr erſchwert durch die Schwierigkeiten von auswärts. In Italien kann ein feindlicher Zuſammenſtoß mit Sardinien oder mit Frankreich in jedem Augenblick durch den Ehrgeiz eines Fürſten oder die Leidenſchaften einer Republik herbeigeführt werden. Auf ſeiner Oſtgränze berührt Oeſterreich das Bollwerk des Abſolutiſmus, und die Politik welche der Kaiſer von Ruß- land gegen die überrheiniſche Revolution beobachtet haben würde, wird ſehr zweifelhaft wenn die Bewegung von ſeinem eigenen Gebiet nur durch die Weichſel getrennt iſt. Endlich iſt in eben dieſer verhängniß- vollen Zeit ganz Deutſchland von einer Erſchütterung durchbebt welche, wir wiſſen es nicht, zur Einigung oder zur Auflöſung führt. Die deutſche Politik des öſterreichiſchen Cabinets iſt jetzt ein geknicktes Rohr. Fürſt Metternich, der in Pfennigen weiſe und in Pfunden thörichte Staats- mann, hat alle Maſchinen ſeiner Macht in völligem Zerfall zurückge- laſſen, und wer unſer Urtheil über ihn zu hart findet, dem deuten wir auf das ſchauerliche Wirrſal und auf den drohenden Ruin eines von den edelſten Reichen des europäiſchen Feſtlands. Das iſt Metternichs Werk!“ (Wir hoffen daß Oeſterreichs Entwickelung dieſe düſtern Pro- phezeiungen Lügen ſtrafe, auch wenn die Lombardei für immer verloren gehen und Galizien der polniſchen Erhebung, die nicht ausbleiben wird, ſich anſchließen ſollte. Uebrigens haben wir heute wieder Briefe aus Krakau welche die durch alle Zeitungen laufenden Gerüchte von ausge- brochenen Aufſtänden aufs neue widerlegen.) Die 43,000 Seeleute, die in der Unterhausſitzung am 20 März der Admiralität bewilligt wurden, zerfallen in 27,500 Matroſen, 2000 Schiffs- jungen und 13,325 Marineſoldaten. Der Koſtenanſchlag dafür iſt 1,475,000 Pf. St. Durch den elektriſchen Telegraphen wird über Liverpool aus Dublin gemeldet daß gegen Smith O’Brien, das Haupt der Jung-Irland-Par- tei, John Mitchell, den Herausgeber des „United Iriſhman,“ und Meagher den ältern Verhaftsbefehle wegen empöreriſcher Umtriebe er- laſſen ſind. Die Lage Irlands wird von Tag zu Tag bedenklicher. Einer Notiz in Daily News zufolge hätte die brittiſche Regierung — wahrſcheinlich wegen des ungewiſſen Beſtandes ihrer Verhältniſſe zu Frankreich — beſchloſſen die indiſche Ueberlandpoſt fortan über Trieſt und Deutſchland gehen zu laſſen. Frankreich. Paris, 23 März. Neueſte Decrete der proviſoriſchen Regierung: der Sitz des Gene- ralſtabs der Nationalgarde von Paris wird nach den Tuilerien, Pa- villon Marſan, verlegt (alſo die Beſtimmung des Schloſſes zu einem Hoſpital der invaliden Arbeiter ſtillſchweigend zurückgenommen); zu Erbauung eines proviſoriſchen Saals für die Nationalverſammlung werden 250,000 Fr. ausgeſetzt, 500,000 Fr. zur Erhaltung der Gebäude der ehemaligen Civilliſte: des Louvre nebſt Galerie, der Tuilerien nebſt Garten, des Palais-National, des Palais de l’Elyſee, der Schlöſſer zu Verſailles, St. Cloud, Fontainebleau, Meudon, Compiègne u. ſ. w.; endlich werden unter Hinweiſung auf ein Geſetz von 1669 die Park- mauern von Neuilly an dem Ufer der Seine ſoweit zurückgeſetzt daß ein Leinpfad angelegt werden kann, deſſen Koſten die ehemalige Privat- domäne zu tragen hat. Die Erbauung eines proviſoriſchen Saals für die Nationalverſammlung ſcheint einen beabſichtigten Aufſchub der Ein- berufung vorauszuſetzen, wenn es ſich nicht anders bloß um eine Erwei- terung der Räumlichkeiten im Palaſt der vorigen Abgeordnetenkammer handelt. In den Departements wird man ſchon darüber unruhig daß die Wahlen ſo lange aufgeſchoben werden. Von Rouen iſt eine Adreſſe mit 17,928 Unterſchriften an die Regierung eingelaufen, welche gegen eine weitere Vertagung Einſprache thut. Namentlich iſt in den großen Gewerbs- und Handelsſtädten der Wunſch allgemein daß die Wahlen unverweilt vorgenommen werden, wogegen von anderer Seite eingewen- det wird die Verfertigung der Wahlliſten in ſo kurzer Zeit ſey unmöglich. Es ſind uns zwei neuentſtandene Journale: L’ordre, Journal des Gardes Nationales, und la Voix des Clubs, zugekommen. Der Preis beider iſt 24 Fr. jährlich, das Format Klein-Folio, ungefähr vom *) Er iſt 18 Jahre alt und eröffnete den letzten ungariſchen Reichstag. Es iſt bekannt mit welchen Lobeserhebungen Koſſuth in ſeiner berühm- ten Rede ſich über ihn ausſprach.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 1383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/7>, abgerufen am 02.06.2024.