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Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 24. Bremen, 23. März 1852.

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[Beginn Spaltensatz] Marktplätzen, nach seiner Erreichbarkeit zu Land oder Wasser und nach
der Menge, die ein Käufer begehrt. Land mit gutem Titel giebt es von
50 Cents bis 50 $ den Acre, wobei ein Theil des Kaufpreises creditirt
zu werden pflegt.

Jm Jahre 1850 konnten ganze Ernten per Acre zu 1000 $ verkauft
werden; gegenwärtig gelten sie reichlich 3 - 400 $. Berechnungen glaub-
würdiger Leute zufolge lassen sich in den Thälern und Ebenen Californiens
300 Millionen Bushel Getreide jährlich erzielen, oder das Vierfache dieses
Ertrages an Kartoffeln, eine Quantität, die für den Bedarf von minde-
stens 10 Millionen Seelen genügen würde. Jndessen ist die Produktion
rein auf die Begehr des Landes angewiesen, da die weite Entfernung
von den größern Weltmärkten den Preis des Getreides durch die Trans-
portkosten dort zu hoch stellen würde. 1 / 10 der Bevölkerung, mit der
Landwirthschaft beschäftigt, kann zu jeder Zeit die übrigen mit Handel,
Goldgraben und Jndustrie beschäftigten 9 / 10 ernähren. Mehl, Hafer, Gerste
und Gemüse sind größtentheils bis jetzt von der Südwestküste Amerikas
und von den Sandwichinseln importirt worden; ihr Anbau im Lande
selbst würde dem Ansiedler allein an Eingangszöllen einen Vortheil von
20 bis 25 Procent gewähren, alle anderweitigen Kosten ihrer Herbeischaf-
fung nicht mitgerechnet, so daß die Möglichkeit der Concurrenz mit den
fremden Ausfuhrländern außer allem Zweifel ist.

Die Anpflanzung von Gartengemüsen macht sich in Californien außer-
ordentlich gut bezahlt; es giebt Gärtner, die als Reinertrag ihres Landes
per Acre jährlich mehr als 1000 $ haben. Wir haben Kohlköpfe von 50 ,
rothe Rüben von 40 , irländische Kartoffeln von 12 , Zwiebeln von 3
das Stück gesehen, und anderes Gemüse in Verhältniß; alles in der größten
Vollkommenheit und Ueppigkeit und vom feinsten Geschmacke. Jn manchen
Theilen des Landes erreichen die Weintraube und alles Gartenobst den
höchsten Grad von Vollkommenheit. Da von April bis October wenig
oder kein Regen fällt, so leiden Getreide, Früchte und Gemüse niemals
von Mehlthau, Brand oder ähnlichen Krankheiten. Die Wiesen, in ihrem
wilden Naturzustande, liefern jährlich per Acre von 1-3 Tonnen guten Heu's.

Die sämmtlichen in diesem Briefe gemachten Angaben sind Thatsachen
entnommen, oder darauf gegründet, und dürfen daher etwaigen Projekten
Auswanderungslustiger als sichere Grundlage dienen.

Wer mit der Absicht, sich hier anzusiedeln und Land zu
kaufen herkommt, muß ein mäßiges Kapital mitbringen,
um,
außer der Kaufsumme, sich und seiner Familie durch das erste Jahr zu helfen.
Das Land ist reich und jung genug, um ihn bereits im zweiten zu entschädigen.

Um über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Besitztitel endlich in's
Reine zu kommen, wird mit Sehnsucht eine mit der Untersuchung derselben
beauftragte Commission seitens der Centralregierung aus Washington erwartet.
Die Verzögerung derselben hindert viele Leute, sich anzukaufen, und giebt
dem leidigen Squattersystem ein reiches Feld. Wo sich der geringste Zweifel
über die Güte eines Titels auffinden läßt, stellt sich sofort ein förmlicher
Schwarm von Squattern ein, die sich mit Hülfe einer Menge Winkel-
advokaten auf dem Lande niederlassen. Nur wenige der im Santa Clara-
Thale gelegenen Güter ( ranchos ) sind von ihnen verschont.

Gold wird jetzt mehr auf systematische Weise in den Quarzminen gewon-
nen, welche eine regelmäßige und gute Ausbeute geben. Die Produktion von
Quecksilber nimmt auf überraschende Weise zu, und man fürchtet, daß sie so
bedeutend sein wird, um keine hinreichenden Abzugsquellen zu finden.


Sitzungsbericht des Berliner Centralvereins.
( Schluß. )

Von dem Texas=Verein ist eine anerkennende Zuschrift eingegan-
gen, worin zugleich angezeigt wird, daß derselbe noch mit der Regulirung
seiner Schuldenverhältnisse in Texas beschäftigt sei, sobald diese aber definitiv
zu Stande gekommen, mit der Kolonisation in größerem Maßstabe vorgehen
werde. Nach den neuesten Berichten des Generalagenten des Vereins ist die Ein-
wanderung nach Texas in einem seither unerhörten Grade im Wachsen begriffen.

Der Hamburger Verein zum Schutze deutscher Auswan-
derer
hat seinen ersten Rechenschaftsbericht eingesandt, aus welchem die
wachsende Thätigkeit desselben in erfreulicher Weise zu entnehmen ist. Der-
selbe strebt mit Eifer dahin, durch sein Auskunftsbureau in Hamburg dem-
selben tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, welchem in Bremen das dortige
Nachweisungsbureau mit rühmlicher Thätigkeit zu genügen sucht.

Die Nachrichten, welche aus Australien eingegangen sind, schildern
den nachtheiligen Einfluß, welchen die Auffindung von Goldlagern auf die
[Spaltenumbruch] Entwickelung der Kolonien zu äußern beginnt, mit den grellsten Farben.
Große Massen der Eingewanderten verlassen ihre Ansiedelungen oder ihre
Dienstverhältnisse, um in den Minendistrikten nach Gold zu suchen. Der
Arbeitslohn ist deshalb enorm gestiegen, und die Schafzucht soll durch den
eingetretenen Mangel an Schafknechten erheblich gelitten haben, so daß
man für dies Jahr einen viel geringern Export australischer Wolle, als
im vorigen Jahre, prophezeiht. Vielleicht steht hiermit das Steigen der
Wollpreise in Deutschland in Verbindung.

Nach den Mittheilungen aus Wien soll die österreichische Regierung
die Kolonisationsangelegenheit für Ungarn gänzlich bei Seite gelegt
haben. Es wäre dies zu bedauern. Der Vorsitzende hat zwar erst im
vorigen Jahre nach seiner Reise durch Ungarn und die Donaufürstenthümer
in einem besondern Vortrage die Hindernisse hervorgehoben, welche einer
nachhaltigen deutschen Auswanderung nach diesen Ländern noch für lange
entgegenstehen, Hindernisse, die selbst von einem Manne, wie der kaiserliche
Ministerialrath Dr. Hoefken in Wien, der sich auf das Wärmste für diese
Angelegenheit interessirt, und wohl als die erste Autorität dafür anzusehen
sein dürfte, in seiner hierüber handelnden Schrift zum größten Theil zuge-
geben werden müssen; nichts desto weniger aber kann doch auf der andern
Seite die große Wichtigkeit, welche diese Länder für deutsche Jndustrie
und Handel erlangen müssen, sobald das germanische Element dort aus-
gebreitet und gekräftigt wird, unmöglich verkannt werden. Deutschlands
Fabriken und Handelscomptoire würden es wahrlich sehr bald merken,
wenn auch nur ein Theil der vielen Tausende von Auswanderern, welche
alljährlich über den Ocean ziehen, in den Ländern der untern Donau ihre
Ansiedelungen gründeten, und es wäre daher gewiß zu beklagen, wenn
man auch nur temporär in den Anstrengungen nachlassen wollte, welche
geeignet sein möchten, den Zeitpunkt der Möglichkeit einer deutschen
Kolonisation in jenen Ländern wenigstens näher zu rücken.

Der Vorsitzende trug darauf das Programm einer neuen Auswan-
derungszeitung, " Hansa, Centralorgan für deutsche Auswande-
rung
", vor, welche nächstens in Hamburg erscheinen wird. Die neue
Zeitung kann nur mit Theilnahme begrüßt werden, wenn sie, ihrem Programme
gemäß, die gesammte Auswanderungsangelegenheit einer unparteiischen Be-
sprechung unterwirft. Sie kündigt sich zwar gewissermaßen als ein Gegengewicht
gegen die in Bremen erscheinende "Deutsche Auswanderer=Zeitung" an, dies
würde indeß an und für sich noch kein Nachtheil sein ) , wenn nur die Hoff-
nung erfüllt wird, daß beide Blätter in den allgemeinen Fragen die-
jenige Unbefangenheit bewahren, ohne welche sie der Sache allerdings
unendlich mehr schaden als nützen würden. Von der Bremer Auswanderer-
zeitung liegt Nichts vor, was dieser Hoffnung widerspräche.

Schließlich zeigte der Vorsitzende an, daß an Geschenken für die Bibliothek
von Herrn Buchhändler Duncker eingegangen seien: 1 ) die Grimm'sche
Bearbeitung des Baily'schen Werkes über Mittelamerika; 2 ) die Bülow'sche
Karte des Jsthmus von Nicaragua und Panama. Jndem er hierfür den
Dank des Vereins ausspricht, knüpft er die Bitte daran, daß auch von
andern Buchhandlungen die Vereinsbibliothek mit deren Verlagsartikeln
bedacht werden möge.

Hiernächst ging man nun zum zweiten Punkt der Tagesordnung über.
Schon lange nämlich, und von vielen Seiten her, war der Verein darauf
aufmerksam gemacht worden, daß seine Benennung mit seiner Wirksamkeit
und der von ihm eingenommenen Stellung nicht ganz im Einklange stehe.
Die Centralisation der Auswanderung und Colonisation sei eigentlich nur
das Mittel, um nach Einer der verschiedenen Richtungen hin zu wirken,
deren Gesammtheit den statutenmäßigen Zweck des Vereins ausmache.
So z. B. begreife jene Benennung nicht das Abrathen von übereilter
Auswanderung in sich, dem der Verein seine besondere Thätigkeit zuwende.
Ebenso sei dadurch die ganze philanthropische Richtung, sowie die rath-
und auskunftgebende Thätigkeit des Vereins, die Ueberwachung des Trans-
port- und Agentenwesens und manches Anderen in dem gegenwärtigen
Namen nicht mitenthalten. Der Verwaltungsrath hatte diese Gründe für
durchgreifend erachten müssen und schlug demgemäß vor, daß der Verein
künftig den Namen " Central=Verein für die deutsche Auswan-
derungs- und Colonisations=Angelegenheit
" führen und dem-
gemäß der Art. 1 des Statuts abgeändert werden möge. Dieser Vorschlag
wurde einstimmig angenommen.

Schließlich erhielt Herr Oberlandesgerichtsrath Weimann das Wort,
welcher in einem längeren Vortrage die Zustände in den nordamerikanischen
Freistaaten, soweit sie den Auswanderer interessiren, im Allgemeinen schil-
derte und dabei namentlich mehrere Punkte hervorhob, rücksichtlich deren die
Auswanderungslustigen sich gewöhnlich in gewaltigen Jllusionen befinden.

[Ende Spaltensatz]

* ) Uns dünkt, ein großer Nachtheil würde darin liegen, nicht bloß für
Hamburg und Bremen selbst, sondern für alle der Auswanderung zugewendeten
nationalen Bestrebungen, wenn die in den zwei Hauptauswanderungshäfen
Deutschlands erscheinenden Auswanderungszeitungen durch gegenseitige Eifer-
süchteleien nnd Verdächtigungen einen falschen und gehässigen Schein auf die
Thätigkeit und die Einrichtungen beider Häfen würfen. Wir haben deßhalb
mit Freuden die in Nr. 6 der "Hansa" enthaltene offene und ehrliche Berichtigung
der in Nr. 2 desselben Blattes gebrachten irrthümlichen Nachricht aus Bremer-
haven
begrüßt, erkennnen in Folge davon gern den nur bedingungsweise
gemachten Vorwurf der Mißgunst gegen Bremen als ungegründet an und
werden um so zuversichtlicher unsere den deutschen Häfen, und nicht Bremen
allein gewidmeten Bestrebungen verfolgen, als uns die "Hansa" die Aussicht
bietet, in ihr eine Bundesgenossin hierfür zu finden.     D. Red.

[Beginn Spaltensatz] Marktplätzen, nach seiner Erreichbarkeit zu Land oder Wasser und nach
der Menge, die ein Käufer begehrt. Land mit gutem Titel giebt es von
50 Cents bis 50 $ den Acre, wobei ein Theil des Kaufpreises creditirt
zu werden pflegt.

Jm Jahre 1850 konnten ganze Ernten per Acre zu 1000 $ verkauft
werden; gegenwärtig gelten sie reichlich 3 – 400 $. Berechnungen glaub-
würdiger Leute zufolge lassen sich in den Thälern und Ebenen Californiens
300 Millionen Bushel Getreide jährlich erzielen, oder das Vierfache dieses
Ertrages an Kartoffeln, eine Quantität, die für den Bedarf von minde-
stens 10 Millionen Seelen genügen würde. Jndessen ist die Produktion
rein auf die Begehr des Landes angewiesen, da die weite Entfernung
von den größern Weltmärkten den Preis des Getreides durch die Trans-
portkosten dort zu hoch stellen würde. 1 / 10 der Bevölkerung, mit der
Landwirthschaft beschäftigt, kann zu jeder Zeit die übrigen mit Handel,
Goldgraben und Jndustrie beschäftigten 9 / 10 ernähren. Mehl, Hafer, Gerste
und Gemüse sind größtentheils bis jetzt von der Südwestküste Amerikas
und von den Sandwichinseln importirt worden; ihr Anbau im Lande
selbst würde dem Ansiedler allein an Eingangszöllen einen Vortheil von
20 bis 25 Procent gewähren, alle anderweitigen Kosten ihrer Herbeischaf-
fung nicht mitgerechnet, so daß die Möglichkeit der Concurrenz mit den
fremden Ausfuhrländern außer allem Zweifel ist.

Die Anpflanzung von Gartengemüsen macht sich in Californien außer-
ordentlich gut bezahlt; es giebt Gärtner, die als Reinertrag ihres Landes
per Acre jährlich mehr als 1000 $ haben. Wir haben Kohlköpfe von 50 ,
rothe Rüben von 40 , irländische Kartoffeln von 12 , Zwiebeln von 3
das Stück gesehen, und anderes Gemüse in Verhältniß; alles in der größten
Vollkommenheit und Ueppigkeit und vom feinsten Geschmacke. Jn manchen
Theilen des Landes erreichen die Weintraube und alles Gartenobst den
höchsten Grad von Vollkommenheit. Da von April bis October wenig
oder kein Regen fällt, so leiden Getreide, Früchte und Gemüse niemals
von Mehlthau, Brand oder ähnlichen Krankheiten. Die Wiesen, in ihrem
wilden Naturzustande, liefern jährlich per Acre von 1–3 Tonnen guten Heu's.

Die sämmtlichen in diesem Briefe gemachten Angaben sind Thatsachen
entnommen, oder darauf gegründet, und dürfen daher etwaigen Projekten
Auswanderungslustiger als sichere Grundlage dienen.

Wer mit der Absicht, sich hier anzusiedeln und Land zu
kaufen herkommt, muß ein mäßiges Kapital mitbringen,
um,
außer der Kaufsumme, sich und seiner Familie durch das erste Jahr zu helfen.
Das Land ist reich und jung genug, um ihn bereits im zweiten zu entschädigen.

Um über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Besitztitel endlich in's
Reine zu kommen, wird mit Sehnsucht eine mit der Untersuchung derselben
beauftragte Commission seitens der Centralregierung aus Washington erwartet.
Die Verzögerung derselben hindert viele Leute, sich anzukaufen, und giebt
dem leidigen Squattersystem ein reiches Feld. Wo sich der geringste Zweifel
über die Güte eines Titels auffinden läßt, stellt sich sofort ein förmlicher
Schwarm von Squattern ein, die sich mit Hülfe einer Menge Winkel-
advokaten auf dem Lande niederlassen. Nur wenige der im Santa Clara-
Thale gelegenen Güter ( ranchos ) sind von ihnen verschont.

Gold wird jetzt mehr auf systematische Weise in den Quarzminen gewon-
nen, welche eine regelmäßige und gute Ausbeute geben. Die Produktion von
Quecksilber nimmt auf überraschende Weise zu, und man fürchtet, daß sie so
bedeutend sein wird, um keine hinreichenden Abzugsquellen zu finden.


Sitzungsbericht des Berliner Centralvereins.
( Schluß. )

Von dem Texas=Verein ist eine anerkennende Zuschrift eingegan-
gen, worin zugleich angezeigt wird, daß derselbe noch mit der Regulirung
seiner Schuldenverhältnisse in Texas beschäftigt sei, sobald diese aber definitiv
zu Stande gekommen, mit der Kolonisation in größerem Maßstabe vorgehen
werde. Nach den neuesten Berichten des Generalagenten des Vereins ist die Ein-
wanderung nach Texas in einem seither unerhörten Grade im Wachsen begriffen.

Der Hamburger Verein zum Schutze deutscher Auswan-
derer
hat seinen ersten Rechenschaftsbericht eingesandt, aus welchem die
wachsende Thätigkeit desselben in erfreulicher Weise zu entnehmen ist. Der-
selbe strebt mit Eifer dahin, durch sein Auskunftsbureau in Hamburg dem-
selben tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, welchem in Bremen das dortige
Nachweisungsbureau mit rühmlicher Thätigkeit zu genügen sucht.

Die Nachrichten, welche aus Australien eingegangen sind, schildern
den nachtheiligen Einfluß, welchen die Auffindung von Goldlagern auf die
[Spaltenumbruch] Entwickelung der Kolonien zu äußern beginnt, mit den grellsten Farben.
Große Massen der Eingewanderten verlassen ihre Ansiedelungen oder ihre
Dienstverhältnisse, um in den Minendistrikten nach Gold zu suchen. Der
Arbeitslohn ist deshalb enorm gestiegen, und die Schafzucht soll durch den
eingetretenen Mangel an Schafknechten erheblich gelitten haben, so daß
man für dies Jahr einen viel geringern Export australischer Wolle, als
im vorigen Jahre, prophezeiht. Vielleicht steht hiermit das Steigen der
Wollpreise in Deutschland in Verbindung.

Nach den Mittheilungen aus Wien soll die österreichische Regierung
die Kolonisationsangelegenheit für Ungarn gänzlich bei Seite gelegt
haben. Es wäre dies zu bedauern. Der Vorsitzende hat zwar erst im
vorigen Jahre nach seiner Reise durch Ungarn und die Donaufürstenthümer
in einem besondern Vortrage die Hindernisse hervorgehoben, welche einer
nachhaltigen deutschen Auswanderung nach diesen Ländern noch für lange
entgegenstehen, Hindernisse, die selbst von einem Manne, wie der kaiserliche
Ministerialrath Dr. Hoefken in Wien, der sich auf das Wärmste für diese
Angelegenheit interessirt, und wohl als die erste Autorität dafür anzusehen
sein dürfte, in seiner hierüber handelnden Schrift zum größten Theil zuge-
geben werden müssen; nichts desto weniger aber kann doch auf der andern
Seite die große Wichtigkeit, welche diese Länder für deutsche Jndustrie
und Handel erlangen müssen, sobald das germanische Element dort aus-
gebreitet und gekräftigt wird, unmöglich verkannt werden. Deutschlands
Fabriken und Handelscomptoire würden es wahrlich sehr bald merken,
wenn auch nur ein Theil der vielen Tausende von Auswanderern, welche
alljährlich über den Ocean ziehen, in den Ländern der untern Donau ihre
Ansiedelungen gründeten, und es wäre daher gewiß zu beklagen, wenn
man auch nur temporär in den Anstrengungen nachlassen wollte, welche
geeignet sein möchten, den Zeitpunkt der Möglichkeit einer deutschen
Kolonisation in jenen Ländern wenigstens näher zu rücken.

Der Vorsitzende trug darauf das Programm einer neuen Auswan-
derungszeitung, „ Hansa, Centralorgan für deutsche Auswande-
rung
“, vor, welche nächstens in Hamburg erscheinen wird. Die neue
Zeitung kann nur mit Theilnahme begrüßt werden, wenn sie, ihrem Programme
gemäß, die gesammte Auswanderungsangelegenheit einer unparteiischen Be-
sprechung unterwirft. Sie kündigt sich zwar gewissermaßen als ein Gegengewicht
gegen die in Bremen erscheinende „Deutsche Auswanderer=Zeitung“ an, dies
würde indeß an und für sich noch kein Nachtheil sein ) , wenn nur die Hoff-
nung erfüllt wird, daß beide Blätter in den allgemeinen Fragen die-
jenige Unbefangenheit bewahren, ohne welche sie der Sache allerdings
unendlich mehr schaden als nützen würden. Von der Bremer Auswanderer-
zeitung liegt Nichts vor, was dieser Hoffnung widerspräche.

Schließlich zeigte der Vorsitzende an, daß an Geschenken für die Bibliothek
von Herrn Buchhändler Duncker eingegangen seien: 1 ) die Grimm'sche
Bearbeitung des Baily'schen Werkes über Mittelamerika; 2 ) die Bülow'sche
Karte des Jsthmus von Nicaragua und Panama. Jndem er hierfür den
Dank des Vereins ausspricht, knüpft er die Bitte daran, daß auch von
andern Buchhandlungen die Vereinsbibliothek mit deren Verlagsartikeln
bedacht werden möge.

Hiernächst ging man nun zum zweiten Punkt der Tagesordnung über.
Schon lange nämlich, und von vielen Seiten her, war der Verein darauf
aufmerksam gemacht worden, daß seine Benennung mit seiner Wirksamkeit
und der von ihm eingenommenen Stellung nicht ganz im Einklange stehe.
Die Centralisation der Auswanderung und Colonisation sei eigentlich nur
das Mittel, um nach Einer der verschiedenen Richtungen hin zu wirken,
deren Gesammtheit den statutenmäßigen Zweck des Vereins ausmache.
So z. B. begreife jene Benennung nicht das Abrathen von übereilter
Auswanderung in sich, dem der Verein seine besondere Thätigkeit zuwende.
Ebenso sei dadurch die ganze philanthropische Richtung, sowie die rath-
und auskunftgebende Thätigkeit des Vereins, die Ueberwachung des Trans-
port- und Agentenwesens und manches Anderen in dem gegenwärtigen
Namen nicht mitenthalten. Der Verwaltungsrath hatte diese Gründe für
durchgreifend erachten müssen und schlug demgemäß vor, daß der Verein
künftig den Namen „ Central=Verein für die deutsche Auswan-
derungs- und Colonisations=Angelegenheit
“ führen und dem-
gemäß der Art. 1 des Statuts abgeändert werden möge. Dieser Vorschlag
wurde einstimmig angenommen.

Schließlich erhielt Herr Oberlandesgerichtsrath Weimann das Wort,
welcher in einem längeren Vortrage die Zustände in den nordamerikanischen
Freistaaten, soweit sie den Auswanderer interessiren, im Allgemeinen schil-
derte und dabei namentlich mehrere Punkte hervorhob, rücksichtlich deren die
Auswanderungslustigen sich gewöhnlich in gewaltigen Jllusionen befinden.

[Ende Spaltensatz]

* ) Uns dünkt, ein großer Nachtheil würde darin liegen, nicht bloß für
Hamburg und Bremen selbst, sondern für alle der Auswanderung zugewendeten
nationalen Bestrebungen, wenn die in den zwei Hauptauswanderungshäfen
Deutschlands erscheinenden Auswanderungszeitungen durch gegenseitige Eifer-
süchteleien nnd Verdächtigungen einen falschen und gehässigen Schein auf die
Thätigkeit und die Einrichtungen beider Häfen würfen. Wir haben deßhalb
mit Freuden die in Nr. 6 der „Hansa“ enthaltene offene und ehrliche Berichtigung
der in Nr. 2 desselben Blattes gebrachten irrthümlichen Nachricht aus Bremer-
haven
begrüßt, erkennnen in Folge davon gern den nur bedingungsweise
gemachten Vorwurf der Mißgunst gegen Bremen als ungegründet an und
werden um so zuversichtlicher unsere den deutschen Häfen, und nicht Bremen
allein gewidmeten Bestrebungen verfolgen, als uns die „Hansa“ die Aussicht
bietet, in ihr eine Bundesgenossin hierfür zu finden.     D. Red.
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[94/0002] 94 Marktplätzen, nach seiner Erreichbarkeit zu Land oder Wasser und nach der Menge, die ein Käufer begehrt. Land mit gutem Titel giebt es von 50 Cents bis 50 $ den Acre, wobei ein Theil des Kaufpreises creditirt zu werden pflegt. Jm Jahre 1850 konnten ganze Ernten per Acre zu 1000 $ verkauft werden; gegenwärtig gelten sie reichlich 3 – 400 $. Berechnungen glaub- würdiger Leute zufolge lassen sich in den Thälern und Ebenen Californiens 300 Millionen Bushel Getreide jährlich erzielen, oder das Vierfache dieses Ertrages an Kartoffeln, eine Quantität, die für den Bedarf von minde- stens 10 Millionen Seelen genügen würde. Jndessen ist die Produktion rein auf die Begehr des Landes angewiesen, da die weite Entfernung von den größern Weltmärkten den Preis des Getreides durch die Trans- portkosten dort zu hoch stellen würde. 1 / 10 der Bevölkerung, mit der Landwirthschaft beschäftigt, kann zu jeder Zeit die übrigen mit Handel, Goldgraben und Jndustrie beschäftigten 9 / 10 ernähren. Mehl, Hafer, Gerste und Gemüse sind größtentheils bis jetzt von der Südwestküste Amerikas und von den Sandwichinseln importirt worden; ihr Anbau im Lande selbst würde dem Ansiedler allein an Eingangszöllen einen Vortheil von 20 bis 25 Procent gewähren, alle anderweitigen Kosten ihrer Herbeischaf- fung nicht mitgerechnet, so daß die Möglichkeit der Concurrenz mit den fremden Ausfuhrländern außer allem Zweifel ist. Die Anpflanzung von Gartengemüsen macht sich in Californien außer- ordentlich gut bezahlt; es giebt Gärtner, die als Reinertrag ihres Landes per Acre jährlich mehr als 1000 $ haben. Wir haben Kohlköpfe von 50 , rothe Rüben von 40 , irländische Kartoffeln von 12 , Zwiebeln von 3 das Stück gesehen, und anderes Gemüse in Verhältniß; alles in der größten Vollkommenheit und Ueppigkeit und vom feinsten Geschmacke. Jn manchen Theilen des Landes erreichen die Weintraube und alles Gartenobst den höchsten Grad von Vollkommenheit. Da von April bis October wenig oder kein Regen fällt, so leiden Getreide, Früchte und Gemüse niemals von Mehlthau, Brand oder ähnlichen Krankheiten. Die Wiesen, in ihrem wilden Naturzustande, liefern jährlich per Acre von 1–3 Tonnen guten Heu's. Die sämmtlichen in diesem Briefe gemachten Angaben sind Thatsachen entnommen, oder darauf gegründet, und dürfen daher etwaigen Projekten Auswanderungslustiger als sichere Grundlage dienen. Wer mit der Absicht, sich hier anzusiedeln und Land zu kaufen herkommt, muß ein mäßiges Kapital mitbringen, um, außer der Kaufsumme, sich und seiner Familie durch das erste Jahr zu helfen. Das Land ist reich und jung genug, um ihn bereits im zweiten zu entschädigen. Um über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Besitztitel endlich in's Reine zu kommen, wird mit Sehnsucht eine mit der Untersuchung derselben beauftragte Commission seitens der Centralregierung aus Washington erwartet. Die Verzögerung derselben hindert viele Leute, sich anzukaufen, und giebt dem leidigen Squattersystem ein reiches Feld. Wo sich der geringste Zweifel über die Güte eines Titels auffinden läßt, stellt sich sofort ein förmlicher Schwarm von Squattern ein, die sich mit Hülfe einer Menge Winkel- advokaten auf dem Lande niederlassen. Nur wenige der im Santa Clara- Thale gelegenen Güter ( ranchos ) sind von ihnen verschont. Gold wird jetzt mehr auf systematische Weise in den Quarzminen gewon- nen, welche eine regelmäßige und gute Ausbeute geben. Die Produktion von Quecksilber nimmt auf überraschende Weise zu, und man fürchtet, daß sie so bedeutend sein wird, um keine hinreichenden Abzugsquellen zu finden. Sitzungsbericht des Berliner Centralvereins. ( Schluß. ) Von dem Texas=Verein ist eine anerkennende Zuschrift eingegan- gen, worin zugleich angezeigt wird, daß derselbe noch mit der Regulirung seiner Schuldenverhältnisse in Texas beschäftigt sei, sobald diese aber definitiv zu Stande gekommen, mit der Kolonisation in größerem Maßstabe vorgehen werde. Nach den neuesten Berichten des Generalagenten des Vereins ist die Ein- wanderung nach Texas in einem seither unerhörten Grade im Wachsen begriffen. Der Hamburger Verein zum Schutze deutscher Auswan- derer hat seinen ersten Rechenschaftsbericht eingesandt, aus welchem die wachsende Thätigkeit desselben in erfreulicher Weise zu entnehmen ist. Der- selbe strebt mit Eifer dahin, durch sein Auskunftsbureau in Hamburg dem- selben tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, welchem in Bremen das dortige Nachweisungsbureau mit rühmlicher Thätigkeit zu genügen sucht. Die Nachrichten, welche aus Australien eingegangen sind, schildern den nachtheiligen Einfluß, welchen die Auffindung von Goldlagern auf die Entwickelung der Kolonien zu äußern beginnt, mit den grellsten Farben. Große Massen der Eingewanderten verlassen ihre Ansiedelungen oder ihre Dienstverhältnisse, um in den Minendistrikten nach Gold zu suchen. Der Arbeitslohn ist deshalb enorm gestiegen, und die Schafzucht soll durch den eingetretenen Mangel an Schafknechten erheblich gelitten haben, so daß man für dies Jahr einen viel geringern Export australischer Wolle, als im vorigen Jahre, prophezeiht. Vielleicht steht hiermit das Steigen der Wollpreise in Deutschland in Verbindung. Nach den Mittheilungen aus Wien soll die österreichische Regierung die Kolonisationsangelegenheit für Ungarn gänzlich bei Seite gelegt haben. Es wäre dies zu bedauern. Der Vorsitzende hat zwar erst im vorigen Jahre nach seiner Reise durch Ungarn und die Donaufürstenthümer in einem besondern Vortrage die Hindernisse hervorgehoben, welche einer nachhaltigen deutschen Auswanderung nach diesen Ländern noch für lange entgegenstehen, Hindernisse, die selbst von einem Manne, wie der kaiserliche Ministerialrath Dr. Hoefken in Wien, der sich auf das Wärmste für diese Angelegenheit interessirt, und wohl als die erste Autorität dafür anzusehen sein dürfte, in seiner hierüber handelnden Schrift zum größten Theil zuge- geben werden müssen; nichts desto weniger aber kann doch auf der andern Seite die große Wichtigkeit, welche diese Länder für deutsche Jndustrie und Handel erlangen müssen, sobald das germanische Element dort aus- gebreitet und gekräftigt wird, unmöglich verkannt werden. Deutschlands Fabriken und Handelscomptoire würden es wahrlich sehr bald merken, wenn auch nur ein Theil der vielen Tausende von Auswanderern, welche alljährlich über den Ocean ziehen, in den Ländern der untern Donau ihre Ansiedelungen gründeten, und es wäre daher gewiß zu beklagen, wenn man auch nur temporär in den Anstrengungen nachlassen wollte, welche geeignet sein möchten, den Zeitpunkt der Möglichkeit einer deutschen Kolonisation in jenen Ländern wenigstens näher zu rücken. Der Vorsitzende trug darauf das Programm einer neuen Auswan- derungszeitung, „ Hansa, Centralorgan für deutsche Auswande- rung “, vor, welche nächstens in Hamburg erscheinen wird. Die neue Zeitung kann nur mit Theilnahme begrüßt werden, wenn sie, ihrem Programme gemäß, die gesammte Auswanderungsangelegenheit einer unparteiischen Be- sprechung unterwirft. Sie kündigt sich zwar gewissermaßen als ein Gegengewicht gegen die in Bremen erscheinende „Deutsche Auswanderer=Zeitung“ an, dies würde indeß an und für sich noch kein Nachtheil sein ) , wenn nur die Hoff- nung erfüllt wird, daß beide Blätter in den allgemeinen Fragen die- jenige Unbefangenheit bewahren, ohne welche sie der Sache allerdings unendlich mehr schaden als nützen würden. Von der Bremer Auswanderer- zeitung liegt Nichts vor, was dieser Hoffnung widerspräche. Schließlich zeigte der Vorsitzende an, daß an Geschenken für die Bibliothek von Herrn Buchhändler Duncker eingegangen seien: 1 ) die Grimm'sche Bearbeitung des Baily'schen Werkes über Mittelamerika; 2 ) die Bülow'sche Karte des Jsthmus von Nicaragua und Panama. Jndem er hierfür den Dank des Vereins ausspricht, knüpft er die Bitte daran, daß auch von andern Buchhandlungen die Vereinsbibliothek mit deren Verlagsartikeln bedacht werden möge. Hiernächst ging man nun zum zweiten Punkt der Tagesordnung über. Schon lange nämlich, und von vielen Seiten her, war der Verein darauf aufmerksam gemacht worden, daß seine Benennung mit seiner Wirksamkeit und der von ihm eingenommenen Stellung nicht ganz im Einklange stehe. Die Centralisation der Auswanderung und Colonisation sei eigentlich nur das Mittel, um nach Einer der verschiedenen Richtungen hin zu wirken, deren Gesammtheit den statutenmäßigen Zweck des Vereins ausmache. So z. B. begreife jene Benennung nicht das Abrathen von übereilter Auswanderung in sich, dem der Verein seine besondere Thätigkeit zuwende. Ebenso sei dadurch die ganze philanthropische Richtung, sowie die rath- und auskunftgebende Thätigkeit des Vereins, die Ueberwachung des Trans- port- und Agentenwesens und manches Anderen in dem gegenwärtigen Namen nicht mitenthalten. Der Verwaltungsrath hatte diese Gründe für durchgreifend erachten müssen und schlug demgemäß vor, daß der Verein künftig den Namen „ Central=Verein für die deutsche Auswan- derungs- und Colonisations=Angelegenheit “ führen und dem- gemäß der Art. 1 des Statuts abgeändert werden möge. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Schließlich erhielt Herr Oberlandesgerichtsrath Weimann das Wort, welcher in einem längeren Vortrage die Zustände in den nordamerikanischen Freistaaten, soweit sie den Auswanderer interessiren, im Allgemeinen schil- derte und dabei namentlich mehrere Punkte hervorhob, rücksichtlich deren die Auswanderungslustigen sich gewöhnlich in gewaltigen Jllusionen befinden. * ) Uns dünkt, ein großer Nachtheil würde darin liegen, nicht bloß für Hamburg und Bremen selbst, sondern für alle der Auswanderung zugewendeten nationalen Bestrebungen, wenn die in den zwei Hauptauswanderungshäfen Deutschlands erscheinenden Auswanderungszeitungen durch gegenseitige Eifer- süchteleien nnd Verdächtigungen einen falschen und gehässigen Schein auf die Thätigkeit und die Einrichtungen beider Häfen würfen. Wir haben deßhalb mit Freuden die in Nr. 6 der „Hansa“ enthaltene offene und ehrliche Berichtigung der in Nr. 2 desselben Blattes gebrachten irrthümlichen Nachricht aus Bremer- haven begrüßt, erkennnen in Folge davon gern den nur bedingungsweise gemachten Vorwurf der Mißgunst gegen Bremen als ungegründet an und werden um so zuversichtlicher unsere den deutschen Häfen, und nicht Bremen allein gewidmeten Bestrebungen verfolgen, als uns die „Hansa“ die Aussicht bietet, in ihr eine Bundesgenossin hierfür zu finden. D. Red.

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Zitationshilfe: Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 24. Bremen, 23. März 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung024_1852/2>, abgerufen am 12.06.2024.