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Tübinger Chronik. Nr. 103. [Tübingen (Württemberg)], 27. August 1845.

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[Beginn Spaltensatz] dem Hochbootsmann, der sich eben anschickte, das
Haus zu verlassen.

Gute Nacht, lieber Dirkens, - habt Dank für
Euer gutes Geleite! sagte er in traurigem Tone,
und zu dem Ohre des Seemanns sich neigend, flü-
sterte er schnell noch einige Worte.

Sorgt nicht, - Mynheer Fredrik kommt ge-
wiß recht bald, - vielleicht noch diesen Abend!
gab dieser ihm leise zurück, und während der wackere
Seemann sich verabschiedete, stiegen seine Schutz-
befohlenen die zu ihrem Zimmer führende Treppe
hinan.

Als der Hochbootsmann wieder auf die Straße
gelangte, folgte er derselben noch eine kleine Weile,
durchschnitt sodann zu seiner Rechten einige Gäß-
chen und erreichte nach wenigen Minnten die zu
beiden Seiten mit palastähnlichen Häusern besetzte
Heeren-Gracht. Er schien mit der Lokalität ver-
traut, denn vor einem ansehnlichen Gebäude schritt
er mit Sicherheit die Treppe hinauf und klopfte
mit dem spiegelhellen messingenen Hammer einige
Male gegen die Hausthür. Ein Diener in Livree
öffnete und fragte nach dem Begehr des Eintreten-
den; doch dieser schob ihn auf gut seemännisch bei
Seite, daß ihm das Wort im Munde erstarb.
Dann schritt er den langen Hausgang entlang und
trat auf dem Hofe in ein großes Zimmer zu ebener
Erde.

Wenigstens ein Dutzend junger Leute saßen hier
vor hohen Pulten emsig beschäftigt, und kein lautes
Wort, kaum zuweilen ein leises Geflüster unterbrach
die herrschende Stille. Niemand nahm von dem
Eintretenden Notiz; doch dieser schien auch hier kein
Fremdling, denn mit bescheidenen, festen Schritten
ging er bis zu dem andern Ende des Zimmers und
öffnete die Thüre eines anstoßenden Kabinets.

( Fortsetzung folgt. )




Wen's juckt, der kratze sich!
( Keine Fabel. )
Es ist - glaub' ich - wahrlich noch nie vorgekommen,
Was neulich beim Bäcker in der X=Straß geschah:
Der Seltenheit wegen will ich's Euch erzählen,
Jndem ichs mit eigenen Augen ansah.
Vorgestern kam eilends ein Spätzchen geflogen,
Es drückte der Hunger den armen Gesell'n;
Er sah die Brode am Fensterbrett liegen,
Und dachte: es kann dir jetzt nimmermehr fehl'n.
Das Thierchen sucht sich ganz ohne Besinnen
Mit lüsterner Schlauheit das größeste aus,
Und leicht, als ob er gar nichts bei sich führe,
Schwingt er sich auf die Zinne vom Haus.
Doch ehe noch zeh'n Minuten vergingen,
War Alles bei unserem Spatzen verzehrt,
Und noch nicht genug hat der Vielfraß bekommen,
Jndem er jetzt nochmals dasselbe begehrt.
Und wiederum so in der nemlichen Weise,
Erhaschte derselbe das zweite Gebäck,
Um endlich den hung'rigen Magen zu stillen;
Und wieder in zehn Minuten war's weg.
[Spaltenumbruch]
Es wird diesrr Bäcker jetzt freundlich ermahnet,
Sein Brod zu verkaufen bei sorglicher Wach,
Damit ihm nicht wieder der Vorfall begegne,
Daß es ihm die Spatzen entführen auf's Dach.

* S.



Wie sieht's in der Welt aus?

Frankreich. Ein furchtbarer Windwirbel hat
am 19. August, Mittags 12 Uhr 35 Minuten, im
Thale Monville in der Normandie unglaubliche
Verheerungen angerichtet. Der Sturm riß auf sei-
nem Zuge, außer mehreren kleinen Gebäuden und
vielen Bäumen, drei große Spinnereien um, näm-
lich die der Herren Bailleul, von Hrn. Neveu ge-
leitet, Mare und Picquot. Alle Arbeiter waren in
ihren Werkstätten, keiner derselben konnte sich ent-
fernen, alle wurden unter den Trümmern begraben;
bei Herrn Neveu waren 120 Arbeiter, bei Herrn
Mare 70, bei Hrn. Picquot 180. Der materielle
Verlust bei Hrn. Neveu wird auf 250,000 Franken,
bei Hrn. Picquot auf 250,000 und bei Hrn. Mare
auf 120,000 geschätzt. Am 19. Abends waren unter
den Trümmern 40 Todte und über 100 Verwundete,
worunter mehrere tödtlich Verletzte, hervorgezogen
worden. Der Windwirbel hatte die Gestalt eines
umgekehrten Kegels, dessen ungeheure Basis sich
mit den Wolken vermischte, während die Spitze,
die den Boden streifte, nur etwa 10 Meter im
Durchmesser zu haben schien. Diese Verheerungen
selbst aber geschahen in weniger als 2 Minuten.
An demselben Tage Nachmittags gegen 4 Uhr, suchte
ein gleich orkanischer Wirbelwind, wahrscheinlich
derselbe, die nächste Umgebung auf der Südwestseite
der Stadt Trier heim, indem er auf der Flur von
Eureu fast das gesammte in Haufen stehende Ge-
treide in die Mosel führte, eine große Anzahl von
Gebäuden in den Vorstädten Matheis und Heilig-
Kreuz mehr oder minder abdeckte, die stärksten Bäume
wie Strohhalme knickte und sie eine Strecke weit
fortschleuderte.

Spanische Zeitungen erzählen: Ein reicher
Müller wurde in der Umgegend allgemein beneidet,
und Straßenräuber ersahen sich ihn denn auch bald
zum Opfer aus. An dem Tage aber, an welchem
Abends der Angriff gegen ihn ausgeführt werden
sollte, erschienen mehrere entlassene Soldaten, die
auf dem Wege in ihre Heimath waren, und den
Müller baten, ihnen ein Nachtlager zu gewähren.
Er that es, und die Soldaten schliefen oben, als
die Räuber ankamen und das Geld des Müllers
verlangten. Der Müller versprach, es zu holen,
ging auf den Boden seines Hauses hinauf, weckte
die Soldaten, und tödtete mit Hülfe derselben die
Räuber, die er im Blute liegen ließ. Am andern
Morgen ging er, da der Vorfall doch der Obrigkeit
angezeigt werden mußte, in das Haus des Alkalden
seines Dorfes; aber der Alkalde war nicht zu Hause.
Der Müller begab sich also zu dem Stellvertreter
des Alkalden, aber auch dieser war nicht zu finden.
Er mußte zu einem Dritten gehen, und auch er
war nicht zugegen; auch wußte Niemand anzugeben,
wo wohl die drei Männer sein möchten. Der Mül-
ler kehrte nach Hause zurück und wollte die drei
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] dem Hochbootsmann, der sich eben anschickte, das
Haus zu verlassen.

Gute Nacht, lieber Dirkens, – habt Dank für
Euer gutes Geleite! sagte er in traurigem Tone,
und zu dem Ohre des Seemanns sich neigend, flü-
sterte er schnell noch einige Worte.

Sorgt nicht, – Mynheer Fredrik kommt ge-
wiß recht bald, – vielleicht noch diesen Abend!
gab dieser ihm leise zurück, und während der wackere
Seemann sich verabschiedete, stiegen seine Schutz-
befohlenen die zu ihrem Zimmer führende Treppe
hinan.

Als der Hochbootsmann wieder auf die Straße
gelangte, folgte er derselben noch eine kleine Weile,
durchschnitt sodann zu seiner Rechten einige Gäß-
chen und erreichte nach wenigen Minnten die zu
beiden Seiten mit palastähnlichen Häusern besetzte
Heeren-Gracht. Er schien mit der Lokalität ver-
traut, denn vor einem ansehnlichen Gebäude schritt
er mit Sicherheit die Treppe hinauf und klopfte
mit dem spiegelhellen messingenen Hammer einige
Male gegen die Hausthür. Ein Diener in Livree
öffnete und fragte nach dem Begehr des Eintreten-
den; doch dieser schob ihn auf gut seemännisch bei
Seite, daß ihm das Wort im Munde erstarb.
Dann schritt er den langen Hausgang entlang und
trat auf dem Hofe in ein großes Zimmer zu ebener
Erde.

Wenigstens ein Dutzend junger Leute saßen hier
vor hohen Pulten emsig beschäftigt, und kein lautes
Wort, kaum zuweilen ein leises Geflüster unterbrach
die herrschende Stille. Niemand nahm von dem
Eintretenden Notiz; doch dieser schien auch hier kein
Fremdling, denn mit bescheidenen, festen Schritten
ging er bis zu dem andern Ende des Zimmers und
öffnete die Thüre eines anstoßenden Kabinets.

( Fortsetzung folgt. )




Wen's juckt, der kratze sich!
( Keine Fabel. )
Es ist – glaub' ich – wahrlich noch nie vorgekommen,
Was neulich beim Bäcker in der X=Straß geschah:
Der Seltenheit wegen will ich's Euch erzählen,
Jndem ichs mit eigenen Augen ansah.
Vorgestern kam eilends ein Spätzchen geflogen,
Es drückte der Hunger den armen Gesell'n;
Er sah die Brode am Fensterbrett liegen,
Und dachte: es kann dir jetzt nimmermehr fehl'n.
Das Thierchen sucht sich ganz ohne Besinnen
Mit lüsterner Schlauheit das größeste aus,
Und leicht, als ob er gar nichts bei sich führe,
Schwingt er sich auf die Zinne vom Haus.
Doch ehe noch zeh'n Minuten vergingen,
War Alles bei unserem Spatzen verzehrt,
Und noch nicht genug hat der Vielfraß bekommen,
Jndem er jetzt nochmals dasselbe begehrt.
Und wiederum so in der nemlichen Weise,
Erhaschte derselbe das zweite Gebäck,
Um endlich den hung'rigen Magen zu stillen;
Und wieder in zehn Minuten war's weg.
[Spaltenumbruch]
Es wird diesrr Bäcker jetzt freundlich ermahnet,
Sein Brod zu verkaufen bei sorglicher Wach,
Damit ihm nicht wieder der Vorfall begegne,
Daß es ihm die Spatzen entführen auf's Dach.

* S.



Wie sieht's in der Welt aus?

Frankreich. Ein furchtbarer Windwirbel hat
am 19. August, Mittags 12 Uhr 35 Minuten, im
Thale Monville in der Normandie unglaubliche
Verheerungen angerichtet. Der Sturm riß auf sei-
nem Zuge, außer mehreren kleinen Gebäuden und
vielen Bäumen, drei große Spinnereien um, näm-
lich die der Herren Bailleul, von Hrn. Neveu ge-
leitet, Mare und Picquot. Alle Arbeiter waren in
ihren Werkstätten, keiner derselben konnte sich ent-
fernen, alle wurden unter den Trümmern begraben;
bei Herrn Neveu waren 120 Arbeiter, bei Herrn
Mare 70, bei Hrn. Picquot 180. Der materielle
Verlust bei Hrn. Neveu wird auf 250,000 Franken,
bei Hrn. Picquot auf 250,000 und bei Hrn. Mare
auf 120,000 geschätzt. Am 19. Abends waren unter
den Trümmern 40 Todte und über 100 Verwundete,
worunter mehrere tödtlich Verletzte, hervorgezogen
worden. Der Windwirbel hatte die Gestalt eines
umgekehrten Kegels, dessen ungeheure Basis sich
mit den Wolken vermischte, während die Spitze,
die den Boden streifte, nur etwa 10 Meter im
Durchmesser zu haben schien. Diese Verheerungen
selbst aber geschahen in weniger als 2 Minuten.
An demselben Tage Nachmittags gegen 4 Uhr, suchte
ein gleich orkanischer Wirbelwind, wahrscheinlich
derselbe, die nächste Umgebung auf der Südwestseite
der Stadt Trier heim, indem er auf der Flur von
Eureu fast das gesammte in Haufen stehende Ge-
treide in die Mosel führte, eine große Anzahl von
Gebäuden in den Vorstädten Matheis und Heilig-
Kreuz mehr oder minder abdeckte, die stärksten Bäume
wie Strohhalme knickte und sie eine Strecke weit
fortschleuderte.

Spanische Zeitungen erzählen: Ein reicher
Müller wurde in der Umgegend allgemein beneidet,
und Straßenräuber ersahen sich ihn denn auch bald
zum Opfer aus. An dem Tage aber, an welchem
Abends der Angriff gegen ihn ausgeführt werden
sollte, erschienen mehrere entlassene Soldaten, die
auf dem Wege in ihre Heimath waren, und den
Müller baten, ihnen ein Nachtlager zu gewähren.
Er that es, und die Soldaten schliefen oben, als
die Räuber ankamen und das Geld des Müllers
verlangten. Der Müller versprach, es zu holen,
ging auf den Boden seines Hauses hinauf, weckte
die Soldaten, und tödtete mit Hülfe derselben die
Räuber, die er im Blute liegen ließ. Am andern
Morgen ging er, da der Vorfall doch der Obrigkeit
angezeigt werden mußte, in das Haus des Alkalden
seines Dorfes; aber der Alkalde war nicht zu Hause.
Der Müller begab sich also zu dem Stellvertreter
des Alkalden, aber auch dieser war nicht zu finden.
Er mußte zu einem Dritten gehen, und auch er
war nicht zugegen; auch wußte Niemand anzugeben,
wo wohl die drei Männer sein möchten. Der Mül-
ler kehrte nach Hause zurück und wollte die drei
[Ende Spaltensatz]

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Diese Verheerungen selbst aber geschahen in weniger als 2 Minuten. An demselben Tage Nachmittags gegen 4 Uhr, suchte ein gleich orkanischer Wirbelwind, wahrscheinlich derselbe, die nächste Umgebung auf der Südwestseite der Stadt Trier heim, indem er auf der Flur von Eureu fast das gesammte in Haufen stehende Ge- treide in die Mosel führte, eine große Anzahl von Gebäuden in den Vorstädten Matheis und Heilig- Kreuz mehr oder minder abdeckte, die stärksten Bäume wie Strohhalme knickte und sie eine Strecke weit fortschleuderte. Spanische Zeitungen erzählen: Ein reicher Müller wurde in der Umgegend allgemein beneidet, und Straßenräuber ersahen sich ihn denn auch bald zum Opfer aus. An dem Tage aber, an welchem Abends der Angriff gegen ihn ausgeführt werden sollte, erschienen mehrere entlassene Soldaten, die auf dem Wege in ihre Heimath waren, und den Müller baten, ihnen ein Nachtlager zu gewähren. 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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 103. [Tübingen (Württemberg)], 27. August 1845, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik103_1845/2>, abgerufen am 01.06.2024.