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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 22. Burg/Berlin, 1836.

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339 Conversations=Blatt. 340
[Beginn Spaltensatz] nuarius ein Gegenstand der tiefsten Anbetung. Hundert
ähnliche Beispiele sind vorhanden von Heiligen, die man
nur schützende Vermittler zu nennen pflegt, wiewohl sie in
den Augen ihrer Verehrer das oberste Regiment führen.
Und, so wie im Norden eine, aus dem Morgenlande her-
stammende feierliche Prozession die schwarze, graue und
weiße Farbe zu tragen pflegt, so muß sie im Süden mit
blauer, weißer, grüner und rother prangen und vom schim-
mernden Golde strotzen. Das Frohnleichnamsfest
(Festa del santissimo Sacramento) gewährt in Jtalien
ohne Vergleich die prachtvollste Prozession des ganzen Jah-
res und ist schon deshalb merkwürdig, weil in Rom der
heilige Vater von Anfang bis zu Ende, vor der Monstranz
kniend und betend, in Amtsverrichtung erscheint, und mehr
als bei irgend einem anderen religiösen Aufzuge ganz nahe
zu sehen ist. - Nach beendigtem Gottesdienste in der
päbstlichen Kapelle, welcher früh um 7 Uhr beginnt, bewegt
sich diese Prozession durch die ganze Länge der bogenförmi-
gen Kolonnaden des Peter = Platzes, deren Unterbrechung
durch einen ephemeren Bau von hohen Stangen und linne-
nen Tüchern ergänzt ist. Sämmtliche Kardinäle - diese
Fürsten der römischen Kirche - insoweit Altersschwäche und
Krankheit sie nicht zurückhält, alle geistliche Brüderschaf-
ten, alle hier residirende Prälaten aus fremden Ländern -
die orientalischen in ihrer eigenthümlichen Pracht - und
eine Auswahl jeder Gattung von Militair zu Fuß und zu
Pferde bilden diesen einzigen Zug; alle im höchsten fest-
lichen Schmucke und mit allen ihren strahlenden und flat-
ternden Attributen. Nachdem das Auge geschwelgt hat in
dem Wechsel der prachtvollen Massen, unter welchen in ab-
gemessenen Zwischenräumen singende Chöre den religiösen
Geist des Aufzuges bezeichnen, erhält dieser seine Vollen-
dung, wenn der Papst herangetragen wird, welcher unbe-
weglich knieend vor der stralenden Hostie betet und in das
heiligste Geheimniß der Religion vertieft zu sein scheint.
Alles Rauschende und laut Tönende ist vor ihm weit voran
und verbirgt sich schon hinter jenen emporstrebenden Säu-
len - eine hochfeierliche Stille umschwebt den andächti-
gen, heiligen Vater.

Ueber eine Stunde dauert es, ehe der langgeschweifte
Zug in die weitgeöffnete Mittelthür der Peterskirche, unter
den erhabenen Portikus, zurückkommt, von woher er aus-
gegangen war. Kanonendonner von der benachbarten
Engelsburg bezeichnen das Ende, so wie den Anfang.
Das Schauspiel, wenn die prächtig gekleideten Hochpriester
mit brennenden Wachskerzen durch den Portikus und in
den Tempel einschreiten, ist geeignet, den großartigsten
Eindruck auf jeden achtsamen Zuschauer zu machen. -
An den nächsten sieben Tagen wird nun jeden Abend von
22 bis 24 Uhr eine große Prozession veranstaltet, welche
bald über diesen, bald über jenen Theil der Stadt sich aus-
dehnt, und an welche Schaaren von Vornehmen und Ge-
ringen sich anschließen. - Bunte Teppiche, aus den Fen-
stern aller Stockwerke herausflatternd, erhöhen den Pomp
der Feierlichkeit; wie auch Musikbanden verschiedener Re-
gimenter, seit einer Reihe von Jahren, alle religiöse Um-
züge zu begleiten pflegen. Die militärische Musik darf so-
gar bei den kirchlichen Festen der kleinsten Landstadt nie-
[Spaltenumbruch] mals fehlen, und das Volksbedürfniß starker, tosender Töne
aller Art tritt in Provinzialorten noch entschiedener hervor
durch eine beträchtliche Anzahl von Kanonenschüssen, welche
Anfang und Ende solcher Feierlichkeiten zum Ergötzen des
Volkes auf der Piazza verkünden. Ja, die unbedeutend-
sten Städtchen wetteifern unter einander in der Abfeuerung
der meisten und lautesten Böller; und wenn dergleichen
Feste in öffentlichen Blättern beschrieben werden, würde
man um keinen Preis vergessen, der gewaltigen Bat-
terie der Böller,
ehrenvolle Erwähnung zu thun.

Die Haupt=Prozession von jenen sieben, nach dem
großen Frohnleichnams=Zuge, ist die letzte, an welcher
zu Rom selber der Papst, zu Fuße und eine brennende
Wachskerze in der Hand, Antheil nimmt. Noch zahlrei-
cher würde hiebei die mitziehende Masse ausfallen, wenn
nicht an eben demselben Tage viel Bewohner der Haupt-
stadt nach Genzano wallfahrteten, einem Städtchen in
dem Albaner Gebirge, 18 Miglien von Rom, weil dort die
achte Prozession durch das reizende Blumenfest über
alle Maaße verschönert wird.

    (Beschluß folgt.)



Napoleon im Felde.

Von einem Pagen des kaiserlichen Palastes.
(Fortsetzung.)

Vor einem ernsthaften Gefechte, oder wenn die Um-
stände Napoleon nöthigten, einige Zeit im Freien zu blei-
ben, entweder des Morgens ganz früh, oder Abends, be-
reiteten ihm die Piqueurs und die Diener des Gefolges ein
großes, beständig von einer Quantität ungewöhnlichen
Brennholzes gut unterhaltenes Feuer: ganze Baumäste,
ungeheure Scheite und selbst Balken wurden dazu gebraucht.
Dieses Feuer diente denjenigen, die zum Hauptquartier ge-
hörten, gewissermaßen die Stelle zu bezeichnen, wo sich der
Kaiser befand, während dieser Zeit leisteten ihm Berthier,
Duroc oder Caulincourt getreulich Gesellschaft. Selten
war noch Jemand, außer diesen drei Männern bei ihm,
wenn er ihn sonst nicht rufen ließ, um ihm Nachweisungen
worüber zu geben, oder ihm Aufträge zu ertheilen, oder
endlich einen mündlichen Befehl an einen Marschall zu über-
bringen. Alle blieben in einer Entfernung von funfzig oder
sechzig Schritten und bildeten eine Art von Kreis um das
Feuer des Kaisers. Hier ging Napoleon nachdenkend, ganz
allein, oder pfeifend hin und her, oder plauderte auch wohl,
den Kanonenschuß oder jedes andere verabredete Signal von
den Korpschefs erwartend. Langweilte er sich, so nahm
er den Taback, stieß mit seinen Füßen kleine Steine hierhin
und dorthin; am gewöhnlichsten schürte er das Feuer mit
seinen Stiefeln so an, daß er sie alle an der Spitze ver-
brannte.

Theilte Napoleon Gunstbezeugungen aus, z. B. Wür-
den, Titel, Dekorationen , so durfte man eines bevor-
stehenden ernsten Gefechts gewärtig sein. Das sicherste
Präludium einer Schlacht war die Musterung der vor Kur-
zem angekommenen Regimenter oder die Anreden an die
[Ende Spaltensatz]

339 Conversations=Blatt. 340
[Beginn Spaltensatz] nuarius ein Gegenstand der tiefsten Anbetung. Hundert
ähnliche Beispiele sind vorhanden von Heiligen, die man
nur schützende Vermittler zu nennen pflegt, wiewohl sie in
den Augen ihrer Verehrer das oberste Regiment führen.
Und, so wie im Norden eine, aus dem Morgenlande her-
stammende feierliche Prozession die schwarze, graue und
weiße Farbe zu tragen pflegt, so muß sie im Süden mit
blauer, weißer, grüner und rother prangen und vom schim-
mernden Golde strotzen. Das Frohnleichnamsfest
(Festa del santissimo Sacramento) gewährt in Jtalien
ohne Vergleich die prachtvollste Prozession des ganzen Jah-
res und ist schon deshalb merkwürdig, weil in Rom der
heilige Vater von Anfang bis zu Ende, vor der Monstranz
kniend und betend, in Amtsverrichtung erscheint, und mehr
als bei irgend einem anderen religiösen Aufzuge ganz nahe
zu sehen ist. – Nach beendigtem Gottesdienste in der
päbstlichen Kapelle, welcher früh um 7 Uhr beginnt, bewegt
sich diese Prozession durch die ganze Länge der bogenförmi-
gen Kolonnaden des Peter = Platzes, deren Unterbrechung
durch einen ephemeren Bau von hohen Stangen und linne-
nen Tüchern ergänzt ist. Sämmtliche Kardinäle – diese
Fürsten der römischen Kirche – insoweit Altersschwäche und
Krankheit sie nicht zurückhält, alle geistliche Brüderschaf-
ten, alle hier residirende Prälaten aus fremden Ländern –
die orientalischen in ihrer eigenthümlichen Pracht – und
eine Auswahl jeder Gattung von Militair zu Fuß und zu
Pferde bilden diesen einzigen Zug; alle im höchsten fest-
lichen Schmucke und mit allen ihren strahlenden und flat-
ternden Attributen. Nachdem das Auge geschwelgt hat in
dem Wechsel der prachtvollen Massen, unter welchen in ab-
gemessenen Zwischenräumen singende Chöre den religiösen
Geist des Aufzuges bezeichnen, erhält dieser seine Vollen-
dung, wenn der Papst herangetragen wird, welcher unbe-
weglich knieend vor der stralenden Hostie betet und in das
heiligste Geheimniß der Religion vertieft zu sein scheint.
Alles Rauschende und laut Tönende ist vor ihm weit voran
und verbirgt sich schon hinter jenen emporstrebenden Säu-
len – eine hochfeierliche Stille umschwebt den andächti-
gen, heiligen Vater.

Ueber eine Stunde dauert es, ehe der langgeschweifte
Zug in die weitgeöffnete Mittelthür der Peterskirche, unter
den erhabenen Portikus, zurückkommt, von woher er aus-
gegangen war. Kanonendonner von der benachbarten
Engelsburg bezeichnen das Ende, so wie den Anfang.
Das Schauspiel, wenn die prächtig gekleideten Hochpriester
mit brennenden Wachskerzen durch den Portikus und in
den Tempel einschreiten, ist geeignet, den großartigsten
Eindruck auf jeden achtsamen Zuschauer zu machen. –
An den nächsten sieben Tagen wird nun jeden Abend von
22 bis 24 Uhr eine große Prozession veranstaltet, welche
bald über diesen, bald über jenen Theil der Stadt sich aus-
dehnt, und an welche Schaaren von Vornehmen und Ge-
ringen sich anschließen. – Bunte Teppiche, aus den Fen-
stern aller Stockwerke herausflatternd, erhöhen den Pomp
der Feierlichkeit; wie auch Musikbanden verschiedener Re-
gimenter, seit einer Reihe von Jahren, alle religiöse Um-
züge zu begleiten pflegen. Die militärische Musik darf so-
gar bei den kirchlichen Festen der kleinsten Landstadt nie-
[Spaltenumbruch] mals fehlen, und das Volksbedürfniß starker, tosender Töne
aller Art tritt in Provinzialorten noch entschiedener hervor
durch eine beträchtliche Anzahl von Kanonenschüssen, welche
Anfang und Ende solcher Feierlichkeiten zum Ergötzen des
Volkes auf der Piazza verkünden. Ja, die unbedeutend-
sten Städtchen wetteifern unter einander in der Abfeuerung
der meisten und lautesten Böller; und wenn dergleichen
Feste in öffentlichen Blättern beschrieben werden, würde
man um keinen Preis vergessen, der gewaltigen Bat-
terie der Böller,
ehrenvolle Erwähnung zu thun.

Die Haupt=Prozession von jenen sieben, nach dem
großen Frohnleichnams=Zuge, ist die letzte, an welcher
zu Rom selber der Papst, zu Fuße und eine brennende
Wachskerze in der Hand, Antheil nimmt. Noch zahlrei-
cher würde hiebei die mitziehende Masse ausfallen, wenn
nicht an eben demselben Tage viel Bewohner der Haupt-
stadt nach Genzano wallfahrteten, einem Städtchen in
dem Albaner Gebirge, 18 Miglien von Rom, weil dort die
achte Prozession durch das reizende Blumenfest über
alle Maaße verschönert wird.

    (Beschluß folgt.)



Napoleon im Felde.

Von einem Pagen des kaiserlichen Palastes.
(Fortsetzung.)

Vor einem ernsthaften Gefechte, oder wenn die Um-
stände Napoleon nöthigten, einige Zeit im Freien zu blei-
ben, entweder des Morgens ganz früh, oder Abends, be-
reiteten ihm die Piqueurs und die Diener des Gefolges ein
großes, beständig von einer Quantität ungewöhnlichen
Brennholzes gut unterhaltenes Feuer: ganze Baumäste,
ungeheure Scheite und selbst Balken wurden dazu gebraucht.
Dieses Feuer diente denjenigen, die zum Hauptquartier ge-
hörten, gewissermaßen die Stelle zu bezeichnen, wo sich der
Kaiser befand, während dieser Zeit leisteten ihm Berthier,
Duroc oder Caulincourt getreulich Gesellschaft. Selten
war noch Jemand, außer diesen drei Männern bei ihm,
wenn er ihn sonst nicht rufen ließ, um ihm Nachweisungen
worüber zu geben, oder ihm Aufträge zu ertheilen, oder
endlich einen mündlichen Befehl an einen Marschall zu über-
bringen. Alle blieben in einer Entfernung von funfzig oder
sechzig Schritten und bildeten eine Art von Kreis um das
Feuer des Kaisers. Hier ging Napoleon nachdenkend, ganz
allein, oder pfeifend hin und her, oder plauderte auch wohl,
den Kanonenschuß oder jedes andere verabredete Signal von
den Korpschefs erwartend. Langweilte er sich, so nahm
er den Taback, stieß mit seinen Füßen kleine Steine hierhin
und dorthin; am gewöhnlichsten schürte er das Feuer mit
seinen Stiefeln so an, daß er sie alle an der Spitze ver-
brannte.

Theilte Napoleon Gunstbezeugungen aus, z. B. Wür-
den, Titel, Dekorationen , so durfte man eines bevor-
stehenden ernsten Gefechts gewärtig sein. Das sicherste
Präludium einer Schlacht war die Musterung der vor Kur-
zem angekommenen Regimenter oder die Anreden an die
[Ende Spaltensatz]

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Das Frohnleichnamsfest (Festa del santissimo Sacramento) gewährt in Jtalien ohne Vergleich die prachtvollste Prozession des ganzen Jah- res und ist schon deshalb merkwürdig, weil in Rom der heilige Vater von Anfang bis zu Ende, vor der Monstranz kniend und betend, in Amtsverrichtung erscheint, und mehr als bei irgend einem anderen religiösen Aufzuge ganz nahe zu sehen ist. – Nach beendigtem Gottesdienste in der päbstlichen Kapelle, welcher früh um 7 Uhr beginnt, bewegt sich diese Prozession durch die ganze Länge der bogenförmi- gen Kolonnaden des Peter = Platzes, deren Unterbrechung durch einen ephemeren Bau von hohen Stangen und linne- nen Tüchern ergänzt ist. 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Noch zahlrei- cher würde hiebei die mitziehende Masse ausfallen, wenn nicht an eben demselben Tage viel Bewohner der Haupt- stadt nach Genzano wallfahrteten, einem Städtchen in dem Albaner Gebirge, 18 Miglien von Rom, weil dort die achte Prozession durch das reizende Blumenfest über alle Maaße verschönert wird. (Beschluß folgt.) Napoleon im Felde. Von einem Pagen des kaiserlichen Palastes. (Fortsetzung.) Vor einem ernsthaften Gefechte, oder wenn die Um- stände Napoleon nöthigten, einige Zeit im Freien zu blei- ben, entweder des Morgens ganz früh, oder Abends, be- reiteten ihm die Piqueurs und die Diener des Gefolges ein großes, beständig von einer Quantität ungewöhnlichen Brennholzes gut unterhaltenes Feuer: ganze Baumäste, ungeheure Scheite und selbst Balken wurden dazu gebraucht. 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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 22. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt22_1836/2>, abgerufen am 15.06.2024.