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Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese
Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth
und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un-
geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet
hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den
Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris-
sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser
Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert.

Das Unglück einer Winterlawine haben wir so
eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche
an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald
durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re-
gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen
Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich
los, und zermalmen alles, was sich unten befindet.
Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten
Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem
Tode entgangen.



Merkwürdiges Automat.

Als Ludwig XIV. noch ein Kind war, verfertigte
Camus zu seiner Belustigung folgendes Automat,
nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo-
gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher
ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese
Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri-
gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher
mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach
Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut-
sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des
Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am
Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo
der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab,
öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus,
und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine
Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei-
nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und
stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin-
ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche,
und das Fuhrwerk rollte davon.



Schwanengesang.

Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt
Zuccoch: "ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt,
ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich
schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den
er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte." Könnte
dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem
so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode?



[Spaltenumbruch]
Das Kolosseum in Rom.

Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms
das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in
Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des
Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem
erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was
die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst
sehen, um es richtig würdigen zu können.

Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus
angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge-
burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju-
den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau
doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum
von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge-
bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte
Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen.
Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte
vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit
einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen,
jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren.
Um die Arena, ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder
Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche
man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber,
15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige
Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das
Podium bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der
Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten
Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern
Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für
den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine
Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für
das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder
Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben
die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin-
nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers,
die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden
Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer
weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden
hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel-
Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav
und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und
vollkommen schützten.

Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach
dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die Arena ein-
geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal-
tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses
grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter
Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See-
schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern
Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde
wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran
vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer
herabgesprengt.

[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] große und feste Schneemasse bahnte, und als er sich diese
Oeffnung gemacht hatte, war seine Fluth, seine Wuth
und seine Verheerungen nicht viel geringer als der un-
geheuere Schade, welchen die Schneelawine angerichtet
hatte. Brücken, Forts, kurz alles, was ihm in den
Weg kam, wurde von dem Wasserstrome mit fortgeris-
sen. Der Reisende, welcher durch einige Pässe dieser
Berge geht, ist nie vor Lebensgefahr gesichert.

Das Unglück einer Winterlawine haben wir so
eben erwähnt. Jm Sommer werden die Felsen, welche
an den steilen Seiten der Abgründe hervorragen, bald
durch den schmelzenden Schnee, bald durch starke Re-
gengüsse locker gemacht. Wenn nun eines von diesen
Ereignissen eintritt, so reißen sich die Felsen plötzlich
los, und zermalmen alles, was sich unten befindet.
Herr Ker Porter war nur kurz vor der oben erwähnten
Schneelawine durch den Kaukasus gereiset und so dem
Tode entgangen.



Merkwürdiges Automat.

Als Ludwig XIV. noch ein Kind war, verfertigte
Camus zu seiner Belustigung folgendes Automat,
nämlich eine kleine Kutsche, die von zwei Pferden gezo-
gen wurde, worin eine Dame saß, und hinter welcher
ein Bedienter und ein Page aufstanden. Sobald diese
Maschine an dem einen Ende eines Tisches von gehöri-
gem Umfange aufgestellt wurde, knallte der Kutscher
mit der Peitsche, die Pferde setzten ihre Füße ganz nach
Art der natürlichen in Bewegung, und zogen die Kut-
sche nach sich; wenn dieselbe an dem andern Ende des
Tisches anlangte, wandte sie um, und fuhr dicht am
Rande fort. Sobald sie auf dem Platz anlangte, wo
der König saß, hielt die Kutsche, der Page stieg ab,
öffnete den Kutschenschlag, und die Dame stieg aus,
und überreichte dem Könige mit einer Verneigung eine
Bittschrift, die sie in der Hand trug. Sie wartete ei-
nige Augenblicke, dann verneigte sie sich abermals, und
stieg wieder ein; der Page schloß den Schlag, stieg hin-
ten auf, der Kutscher knallte wieder mit der Peitsche,
und das Fuhrwerk rollte davon.



Schwanengesang.

Jn seinen Bemerkungen über Rio= Janeiro erzählt
Zuccoch: „ein purpurfarbiger Vogel, Sabiar genannt,
ward bei St. Gonzales geschossen und fing, obgleich
schwer verwundet, einen volltönenden Gesang an, den
er bis zu seinen letzten Augenblicken fortsetzte.“ Könnte
dieser Vogel nicht der Schwan der Alten seyn, von dem
so oft erzählt wird, er singe bei seinem Tode?



[Spaltenumbruch]
Das Kolosseum in Rom.

Das Kolosseum ist unter den Bauwerken Roms
das großartigste, und erregt, wiewohl jetzt fast in
Trümmern, die Bewunderung und das Erstaunen des
Beschauers. Eine angemessene Vorstellung von diesem
erhabenen Gebäude beizubringen, ist ein Beginnen, was
die Feder nicht auszuführen vermag; man muß es selbst
sehen, um es richtig würdigen zu können.

Das Kolosseum wurde unter Kaiser Vespasianus
angefangen und unter Titus ( 76 Jahre nach Christi Ge-
burt ) vollendet. Obwohl 30,000 kriegsgefangene Ju-
den daran angestrengt arbeiteten, so dauerte der Bau
doch drei Jahre. Das Gebäude nahm einen Raum
von 6 Ackern Landes ein; seine größte Länge ( das Ge-
bäude ist länglich rund ) betrug 620, und seine größte
Breite 513 Fuß. Es konnte 85,000 Zuschauer fassen.
Die äußere Ringmauer war 157 Fuß hoch und hatte
vier Reihen Fenster, welche in jedem Stockwerk mit
einer Ordnung von verschiedener Bauart, der dorischen,
jonischen, korinthischen und gemischten, geziert waren.
Um die Arena, ( den Kampfplatz ) gingen Logen oder
Gewölbe, in denen man die Thiere einsperrte, welche
man zum Kampfe bestimmte. Unmittelbar darüber,
15 Fuß über dem Boden, befand sich eine zirkelförmige
Gallerie, die mit Säulen und Geländern geziert, das
Podium bildeten. Hier befand sich der Kaiser, der
Senat, die fremden Gesandten, und die vornehmsten
Römer. Der Raum zwischen dem Podium und dem obern
Theile der zweiten Gallerie, war mit Marmorsitzen für
den Ritterstand versehn, und darüber waren wieder eine
Menge Reihen von Sitzen aus Stein oder Holz für
das übrige Volk. Jnwendig gelangte man zu jeder
Gallerie auf verschiedenen Treppen, an denen sich oben
die Thüren befanden. Es gab zwei Arten von Gerin-
nen; die einen dienten zur Ableitung des Regenwassers,
die andern waren zur Aufnahme von wohlriechenden
Wässern bestimmt. Damit nun endlich die Zuschauer
weder durch Regen noch durch Sonnenschein zu leiden
hatten, waren oben Oeffnungen angebracht, um Segel-
Ueberhänge hindurch zu stecken, die durch den Architrav
und den Fries in eine Reihe von Körbchen gingen, und
vollkommen schützten.

Als Titus das Kolosseum einweihte, wurden nach
dem Dio Cassius 9000 wilde Thiere auf die Arena ein-
geführt, mit welchen von den Römern gefangen gehal-
tene Christen kämpfen mußten. Am Schlusse dieses
grausamen Schauspiels wurde der ganze Platz unter
Wasser gesetzt, und zwei Flotten führten eine See-
schlacht auf. Um die Ausdünstung der ungeheuern
Menschenmasse weniger schädlich zu machen, wurde
wohlriechendes Wasser, und häufig Wein mit Safran
vermischt, oben von einem Gitterwerk auf die Zuschauer
herabgesprengt.

[Ende Spaltensatz]
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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 14. Breslau, 5. April 1834, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller14_1834/7>, abgerufen am 18.06.2024.