Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Märkische Blätter. Nr. 8. Hattingen, 26. Januar 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] erschossen werden sollen, und von dem der Straßenräuber
selbst sich nach jeder blutigen That Absolution geben läßt.



Verschiedenes.

Kürzlich wurde ein das Londoner Zollamt betreffender
Betrug entdeckt, welcher große Heiterkeit in der Stadt
verursachte. Ein Kaufmann wollte einige Zeit zuvor sie-
benhundert ausländische, dem Anschein nach goldene Uh-
ren, deren Werth er auf siebenhundert und siebzig Pfund
Sterling angab, einführen, und dieser Summe gemäß
versteuern. Die Zollbeamten aber, in ihrer Weisheit dafür
haltend, daß der namhaft gemachte Preis weit unter dem
eigentlichen Werthe sei, nahmen die Uhren an sich und
zahlten dem Kaufmann die 770 Pfund Sterling nebst
dem in solchen Fällen, zu gesetzlicher Bestimmung, gefäl-
ligem Aufgelde von 10 Procent. Die Uhren wurden so-
dann auf die gewöhnliche Weise in die Auction gegeben
und sollten alsbald darauf in dem dazu bestimmten Lo-
cale in Mincing street versteigert werden. Hier nun stellte
sich heraus, daß dieselben größtentheils aus Kupfer be-
standen und nur leicht vergoldet und mithin höchstens
170 Pfund Sterling werth waren. Jedenfalls werden die
betrogenen Zollbeamten den Schaden tragen müssen.

Unsere deutschen Republikaner sehen immer Nordame-
rika für den Musterstaat, für das Land an, das die voll-
kommenste Staatsform gefunden habe; sie vergessen aber,
daß auch dort gar vieles nicht ist, wie es sein sollte,
daß z. B. selbst in den nördlichen Staaten der Union
eine "Aristokratie der Haut" besteht, welche die furchtbar-
ste Tyrannei über alle Farbige, sogar über alle diejenigen
ausübt, die ganz weiß sind, aber doch von Schwarzen
abstammen. Kein Amerikaner wird mit einem solchen
Farbigen an einem Tische essen; den Farbigen ist in den
Theatern ein vergitterter Platz in der dritten Gallerie
angewiesen und es gilt für ein Verbrechen, einem Schwar-
zen eine -- Bibel zu geben. Jm vorigen Jahre gaben
noch die Geschworenen in dem Bezirke Wood im Staate
Virginien den folgenden Ausspruch: "Martha Christian
aus dem genannten Bezirke, eine böswillige Person, lehrte
am 4. Juli des Jahres 1847 zu Righteous Ridge, ohne
die Furcht Gottes vor Augen zu haben, vielmehr getrie-
ben von dem Teufel in boshafter, übelwollender und ver-
brecherischer Weise eine gewisse Negerin Namens Rebecca
-- in der Bibel lesen zum großen Mißfallen des all-
mächtigen Gottes, zum verderblichen Beispiele anderer,
gegen das bestehende Gesetz und zum Nachtheile der Ruhe
und Würde des Staates Virginien." -- Darauf wurde
Martha, des entsetzlichen Verbrechens überführt, eine Ne-
gerin in der heiligen Schrift, zum großen Mißfallen des
allmächtigen Gottes, lesen gelehrt zu haben, durch den
Richter zu zehnjähriger Einsperrung in dem
Zuchthause
verurtheilt. -- Jst ein Land wirklich frei,
in dem so Entsetzliches geschehen kann? -- --



Tagesbegebenheiten.

Berlin, den 23. Januar. Gestern hat der Verwal-
tungsrath wegen verzögernder baulicher Einrichtungen
als Termin für Einberufung des erfurter Parlamentes
vorläufig den 20. März angenommen.

-- 21. Jan. Das unglückliche Schwanken aller un-
serer politischen Verhältnisse scheint sich bis auf den letz-
[Spaltenumbruch] ten Augenblick und im verstärkten Maße zu erhalten. Die
Pairs werden fürs Erste abgelehnt und die Verfassung
wird fürs Erste nicht beschworen: das scheint ziemlich
fest zu stehen. Ueber den Stand der Minister=Krise aber
jagen sich die widersprechendsten Gerüchte. Hier hört
man versichern, ein Ministerium Gerlach sei uns so gut
wie gewiß, -- dort, es sei v. Radowitz gelungen, einen
Ausweg anzugeben, dem auch von Manteuffel seine Zu-
stimmung gegeben habe, so daß dieser nicht nur im Ca-
binette verbleibe, sondern sogar die Präsidentschaft dessel-
ben übernehmen werde.

-- 21. Jan. Man glaubt, die Gerüchte, welche
eine Vertagung des Schwures und die Fortsetzung eines
provisorischen Regime's ohne Austrag der streitigen Punkte
als wahrscheinlich darstellen, würden von einer Seite ver-
breitet, wo man die Gemüther auf ein solches Regime
vorzubereiten wünschte. Unterdeß ist die Frage einfacher
geworden. Das Ministerium wendet sich von den Amen-
dements ab und wird sie höchstens nicht bekämpfen. Die
Meisten sehen die Verwerfung der wesentlichen Bestim-
mungen der Botschaft durch die zweite Kammer als ge-
wiß an. Der Vergleich ist von allen Seiten aufgegeben.
Gestern Abend hat die Opposition der zweiten Kammer
eine Fractions=Sitzung gehalten. Sie soll jetzt über 108
Stimmen zählen. Artikel I. bis VII. wurden nochmals
berathen. Artikel I., über die Presse, diesmal verworfen.
Jm Uebrigen vereinigte man sich mit dem Votum der
Commission. Die Verwerfung der Pairie ist heute Abend
gewiß. Als ein Sympton der Situation melde ich noch,
daß Bodelschwingh in Ungnade gefallen sein soll, wie
seine früheren Gegner.

Münster, den 20. Januar. Die Ernennung des
Regierungs=Vice=Präsidenten v. Bodelschwingh zum Ober-
Präsidenten Westfalens soll nach zuverlässigen Quellen
nicht mehr zweifelhaft sein.

Köln, den 24. Januar. Die Wahlen zum deutschen
Volkshause haben hier heute Vormittags Statt gefunden.
Sie waren bald beendigt. Jn manchen unserer 42 Be-
zirke hat sich kaum der zwanzigste, durchschnittlich hat
sich kaum der zehnte Theil der Wahlberechtigten wirklich
betheiligt. ( Jn mehreren Kreisen ist eine Wahl bei einzel-
nen Abtheilungen gar nicht zu Stande gekommen. ) Die
neuesten Vorgänge in Berlin, die allgemeine Ueberzeu-
gung, daß es mit der Vollendung unseres und des deut-
schen Verfassungs=Werkes in der wiederholt so fest und
feierlich versprochenen Weise doch nicht ehrlich gemeint
sei, haben Muth und Vertrauen auf den friedlichen Fort-
gang der deutschen politischen Entwickelung fast völlig
niedergeworfen, und die Zahl derer, welche auch bei ge-
ringer Aussicht in ihrer Pflichterfüllung nicht ermatten,
ist hier nicht groß.

Konstantinopel, den 1. Jan. Gestern hat sich
die türkische Polizei eines preußischen Unterthans, Na-
mens Beck bemächtigt. Derselbe war Bem's Sekretair in
Siebenbürgen und verließ ihn bei dessen Uebertritt zum
Jslam. Als Grund dieser Verhaftung gibt man einen
von demselben Beck unterzeichneten, in einem englischen
Blatte erschienenen Artikel an, der eine Erwiederung auf
den in den "Times" in nicht sehr gemäßigtem Tone aus-
gesprochenen Vorwurf ist, daß Kossuth die Krone des hei-
ligen Stephan entwendet habe. Jn dieser Erwiederung
wird gesagt, daß die Krone an einem sichern Orte ver-
wahrt wird; will man durch diese Verhaftung vielleicht
etwas Näheres über jenen Ort erfahren? Doch Beck ist
preußischer Unterthan; wird er von seinem Gesandten
reclamirt werden -- oder nicht?

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] erschossen werden sollen, und von dem der Straßenräuber
selbst sich nach jeder blutigen That Absolution geben läßt.



Verschiedenes.

Kürzlich wurde ein das Londoner Zollamt betreffender
Betrug entdeckt, welcher große Heiterkeit in der Stadt
verursachte. Ein Kaufmann wollte einige Zeit zuvor sie-
benhundert ausländische, dem Anschein nach goldene Uh-
ren, deren Werth er auf siebenhundert und siebzig Pfund
Sterling angab, einführen, und dieser Summe gemäß
versteuern. Die Zollbeamten aber, in ihrer Weisheit dafür
haltend, daß der namhaft gemachte Preis weit unter dem
eigentlichen Werthe sei, nahmen die Uhren an sich und
zahlten dem Kaufmann die 770 Pfund Sterling nebst
dem in solchen Fällen, zu gesetzlicher Bestimmung, gefäl-
ligem Aufgelde von 10 Procent. Die Uhren wurden so-
dann auf die gewöhnliche Weise in die Auction gegeben
und sollten alsbald darauf in dem dazu bestimmten Lo-
cale in Mincing street versteigert werden. Hier nun stellte
sich heraus, daß dieselben größtentheils aus Kupfer be-
standen und nur leicht vergoldet und mithin höchstens
170 Pfund Sterling werth waren. Jedenfalls werden die
betrogenen Zollbeamten den Schaden tragen müssen.

Unsere deutschen Republikaner sehen immer Nordame-
rika für den Musterstaat, für das Land an, das die voll-
kommenste Staatsform gefunden habe; sie vergessen aber,
daß auch dort gar vieles nicht ist, wie es sein sollte,
daß z. B. selbst in den nördlichen Staaten der Union
eine „Aristokratie der Haut“ besteht, welche die furchtbar-
ste Tyrannei über alle Farbige, sogar über alle diejenigen
ausübt, die ganz weiß sind, aber doch von Schwarzen
abstammen. Kein Amerikaner wird mit einem solchen
Farbigen an einem Tische essen; den Farbigen ist in den
Theatern ein vergitterter Platz in der dritten Gallerie
angewiesen und es gilt für ein Verbrechen, einem Schwar-
zen eine — Bibel zu geben. Jm vorigen Jahre gaben
noch die Geschworenen in dem Bezirke Wood im Staate
Virginien den folgenden Ausspruch: „Martha Christian
aus dem genannten Bezirke, eine böswillige Person, lehrte
am 4. Juli des Jahres 1847 zu Righteous Ridge, ohne
die Furcht Gottes vor Augen zu haben, vielmehr getrie-
ben von dem Teufel in boshafter, übelwollender und ver-
brecherischer Weise eine gewisse Negerin Namens Rebecca
— in der Bibel lesen zum großen Mißfallen des all-
mächtigen Gottes, zum verderblichen Beispiele anderer,
gegen das bestehende Gesetz und zum Nachtheile der Ruhe
und Würde des Staates Virginien.“ — Darauf wurde
Martha, des entsetzlichen Verbrechens überführt, eine Ne-
gerin in der heiligen Schrift, zum großen Mißfallen des
allmächtigen Gottes, lesen gelehrt zu haben, durch den
Richter zu zehnjähriger Einsperrung in dem
Zuchthause
verurtheilt. — Jst ein Land wirklich frei,
in dem so Entsetzliches geschehen kann? — —



Tagesbegebenheiten.

Berlin, den 23. Januar. Gestern hat der Verwal-
tungsrath wegen verzögernder baulicher Einrichtungen
als Termin für Einberufung des erfurter Parlamentes
vorläufig den 20. März angenommen.

— 21. Jan. Das unglückliche Schwanken aller un-
serer politischen Verhältnisse scheint sich bis auf den letz-
[Spaltenumbruch] ten Augenblick und im verstärkten Maße zu erhalten. Die
Pairs werden fürs Erste abgelehnt und die Verfassung
wird fürs Erste nicht beschworen: das scheint ziemlich
fest zu stehen. Ueber den Stand der Minister=Krise aber
jagen sich die widersprechendsten Gerüchte. Hier hört
man versichern, ein Ministerium Gerlach sei uns so gut
wie gewiß, — dort, es sei v. Radowitz gelungen, einen
Ausweg anzugeben, dem auch von Manteuffel seine Zu-
stimmung gegeben habe, so daß dieser nicht nur im Ca-
binette verbleibe, sondern sogar die Präsidentschaft dessel-
ben übernehmen werde.

— 21. Jan. Man glaubt, die Gerüchte, welche
eine Vertagung des Schwures und die Fortsetzung eines
provisorischen Regime's ohne Austrag der streitigen Punkte
als wahrscheinlich darstellen, würden von einer Seite ver-
breitet, wo man die Gemüther auf ein solches Regime
vorzubereiten wünschte. Unterdeß ist die Frage einfacher
geworden. Das Ministerium wendet sich von den Amen-
dements ab und wird sie höchstens nicht bekämpfen. Die
Meisten sehen die Verwerfung der wesentlichen Bestim-
mungen der Botschaft durch die zweite Kammer als ge-
wiß an. Der Vergleich ist von allen Seiten aufgegeben.
Gestern Abend hat die Opposition der zweiten Kammer
eine Fractions=Sitzung gehalten. Sie soll jetzt über 108
Stimmen zählen. Artikel I. bis VII. wurden nochmals
berathen. Artikel I., über die Presse, diesmal verworfen.
Jm Uebrigen vereinigte man sich mit dem Votum der
Commission. Die Verwerfung der Pairie ist heute Abend
gewiß. Als ein Sympton der Situation melde ich noch,
daß Bodelschwingh in Ungnade gefallen sein soll, wie
seine früheren Gegner.

Münster, den 20. Januar. Die Ernennung des
Regierungs=Vice=Präsidenten v. Bodelschwingh zum Ober-
Präsidenten Westfalens soll nach zuverlässigen Quellen
nicht mehr zweifelhaft sein.

Köln, den 24. Januar. Die Wahlen zum deutschen
Volkshause haben hier heute Vormittags Statt gefunden.
Sie waren bald beendigt. Jn manchen unserer 42 Be-
zirke hat sich kaum der zwanzigste, durchschnittlich hat
sich kaum der zehnte Theil der Wahlberechtigten wirklich
betheiligt. ( Jn mehreren Kreisen ist eine Wahl bei einzel-
nen Abtheilungen gar nicht zu Stande gekommen. ) Die
neuesten Vorgänge in Berlin, die allgemeine Ueberzeu-
gung, daß es mit der Vollendung unseres und des deut-
schen Verfassungs=Werkes in der wiederholt so fest und
feierlich versprochenen Weise doch nicht ehrlich gemeint
sei, haben Muth und Vertrauen auf den friedlichen Fort-
gang der deutschen politischen Entwickelung fast völlig
niedergeworfen, und die Zahl derer, welche auch bei ge-
ringer Aussicht in ihrer Pflichterfüllung nicht ermatten,
ist hier nicht groß.

Konstantinopel, den 1. Jan. Gestern hat sich
die türkische Polizei eines preußischen Unterthans, Na-
mens Beck bemächtigt. Derselbe war Bem's Sekretair in
Siebenbürgen und verließ ihn bei dessen Uebertritt zum
Jslam. Als Grund dieser Verhaftung gibt man einen
von demselben Beck unterzeichneten, in einem englischen
Blatte erschienenen Artikel an, der eine Erwiederung auf
den in den „Times“ in nicht sehr gemäßigtem Tone aus-
gesprochenen Vorwurf ist, daß Kossuth die Krone des hei-
ligen Stephan entwendet habe. Jn dieser Erwiederung
wird gesagt, daß die Krone an einem sichern Orte ver-
wahrt wird; will man durch diese Verhaftung vielleicht
etwas Näheres über jenen Ort erfahren? Doch Beck ist
preußischer Unterthan; wird er von seinem Gesandten
reclamirt werden — oder nicht?

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/>
erschossen werden sollen, und von dem der Straßenräuber<lb/>
selbst sich nach jeder blutigen That Absolution geben läßt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Verschiedenes</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Kürzlich wurde ein das Londoner Zollamt betreffender<lb/>
Betrug entdeckt, welcher große Heiterkeit in der Stadt<lb/>
verursachte. Ein Kaufmann wollte einige Zeit zuvor sie-<lb/>
benhundert ausländische, dem Anschein nach goldene Uh-<lb/>
ren, deren Werth er auf siebenhundert und siebzig Pfund<lb/>
Sterling angab, einführen, und dieser Summe gemäß<lb/>
versteuern. Die Zollbeamten aber, in ihrer Weisheit dafür<lb/>
haltend, daß der namhaft gemachte Preis weit unter dem<lb/>
eigentlichen Werthe sei, nahmen die Uhren an sich und<lb/>
zahlten dem Kaufmann die 770 Pfund Sterling nebst<lb/>
dem in solchen Fällen, zu gesetzlicher Bestimmung, gefäl-<lb/>
ligem Aufgelde von 10 Procent. Die Uhren wurden so-<lb/>
dann auf die gewöhnliche Weise in die Auction gegeben<lb/>
und sollten alsbald darauf in dem dazu bestimmten Lo-<lb/>
cale in <hi rendition="#aq">Mincing street</hi> versteigert werden. Hier nun stellte<lb/>
sich heraus, daß dieselben größtentheils aus Kupfer be-<lb/>
standen und nur leicht vergoldet und mithin höchstens<lb/>
170 Pfund Sterling werth waren. Jedenfalls werden die<lb/>
betrogenen Zollbeamten den Schaden tragen müssen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Unsere deutschen Republikaner sehen immer Nordame-<lb/>
rika für den Musterstaat, für das Land an, das die voll-<lb/>
kommenste Staatsform gefunden habe; sie vergessen aber,<lb/>
daß auch dort gar vieles nicht ist, wie es sein sollte,<lb/>
daß z. B. selbst in den nördlichen Staaten der Union<lb/>
eine &#x201E;Aristokratie der Haut&#x201C; besteht, welche die furchtbar-<lb/>
ste Tyrannei über alle Farbige, sogar über alle diejenigen<lb/>
ausübt, die ganz weiß sind, aber doch von Schwarzen<lb/>
abstammen. Kein Amerikaner wird mit einem solchen<lb/>
Farbigen an einem Tische essen; den Farbigen ist in den<lb/>
Theatern ein vergitterter Platz in der dritten Gallerie<lb/>
angewiesen und es gilt für ein Verbrechen, einem Schwar-<lb/>
zen eine &#x2014; Bibel zu geben. Jm vorigen Jahre gaben<lb/>
noch die Geschworenen in dem Bezirke Wood im Staate<lb/>
Virginien den folgenden Ausspruch: &#x201E;Martha Christian<lb/>
aus dem genannten Bezirke, eine böswillige Person, lehrte<lb/>
am 4. Juli des Jahres 1847 zu Righteous Ridge, ohne<lb/>
die Furcht Gottes vor Augen zu haben, vielmehr getrie-<lb/>
ben von dem Teufel in boshafter, übelwollender und ver-<lb/>
brecherischer Weise eine gewisse Negerin Namens Rebecca<lb/>
&#x2014; in der Bibel lesen zum großen Mißfallen des all-<lb/>
mächtigen Gottes, zum verderblichen Beispiele anderer,<lb/>
gegen das bestehende Gesetz und zum Nachtheile der Ruhe<lb/>
und Würde des Staates Virginien.&#x201C; &#x2014; Darauf wurde<lb/>
Martha, des entsetzlichen Verbrechens überführt, eine Ne-<lb/>
gerin in der heiligen Schrift, zum großen Mißfallen des<lb/>
allmächtigen Gottes, lesen gelehrt zu haben, durch den<lb/>
Richter zu <hi rendition="#g">zehnjähriger Einsperrung in dem<lb/>
Zuchthause</hi> verurtheilt. &#x2014; Jst ein Land wirklich frei,<lb/>
in dem so Entsetzliches geschehen kann? &#x2014; &#x2014;</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Tagesbegebenheiten.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Berlin, den 23. Januar. Gestern hat der Verwal-<lb/>
tungsrath wegen verzögernder baulicher Einrichtungen<lb/>
als Termin für Einberufung des erfurter Parlamentes<lb/>
vorläufig den 20. März angenommen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>&#x2014; 21. Jan. Das unglückliche Schwanken aller un-<lb/>
serer politischen Verhältnisse scheint sich bis auf den letz-<lb/><cb n="2"/>
ten Augenblick und im verstärkten Maße zu erhalten. Die<lb/>
Pairs werden fürs Erste abgelehnt und die Verfassung<lb/>
wird fürs Erste nicht beschworen: das scheint ziemlich<lb/>
fest zu stehen. Ueber den Stand der Minister=Krise aber<lb/>
jagen sich die widersprechendsten Gerüchte. Hier hört<lb/>
man versichern, ein Ministerium Gerlach sei uns so gut<lb/>
wie gewiß, &#x2014; dort, es sei v. Radowitz gelungen, einen<lb/>
Ausweg anzugeben, dem auch von Manteuffel seine Zu-<lb/>
stimmung gegeben habe, so daß dieser nicht nur im Ca-<lb/>
binette verbleibe, sondern sogar die Präsidentschaft dessel-<lb/>
ben übernehmen werde.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>&#x2014; 21. Jan. Man glaubt, die Gerüchte, welche<lb/>
eine Vertagung des Schwures und die Fortsetzung eines<lb/>
provisorischen Regime's ohne Austrag der streitigen Punkte<lb/>
als wahrscheinlich darstellen, würden von einer Seite ver-<lb/>
breitet, wo man die Gemüther auf ein solches Regime<lb/>
vorzubereiten wünschte. Unterdeß ist die Frage einfacher<lb/>
geworden. Das Ministerium wendet sich von den Amen-<lb/>
dements ab und wird sie höchstens nicht bekämpfen. Die<lb/>
Meisten sehen die Verwerfung der wesentlichen Bestim-<lb/>
mungen der Botschaft durch die zweite Kammer als ge-<lb/>
wiß an. Der Vergleich ist von allen Seiten aufgegeben.<lb/>
Gestern Abend hat die Opposition der zweiten Kammer<lb/>
eine Fractions=Sitzung gehalten. Sie soll jetzt über 108<lb/>
Stimmen zählen. Artikel <hi rendition="#aq">I</hi>. bis <hi rendition="#aq">VII</hi>. wurden nochmals<lb/>
berathen. Artikel <hi rendition="#aq">I</hi>., über die Presse, diesmal verworfen.<lb/>
Jm Uebrigen vereinigte man sich mit dem Votum der<lb/>
Commission. Die Verwerfung der Pairie ist heute Abend<lb/>
gewiß. Als ein Sympton der Situation melde ich noch,<lb/>
daß Bodelschwingh in Ungnade gefallen sein soll, wie<lb/>
seine früheren Gegner.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Münster, den 20. Januar. Die Ernennung des<lb/>
Regierungs=Vice=Präsidenten v. Bodelschwingh zum Ober-<lb/>
Präsidenten Westfalens soll nach zuverlässigen Quellen<lb/>
nicht mehr zweifelhaft sein.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Köln, den 24. Januar. Die Wahlen zum deutschen<lb/>
Volkshause haben hier heute Vormittags Statt gefunden.<lb/>
Sie waren bald beendigt. Jn manchen unserer 42 Be-<lb/>
zirke hat sich kaum der zwanzigste, durchschnittlich hat<lb/>
sich kaum der zehnte Theil der Wahlberechtigten wirklich<lb/>
betheiligt. ( Jn mehreren Kreisen ist eine Wahl bei einzel-<lb/>
nen Abtheilungen gar nicht zu Stande gekommen. ) Die<lb/>
neuesten Vorgänge in Berlin, die allgemeine Ueberzeu-<lb/>
gung, daß es mit der Vollendung unseres und des deut-<lb/>
schen Verfassungs=Werkes in der wiederholt so fest und<lb/>
feierlich versprochenen Weise doch nicht ehrlich gemeint<lb/>
sei, haben Muth und Vertrauen auf den friedlichen Fort-<lb/>
gang der deutschen politischen Entwickelung fast völlig<lb/>
niedergeworfen, und die Zahl derer, welche auch bei ge-<lb/>
ringer Aussicht in ihrer Pflichterfüllung nicht ermatten,<lb/>
ist hier nicht groß.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Konstantinopel, den 1. Jan. Gestern hat sich<lb/>
die türkische Polizei eines preußischen Unterthans, Na-<lb/>
mens Beck bemächtigt. Derselbe war Bem's Sekretair in<lb/>
Siebenbürgen und verließ ihn bei dessen Uebertritt zum<lb/>
Jslam. Als Grund dieser Verhaftung gibt man einen<lb/>
von demselben Beck unterzeichneten, in einem englischen<lb/>
Blatte erschienenen Artikel an, der eine Erwiederung auf<lb/>
den in den &#x201E;Times&#x201C; in nicht sehr gemäßigtem Tone aus-<lb/>
gesprochenen Vorwurf ist, daß Kossuth die Krone des hei-<lb/>
ligen Stephan entwendet habe. Jn dieser Erwiederung<lb/>
wird gesagt, daß die Krone an einem sichern Orte ver-<lb/>
wahrt wird; will man durch diese Verhaftung vielleicht<lb/>
etwas Näheres über jenen Ort erfahren? Doch Beck ist<lb/>
preußischer Unterthan; wird er von seinem Gesandten<lb/>
reclamirt werden &#x2014; oder nicht?</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0003] erschossen werden sollen, und von dem der Straßenräuber selbst sich nach jeder blutigen That Absolution geben läßt. Verschiedenes. Kürzlich wurde ein das Londoner Zollamt betreffender Betrug entdeckt, welcher große Heiterkeit in der Stadt verursachte. Ein Kaufmann wollte einige Zeit zuvor sie- benhundert ausländische, dem Anschein nach goldene Uh- ren, deren Werth er auf siebenhundert und siebzig Pfund Sterling angab, einführen, und dieser Summe gemäß versteuern. Die Zollbeamten aber, in ihrer Weisheit dafür haltend, daß der namhaft gemachte Preis weit unter dem eigentlichen Werthe sei, nahmen die Uhren an sich und zahlten dem Kaufmann die 770 Pfund Sterling nebst dem in solchen Fällen, zu gesetzlicher Bestimmung, gefäl- ligem Aufgelde von 10 Procent. Die Uhren wurden so- dann auf die gewöhnliche Weise in die Auction gegeben und sollten alsbald darauf in dem dazu bestimmten Lo- cale in Mincing street versteigert werden. Hier nun stellte sich heraus, daß dieselben größtentheils aus Kupfer be- standen und nur leicht vergoldet und mithin höchstens 170 Pfund Sterling werth waren. Jedenfalls werden die betrogenen Zollbeamten den Schaden tragen müssen. Unsere deutschen Republikaner sehen immer Nordame- rika für den Musterstaat, für das Land an, das die voll- kommenste Staatsform gefunden habe; sie vergessen aber, daß auch dort gar vieles nicht ist, wie es sein sollte, daß z. B. selbst in den nördlichen Staaten der Union eine „Aristokratie der Haut“ besteht, welche die furchtbar- ste Tyrannei über alle Farbige, sogar über alle diejenigen ausübt, die ganz weiß sind, aber doch von Schwarzen abstammen. Kein Amerikaner wird mit einem solchen Farbigen an einem Tische essen; den Farbigen ist in den Theatern ein vergitterter Platz in der dritten Gallerie angewiesen und es gilt für ein Verbrechen, einem Schwar- zen eine — Bibel zu geben. Jm vorigen Jahre gaben noch die Geschworenen in dem Bezirke Wood im Staate Virginien den folgenden Ausspruch: „Martha Christian aus dem genannten Bezirke, eine böswillige Person, lehrte am 4. Juli des Jahres 1847 zu Righteous Ridge, ohne die Furcht Gottes vor Augen zu haben, vielmehr getrie- ben von dem Teufel in boshafter, übelwollender und ver- brecherischer Weise eine gewisse Negerin Namens Rebecca — in der Bibel lesen zum großen Mißfallen des all- mächtigen Gottes, zum verderblichen Beispiele anderer, gegen das bestehende Gesetz und zum Nachtheile der Ruhe und Würde des Staates Virginien.“ — Darauf wurde Martha, des entsetzlichen Verbrechens überführt, eine Ne- gerin in der heiligen Schrift, zum großen Mißfallen des allmächtigen Gottes, lesen gelehrt zu haben, durch den Richter zu zehnjähriger Einsperrung in dem Zuchthause verurtheilt. — Jst ein Land wirklich frei, in dem so Entsetzliches geschehen kann? — — Tagesbegebenheiten. Berlin, den 23. Januar. Gestern hat der Verwal- tungsrath wegen verzögernder baulicher Einrichtungen als Termin für Einberufung des erfurter Parlamentes vorläufig den 20. März angenommen. — 21. Jan. Das unglückliche Schwanken aller un- serer politischen Verhältnisse scheint sich bis auf den letz- ten Augenblick und im verstärkten Maße zu erhalten. Die Pairs werden fürs Erste abgelehnt und die Verfassung wird fürs Erste nicht beschworen: das scheint ziemlich fest zu stehen. Ueber den Stand der Minister=Krise aber jagen sich die widersprechendsten Gerüchte. Hier hört man versichern, ein Ministerium Gerlach sei uns so gut wie gewiß, — dort, es sei v. Radowitz gelungen, einen Ausweg anzugeben, dem auch von Manteuffel seine Zu- stimmung gegeben habe, so daß dieser nicht nur im Ca- binette verbleibe, sondern sogar die Präsidentschaft dessel- ben übernehmen werde. — 21. Jan. Man glaubt, die Gerüchte, welche eine Vertagung des Schwures und die Fortsetzung eines provisorischen Regime's ohne Austrag der streitigen Punkte als wahrscheinlich darstellen, würden von einer Seite ver- breitet, wo man die Gemüther auf ein solches Regime vorzubereiten wünschte. Unterdeß ist die Frage einfacher geworden. Das Ministerium wendet sich von den Amen- dements ab und wird sie höchstens nicht bekämpfen. Die Meisten sehen die Verwerfung der wesentlichen Bestim- mungen der Botschaft durch die zweite Kammer als ge- wiß an. Der Vergleich ist von allen Seiten aufgegeben. Gestern Abend hat die Opposition der zweiten Kammer eine Fractions=Sitzung gehalten. Sie soll jetzt über 108 Stimmen zählen. Artikel I. bis VII. wurden nochmals berathen. Artikel I., über die Presse, diesmal verworfen. Jm Uebrigen vereinigte man sich mit dem Votum der Commission. Die Verwerfung der Pairie ist heute Abend gewiß. Als ein Sympton der Situation melde ich noch, daß Bodelschwingh in Ungnade gefallen sein soll, wie seine früheren Gegner. Münster, den 20. Januar. Die Ernennung des Regierungs=Vice=Präsidenten v. Bodelschwingh zum Ober- Präsidenten Westfalens soll nach zuverlässigen Quellen nicht mehr zweifelhaft sein. Köln, den 24. Januar. Die Wahlen zum deutschen Volkshause haben hier heute Vormittags Statt gefunden. Sie waren bald beendigt. Jn manchen unserer 42 Be- zirke hat sich kaum der zwanzigste, durchschnittlich hat sich kaum der zehnte Theil der Wahlberechtigten wirklich betheiligt. ( Jn mehreren Kreisen ist eine Wahl bei einzel- nen Abtheilungen gar nicht zu Stande gekommen. ) Die neuesten Vorgänge in Berlin, die allgemeine Ueberzeu- gung, daß es mit der Vollendung unseres und des deut- schen Verfassungs=Werkes in der wiederholt so fest und feierlich versprochenen Weise doch nicht ehrlich gemeint sei, haben Muth und Vertrauen auf den friedlichen Fort- gang der deutschen politischen Entwickelung fast völlig niedergeworfen, und die Zahl derer, welche auch bei ge- ringer Aussicht in ihrer Pflichterfüllung nicht ermatten, ist hier nicht groß. Konstantinopel, den 1. Jan. Gestern hat sich die türkische Polizei eines preußischen Unterthans, Na- mens Beck bemächtigt. Derselbe war Bem's Sekretair in Siebenbürgen und verließ ihn bei dessen Uebertritt zum Jslam. Als Grund dieser Verhaftung gibt man einen von demselben Beck unterzeichneten, in einem englischen Blatte erschienenen Artikel an, der eine Erwiederung auf den in den „Times“ in nicht sehr gemäßigtem Tone aus- gesprochenen Vorwurf ist, daß Kossuth die Krone des hei- ligen Stephan entwendet habe. Jn dieser Erwiederung wird gesagt, daß die Krone an einem sichern Orte ver- wahrt wird; will man durch diese Verhaftung vielleicht etwas Näheres über jenen Ort erfahren? Doch Beck ist preußischer Unterthan; wird er von seinem Gesandten reclamirt werden — oder nicht?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische008_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische008_1850/3
Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 8. Hattingen, 26. Januar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische008_1850/3>, abgerufen am 29.05.2024.