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Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] lung oder Uebung vorzunehmen. Auf die allgemeine Einführung
der Civilehe, wie sie nach dem Code civile besteht, haben schon
längst die Vertheidiger der religiösen und kirchlichen Freiheit,
namentlich auch seiner Zeit in Preußen, als auf ein Mittel hin-
gewiesen, alle Conflikte mit der religiösen Ueberzeugung in Ehe-
sachen abzuschneiden. Wir sehen also darin keinen besondern
Fortschritt.

Allein was nutzt uns eine solche Abspeisung mit Einzelnheiten,
wenn der große und herrliche Grundsatz der religiösen und
kirchlichen Freiheit
nicht ausgesprochen und durch den
Grundsatz der kirchlichen Unabhängigkeit nicht allen
Einmischungen der Staatsgewalt in religiöse Angelegenheiten
irgend einer Confession, woraus stets dem Staat von einer oder
der andern Seite Unwillen und Haß erwächst, ein Ende gemacht
wird? Der Staat hat der Kirche gegenüber nur Eine Pflicht,
sie gegen widerrechtliche Angriffe auf ihre Freiheit, ihren Be-
stand oder ihr Eigenthum zu schützen und gegen sie die Obliga-
tionen zu erfüllen, welche auf rechtsverbindlichen Titeln und Ver-
trägen beruhen. Und die Kirche, ihre Diener und Angehörigen
haben ebenfalls nur eine Pflicht dem Staate gegenüber, nämlich
keine Eingriffe in die Freiheit und das Recht des Staates, ande-
rer Confessionen oder von Privatpersonen sich zu erlauben. Jm
Uebrigen muß unbedingte Freiheit herrschen. Furcht vor dieser
Freiheit ziemte sich wahrlich nicht für eine Versammlung, deren
Beruf es ist, die Freiheit allseitig, gründlich und dauernd
zur Wahrheit zu machen. Wir Anhänger des positiven Christen-
thums sehen ohne alles Mißgefühl und ohne alle Besorgniß
Männer in der Nationalversammlung, deren religiöse Ansichten
den unsrigen geradezu entgegengesetzt sind: wenn sie nur auf-
richtig
und consequent den Prinzipien der Freiheit huldigen.
Würde aber ein religiöses oder antireligiöses Parteinehmen auf
die Beschlüsse jener Versammlung irgendwie Einfluß üben, würde
engherziges Vorurtheil oder unaufrichtige Hintansetzung gegen
irgend eine Confession sich geltend machen, so müßten wir dieses
als das beklagenswertheste Unglück für unser Vaterland und als
einen Stein des Aergernisses und Anstoßes ansehen, an welchem
das ganze Werk der Wiederherstellung Deutschlands binnen Kur-
zem schmählich scheitern müßte. Vor der Hand zweifeln wir noch
nicht daran, daß jener engherzige Artikel des Verfassungsent-
wurfes, welcher nur mit der Majorität von Einer Stimme in
der Commission durchgegangen ist, durch die Nationalversamm-
lung selbst verworfen und die unbedingte religiöse und
kirchliche Freiheit für Alle
klar, offen und redlich werde
ausgesprochen werden. Das deutsche Parlament wird an Weis-
heit und Hochsinnigkeit dem nordamerikanischen Congreß nicht
nachstehen wollen!



Deutschland.

# Frankfurt 20. Juni. Die Bundesversammlung hat
heute morgen beschlossen, die Regierungen von Bayern,
Preußen
und Sachsen aufzufodern, Truppen zum Schutze
der Ordnung in Böhmen einrücken zu lassen, wenn eine deßfall-
sige Aufforderung von Seiten Oesterreichs erfolge.

Wien 15. Juni. Wie ich schon bemerkt hatte, war die ge-
ringe Theilnahme an den Wahlen zum Anlasse lebhafter Debatten
und mannichfacher Vorschläge im Ausschuß erwachsen. Hatten
sich doch in einem District von 2500 berufenen Wählern nur 60
zur Einzeichnung in die Wahlliste eingefunden! Am Ende war
man zur Ueberzeugung gelangt, daß dieselbe vornehmlich in dem
schon vielfältig angefochtenen indirecten Wahlmodus zu suchen
sey. Es wurde hierauf der entsprechende Beschluß zur Abfassung
einer Adresse an das Ministerium angenommen, und dieselbe noch
gestern Abends überreicht. Nachschrift. Das Ministerium hat
das Ansinnen über Vornahme directer Wahlen abgelehnt,
wobei die Bedenken, welche sich demselben entgegenstellten, her-
vorgehoben wurden. ( A. Z. )

Nach den neuesten Berichten aus Jnnsbruck war der Banus
von Croatien, Jelachich, daselbst eingetroffen. Die Tiroler hat-
ten ihm eine Nachtmusik mit Fackeln gebracht. Die Ungarn am
Hoflager zeigten sich sehr entgegenkommend gegen den Banus, so
daß man wieder die Hoffnung eines friedlichen Uebereinkommens
hegte. Die neueste Wiener Ztg. sagt bei Meldung der Abreise
des Banus aus Agram nach Jnnsbruck: "Es waren Deputatio-
nen aus allen Comitaten Croatiens und Slavoniens eingetroffen,
und der von ihnen vergötterte Banus war im Augenblick seiner
Abreise nicht mehr im Stande zu verhindern, daß ihm 200 Deputirte
als Begleiter nach Jnnsbruck folgten. Es herrscht in ganz Croatien
Ruhe, und alle Blicke sind jetzt nach Jnnsbruck gerichtet. Legt der
Banus seine Stelle in die Hände des Kaisers nieder, welches er,
[Spaltenumbruch] im Fall er sich dem magyarischen Minister unterwerfen müßte, zu
thun fest entschlossen ist, so ist der Bürgerkrieg zwischen Croatien
und Magyaren unvermeidlich." Jndessen war letzteres keineswegs
zu fürchten. Der Banus hatte bei der jüngsten Eröffnung des
croatischen Landtags feierliche Aufrechthaltung der Rechte Jlly-
riens zugesagt, und die betreffende Deputation des Landtags hatte
am 9. Juni vorgeschlagen: eine Trennung von Ungarn soll in
der Art bewirkt werden, daß Croatien bei Erhaltung der Jntegri-
tät des österreichischen Staates eine eigene Administrationsbehörde
haben, in Hinsicht des Krieges, der Finanzen und des Handels
aber an das österreichische Ministerium gewiesen seyn würde.

( A. Z. )

Wien 15. Juni. Die Arbeiter, zum großen Theil aus
Tschechen bestehend und von tschechischen Aufwieglern aufgereizt,
schickten heute eine Deputation an den Sicherheitsausschuß mit
einer Bittschrift, worin sie Erhöhung ihres Arbeitslohnes und
Bezahlung desselben auch an Feier= und Regentagen verlangten,
und im Fall ihre Forderung ihnen nicht gewährt würde, drohten
sie sich an die Reaction anzuschließen, und wiesen dabei auf die
Ereignisse von Neapel und auf England hin. Dr. Fischof, der
Vorsitzer des Ausschusses, befahl sogleich den Sprecher der De-
putation, der, von früher schon als ( tschechischer ) Wühler be-
kannt, sich in eine Nationalgardeuniform verkappt hatte, festzu-
nehmen, ließ die Gallerien des Sitzungssaales schließen, damit
niemand auf die draußen harrenden Arbeiter einwirken könne,
und erklärte zugleich denselben, daß ihre unstatthaften Forderun-
gen nicht erfüllt werden können. Zugleich ließ er die National-
garde und die Studentenlegion consigniren, um den Arbeitern zu
bedeuten, daß man nöthigenfalls ihrem frevelhaften Begehren
mit Ernst entgegentreten würde. Bis jetzt ( 3 1 / 2 Uhr ) ist die
Ruhe noch nirgends gestört worden. ( A. Z. )

Aus Böhmen 16. Juni. Jch kann Jhnen in aller Kürze
noch einige Nachrichten über die Zustände Prag's mittheilen,
wie ich sie von Leuten, welche die Stadt heute verlassen
haben, in Erfahrung brachte. Am Montag ist bis gegen Anbruch
der Nacht fortgekämpft worden, wobei die Truppen starke Verluste
erlitten. Die Frau des Commandirenden wurde vermuthlich er-
schossen, als sie eben den Fenstervorhang ein wenig lüftete, um
auf die Straße zu sehen, auch der Sohn des Fürsten hat eine be-
deutende Schußwunde erhalten. Das Militär, namentlich die
Grenadiere, sollen an diesem Tage arg gehaust haben. Man spricht
von der Plünderung mehrerer Banquierhäuser, in deren einem
für 50,000 fl. Staatspapiere in blinder Wuth vernichtet wurden.
Dienstag und Mittwoch war Ruhe, wenigstens Waffenstillstand.
Die Truppen hielten einen Theil der Stadt und die Thore besetzt,
die Studirenden, in Verbindung mit den Arbeitern, blieben hinter
den Barrikaden, von denen einige fast unüberwindlich seyn sollen.
An einer Barrikade kämpfte eine schöne Polin in Nationaltracht,
einen Blumenstrauß am Bajonette tragend. Sie soll 7 Grena-
diere erschossen haben. Jn der Nacht vom Mittwoch zum Don-
nerstag zog Windisch=Grätz in aller Stille das Militär aus der
Stadt zurück über die Kettenbrücke, welche gleich darauf zum
Theil abgetragen wurde, und ließ dasselbe auf der Kleinseite Posto
fassen. Gestern früh fing er an die Stadt mit Kanonen beschießen
zu lassen. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag hindurch bis
Abends 7 Uhr; es sind 160 Schüsse gezählt worden. Jch befand
mich 6 Meilen von Prag und konnte deutlich jeden Schuß hören.
Das Bombardement war namentlich auf das Carolinum gerich-
tet, was arg mitgenommen seyn soll. Menschen sind gestern nur
wenig gefallen; ich hörte nur von zwei, von denen der eine durch
eine Granate, der andere, ein Bauer, welcher eben in die Stadt wollte,
um sein Kind zu holen, durch eine Flintenkugel erschossen wurde. Jn
der Stadt herrscht die größte Anarchie. Das Proletariat hat alle
Kasernen und die Commandantur ausgeplündert und zerstört. Die
Thore der Stadt sind von den Studirenden, der uniformirten
Bürgergarde und den Arbeitern gemeinschaftlich besetzt. Es
ward Niemand herausgelassen. Zwei Compagnien vom Regi-
ment Latour, welche in der Stadt geblieben waren, haben ihre
Waffen dem Volke übergeben. Jn Karolinenthal, einer Vorstadt
Prags, kann Niemand gehen, ohne sich der Gefahr auszusetzen,
beraubt zu werden. Auf offener Straße werden dort Uhren und
Börsen weggenommen. Viele Häuser in der Stadt sollen arg
verwüstet seyn; die Altstadt namentlich ein schreckliches Aussehen
haben. Von den Gasthöfen hat der "Zum blauen Stern," der
mit Kartätschen beschossen wurde, am meisten gelitten. Feuer ist
glücklicher Weise nicht ausgebrochen. Einmal zündete eine Gra-
nate auf dem kleinen Ring; es wurde aber sogleich wieder gelöscht.
Gestern gegen Abend erschien ein Manifest, in welchem bekannt
gemacht wird, daß dem Fürsten Windischgrätz das Commando
über die Truppen abgenommen und dem General Mensdorff
übergeben wird, daß ferner die Nationalgarde gemeinschaftlich
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[Beginn Spaltensatz] lung oder Uebung vorzunehmen. Auf die allgemeine Einführung
der Civilehe, wie sie nach dem Code civile besteht, haben schon
längst die Vertheidiger der religiösen und kirchlichen Freiheit,
namentlich auch seiner Zeit in Preußen, als auf ein Mittel hin-
gewiesen, alle Conflikte mit der religiösen Ueberzeugung in Ehe-
sachen abzuschneiden. Wir sehen also darin keinen besondern
Fortschritt.

Allein was nutzt uns eine solche Abspeisung mit Einzelnheiten,
wenn der große und herrliche Grundsatz der religiösen und
kirchlichen Freiheit
nicht ausgesprochen und durch den
Grundsatz der kirchlichen Unabhängigkeit nicht allen
Einmischungen der Staatsgewalt in religiöse Angelegenheiten
irgend einer Confession, woraus stets dem Staat von einer oder
der andern Seite Unwillen und Haß erwächst, ein Ende gemacht
wird? Der Staat hat der Kirche gegenüber nur Eine Pflicht,
sie gegen widerrechtliche Angriffe auf ihre Freiheit, ihren Be-
stand oder ihr Eigenthum zu schützen und gegen sie die Obliga-
tionen zu erfüllen, welche auf rechtsverbindlichen Titeln und Ver-
trägen beruhen. Und die Kirche, ihre Diener und Angehörigen
haben ebenfalls nur eine Pflicht dem Staate gegenüber, nämlich
keine Eingriffe in die Freiheit und das Recht des Staates, ande-
rer Confessionen oder von Privatpersonen sich zu erlauben. Jm
Uebrigen muß unbedingte Freiheit herrschen. Furcht vor dieser
Freiheit ziemte sich wahrlich nicht für eine Versammlung, deren
Beruf es ist, die Freiheit allseitig, gründlich und dauernd
zur Wahrheit zu machen. Wir Anhänger des positiven Christen-
thums sehen ohne alles Mißgefühl und ohne alle Besorgniß
Männer in der Nationalversammlung, deren religiöse Ansichten
den unsrigen geradezu entgegengesetzt sind: wenn sie nur auf-
richtig
und consequent den Prinzipien der Freiheit huldigen.
Würde aber ein religiöses oder antireligiöses Parteinehmen auf
die Beschlüsse jener Versammlung irgendwie Einfluß üben, würde
engherziges Vorurtheil oder unaufrichtige Hintansetzung gegen
irgend eine Confession sich geltend machen, so müßten wir dieses
als das beklagenswertheste Unglück für unser Vaterland und als
einen Stein des Aergernisses und Anstoßes ansehen, an welchem
das ganze Werk der Wiederherstellung Deutschlands binnen Kur-
zem schmählich scheitern müßte. Vor der Hand zweifeln wir noch
nicht daran, daß jener engherzige Artikel des Verfassungsent-
wurfes, welcher nur mit der Majorität von Einer Stimme in
der Commission durchgegangen ist, durch die Nationalversamm-
lung selbst verworfen und die unbedingte religiöse und
kirchliche Freiheit für Alle
klar, offen und redlich werde
ausgesprochen werden. Das deutsche Parlament wird an Weis-
heit und Hochsinnigkeit dem nordamerikanischen Congreß nicht
nachstehen wollen!



Deutschland.

# Frankfurt 20. Juni. Die Bundesversammlung hat
heute morgen beschlossen, die Regierungen von Bayern,
Preußen
und Sachsen aufzufodern, Truppen zum Schutze
der Ordnung in Böhmen einrücken zu lassen, wenn eine deßfall-
sige Aufforderung von Seiten Oesterreichs erfolge.

Wien 15. Juni. Wie ich schon bemerkt hatte, war die ge-
ringe Theilnahme an den Wahlen zum Anlasse lebhafter Debatten
und mannichfacher Vorschläge im Ausschuß erwachsen. Hatten
sich doch in einem District von 2500 berufenen Wählern nur 60
zur Einzeichnung in die Wahlliste eingefunden! Am Ende war
man zur Ueberzeugung gelangt, daß dieselbe vornehmlich in dem
schon vielfältig angefochtenen indirecten Wahlmodus zu suchen
sey. Es wurde hierauf der entsprechende Beschluß zur Abfassung
einer Adresse an das Ministerium angenommen, und dieselbe noch
gestern Abends überreicht. Nachschrift. Das Ministerium hat
das Ansinnen über Vornahme directer Wahlen abgelehnt,
wobei die Bedenken, welche sich demselben entgegenstellten, her-
vorgehoben wurden. ( A. Z. )

Nach den neuesten Berichten aus Jnnsbruck war der Banus
von Croatien, Jelachich, daselbst eingetroffen. Die Tiroler hat-
ten ihm eine Nachtmusik mit Fackeln gebracht. Die Ungarn am
Hoflager zeigten sich sehr entgegenkommend gegen den Banus, so
daß man wieder die Hoffnung eines friedlichen Uebereinkommens
hegte. Die neueste Wiener Ztg. sagt bei Meldung der Abreise
des Banus aus Agram nach Jnnsbruck: „Es waren Deputatio-
nen aus allen Comitaten Croatiens und Slavoniens eingetroffen,
und der von ihnen vergötterte Banus war im Augenblick seiner
Abreise nicht mehr im Stande zu verhindern, daß ihm 200 Deputirte
als Begleiter nach Jnnsbruck folgten. Es herrscht in ganz Croatien
Ruhe, und alle Blicke sind jetzt nach Jnnsbruck gerichtet. Legt der
Banus seine Stelle in die Hände des Kaisers nieder, welches er,
[Spaltenumbruch] im Fall er sich dem magyarischen Minister unterwerfen müßte, zu
thun fest entschlossen ist, so ist der Bürgerkrieg zwischen Croatien
und Magyaren unvermeidlich.“ Jndessen war letzteres keineswegs
zu fürchten. Der Banus hatte bei der jüngsten Eröffnung des
croatischen Landtags feierliche Aufrechthaltung der Rechte Jlly-
riens zugesagt, und die betreffende Deputation des Landtags hatte
am 9. Juni vorgeschlagen: eine Trennung von Ungarn soll in
der Art bewirkt werden, daß Croatien bei Erhaltung der Jntegri-
tät des österreichischen Staates eine eigene Administrationsbehörde
haben, in Hinsicht des Krieges, der Finanzen und des Handels
aber an das österreichische Ministerium gewiesen seyn würde.

( A. Z. )

Wien 15. Juni. Die Arbeiter, zum großen Theil aus
Tschechen bestehend und von tschechischen Aufwieglern aufgereizt,
schickten heute eine Deputation an den Sicherheitsausschuß mit
einer Bittschrift, worin sie Erhöhung ihres Arbeitslohnes und
Bezahlung desselben auch an Feier= und Regentagen verlangten,
und im Fall ihre Forderung ihnen nicht gewährt würde, drohten
sie sich an die Reaction anzuschließen, und wiesen dabei auf die
Ereignisse von Neapel und auf England hin. Dr. Fischof, der
Vorsitzer des Ausschusses, befahl sogleich den Sprecher der De-
putation, der, von früher schon als ( tschechischer ) Wühler be-
kannt, sich in eine Nationalgardeuniform verkappt hatte, festzu-
nehmen, ließ die Gallerien des Sitzungssaales schließen, damit
niemand auf die draußen harrenden Arbeiter einwirken könne,
und erklärte zugleich denselben, daß ihre unstatthaften Forderun-
gen nicht erfüllt werden können. Zugleich ließ er die National-
garde und die Studentenlegion consigniren, um den Arbeitern zu
bedeuten, daß man nöthigenfalls ihrem frevelhaften Begehren
mit Ernst entgegentreten würde. Bis jetzt ( 3 1 / 2 Uhr ) ist die
Ruhe noch nirgends gestört worden. ( A. Z. )

Aus Böhmen 16. Juni. Jch kann Jhnen in aller Kürze
noch einige Nachrichten über die Zustände Prag's mittheilen,
wie ich sie von Leuten, welche die Stadt heute verlassen
haben, in Erfahrung brachte. Am Montag ist bis gegen Anbruch
der Nacht fortgekämpft worden, wobei die Truppen starke Verluste
erlitten. Die Frau des Commandirenden wurde vermuthlich er-
schossen, als sie eben den Fenstervorhang ein wenig lüftete, um
auf die Straße zu sehen, auch der Sohn des Fürsten hat eine be-
deutende Schußwunde erhalten. Das Militär, namentlich die
Grenadiere, sollen an diesem Tage arg gehaust haben. Man spricht
von der Plünderung mehrerer Banquierhäuser, in deren einem
für 50,000 fl. Staatspapiere in blinder Wuth vernichtet wurden.
Dienstag und Mittwoch war Ruhe, wenigstens Waffenstillstand.
Die Truppen hielten einen Theil der Stadt und die Thore besetzt,
die Studirenden, in Verbindung mit den Arbeitern, blieben hinter
den Barrikaden, von denen einige fast unüberwindlich seyn sollen.
An einer Barrikade kämpfte eine schöne Polin in Nationaltracht,
einen Blumenstrauß am Bajonette tragend. Sie soll 7 Grena-
diere erschossen haben. Jn der Nacht vom Mittwoch zum Don-
nerstag zog Windisch=Grätz in aller Stille das Militär aus der
Stadt zurück über die Kettenbrücke, welche gleich darauf zum
Theil abgetragen wurde, und ließ dasselbe auf der Kleinseite Posto
fassen. Gestern früh fing er an die Stadt mit Kanonen beschießen
zu lassen. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag hindurch bis
Abends 7 Uhr; es sind 160 Schüsse gezählt worden. Jch befand
mich 6 Meilen von Prag und konnte deutlich jeden Schuß hören.
Das Bombardement war namentlich auf das Carolinum gerich-
tet, was arg mitgenommen seyn soll. Menschen sind gestern nur
wenig gefallen; ich hörte nur von zwei, von denen der eine durch
eine Granate, der andere, ein Bauer, welcher eben in die Stadt wollte,
um sein Kind zu holen, durch eine Flintenkugel erschossen wurde. Jn
der Stadt herrscht die größte Anarchie. Das Proletariat hat alle
Kasernen und die Commandantur ausgeplündert und zerstört. Die
Thore der Stadt sind von den Studirenden, der uniformirten
Bürgergarde und den Arbeitern gemeinschaftlich besetzt. Es
ward Niemand herausgelassen. Zwei Compagnien vom Regi-
ment Latour, welche in der Stadt geblieben waren, haben ihre
Waffen dem Volke übergeben. Jn Karolinenthal, einer Vorstadt
Prags, kann Niemand gehen, ohne sich der Gefahr auszusetzen,
beraubt zu werden. Auf offener Straße werden dort Uhren und
Börsen weggenommen. Viele Häuser in der Stadt sollen arg
verwüstet seyn; die Altstadt namentlich ein schreckliches Aussehen
haben. Von den Gasthöfen hat der „Zum blauen Stern,“ der
mit Kartätschen beschossen wurde, am meisten gelitten. Feuer ist
glücklicher Weise nicht ausgebrochen. Einmal zündete eine Gra-
nate auf dem kleinen Ring; es wurde aber sogleich wieder gelöscht.
Gestern gegen Abend erschien ein Manifest, in welchem bekannt
gemacht wird, daß dem Fürsten Windischgrätz das Commando
über die Truppen abgenommen und dem General Mensdorff
übergeben wird, daß ferner die Nationalgarde gemeinschaftlich
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[0002] lung oder Uebung vorzunehmen. Auf die allgemeine Einführung der Civilehe, wie sie nach dem Code civile besteht, haben schon längst die Vertheidiger der religiösen und kirchlichen Freiheit, namentlich auch seiner Zeit in Preußen, als auf ein Mittel hin- gewiesen, alle Conflikte mit der religiösen Ueberzeugung in Ehe- sachen abzuschneiden. Wir sehen also darin keinen besondern Fortschritt. Allein was nutzt uns eine solche Abspeisung mit Einzelnheiten, wenn der große und herrliche Grundsatz der religiösen und kirchlichen Freiheit nicht ausgesprochen und durch den Grundsatz der kirchlichen Unabhängigkeit nicht allen Einmischungen der Staatsgewalt in religiöse Angelegenheiten irgend einer Confession, woraus stets dem Staat von einer oder der andern Seite Unwillen und Haß erwächst, ein Ende gemacht wird? Der Staat hat der Kirche gegenüber nur Eine Pflicht, sie gegen widerrechtliche Angriffe auf ihre Freiheit, ihren Be- stand oder ihr Eigenthum zu schützen und gegen sie die Obliga- tionen zu erfüllen, welche auf rechtsverbindlichen Titeln und Ver- trägen beruhen. Und die Kirche, ihre Diener und Angehörigen haben ebenfalls nur eine Pflicht dem Staate gegenüber, nämlich keine Eingriffe in die Freiheit und das Recht des Staates, ande- rer Confessionen oder von Privatpersonen sich zu erlauben. Jm Uebrigen muß unbedingte Freiheit herrschen. Furcht vor dieser Freiheit ziemte sich wahrlich nicht für eine Versammlung, deren Beruf es ist, die Freiheit allseitig, gründlich und dauernd zur Wahrheit zu machen. Wir Anhänger des positiven Christen- thums sehen ohne alles Mißgefühl und ohne alle Besorgniß Männer in der Nationalversammlung, deren religiöse Ansichten den unsrigen geradezu entgegengesetzt sind: wenn sie nur auf- richtig und consequent den Prinzipien der Freiheit huldigen. Würde aber ein religiöses oder antireligiöses Parteinehmen auf die Beschlüsse jener Versammlung irgendwie Einfluß üben, würde engherziges Vorurtheil oder unaufrichtige Hintansetzung gegen irgend eine Confession sich geltend machen, so müßten wir dieses als das beklagenswertheste Unglück für unser Vaterland und als einen Stein des Aergernisses und Anstoßes ansehen, an welchem das ganze Werk der Wiederherstellung Deutschlands binnen Kur- zem schmählich scheitern müßte. Vor der Hand zweifeln wir noch nicht daran, daß jener engherzige Artikel des Verfassungsent- wurfes, welcher nur mit der Majorität von Einer Stimme in der Commission durchgegangen ist, durch die Nationalversamm- lung selbst verworfen und die unbedingte religiöse und kirchliche Freiheit für Alle klar, offen und redlich werde ausgesprochen werden. Das deutsche Parlament wird an Weis- heit und Hochsinnigkeit dem nordamerikanischen Congreß nicht nachstehen wollen! Deutschland. # Frankfurt 20. Juni. Die Bundesversammlung hat heute morgen beschlossen, die Regierungen von Bayern, Preußen und Sachsen aufzufodern, Truppen zum Schutze der Ordnung in Böhmen einrücken zu lassen, wenn eine deßfall- sige Aufforderung von Seiten Oesterreichs erfolge. Wien 15. Juni. Wie ich schon bemerkt hatte, war die ge- ringe Theilnahme an den Wahlen zum Anlasse lebhafter Debatten und mannichfacher Vorschläge im Ausschuß erwachsen. Hatten sich doch in einem District von 2500 berufenen Wählern nur 60 zur Einzeichnung in die Wahlliste eingefunden! Am Ende war man zur Ueberzeugung gelangt, daß dieselbe vornehmlich in dem schon vielfältig angefochtenen indirecten Wahlmodus zu suchen sey. Es wurde hierauf der entsprechende Beschluß zur Abfassung einer Adresse an das Ministerium angenommen, und dieselbe noch gestern Abends überreicht. Nachschrift. Das Ministerium hat das Ansinnen über Vornahme directer Wahlen abgelehnt, wobei die Bedenken, welche sich demselben entgegenstellten, her- vorgehoben wurden. ( A. Z. ) Nach den neuesten Berichten aus Jnnsbruck war der Banus von Croatien, Jelachich, daselbst eingetroffen. Die Tiroler hat- ten ihm eine Nachtmusik mit Fackeln gebracht. Die Ungarn am Hoflager zeigten sich sehr entgegenkommend gegen den Banus, so daß man wieder die Hoffnung eines friedlichen Uebereinkommens hegte. Die neueste Wiener Ztg. sagt bei Meldung der Abreise des Banus aus Agram nach Jnnsbruck: „Es waren Deputatio- nen aus allen Comitaten Croatiens und Slavoniens eingetroffen, und der von ihnen vergötterte Banus war im Augenblick seiner Abreise nicht mehr im Stande zu verhindern, daß ihm 200 Deputirte als Begleiter nach Jnnsbruck folgten. Es herrscht in ganz Croatien Ruhe, und alle Blicke sind jetzt nach Jnnsbruck gerichtet. Legt der Banus seine Stelle in die Hände des Kaisers nieder, welches er, im Fall er sich dem magyarischen Minister unterwerfen müßte, zu thun fest entschlossen ist, so ist der Bürgerkrieg zwischen Croatien und Magyaren unvermeidlich.“ Jndessen war letzteres keineswegs zu fürchten. Der Banus hatte bei der jüngsten Eröffnung des croatischen Landtags feierliche Aufrechthaltung der Rechte Jlly- riens zugesagt, und die betreffende Deputation des Landtags hatte am 9. Juni vorgeschlagen: eine Trennung von Ungarn soll in der Art bewirkt werden, daß Croatien bei Erhaltung der Jntegri- tät des österreichischen Staates eine eigene Administrationsbehörde haben, in Hinsicht des Krieges, der Finanzen und des Handels aber an das österreichische Ministerium gewiesen seyn würde. ( A. Z. ) Wien 15. Juni. Die Arbeiter, zum großen Theil aus Tschechen bestehend und von tschechischen Aufwieglern aufgereizt, schickten heute eine Deputation an den Sicherheitsausschuß mit einer Bittschrift, worin sie Erhöhung ihres Arbeitslohnes und Bezahlung desselben auch an Feier= und Regentagen verlangten, und im Fall ihre Forderung ihnen nicht gewährt würde, drohten sie sich an die Reaction anzuschließen, und wiesen dabei auf die Ereignisse von Neapel und auf England hin. Dr. Fischof, der Vorsitzer des Ausschusses, befahl sogleich den Sprecher der De- putation, der, von früher schon als ( tschechischer ) Wühler be- kannt, sich in eine Nationalgardeuniform verkappt hatte, festzu- nehmen, ließ die Gallerien des Sitzungssaales schließen, damit niemand auf die draußen harrenden Arbeiter einwirken könne, und erklärte zugleich denselben, daß ihre unstatthaften Forderun- gen nicht erfüllt werden können. Zugleich ließ er die National- garde und die Studentenlegion consigniren, um den Arbeitern zu bedeuten, daß man nöthigenfalls ihrem frevelhaften Begehren mit Ernst entgegentreten würde. Bis jetzt ( 3 1 / 2 Uhr ) ist die Ruhe noch nirgends gestört worden. ( A. Z. ) Aus Böhmen 16. Juni. Jch kann Jhnen in aller Kürze noch einige Nachrichten über die Zustände Prag's mittheilen, wie ich sie von Leuten, welche die Stadt heute verlassen haben, in Erfahrung brachte. Am Montag ist bis gegen Anbruch der Nacht fortgekämpft worden, wobei die Truppen starke Verluste erlitten. Die Frau des Commandirenden wurde vermuthlich er- schossen, als sie eben den Fenstervorhang ein wenig lüftete, um auf die Straße zu sehen, auch der Sohn des Fürsten hat eine be- deutende Schußwunde erhalten. Das Militär, namentlich die Grenadiere, sollen an diesem Tage arg gehaust haben. Man spricht von der Plünderung mehrerer Banquierhäuser, in deren einem für 50,000 fl. Staatspapiere in blinder Wuth vernichtet wurden. Dienstag und Mittwoch war Ruhe, wenigstens Waffenstillstand. Die Truppen hielten einen Theil der Stadt und die Thore besetzt, die Studirenden, in Verbindung mit den Arbeitern, blieben hinter den Barrikaden, von denen einige fast unüberwindlich seyn sollen. An einer Barrikade kämpfte eine schöne Polin in Nationaltracht, einen Blumenstrauß am Bajonette tragend. Sie soll 7 Grena- diere erschossen haben. Jn der Nacht vom Mittwoch zum Don- nerstag zog Windisch=Grätz in aller Stille das Militär aus der Stadt zurück über die Kettenbrücke, welche gleich darauf zum Theil abgetragen wurde, und ließ dasselbe auf der Kleinseite Posto fassen. Gestern früh fing er an die Stadt mit Kanonen beschießen zu lassen. Die Kanonade dauerte den ganzen Tag hindurch bis Abends 7 Uhr; es sind 160 Schüsse gezählt worden. Jch befand mich 6 Meilen von Prag und konnte deutlich jeden Schuß hören. Das Bombardement war namentlich auf das Carolinum gerich- tet, was arg mitgenommen seyn soll. Menschen sind gestern nur wenig gefallen; ich hörte nur von zwei, von denen der eine durch eine Granate, der andere, ein Bauer, welcher eben in die Stadt wollte, um sein Kind zu holen, durch eine Flintenkugel erschossen wurde. Jn der Stadt herrscht die größte Anarchie. Das Proletariat hat alle Kasernen und die Commandantur ausgeplündert und zerstört. Die Thore der Stadt sind von den Studirenden, der uniformirten Bürgergarde und den Arbeitern gemeinschaftlich besetzt. Es ward Niemand herausgelassen. Zwei Compagnien vom Regi- ment Latour, welche in der Stadt geblieben waren, haben ihre Waffen dem Volke übergeben. Jn Karolinenthal, einer Vorstadt Prags, kann Niemand gehen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, beraubt zu werden. Auf offener Straße werden dort Uhren und Börsen weggenommen. Viele Häuser in der Stadt sollen arg verwüstet seyn; die Altstadt namentlich ein schreckliches Aussehen haben. Von den Gasthöfen hat der „Zum blauen Stern,“ der mit Kartätschen beschossen wurde, am meisten gelitten. Feuer ist glücklicher Weise nicht ausgebrochen. Einmal zündete eine Gra- nate auf dem kleinen Ring; es wurde aber sogleich wieder gelöscht. Gestern gegen Abend erschien ein Manifest, in welchem bekannt gemacht wird, daß dem Fürsten Windischgrätz das Commando über die Truppen abgenommen und dem General Mensdorff übergeben wird, daß ferner die Nationalgarde gemeinschaftlich

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal008_1848/2>, abgerufen am 29.05.2024.