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Mainzer Journal. Nr. 16. Mainz, 7. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] socialistischen Republik zu stürzen, und endlich soll der Schlange
der Kopf zertreten, die Nationalarbeiterwerkstätten sollen aufgelöst
werden. Da aber -- es war nicht anders möglich -- bricht der
Entscheidungskampf aus, das Schwert muß entscheiden!

Es hat vor der Hand zu Gunsten der Bürger und der Re-
publik der honetten Leute entschieden, die Proletarier und Arbei-
ter mit ihrer socialistischen Republik sind unterlegen, zähnknir-
schend und Todfeindschaft gegen die honetten Leute im Herzen 1).
Die Sieger werden mit Beiseitesetzung aller bisher üblichen Sen-
timentalität und Humanität ihren Sieg verfolgen, sie werden
auch die energischsten Mittel ihn zu sichern nicht scheuen, lieber
eine Militärdictatur und Belagerungszustand, lieber Deportation
in Massen, als die Rückkehr der Gefahr, welcher man soeben
entronnen ist. Und wer kann der Bürgerschaft und ihren Ver-
tretern solche Maaßregeln verargen, da es sich nicht blos darum
handelt, Hab und Gut vor Plünderung, sondern auch den eige-
nen Hals vor dem Messer der Guillotine zu retten?

Allein werden diese Mittel zum Ziele führen? Nein, sagen
wir, nimmermehr, wenn nicht durch das Christenthum die Ge-
müther versöhnt und die Grundpfeiler der gesellschaftlichen
Ordnung durch eine höhere Autorität in der Ueberzeugung
der Menschen neu befestigt werden und wenn nicht die Sitt-
lichkeit
im Volke wieder hergestellt, und durch eine naturge-
mäße Sicherung der armen Leute vor dem allverschlingenden
Jndustrialismus und der schrankenlosen Gewerbsfreiheit, wie
nicht minder durch eine aufopfernde Wohlthätigkeit der Reichen
dem Pauperismus gesteuert, wenn endlich nicht jener syste-
matischen Verführung und Fanatisirung der Arbeiter durch die
communistischen Propheten ein Ende gemacht wird. Wir Deutschen
aber, wenn wir staunend und schaudernd das blutige Schauspiel
betrachten, welches jetzt Paris uns vor die Augen stellt, mögen da-
raus ein Beispiel nehmen, damit wir uns nicht den Franzosen blind-
lings in den Abgrund nachstürzen. Wenn wir aber sehen, welche
Wühlereien fort und fort angewendet werden, um das Volk in
einen revolutionären Wahnsinn zu versetzen, wie man unseren
deutschen Handwerkern mit den Lehren des Pantheismus den
Communismus und Socialismus künstlich einpflanzt und die
Franzosen noch zu überbieten sucht, so muß man wohl fürchten,
daß, was in Paris geschehen und vielleicht noch geschehen wird,
in Deutschland noch weit schrecklicher sich wiederholen werde!



Deutschland.

Jn einem Schreiben aus Wien vom 20. Juni im Journal
des Oesterr. Lloyd
heißt es: "Trotz aller Opfer, welche für
die täglich wachsende Anzahl der sich brodlos meldenden Arbeiter
gebracht werden, und trotzdem, daß die Stadt bereits mehr als
20,000 Arbeiter ernährt und beschäftigt, dauert die in den letzten
Tagen durch einige böswillige Aufwiegler hervorgerufene Auf-
regung unter den hier befindlichen Arbeitern fort, welche nun die
unbilligsten Forderungen stellen. Der provisorische Ausschuß hat
schon mehrere freundliche Ermahnungen an die Arbeiter ergehen
lassen, um ihnen das Ungerechte dieser unverschämten Forderun-
gen vorzustellen und sie zur Ruhe zu ermahnen; allein es scheint,
daß die Saat des Bösen mächtiger sey als der Ruf zur Ordnung
und zur Ruhe, denn auch gestern herrschte in der Vorstadt Gum-
pendorf und im sogenannten Brünnelbade unter den dortigen Ar-
beitern eine solche drohende Aufregung, daß man abermals die
ganze Nationalgarde und die akademische Legion alarmiren mußte.
Nach Verhaftung einiger Aufwiegler war die Ruhe zwar bald wieder
hergestellt; allein es fragt sich, wie lange dieser Zustand der fortwäh-
renden Aengstigung der friedlichen Bewohner dauern soll, wie oft
man die Nationalgarde einiger böswilliger Proletarier wegen zu
alarmiren und in dieser drückenden Hitze ausrücken zu lassen genöthigt
seyn wird, wenn man nicht energische Maßregeln trifft und solche
Excesse, solchen frevelhaften Muthwillen exemplarisch bestraft. Die
Stadt Wien leistet wahrlich für die Ernährung der brodlosen Arbei-
ter vorläufig mehr als sie für die Dauer zu erschwingen im Stande
seyn dürfte, denn die Kosten dafür belaufen sich dermalen schon
auf 8 bis 10,000 fl. täglich, während die geleisteten Arbeiten

[Spaltenumbruch] größtentheils unnöthige Gegenstände betreffen, die man nur noth-
gedrungen in Angriff nehmen ließ, um den Arbeitern Beschäfti-
gung zu geben. Genau erwogen ist also diese tägliche Ausgabe
von beinahe 10,000 Gulden eine indirecte Steuer von 3 Millionen
Gulden fürs Jahr, die man sich bloß zu Gunsten der Arbeiter-
classe auferlegte! Man ist nun damit beschäftigt, die Arbeiten
am Sömmering behufs der Eisenbahntrace baldigst in Angriff
nehmen zu lassen; allein es haben sich bis jetzt noch keine Unter-
nehmer gemeldet. Die ganze Herstellung dieser Arbeit soll auf
6 Millionen Gulden veranschlagt seyn."

Wien 24. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Agram vom
23. sind im höchsten Grade beunruhigend. Die in Pesth veröffent-
lichten k. Befehle, nach welchen der abwesende Banus entsetzt ist,
haben dort Eingang gefunden, und da zugleich Berichte aus
Jnnsbruck einliefen, nach welchen sich diese k. Entschließungen be-
stätigen, so erfolgte eine furchtbare Aufregung. "Der Banus ist
in Gefahr," dies ist das Losungsgeschrei und findet überall Echo.
Vier Bataillons Gränzsoldaten und die Serezaner stehen in der
Umgebung und warten nur auf den Augenblick um loszuschlagen.
Möge es in Jnnsbruck gelingen den Sturm zu beschwören, der
den Königreichen Kroatien und Slavonien droht. ( Wiener Z. )

Wien 25. Juni. Seit gestern Abend weilt der Erzherzog
Johann in unserer Mitte. Derselbe ist gestern auf der Südbahn
nach 7 Uhr hier eingetroffen und, nachdem er sich alle Empfangs-
feierlichkeiten im Voraus verbeten hatte, in aller Stille in der kai-
serlichen Hofburg abgestiegen. Eine Abtheilung der National-
garde und der akademischen Legion brachte ihm eine Serenade mit
Fackelzug in später Nachtstunde -- aber etwas gar zu spät -- denn
es war bereits 1 Uhr nach Mitternacht vorbei, und darum auch
erklärlich, daß der Erzherzog, der wahrscheinlich von der Reise ermü-
det, im tiefen Schlafe lag, nicht sichtbar wurde. Heute früh empfing
derselbe den Minister Pillersdorff, den Gemeinde= und den provi-
sorischen Ausschuß der Stadt Wien, welche sich einer sehr freundli-
chen Aufnahme zu erfreuen hatten. An der Schwelle der wichtigen
Entwickelungsperiode in Bezug auf den constituirenden Reichstag
blickt nun alles mit Spannung aber auch mit Hoffnung auf den
populären und besonnenen Prinzen Oesterreichs, dem die hohe
Aufgabe wurde, als Stellvertreter des Kaisers das begonnene
große Werk zu Ende zu führen. ( A. Z. )

Breslau. ( Die Reorganisation Posens. ) Nach den
immer bestimmter auftauchenden Gerüchten scheint es, daß die
sogenannte Reorganisation des Großherzogthums Posen aufgege-
ben werden muß. General von Pfuel wird sich nach langem Ex-
perimentiren überzeugt haben, daß sie unausführbar ist. Gibt es
doch keine Stadt und kein Städtchen, in manchen Kreisen kaum
ein Dorf, in welchem nicht Polen und Deutsche zusammenleben.
Wäre die Demarkationslinie auch das wunderlichste Zickzack, so
blieben doch rechts und links Polen und Deutsche wohnen. Eine
Reorganisation, wie sie begonnen wurde, ist nicht allein unaus-
führbar: man lasse die Charte eine Wahrheit werden, nämlich
das Besitzergreifungspatent von 1815, so ist sie auch über-
flüssig; oder bleibt da noch Manches zu wünschen übrig, so wer-
den die Errungenschaften unserer Tage es in Erfüllung bringen.
Eine Reorganisation wäre gar kein Bedürfniß geworden, wenn
die Organisation auf den Grundlagen von 1815 in allen Bezie-
hungen durchgeführt und aufrecht erhalten worden wäre. Daß
beide Nationalitäten gleichberechtigt, beide Sprachen neben ein-
ander die Geschäfts= und Unterrichtssprache seyen, daß die höheren
Staatsbedienungen im Lande nicht immer nur Deutschen anver-
traut werden, das ist recht und billig, und das wollte der König.
Das wollten aber diejenigen nicht, welche ferner die Herren im
Lande bleiben wollten. Daß das Großherzogthum preußisch,
die Deutschen in demselben Deutsche bleiben, war ihnen nicht
genug; Angst und Wuth befiel sie bei dem Gedanken, unter " pol-
nisches Joch" zu kommen, denn so nannten sie die Gleichstel-
lung
der Polen, nachdem sie das Joch des Deutschthums, das
auf den Polen lastete, lange genug als eine Gleichstellung dersel-
ben oder doch als ein überaus süßes Joch angerühmt hatten.
Diese Leute haben es bewirkt, daß nicht das Großherzogthum,
wie der König verheißen, sondern ein kleiner Theil desselben re-
organisirt, aus der königlichen Zusage eine neue Theilung Polens
werden soll. Nach einer brieflichen Mittheilung leben jenseits der
Theilungslinie neben 320,000 Polen über 80,000 Deutsche ( wer-
den die Letztern nicht abermals eine Theilung beantragen? ) ;
diesseits leben an 550,000 Polen neben 300,000 Deutschen!
Das erinnert sehr stark an Napoleons Friedensschlüsse, welche
den Keim eines neuen Krieges zu enthalten pflegten. Jch gebe
diese Zahlen, wie ich sie empfangen habe, ohne ihre statistische
Genauigkeit verbürgen zu können; daß sie aber nicht rein aus der
Luft gegriffen sind, wird sich aus folgenden Thatsachen abneh-
men lassen. General von Pfuel schlägt 9 Kreise zu Deutsch-
[Ende Spaltensatz]

1) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die
Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen
geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen:
wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht-
barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer
Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen
seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat?
Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn,
die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge-
eignet uns besonnen zu machen und -- demüthig!
1 ) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die
Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen
geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen:
wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht-
barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer
Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen
seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat?
Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn,
die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge-
eignet uns besonnen zu machen und -- demüthig!

[Beginn Spaltensatz] socialistischen Republik zu stürzen, und endlich soll der Schlange
der Kopf zertreten, die Nationalarbeiterwerkstätten sollen aufgelöst
werden. Da aber — es war nicht anders möglich — bricht der
Entscheidungskampf aus, das Schwert muß entscheiden!

Es hat vor der Hand zu Gunsten der Bürger und der Re-
publik der honetten Leute entschieden, die Proletarier und Arbei-
ter mit ihrer socialistischen Republik sind unterlegen, zähnknir-
schend und Todfeindschaft gegen die honetten Leute im Herzen 1).
Die Sieger werden mit Beiseitesetzung aller bisher üblichen Sen-
timentalität und Humanität ihren Sieg verfolgen, sie werden
auch die energischsten Mittel ihn zu sichern nicht scheuen, lieber
eine Militärdictatur und Belagerungszustand, lieber Deportation
in Massen, als die Rückkehr der Gefahr, welcher man soeben
entronnen ist. Und wer kann der Bürgerschaft und ihren Ver-
tretern solche Maaßregeln verargen, da es sich nicht blos darum
handelt, Hab und Gut vor Plünderung, sondern auch den eige-
nen Hals vor dem Messer der Guillotine zu retten?

Allein werden diese Mittel zum Ziele führen? Nein, sagen
wir, nimmermehr, wenn nicht durch das Christenthum die Ge-
müther versöhnt und die Grundpfeiler der gesellschaftlichen
Ordnung durch eine höhere Autorität in der Ueberzeugung
der Menschen neu befestigt werden und wenn nicht die Sitt-
lichkeit
im Volke wieder hergestellt, und durch eine naturge-
mäße Sicherung der armen Leute vor dem allverschlingenden
Jndustrialismus und der schrankenlosen Gewerbsfreiheit, wie
nicht minder durch eine aufopfernde Wohlthätigkeit der Reichen
dem Pauperismus gesteuert, wenn endlich nicht jener syste-
matischen Verführung und Fanatisirung der Arbeiter durch die
communistischen Propheten ein Ende gemacht wird. Wir Deutschen
aber, wenn wir staunend und schaudernd das blutige Schauspiel
betrachten, welches jetzt Paris uns vor die Augen stellt, mögen da-
raus ein Beispiel nehmen, damit wir uns nicht den Franzosen blind-
lings in den Abgrund nachstürzen. Wenn wir aber sehen, welche
Wühlereien fort und fort angewendet werden, um das Volk in
einen revolutionären Wahnsinn zu versetzen, wie man unseren
deutschen Handwerkern mit den Lehren des Pantheismus den
Communismus und Socialismus künstlich einpflanzt und die
Franzosen noch zu überbieten sucht, so muß man wohl fürchten,
daß, was in Paris geschehen und vielleicht noch geschehen wird,
in Deutschland noch weit schrecklicher sich wiederholen werde!



Deutschland.

Jn einem Schreiben aus Wien vom 20. Juni im Journal
des Oesterr. Lloyd
heißt es: „Trotz aller Opfer, welche für
die täglich wachsende Anzahl der sich brodlos meldenden Arbeiter
gebracht werden, und trotzdem, daß die Stadt bereits mehr als
20,000 Arbeiter ernährt und beschäftigt, dauert die in den letzten
Tagen durch einige böswillige Aufwiegler hervorgerufene Auf-
regung unter den hier befindlichen Arbeitern fort, welche nun die
unbilligsten Forderungen stellen. Der provisorische Ausschuß hat
schon mehrere freundliche Ermahnungen an die Arbeiter ergehen
lassen, um ihnen das Ungerechte dieser unverschämten Forderun-
gen vorzustellen und sie zur Ruhe zu ermahnen; allein es scheint,
daß die Saat des Bösen mächtiger sey als der Ruf zur Ordnung
und zur Ruhe, denn auch gestern herrschte in der Vorstadt Gum-
pendorf und im sogenannten Brünnelbade unter den dortigen Ar-
beitern eine solche drohende Aufregung, daß man abermals die
ganze Nationalgarde und die akademische Legion alarmiren mußte.
Nach Verhaftung einiger Aufwiegler war die Ruhe zwar bald wieder
hergestellt; allein es fragt sich, wie lange dieser Zustand der fortwäh-
renden Aengstigung der friedlichen Bewohner dauern soll, wie oft
man die Nationalgarde einiger böswilliger Proletarier wegen zu
alarmiren und in dieser drückenden Hitze ausrücken zu lassen genöthigt
seyn wird, wenn man nicht energische Maßregeln trifft und solche
Excesse, solchen frevelhaften Muthwillen exemplarisch bestraft. Die
Stadt Wien leistet wahrlich für die Ernährung der brodlosen Arbei-
ter vorläufig mehr als sie für die Dauer zu erschwingen im Stande
seyn dürfte, denn die Kosten dafür belaufen sich dermalen schon
auf 8 bis 10,000 fl. täglich, während die geleisteten Arbeiten

[Spaltenumbruch] größtentheils unnöthige Gegenstände betreffen, die man nur noth-
gedrungen in Angriff nehmen ließ, um den Arbeitern Beschäfti-
gung zu geben. Genau erwogen ist also diese tägliche Ausgabe
von beinahe 10,000 Gulden eine indirecte Steuer von 3 Millionen
Gulden fürs Jahr, die man sich bloß zu Gunsten der Arbeiter-
classe auferlegte! Man ist nun damit beschäftigt, die Arbeiten
am Sömmering behufs der Eisenbahntrace baldigst in Angriff
nehmen zu lassen; allein es haben sich bis jetzt noch keine Unter-
nehmer gemeldet. Die ganze Herstellung dieser Arbeit soll auf
6 Millionen Gulden veranschlagt seyn.“

Wien 24. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Agram vom
23. sind im höchsten Grade beunruhigend. Die in Pesth veröffent-
lichten k. Befehle, nach welchen der abwesende Banus entsetzt ist,
haben dort Eingang gefunden, und da zugleich Berichte aus
Jnnsbruck einliefen, nach welchen sich diese k. Entschließungen be-
stätigen, so erfolgte eine furchtbare Aufregung. „Der Banus ist
in Gefahr,“ dies ist das Losungsgeschrei und findet überall Echo.
Vier Bataillons Gränzsoldaten und die Serezaner stehen in der
Umgebung und warten nur auf den Augenblick um loszuschlagen.
Möge es in Jnnsbruck gelingen den Sturm zu beschwören, der
den Königreichen Kroatien und Slavonien droht. ( Wiener Z. )

Wien 25. Juni. Seit gestern Abend weilt der Erzherzog
Johann in unserer Mitte. Derselbe ist gestern auf der Südbahn
nach 7 Uhr hier eingetroffen und, nachdem er sich alle Empfangs-
feierlichkeiten im Voraus verbeten hatte, in aller Stille in der kai-
serlichen Hofburg abgestiegen. Eine Abtheilung der National-
garde und der akademischen Legion brachte ihm eine Serenade mit
Fackelzug in später Nachtstunde — aber etwas gar zu spät — denn
es war bereits 1 Uhr nach Mitternacht vorbei, und darum auch
erklärlich, daß der Erzherzog, der wahrscheinlich von der Reise ermü-
det, im tiefen Schlafe lag, nicht sichtbar wurde. Heute früh empfing
derselbe den Minister Pillersdorff, den Gemeinde= und den provi-
sorischen Ausschuß der Stadt Wien, welche sich einer sehr freundli-
chen Aufnahme zu erfreuen hatten. An der Schwelle der wichtigen
Entwickelungsperiode in Bezug auf den constituirenden Reichstag
blickt nun alles mit Spannung aber auch mit Hoffnung auf den
populären und besonnenen Prinzen Oesterreichs, dem die hohe
Aufgabe wurde, als Stellvertreter des Kaisers das begonnene
große Werk zu Ende zu führen. ( A. Z. )

Breslau. ( Die Reorganisation Posens. ) Nach den
immer bestimmter auftauchenden Gerüchten scheint es, daß die
sogenannte Reorganisation des Großherzogthums Posen aufgege-
ben werden muß. General von Pfuel wird sich nach langem Ex-
perimentiren überzeugt haben, daß sie unausführbar ist. Gibt es
doch keine Stadt und kein Städtchen, in manchen Kreisen kaum
ein Dorf, in welchem nicht Polen und Deutsche zusammenleben.
Wäre die Demarkationslinie auch das wunderlichste Zickzack, so
blieben doch rechts und links Polen und Deutsche wohnen. Eine
Reorganisation, wie sie begonnen wurde, ist nicht allein unaus-
führbar: man lasse die Charte eine Wahrheit werden, nämlich
das Besitzergreifungspatent von 1815, so ist sie auch über-
flüssig; oder bleibt da noch Manches zu wünschen übrig, so wer-
den die Errungenschaften unserer Tage es in Erfüllung bringen.
Eine Reorganisation wäre gar kein Bedürfniß geworden, wenn
die Organisation auf den Grundlagen von 1815 in allen Bezie-
hungen durchgeführt und aufrecht erhalten worden wäre. Daß
beide Nationalitäten gleichberechtigt, beide Sprachen neben ein-
ander die Geschäfts= und Unterrichtssprache seyen, daß die höheren
Staatsbedienungen im Lande nicht immer nur Deutschen anver-
traut werden, das ist recht und billig, und das wollte der König.
Das wollten aber diejenigen nicht, welche ferner die Herren im
Lande bleiben wollten. Daß das Großherzogthum preußisch,
die Deutschen in demselben Deutsche bleiben, war ihnen nicht
genug; Angst und Wuth befiel sie bei dem Gedanken, unter „ pol-
nisches Joch“ zu kommen, denn so nannten sie die Gleichstel-
lung
der Polen, nachdem sie das Joch des Deutschthums, das
auf den Polen lastete, lange genug als eine Gleichstellung dersel-
ben oder doch als ein überaus süßes Joch angerühmt hatten.
Diese Leute haben es bewirkt, daß nicht das Großherzogthum,
wie der König verheißen, sondern ein kleiner Theil desselben re-
organisirt, aus der königlichen Zusage eine neue Theilung Polens
werden soll. Nach einer brieflichen Mittheilung leben jenseits der
Theilungslinie neben 320,000 Polen über 80,000 Deutsche ( wer-
den die Letztern nicht abermals eine Theilung beantragen? ) ;
diesseits leben an 550,000 Polen neben 300,000 Deutschen!
Das erinnert sehr stark an Napoleons Friedensschlüsse, welche
den Keim eines neuen Krieges zu enthalten pflegten. Jch gebe
diese Zahlen, wie ich sie empfangen habe, ohne ihre statistische
Genauigkeit verbürgen zu können; daß sie aber nicht rein aus der
Luft gegriffen sind, wird sich aus folgenden Thatsachen abneh-
men lassen. General von Pfuel schlägt 9 Kreise zu Deutsch-
[Ende Spaltensatz]

1) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die
Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen
geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen:
wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht-
barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer
Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen
seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat?
Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn,
die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge-
eignet uns besonnen zu machen und — demüthig!
1 ) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die
Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen
geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen:
wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht-
barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer
Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen
seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat?
Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn,
die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge-
eignet uns besonnen zu machen und — demüthig!
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[0002] socialistischen Republik zu stürzen, und endlich soll der Schlange der Kopf zertreten, die Nationalarbeiterwerkstätten sollen aufgelöst werden. Da aber — es war nicht anders möglich — bricht der Entscheidungskampf aus, das Schwert muß entscheiden! Es hat vor der Hand zu Gunsten der Bürger und der Re- publik der honetten Leute entschieden, die Proletarier und Arbei- ter mit ihrer socialistischen Republik sind unterlegen, zähnknir- schend und Todfeindschaft gegen die honetten Leute im Herzen 1). Die Sieger werden mit Beiseitesetzung aller bisher üblichen Sen- timentalität und Humanität ihren Sieg verfolgen, sie werden auch die energischsten Mittel ihn zu sichern nicht scheuen, lieber eine Militärdictatur und Belagerungszustand, lieber Deportation in Massen, als die Rückkehr der Gefahr, welcher man soeben entronnen ist. Und wer kann der Bürgerschaft und ihren Ver- tretern solche Maaßregeln verargen, da es sich nicht blos darum handelt, Hab und Gut vor Plünderung, sondern auch den eige- nen Hals vor dem Messer der Guillotine zu retten? Allein werden diese Mittel zum Ziele führen? Nein, sagen wir, nimmermehr, wenn nicht durch das Christenthum die Ge- müther versöhnt und die Grundpfeiler der gesellschaftlichen Ordnung durch eine höhere Autorität in der Ueberzeugung der Menschen neu befestigt werden und wenn nicht die Sitt- lichkeit im Volke wieder hergestellt, und durch eine naturge- mäße Sicherung der armen Leute vor dem allverschlingenden Jndustrialismus und der schrankenlosen Gewerbsfreiheit, wie nicht minder durch eine aufopfernde Wohlthätigkeit der Reichen dem Pauperismus gesteuert, wenn endlich nicht jener syste- matischen Verführung und Fanatisirung der Arbeiter durch die communistischen Propheten ein Ende gemacht wird. Wir Deutschen aber, wenn wir staunend und schaudernd das blutige Schauspiel betrachten, welches jetzt Paris uns vor die Augen stellt, mögen da- raus ein Beispiel nehmen, damit wir uns nicht den Franzosen blind- lings in den Abgrund nachstürzen. Wenn wir aber sehen, welche Wühlereien fort und fort angewendet werden, um das Volk in einen revolutionären Wahnsinn zu versetzen, wie man unseren deutschen Handwerkern mit den Lehren des Pantheismus den Communismus und Socialismus künstlich einpflanzt und die Franzosen noch zu überbieten sucht, so muß man wohl fürchten, daß, was in Paris geschehen und vielleicht noch geschehen wird, in Deutschland noch weit schrecklicher sich wiederholen werde! Deutschland. Jn einem Schreiben aus Wien vom 20. Juni im Journal des Oesterr. Lloyd heißt es: „Trotz aller Opfer, welche für die täglich wachsende Anzahl der sich brodlos meldenden Arbeiter gebracht werden, und trotzdem, daß die Stadt bereits mehr als 20,000 Arbeiter ernährt und beschäftigt, dauert die in den letzten Tagen durch einige böswillige Aufwiegler hervorgerufene Auf- regung unter den hier befindlichen Arbeitern fort, welche nun die unbilligsten Forderungen stellen. Der provisorische Ausschuß hat schon mehrere freundliche Ermahnungen an die Arbeiter ergehen lassen, um ihnen das Ungerechte dieser unverschämten Forderun- gen vorzustellen und sie zur Ruhe zu ermahnen; allein es scheint, daß die Saat des Bösen mächtiger sey als der Ruf zur Ordnung und zur Ruhe, denn auch gestern herrschte in der Vorstadt Gum- pendorf und im sogenannten Brünnelbade unter den dortigen Ar- beitern eine solche drohende Aufregung, daß man abermals die ganze Nationalgarde und die akademische Legion alarmiren mußte. Nach Verhaftung einiger Aufwiegler war die Ruhe zwar bald wieder hergestellt; allein es fragt sich, wie lange dieser Zustand der fortwäh- renden Aengstigung der friedlichen Bewohner dauern soll, wie oft man die Nationalgarde einiger böswilliger Proletarier wegen zu alarmiren und in dieser drückenden Hitze ausrücken zu lassen genöthigt seyn wird, wenn man nicht energische Maßregeln trifft und solche Excesse, solchen frevelhaften Muthwillen exemplarisch bestraft. Die Stadt Wien leistet wahrlich für die Ernährung der brodlosen Arbei- ter vorläufig mehr als sie für die Dauer zu erschwingen im Stande seyn dürfte, denn die Kosten dafür belaufen sich dermalen schon auf 8 bis 10,000 fl. täglich, während die geleisteten Arbeiten größtentheils unnöthige Gegenstände betreffen, die man nur noth- gedrungen in Angriff nehmen ließ, um den Arbeitern Beschäfti- gung zu geben. Genau erwogen ist also diese tägliche Ausgabe von beinahe 10,000 Gulden eine indirecte Steuer von 3 Millionen Gulden fürs Jahr, die man sich bloß zu Gunsten der Arbeiter- classe auferlegte! Man ist nun damit beschäftigt, die Arbeiten am Sömmering behufs der Eisenbahntrace baldigst in Angriff nehmen zu lassen; allein es haben sich bis jetzt noch keine Unter- nehmer gemeldet. Die ganze Herstellung dieser Arbeit soll auf 6 Millionen Gulden veranschlagt seyn.“ Wien 24. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Agram vom 23. sind im höchsten Grade beunruhigend. Die in Pesth veröffent- lichten k. Befehle, nach welchen der abwesende Banus entsetzt ist, haben dort Eingang gefunden, und da zugleich Berichte aus Jnnsbruck einliefen, nach welchen sich diese k. Entschließungen be- stätigen, so erfolgte eine furchtbare Aufregung. „Der Banus ist in Gefahr,“ dies ist das Losungsgeschrei und findet überall Echo. Vier Bataillons Gränzsoldaten und die Serezaner stehen in der Umgebung und warten nur auf den Augenblick um loszuschlagen. Möge es in Jnnsbruck gelingen den Sturm zu beschwören, der den Königreichen Kroatien und Slavonien droht. ( Wiener Z. ) Wien 25. Juni. Seit gestern Abend weilt der Erzherzog Johann in unserer Mitte. Derselbe ist gestern auf der Südbahn nach 7 Uhr hier eingetroffen und, nachdem er sich alle Empfangs- feierlichkeiten im Voraus verbeten hatte, in aller Stille in der kai- serlichen Hofburg abgestiegen. Eine Abtheilung der National- garde und der akademischen Legion brachte ihm eine Serenade mit Fackelzug in später Nachtstunde — aber etwas gar zu spät — denn es war bereits 1 Uhr nach Mitternacht vorbei, und darum auch erklärlich, daß der Erzherzog, der wahrscheinlich von der Reise ermü- det, im tiefen Schlafe lag, nicht sichtbar wurde. Heute früh empfing derselbe den Minister Pillersdorff, den Gemeinde= und den provi- sorischen Ausschuß der Stadt Wien, welche sich einer sehr freundli- chen Aufnahme zu erfreuen hatten. An der Schwelle der wichtigen Entwickelungsperiode in Bezug auf den constituirenden Reichstag blickt nun alles mit Spannung aber auch mit Hoffnung auf den populären und besonnenen Prinzen Oesterreichs, dem die hohe Aufgabe wurde, als Stellvertreter des Kaisers das begonnene große Werk zu Ende zu führen. ( A. Z. ) Breslau. ( Die Reorganisation Posens. ) Nach den immer bestimmter auftauchenden Gerüchten scheint es, daß die sogenannte Reorganisation des Großherzogthums Posen aufgege- ben werden muß. General von Pfuel wird sich nach langem Ex- perimentiren überzeugt haben, daß sie unausführbar ist. Gibt es doch keine Stadt und kein Städtchen, in manchen Kreisen kaum ein Dorf, in welchem nicht Polen und Deutsche zusammenleben. Wäre die Demarkationslinie auch das wunderlichste Zickzack, so blieben doch rechts und links Polen und Deutsche wohnen. Eine Reorganisation, wie sie begonnen wurde, ist nicht allein unaus- führbar: man lasse die Charte eine Wahrheit werden, nämlich das Besitzergreifungspatent von 1815, so ist sie auch über- flüssig; oder bleibt da noch Manches zu wünschen übrig, so wer- den die Errungenschaften unserer Tage es in Erfüllung bringen. Eine Reorganisation wäre gar kein Bedürfniß geworden, wenn die Organisation auf den Grundlagen von 1815 in allen Bezie- hungen durchgeführt und aufrecht erhalten worden wäre. Daß beide Nationalitäten gleichberechtigt, beide Sprachen neben ein- ander die Geschäfts= und Unterrichtssprache seyen, daß die höheren Staatsbedienungen im Lande nicht immer nur Deutschen anver- traut werden, das ist recht und billig, und das wollte der König. Das wollten aber diejenigen nicht, welche ferner die Herren im Lande bleiben wollten. Daß das Großherzogthum preußisch, die Deutschen in demselben Deutsche bleiben, war ihnen nicht genug; Angst und Wuth befiel sie bei dem Gedanken, unter „ pol- nisches Joch“ zu kommen, denn so nannten sie die Gleichstel- lung der Polen, nachdem sie das Joch des Deutschthums, das auf den Polen lastete, lange genug als eine Gleichstellung dersel- ben oder doch als ein überaus süßes Joch angerühmt hatten. Diese Leute haben es bewirkt, daß nicht das Großherzogthum, wie der König verheißen, sondern ein kleiner Theil desselben re- organisirt, aus der königlichen Zusage eine neue Theilung Polens werden soll. Nach einer brieflichen Mittheilung leben jenseits der Theilungslinie neben 320,000 Polen über 80,000 Deutsche ( wer- den die Letztern nicht abermals eine Theilung beantragen? ) ; diesseits leben an 550,000 Polen neben 300,000 Deutschen! Das erinnert sehr stark an Napoleons Friedensschlüsse, welche den Keim eines neuen Krieges zu enthalten pflegten. Jch gebe diese Zahlen, wie ich sie empfangen habe, ohne ihre statistische Genauigkeit verbürgen zu können; daß sie aber nicht rein aus der Luft gegriffen sind, wird sich aus folgenden Thatsachen abneh- men lassen. General von Pfuel schlägt 9 Kreise zu Deutsch- 1) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen: wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht- barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat? Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn, die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge- eignet uns besonnen zu machen und — demüthig! 1 ) Welchen unerhörten Haß diese Arbeiter und Proletarier gegen die Bürger in sich tragen, hat sich in vielen nur zu unzweifelhaften Zeichen geoffenbart. Rissen ja viele den Verband von ihren Wunden und riefen: wir wollen keine Wohlthat von unseren Todfeinden! Was kann furcht- barer seyn, als ein solcher Haß zwischen Kindern und Bürgern Einer Stadt, wie ihn sonst vielleicht nur noch ein unterdrückter Pole gegen seinen Dränger oder ein mißhandelter Neger gegen seinen Herrn hat? Und wie verkehrt müssen die Zustände und wie bitterbös die Lehren seyn, die einen solchen Haß erzeugten. Solche Betrachtungen sind wohl ge- eignet uns besonnen zu machen und — demüthig!

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 16. Mainz, 7. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal016_1848/2>, abgerufen am 10.06.2024.