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Mainzer Journal. Nr. 19. Mainz, 4. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 19. Dienstag, den 4. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 3. Juli. Heute verbrachte die Nationalver-
sammlung vier volle Stunden mit reinen Formalitäten. Am
Präsidium liegt die Schuld wahrlich nicht, wohl aber an der
Sucht so Vieler, über leere Dinge viele Worte zu verlieren und
Alles aufs Aeußerste zu treiben. Auch hiervon werden wir noch
curirt werden. Anstatt daß man den Antrag des Referenten ein-
fach und ohne Gefährde hätte gutheißen können, mußte darüber
hin= und hergeredet werden. Das Ergebniß war, daß über die
Grundrechte des deutschen Volkes eine zweimalige Berathung
stattfinden soll, daß bei jeder derselben mit namentlichem Aufruf
abgestimmt werden kann, daß allgemeine Discussionen nicht zu-
gelassen sind und daß vor jedem einzelnen §. die Redner sich zu
melden haben. Die Linke hat sich namentlich durch ihr starres
Bestehen auf dem Buchstaben der Geschäftsordnung ausgezeichnet,
hinwiederum aber auch zur Abweichung sich geneigt gezeigt, wo
es ihr zu frommen schien. So bestehen diese Herren z. B. schon
lange nicht mehr darauf, daß man erst nach Eröffnung der De-
batten sich zum Reden melden dürfe; denn Löwen gleich umwan-
deln sie die Kampfesstätte, und selten nur gestatten sie's dem
minder edlen Thier in ihr Geschäft sich einzumischen.

f Frankfurt 3. Juli. Die Berathung über die Grund-
rechte des deutschen Volkes
hat heute begonnen; und
die Versammlung hat, in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegen-
standes, auf Antrag des Ausschusses, den Beschluß gefaßt, eine
zweimalige Berathung und Abstimmung über jeden einzelnen
Paragraphen vorzunehmen, damit auf diese Weise die Erörter-
ung eine um so gründlichere, die verschiedenartigen Verhältnisse
Deutschlands wohl berücksichtigende werde. Die zunächst in Be-
rathung kommenden Artikel des Entwurfs sind folgende:

"Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte
gewährleistet seyn. Sie sollen den Verfassungen der deutschen
Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetz-
gebung eines deutschen Einzelstaats soll dieselben je aufheben
oder beschränken können. Artikel I. §. 1. Jeder Deutsche hat
das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen
zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das
Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da,
wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat. §. 2. Jeder Deutsche darf an
jedem Orte eines deutschen Staates Aufenthalt nehmen, sich nieder-
lassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben,
das Gemeindebürgerrecht gewinnen, -- vorerst unter denselben
Bedingungen wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis
ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten
noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht. §. 3. Die
Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf
keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden. Mino-
ritätserachten:
Einer besondern Aufnahme in das Staats-
bürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für
den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Einge-
borenen durch die feste Niederlassung in dem Lande. ( Waitz, Tell-
kampf, Hergenhahn, Schüler, Detmold, Wippermann, Ahrens,
Beckerath, Droysen. ) Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum
eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen ge-
knüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den
genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine
Familie beziehen. ( Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx. )
§. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.
§. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staats wegen nicht be-
schränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Mino-
ritätserachten:
Zusatz: Die Auswanderung selbst steht unter
dem Schutze des Staates. ( Wigard, Tellkampf, Hergenhahn,
Lassaulx, Ahrens, Blum, Römer, R. Mohl, Schüler, Simon. )

Ohne Zweifel wird die Nationalversammlung eine ganz an-
dere Zusammenstellung der Grundrechte des deutschen Volkes ge-
ben, als sie der Ausschuß in seinem Entwurfe gegeben hat. Jeder
Vernünftige wird dem Grundsatze, der in den Eingangsworten
des gedruckten Berichts ausgesprochen ist, beistimmen, daß bei
Neugestaltung so tief eingreifender Verhältnisse mit Mäßigung
verfahren, darum nicht Alles umgestürzt, wohl aber Alles Das
entfernt werden müsse, was sich dem großen Werk der nationalen
[Spaltenumbruch] Wiederherstellung feindlich entgegenstellt oder doch gefährlich er-
weist; jedoch bei näherer Prüfung des Entwurfs findet man, daß
es demselben an Durchführung der Principien fehlt, wie
der Ausschuß auch selbst bemerkt, er habe sich in einigen wichtigen
Fällen lieber begnügt, nur einzelne Satzungen aufzunehmen, als
ein allgemeines Princip auszusprechen, dessen Wirkung nicht zu
berechnen schien. Es ist dies immerhin ein Mangel und die bel-
gische
Verfassung, die vom Ausschusse als eine in schweren Zeiten
der Gefahr bewährte gerühmt wird, hätte wohl gerade in dieser
Hinsicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Unsere Zeit drängt
allerwärts auf Principien und der große Kampf, den wir käm-
pfen, ist ein Kampf der Principien und darum wird alles Umgehen-
wollen nichts fruchten. Doch, wir werden bald sehen, wie die
Versammlung selbst die Sache nimmt, und wir hoffen, daß sie
Muth genug hat, auch die Consequenzen der Grundsätze anzu-
nehmen, wozu seither ihre meisten Mitglieder sich bekannt haben.

Berlin 30. Juni. ( K. Z. ) Der Abgeordnete für Münster, Herr
Hüffer, welcher heute einen sechswöchentlichen Urlaub nachge-
sucht und erhalten hat, beantragt bei der Nationalversammlung:
sie wolle beschließen, "daß die Stadt Berlin für jede fortan
in gewaltsamer Weise, durch die Bevölkerung herbeigeführte
Beschädigung des Staatseigenthums verantwortlich und
haftbar
gemacht werde", denn sie habe, "da sie die Ausweisung
des Militärs bewirkt hat, die Pflicht und Verantwortlichkeit, das
Staatseigenthum zu schützen. Jn den Tagen vom 18. und 19.
März sind für 2 Millionen Thaler Kriegsmaterial vernichtet."
Die Provinzen müssen diese Verluste ersetzen, die sie in keiner
Weise verschuldet. "Die Vertreter der Provinzen würden es nicht
verantworten können, wenn sie diese nicht vor ähnlichen Leistun-
gen zu schützen suchten dadurch, daß sie diejenigen zum Ersatze
des Schadens verpflichten, denen die Verschuldung desselben ob-
liegt." ( Diese Entschädigungspflicht der Gemeinden, wie sie auch
in Belgien und Frankreich lange besteht, ist die natürliche Folge
des neuen öffentlichen Rechts und namentlich des Bürgerwehr-
Jnstituts. Es ist bekannt, welche Schuldenlast die Gemeinde Brüs-
sel in Folge dieser Entschädigungspflicht in der Revolution von
1830 auf sich geladen und wie sie dieselbe später durch Verkauf
ihrer Museen an den Staat zum größten Theile wirklich abgetra-
gen hat. Seit den Märzereignissen dieses Jahres und der erfolg-
ten Einführung der Bürgerwehr ist dieselbe auch in mehreren
deutschen Staaten gesetzlich anerkannt und wird ohne Zweifel zu-
gleich mit dem Bürgerwehrgesetze auch in Preußen ihre gesetz-
liche Sanktion finden. )

# Köln 3. Juli. Gestern Abend sind Se. Erzb. Gnaden
im besten Wohlseyn von Berlin hier angelangt, um, nach einem
auf vierzehn Tage genommenen Urlaub, einzelne wichtige Verwal-
tungsgeschäfte abzumachen und dann wieder auf seinen unter den
obwaltenden Umständen sehr wichtigen Posten zurückzukehren.
Auch einzelne andere Rheinische Deputirte haben den gegenwärtigen
Zeitpunkt zu einem solchen Urlaub benutzt, da voraussichtlich in
den nächsten drei Wochen wichtige Fragen nicht zur Berathung
kommen sollen.

Hannover 30. Juni. ( H. Z. ) Zufolge der letzten Depeschen
des Generals Halkett war die Armee im Vorrücken gegen Nor-
den
begriffen. Das Hauptquartier des 10. Armeecorps war am
28. d. M. in Feldstedt.

Apenrade 28. Juni. ( S.=H.=Z. ) Nachdem die v. d. Tannsche
und Aldossersche Freischaar diesen Morgen nach Norden aus-
gerückt waren, ist der Prinz Friedrich mit 5 Schwadronen Ca-
vallerie, 2 Bataillonen Jnfanterie, eine Batterie von 5 Kanonen
und dem Bracklowschen Schützencorps hier wieder eingezogen,
um morgen weiter nach Hadersleben zu gehen. Wie man hört,
hat sich geichzeitig im Westen Alles in Bewegung gesetzt und die
Preußen und Bundestruppen folgen, um endlich das so lange
preisgegebene Nordschleswig zu besetzen und in Jütland ein-
zurücken.
( ? ) Schwerlich wird man die dänische Armee ereilen,
da es heißt, daß dieselbe schon Hadersleben in nördlicher Rich-
tung verlassen haben soll. Schiffe haben sich in mehreren Tagen
nicht gezeigt; vorgestern Abend wurden indessen in der Ferne 7
feindliche Schiffe bemerkt, und da eine Landung als möglich vor-
ausgesetzt ward, wurden von dem Major v. d. Tann sofort die
nöthigen Vorsichtsmaßregeln zur Vertheidigung der Stadt ange-
ordnet. Die Barricaden wurden geschlossen, die benachbarten
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 19. Dienstag, den 4. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 3. Juli. Heute verbrachte die Nationalver-
sammlung vier volle Stunden mit reinen Formalitäten. Am
Präsidium liegt die Schuld wahrlich nicht, wohl aber an der
Sucht so Vieler, über leere Dinge viele Worte zu verlieren und
Alles aufs Aeußerste zu treiben. Auch hiervon werden wir noch
curirt werden. Anstatt daß man den Antrag des Referenten ein-
fach und ohne Gefährde hätte gutheißen können, mußte darüber
hin= und hergeredet werden. Das Ergebniß war, daß über die
Grundrechte des deutschen Volkes eine zweimalige Berathung
stattfinden soll, daß bei jeder derselben mit namentlichem Aufruf
abgestimmt werden kann, daß allgemeine Discussionen nicht zu-
gelassen sind und daß vor jedem einzelnen §. die Redner sich zu
melden haben. Die Linke hat sich namentlich durch ihr starres
Bestehen auf dem Buchstaben der Geschäftsordnung ausgezeichnet,
hinwiederum aber auch zur Abweichung sich geneigt gezeigt, wo
es ihr zu frommen schien. So bestehen diese Herren z. B. schon
lange nicht mehr darauf, daß man erst nach Eröffnung der De-
batten sich zum Reden melden dürfe; denn Löwen gleich umwan-
deln sie die Kampfesstätte, und selten nur gestatten sie's dem
minder edlen Thier in ihr Geschäft sich einzumischen.

f Frankfurt 3. Juli. Die Berathung über die Grund-
rechte des deutschen Volkes
hat heute begonnen; und
die Versammlung hat, in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegen-
standes, auf Antrag des Ausschusses, den Beschluß gefaßt, eine
zweimalige Berathung und Abstimmung über jeden einzelnen
Paragraphen vorzunehmen, damit auf diese Weise die Erörter-
ung eine um so gründlichere, die verschiedenartigen Verhältnisse
Deutschlands wohl berücksichtigende werde. Die zunächst in Be-
rathung kommenden Artikel des Entwurfs sind folgende:

„Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte
gewährleistet seyn. Sie sollen den Verfassungen der deutschen
Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetz-
gebung eines deutschen Einzelstaats soll dieselben je aufheben
oder beschränken können. Artikel I. §. 1. Jeder Deutsche hat
das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen
zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das
Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da,
wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat. §. 2. Jeder Deutsche darf an
jedem Orte eines deutschen Staates Aufenthalt nehmen, sich nieder-
lassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben,
das Gemeindebürgerrecht gewinnen, — vorerst unter denselben
Bedingungen wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis
ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten
noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht. §. 3. Die
Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf
keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden. Mino-
ritätserachten:
Einer besondern Aufnahme in das Staats-
bürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für
den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Einge-
borenen durch die feste Niederlassung in dem Lande. ( Waitz, Tell-
kampf, Hergenhahn, Schüler, Detmold, Wippermann, Ahrens,
Beckerath, Droysen. ) Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum
eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen ge-
knüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den
genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine
Familie beziehen. ( Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx. )
§. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.
§. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staats wegen nicht be-
schränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Mino-
ritätserachten:
Zusatz: Die Auswanderung selbst steht unter
dem Schutze des Staates. ( Wigard, Tellkampf, Hergenhahn,
Lassaulx, Ahrens, Blum, Römer, R. Mohl, Schüler, Simon. )

Ohne Zweifel wird die Nationalversammlung eine ganz an-
dere Zusammenstellung der Grundrechte des deutschen Volkes ge-
ben, als sie der Ausschuß in seinem Entwurfe gegeben hat. Jeder
Vernünftige wird dem Grundsatze, der in den Eingangsworten
des gedruckten Berichts ausgesprochen ist, beistimmen, daß bei
Neugestaltung so tief eingreifender Verhältnisse mit Mäßigung
verfahren, darum nicht Alles umgestürzt, wohl aber Alles Das
entfernt werden müsse, was sich dem großen Werk der nationalen
[Spaltenumbruch] Wiederherstellung feindlich entgegenstellt oder doch gefährlich er-
weist; jedoch bei näherer Prüfung des Entwurfs findet man, daß
es demselben an Durchführung der Principien fehlt, wie
der Ausschuß auch selbst bemerkt, er habe sich in einigen wichtigen
Fällen lieber begnügt, nur einzelne Satzungen aufzunehmen, als
ein allgemeines Princip auszusprechen, dessen Wirkung nicht zu
berechnen schien. Es ist dies immerhin ein Mangel und die bel-
gische
Verfassung, die vom Ausschusse als eine in schweren Zeiten
der Gefahr bewährte gerühmt wird, hätte wohl gerade in dieser
Hinsicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Unsere Zeit drängt
allerwärts auf Principien und der große Kampf, den wir käm-
pfen, ist ein Kampf der Principien und darum wird alles Umgehen-
wollen nichts fruchten. Doch, wir werden bald sehen, wie die
Versammlung selbst die Sache nimmt, und wir hoffen, daß sie
Muth genug hat, auch die Consequenzen der Grundsätze anzu-
nehmen, wozu seither ihre meisten Mitglieder sich bekannt haben.

Berlin 30. Juni. ( K. Z. ) Der Abgeordnete für Münster, Herr
Hüffer, welcher heute einen sechswöchentlichen Urlaub nachge-
sucht und erhalten hat, beantragt bei der Nationalversammlung:
sie wolle beschließen, „daß die Stadt Berlin für jede fortan
in gewaltsamer Weise, durch die Bevölkerung herbeigeführte
Beschädigung des Staatseigenthums verantwortlich und
haftbar
gemacht werde“, denn sie habe, „da sie die Ausweisung
des Militärs bewirkt hat, die Pflicht und Verantwortlichkeit, das
Staatseigenthum zu schützen. Jn den Tagen vom 18. und 19.
März sind für 2 Millionen Thaler Kriegsmaterial vernichtet.“
Die Provinzen müssen diese Verluste ersetzen, die sie in keiner
Weise verschuldet. „Die Vertreter der Provinzen würden es nicht
verantworten können, wenn sie diese nicht vor ähnlichen Leistun-
gen zu schützen suchten dadurch, daß sie diejenigen zum Ersatze
des Schadens verpflichten, denen die Verschuldung desselben ob-
liegt.“ ( Diese Entschädigungspflicht der Gemeinden, wie sie auch
in Belgien und Frankreich lange besteht, ist die natürliche Folge
des neuen öffentlichen Rechts und namentlich des Bürgerwehr-
Jnstituts. Es ist bekannt, welche Schuldenlast die Gemeinde Brüs-
sel in Folge dieser Entschädigungspflicht in der Revolution von
1830 auf sich geladen und wie sie dieselbe später durch Verkauf
ihrer Museen an den Staat zum größten Theile wirklich abgetra-
gen hat. Seit den Märzereignissen dieses Jahres und der erfolg-
ten Einführung der Bürgerwehr ist dieselbe auch in mehreren
deutschen Staaten gesetzlich anerkannt und wird ohne Zweifel zu-
gleich mit dem Bürgerwehrgesetze auch in Preußen ihre gesetz-
liche Sanktion finden. )

# Köln 3. Juli. Gestern Abend sind Se. Erzb. Gnaden
im besten Wohlseyn von Berlin hier angelangt, um, nach einem
auf vierzehn Tage genommenen Urlaub, einzelne wichtige Verwal-
tungsgeschäfte abzumachen und dann wieder auf seinen unter den
obwaltenden Umständen sehr wichtigen Posten zurückzukehren.
Auch einzelne andere Rheinische Deputirte haben den gegenwärtigen
Zeitpunkt zu einem solchen Urlaub benutzt, da voraussichtlich in
den nächsten drei Wochen wichtige Fragen nicht zur Berathung
kommen sollen.

Hannover 30. Juni. ( H. Z. ) Zufolge der letzten Depeschen
des Generals Halkett war die Armee im Vorrücken gegen Nor-
den
begriffen. Das Hauptquartier des 10. Armeecorps war am
28. d. M. in Feldstedt.

Apenrade 28. Juni. ( S.=H.=Z. ) Nachdem die v. d. Tannsche
und Aldossersche Freischaar diesen Morgen nach Norden aus-
gerückt waren, ist der Prinz Friedrich mit 5 Schwadronen Ca-
vallerie, 2 Bataillonen Jnfanterie, eine Batterie von 5 Kanonen
und dem Bracklowschen Schützencorps hier wieder eingezogen,
um morgen weiter nach Hadersleben zu gehen. Wie man hört,
hat sich geichzeitig im Westen Alles in Bewegung gesetzt und die
Preußen und Bundestruppen folgen, um endlich das so lange
preisgegebene Nordschleswig zu besetzen und in Jütland ein-
zurücken.
( ? ) Schwerlich wird man die dänische Armee ereilen,
da es heißt, daß dieselbe schon Hadersleben in nördlicher Rich-
tung verlassen haben soll. Schiffe haben sich in mehreren Tagen
nicht gezeigt; vorgestern Abend wurden indessen in der Ferne 7
feindliche Schiffe bemerkt, und da eine Landung als möglich vor-
ausgesetzt ward, wurden von dem Major v. d. Tann sofort die
nöthigen Vorsichtsmaßregeln zur Vertheidigung der Stadt ange-
ordnet. Die Barricaden wurden geschlossen, die benachbarten
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 19. Dienstag, den 4. Juli. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 3. Juli. Heute verbrachte die Nationalver- sammlung vier volle Stunden mit reinen Formalitäten. Am Präsidium liegt die Schuld wahrlich nicht, wohl aber an der Sucht so Vieler, über leere Dinge viele Worte zu verlieren und Alles aufs Aeußerste zu treiben. Auch hiervon werden wir noch curirt werden. Anstatt daß man den Antrag des Referenten ein- fach und ohne Gefährde hätte gutheißen können, mußte darüber hin= und hergeredet werden. Das Ergebniß war, daß über die Grundrechte des deutschen Volkes eine zweimalige Berathung stattfinden soll, daß bei jeder derselben mit namentlichem Aufruf abgestimmt werden kann, daß allgemeine Discussionen nicht zu- gelassen sind und daß vor jedem einzelnen §. die Redner sich zu melden haben. Die Linke hat sich namentlich durch ihr starres Bestehen auf dem Buchstaben der Geschäftsordnung ausgezeichnet, hinwiederum aber auch zur Abweichung sich geneigt gezeigt, wo es ihr zu frommen schien. So bestehen diese Herren z. B. schon lange nicht mehr darauf, daß man erst nach Eröffnung der De- batten sich zum Reden melden dürfe; denn Löwen gleich umwan- deln sie die Kampfesstätte, und selten nur gestatten sie's dem minder edlen Thier in ihr Geschäft sich einzumischen. f Frankfurt 3. Juli. Die Berathung über die Grund- rechte des deutschen Volkes hat heute begonnen; und die Versammlung hat, in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegen- standes, auf Antrag des Ausschusses, den Beschluß gefaßt, eine zweimalige Berathung und Abstimmung über jeden einzelnen Paragraphen vorzunehmen, damit auf diese Weise die Erörter- ung eine um so gründlichere, die verschiedenartigen Verhältnisse Deutschlands wohl berücksichtigende werde. Die zunächst in Be- rathung kommenden Artikel des Entwurfs sind folgende: „Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte gewährleistet seyn. Sie sollen den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetz- gebung eines deutschen Einzelstaats soll dieselben je aufheben oder beschränken können. Artikel I. §. 1. Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da, wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat. §. 2. Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines deutschen Staates Aufenthalt nehmen, sich nieder- lassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerrecht gewinnen, — vorerst unter denselben Bedingungen wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht. §. 3. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden. Mino- ritätserachten: Einer besondern Aufnahme in das Staats- bürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Einge- borenen durch die feste Niederlassung in dem Lande. ( Waitz, Tell- kampf, Hergenhahn, Schüler, Detmold, Wippermann, Ahrens, Beckerath, Droysen. ) Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen ge- knüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen. ( Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx. ) §. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden. §. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staats wegen nicht be- schränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Mino- ritätserachten: Zusatz: Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates. ( Wigard, Tellkampf, Hergenhahn, Lassaulx, Ahrens, Blum, Römer, R. Mohl, Schüler, Simon. ) Ohne Zweifel wird die Nationalversammlung eine ganz an- dere Zusammenstellung der Grundrechte des deutschen Volkes ge- ben, als sie der Ausschuß in seinem Entwurfe gegeben hat. Jeder Vernünftige wird dem Grundsatze, der in den Eingangsworten des gedruckten Berichts ausgesprochen ist, beistimmen, daß bei Neugestaltung so tief eingreifender Verhältnisse mit Mäßigung verfahren, darum nicht Alles umgestürzt, wohl aber Alles Das entfernt werden müsse, was sich dem großen Werk der nationalen Wiederherstellung feindlich entgegenstellt oder doch gefährlich er- weist; jedoch bei näherer Prüfung des Entwurfs findet man, daß es demselben an Durchführung der Principien fehlt, wie der Ausschuß auch selbst bemerkt, er habe sich in einigen wichtigen Fällen lieber begnügt, nur einzelne Satzungen aufzunehmen, als ein allgemeines Princip auszusprechen, dessen Wirkung nicht zu berechnen schien. Es ist dies immerhin ein Mangel und die bel- gische Verfassung, die vom Ausschusse als eine in schweren Zeiten der Gefahr bewährte gerühmt wird, hätte wohl gerade in dieser Hinsicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Unsere Zeit drängt allerwärts auf Principien und der große Kampf, den wir käm- pfen, ist ein Kampf der Principien und darum wird alles Umgehen- wollen nichts fruchten. Doch, wir werden bald sehen, wie die Versammlung selbst die Sache nimmt, und wir hoffen, daß sie Muth genug hat, auch die Consequenzen der Grundsätze anzu- nehmen, wozu seither ihre meisten Mitglieder sich bekannt haben. Berlin 30. Juni. ( K. Z. ) Der Abgeordnete für Münster, Herr Hüffer, welcher heute einen sechswöchentlichen Urlaub nachge- sucht und erhalten hat, beantragt bei der Nationalversammlung: sie wolle beschließen, „daß die Stadt Berlin für jede fortan in gewaltsamer Weise, durch die Bevölkerung herbeigeführte Beschädigung des Staatseigenthums verantwortlich und haftbar gemacht werde“, denn sie habe, „da sie die Ausweisung des Militärs bewirkt hat, die Pflicht und Verantwortlichkeit, das Staatseigenthum zu schützen. Jn den Tagen vom 18. und 19. März sind für 2 Millionen Thaler Kriegsmaterial vernichtet.“ Die Provinzen müssen diese Verluste ersetzen, die sie in keiner Weise verschuldet. „Die Vertreter der Provinzen würden es nicht verantworten können, wenn sie diese nicht vor ähnlichen Leistun- gen zu schützen suchten dadurch, daß sie diejenigen zum Ersatze des Schadens verpflichten, denen die Verschuldung desselben ob- liegt.“ ( Diese Entschädigungspflicht der Gemeinden, wie sie auch in Belgien und Frankreich lange besteht, ist die natürliche Folge des neuen öffentlichen Rechts und namentlich des Bürgerwehr- Jnstituts. Es ist bekannt, welche Schuldenlast die Gemeinde Brüs- sel in Folge dieser Entschädigungspflicht in der Revolution von 1830 auf sich geladen und wie sie dieselbe später durch Verkauf ihrer Museen an den Staat zum größten Theile wirklich abgetra- gen hat. Seit den Märzereignissen dieses Jahres und der erfolg- ten Einführung der Bürgerwehr ist dieselbe auch in mehreren deutschen Staaten gesetzlich anerkannt und wird ohne Zweifel zu- gleich mit dem Bürgerwehrgesetze auch in Preußen ihre gesetz- liche Sanktion finden. ) # Köln 3. Juli. Gestern Abend sind Se. Erzb. Gnaden im besten Wohlseyn von Berlin hier angelangt, um, nach einem auf vierzehn Tage genommenen Urlaub, einzelne wichtige Verwal- tungsgeschäfte abzumachen und dann wieder auf seinen unter den obwaltenden Umständen sehr wichtigen Posten zurückzukehren. Auch einzelne andere Rheinische Deputirte haben den gegenwärtigen Zeitpunkt zu einem solchen Urlaub benutzt, da voraussichtlich in den nächsten drei Wochen wichtige Fragen nicht zur Berathung kommen sollen. Hannover 30. Juni. ( H. Z. ) Zufolge der letzten Depeschen des Generals Halkett war die Armee im Vorrücken gegen Nor- den begriffen. Das Hauptquartier des 10. Armeecorps war am 28. d. M. in Feldstedt. Apenrade 28. Juni. ( S.=H.=Z. ) Nachdem die v. d. Tannsche und Aldossersche Freischaar diesen Morgen nach Norden aus- gerückt waren, ist der Prinz Friedrich mit 5 Schwadronen Ca- vallerie, 2 Bataillonen Jnfanterie, eine Batterie von 5 Kanonen und dem Bracklowschen Schützencorps hier wieder eingezogen, um morgen weiter nach Hadersleben zu gehen. Wie man hört, hat sich geichzeitig im Westen Alles in Bewegung gesetzt und die Preußen und Bundestruppen folgen, um endlich das so lange preisgegebene Nordschleswig zu besetzen und in Jütland ein- zurücken. ( ? ) Schwerlich wird man die dänische Armee ereilen, da es heißt, daß dieselbe schon Hadersleben in nördlicher Rich- tung verlassen haben soll. Schiffe haben sich in mehreren Tagen nicht gezeigt; vorgestern Abend wurden indessen in der Ferne 7 feindliche Schiffe bemerkt, und da eine Landung als möglich vor- ausgesetzt ward, wurden von dem Major v. d. Tann sofort die nöthigen Vorsichtsmaßregeln zur Vertheidigung der Stadt ange- ordnet. Die Barricaden wurden geschlossen, die benachbarten

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 19. Mainz, 4. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal019_1848/5>, abgerufen am 10.06.2024.