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Mainzer Journal. Nr. 42. Mainz, 27. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz]

Bensheim 25. Juli. Heute früh um 4 Uhr wurde die hie-
sige Bürgerschaft durch Feuerlärm geweckt und auch das Militär
durch den Lärmmarsch auf die Beine gebracht. Es war nämlich
in dem benachbarten Landgerichtssitze Zwingenberg während
der Nacht Feuer ausgebrochen, dessen Entstehung man allgemein
mit einem am gestrigen Abende stattgehabten Unfuge in Verbin-
dung bringt. Bei einem daselbst abgehaltenen Forstgerichte hatten
sich die Verurtheilten mit einigen Anderen verbündet und den Re-
vierförster, der ein äußerst gestrenger Mann seyn soll, thätlich
mißhandelt. Das zur Wiederherstellung der Ruhe aus dem be-
nachbarten Auerbach herbeigerufene hessische Militär brachte
die Rädelsführer in sicheren Gewahr. Ein junger Mann von
Auerbach, der sich dem Einschreiten der Soldaten widersetzte,
erhielt leider einen Stich in den Arm. Beklagenswerth aber
wäre es, wenn es sich bestätigte, was man sich sagt, daß
Freunde der Gefangenen jenes Feuer an eine Scheune -- es
brannte noch eine dazu ab -- gelegt, um bei der allgemeinen
Bestürzung dieselben zu befreien. Wir sind weit entfernt, ein
solches Benehmen gegen Beamte und die bestehenden Gesetze zu
billigen; aber wir hoffen aus dem innigsten Grunde unserer
Seele, daß doch endlich einmal eine mildere Verfahrungsweise in
dem Forstwesen eintrete, und daß die Forstleute doch nicht mehr
jeden Baum für einen Gott ausgeben möchten, vor dem man
niederfalle und anbete. Jn unserer aufgeklärten Zeit noch Fetisch-
dienst?!

Frankfurt 25. Juli. Jn Jhrer heutigen Nummer brin-
gen Sie die Nachricht von einer möglichen Reaktion in Altpreu-
ßen. Nach einer Privatmittheilung eines seit Kurzem von dort
weggegangenen Kaufmannes wird diese Nachricht vollkommen be-
stätigt, und namentlich bemerkt, daß diese Stimmung durch die
maaßlosen Schmähungen hervorgerufen worden, mit der in letz-
ter Zeit die Preußen in öffentlichen Blättern überhäuft wurden.
-- Gestern Abend war große Versammlung im Montagskränz-
chen. Gagern soll die Nationalversammlung vom Präsidenten-
stuhl aus dazu eingeladen haben?? Dr. Robert Haas ent-
wickelte seine Theorie einer großen deutschen Nationalkirche; nach
ihm sprachen Wigard aus Dresden, Kuenzer aus Constanz,
ein kathol. Pfarrer und Parlamentsmitglied aus Wien, Rös-
selt, Schwarzschild.
Die beiden katholischen Geistlichen
waren nicht einverstanden mit Haas; sie meinten, man solle jede
Kirche nur ohne Polizei sich entwickeln lassen, mit einer Nationalkirche
könnten Einzelne wieder nicht einverstanden seyn, und dann habe man
wieder Zwang oder Trennung. Die Formen in dem katholischen
Cultus, woran Manche sich stoßen, seyen ja nicht das Wesentliche
und es käme nur auf den Geist an, den man hineinlege. Jch
glaubte mich im Augenblick nach Mainz an den Heerd des Ultra-
montanismus versetzt, wenn nicht Dr. Schwarzschild alsbald
aufgetreten wäre, und gegen confessionelle Schulen sich ausge-
sprochen hätte. Er meinte, nur durch confessionslose Schulen
könne der Uneinigkeit auf religiösem Gebiete abgeholfen wer-
den, und erst in reiferem Alter dürfe der Religionsunterricht
stattfinden! Das Ende des Ganzen war, daß Haas mit seiner
Nationalkirche im eigentlichen Sinne durchfiel, obschon man dieß
nicht eingestehen will.

Oesterreichische Monarchie.

[ Große Niederlage der Ungarn bei Szegedin. ]
Die Wiener Zeitung vom 21. Juli meldet hierüber Folgendes:
"Eben eingehenden Privatnachrichten zufolge sind die Ungarn am
15. d. M. bei Szegedin von den Kroaten und Serbien aufs Haupt
geschlagen worden."

Der Wiener Korrespondent der Berliner Zeitung berichtet
unterm 21. Juli Folgendes: "Nach den heutigen Nachrichten aus
Pesth vom 20. hätten die Ungarn durch die Kroaten und Jlly-
rier bei Szegedin eine bedeutende Niederlage erlitten, nachdem es
früher am 15. den Ungarn unter Kommando des Feldmarschall-
Lieutenant Grafen Berchtold gelungen war, St. Thomas mit
Sturm zu nehmen. Alle Raitzen und Serben wurden darin er-
mordet. St. Thomas wurde mit 38 Kanonen zusammengeschos-
sen und die Jllyrier hatten blos fünf elende Tschaikisten=Kanonen.
Graf Berchtold soll geblieben seyn. Nach der Einnahme von
St. Thomas rückten die Ungarn gegen Szegedin und stießen dort
auf 15,000 vereinigte Serbier und Jllyrier, wobei die Magyaren
eine Niederlage erlitten." Abweichend, wenn auch in der Haupt-
sache übereinstimmend, wird aus Pesth folgendes Nähere über
dieses wichtige Ereigniß gemeldet:

Pesth 19. Juli. Jch habe Jhnen heute leider sehr traurige
Nachrichten zu melden. Die Ungarn sind bei ihrem Angriff auf
die feindliche Stellung in St. Thomas am 14. Juli geschlagen
[Spaltenumbruch] worden und mußten sich bis O=Buse zurückziehen. Der Oberbe-
fehlshaber General Graf v. Berchtold hat wohl einen Fehler be-
gangen, indem er ungeübte Nationalgarden zuerst zur Erstürmung
der St. Thomaser Brücke aussendete. Die Brücke war von einer
wohl unterhaltenen Kanonade vertheidigt und die Nationalgarden
sprengten nach dem ersten Schuß auseinander. Die Kavallerie
befehligte der Oberst Kolowrat, ein Verwandter des bekannten
früheren Ministers Kolowrat und diesem in der Abneigung ge-
gen Ungarns Selbstständigkeit und Constitutionalität gleich ge-
stimmt. Der Oberst war zur Wegnahme der Redoute von St.
Thomas bestimmt, aber sey es, weil der von russischen Of-
fizieren
( ? ) dirigirte Feind ein furchtbares Kanonfeuer hielt,
sey es aus anderen Gründen -- das ganze Unternehmen ist miß-
glückt, der Feind ist furchtbarer, als man es geahnt und Ge-
neral Berchtold muß jetzt vorläufig auf die Defensive sich be-
schränken. Die näheren Details und Aufklärungen sind noch nich
bekannt, wohl aber die entsetzliche Grausamkeit, welche der Feind
gegen Ungarn und Deutsche in St. Thomas ausübte. [ Oben
wird, wie man sieht, gerade das Umgekehrte berichtet. ] Die
Mißstimmung und die Sehnsucht nach Rache ist namentlich unter
der hiesigen Jugend grenzenlos, und allem Anscheine nach wird
der illyrische Aufstand, welchen das kurzsichtige Ministerium nicht
in der ganzen Gefahr erkannte, zu einem furchtbaren Kriege
werden, dessen Grausamkeiten unserer Zeit wenig Ehre machen
werden. [ Jn Pesth herrscht allgemeine Niedergeschlagenheit und
man spricht schon von einer Auflösung des Ministeriums Kossuth,
dem bekanntlich noch vor wenigen Tagen die Welt zu enge war. ]

Jtalien.

Rom 14. Juli. ( A. Z. ) Den 7. Juli verschied in Bologna
der Fürst Theodor Galitzin, welcher in Rom eine zweite Heimath
gefunden hatte, der er mit einer rührenden Liebe anhing. Sowie
er früher mit namhaften Opfern sich der katholischen Religion
zugewendet hatte, so sah man ihn in den Tagen nationaler Be-
geisterung als gemeinen Soldaten nach der Lombardei ziehen, um
das Vaterland seiner Wahl befreien zu helfen. Sein zarter Kör-
per war für die harten Mühen, die er mit ehrenhafter Ausdauer
duldete und ertrug, zu schwach, und er erlag zuletzt denselben.
Wenn es immer etwas Erhebendes hat, einen Menschen einer
Jdee leben und sterben zu sehen, so ist dieser Fall sogar ergreifen-
der Art, indem die Hingebung und das Opfer hier mit einer sel-
tenen Anspruchslosigkeit und Festigkeit des Sinnes verbunden er-
scheinen. Der edle junge Mann wird von Vielen betrauert, den
Vielen ist er ein Retter und Helfer gewesen. Selbst dann noch
als sein Uebertritt zur katholischen Kirche ihm einen großen Thei
seiner Mittel entzogen hatte, hat er nicht aufgehört wohl zu thun
und die Künstler namentlich verdanken seiner Großmuth beträcht-
liche Unterstützungen. Ein Palast, den er hier erbaut hat, und
welcher gegenwärtig dem Künstlerclub ein geräumiges Local dar-
bietet, gibt ein schönes Zeugniß von seiner Ausdauer ab und auch
von der Reinheit des Geschmacks, deren er sich allezeit befleißigte.
-- Mons. Morichini wird jede Stunde hier erwartet, da er schon
am 10. l. M. in Bologna eingetroffen war. Die hiesigen Kriegs-
fanatiker bemühen sich um die Wette seine Mission als recht lächer-
lich und als völlig verunglückt darzustellen. Seinen eigenen
Aeußerungen zufolge soll sie dieß nicht seyn, sondern er hat sogar
versichert, er bringe sehr ansehnliche Zugeständnisse mit, deren der
Papst sich zur Vermittelung des Friedens bedienen könne. -- Die
Schweizer haben jetzt ausdrücklich und feierlich durch einen ihrer
Obersten erklärt, sie würden sich fürderhin nicht an die Befehle
des Ministeriums halten, sondern nur dem Papst Gehorsam
leisten. Sie klagen darüber, daß sie auf dem Monte Berico bei
Vicenza sogar rücksichtslos durch die Befehle des Generalstabs
von Durando geopfert worden seyen. Ja es wird erzählt, öster-
reichische Officiere hätten sie noch während des Sturmes auf die
Gefahr aufmerksam gemacht, der sie sich aussetzten.

Venedig 15. Juli. ( A. Z. ) Heute früh neun Uhr verkün-
deten 21 Kanonenschüsse der Hafenwachfregatte die Ankunft der
piemontesischen Truppen. Bei ihrem Aussteigen wurden sie von
der Musikbande der Nationalgarde und einer verhältnißmäßig
geringen Volksmasse, die den in Jtalien gewohnten Jubel durch-
aus nicht an den Tag legte, empfangen. Ueberhaupt sind die
unter der Republik so häufig vorgekommenen Fälle von enthu-
siastischen Beifallsbezeugungen allmählig im Abnehmen. Der
Löwe des St. Marcus hat jedenfalls bei weitem mehr Anhänger
als man sich vielleicht einbildet, und ich habe so manchen Alber-
tisten gesprochen, der mich versichert, man müsse gute Miene zum
bösen Spiele machen!

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz]

Bensheim 25. Juli. Heute früh um 4 Uhr wurde die hie-
sige Bürgerschaft durch Feuerlärm geweckt und auch das Militär
durch den Lärmmarsch auf die Beine gebracht. Es war nämlich
in dem benachbarten Landgerichtssitze Zwingenberg während
der Nacht Feuer ausgebrochen, dessen Entstehung man allgemein
mit einem am gestrigen Abende stattgehabten Unfuge in Verbin-
dung bringt. Bei einem daselbst abgehaltenen Forstgerichte hatten
sich die Verurtheilten mit einigen Anderen verbündet und den Re-
vierförster, der ein äußerst gestrenger Mann seyn soll, thätlich
mißhandelt. Das zur Wiederherstellung der Ruhe aus dem be-
nachbarten Auerbach herbeigerufene hessische Militär brachte
die Rädelsführer in sicheren Gewahr. Ein junger Mann von
Auerbach, der sich dem Einschreiten der Soldaten widersetzte,
erhielt leider einen Stich in den Arm. Beklagenswerth aber
wäre es, wenn es sich bestätigte, was man sich sagt, daß
Freunde der Gefangenen jenes Feuer an eine Scheune — es
brannte noch eine dazu ab — gelegt, um bei der allgemeinen
Bestürzung dieselben zu befreien. Wir sind weit entfernt, ein
solches Benehmen gegen Beamte und die bestehenden Gesetze zu
billigen; aber wir hoffen aus dem innigsten Grunde unserer
Seele, daß doch endlich einmal eine mildere Verfahrungsweise in
dem Forstwesen eintrete, und daß die Forstleute doch nicht mehr
jeden Baum für einen Gott ausgeben möchten, vor dem man
niederfalle und anbete. Jn unserer aufgeklärten Zeit noch Fetisch-
dienst?!

Frankfurt 25. Juli. Jn Jhrer heutigen Nummer brin-
gen Sie die Nachricht von einer möglichen Reaktion in Altpreu-
ßen. Nach einer Privatmittheilung eines seit Kurzem von dort
weggegangenen Kaufmannes wird diese Nachricht vollkommen be-
stätigt, und namentlich bemerkt, daß diese Stimmung durch die
maaßlosen Schmähungen hervorgerufen worden, mit der in letz-
ter Zeit die Preußen in öffentlichen Blättern überhäuft wurden.
— Gestern Abend war große Versammlung im Montagskränz-
chen. Gagern soll die Nationalversammlung vom Präsidenten-
stuhl aus dazu eingeladen haben?? Dr. Robert Haas ent-
wickelte seine Theorie einer großen deutschen Nationalkirche; nach
ihm sprachen Wigard aus Dresden, Kuenzer aus Constanz,
ein kathol. Pfarrer und Parlamentsmitglied aus Wien, Rös-
selt, Schwarzschild.
Die beiden katholischen Geistlichen
waren nicht einverstanden mit Haas; sie meinten, man solle jede
Kirche nur ohne Polizei sich entwickeln lassen, mit einer Nationalkirche
könnten Einzelne wieder nicht einverstanden seyn, und dann habe man
wieder Zwang oder Trennung. Die Formen in dem katholischen
Cultus, woran Manche sich stoßen, seyen ja nicht das Wesentliche
und es käme nur auf den Geist an, den man hineinlege. Jch
glaubte mich im Augenblick nach Mainz an den Heerd des Ultra-
montanismus versetzt, wenn nicht Dr. Schwarzschild alsbald
aufgetreten wäre, und gegen confessionelle Schulen sich ausge-
sprochen hätte. Er meinte, nur durch confessionslose Schulen
könne der Uneinigkeit auf religiösem Gebiete abgeholfen wer-
den, und erst in reiferem Alter dürfe der Religionsunterricht
stattfinden! Das Ende des Ganzen war, daß Haas mit seiner
Nationalkirche im eigentlichen Sinne durchfiel, obschon man dieß
nicht eingestehen will.

Oesterreichische Monarchie.

[ Große Niederlage der Ungarn bei Szegedin. ]
Die Wiener Zeitung vom 21. Juli meldet hierüber Folgendes:
„Eben eingehenden Privatnachrichten zufolge sind die Ungarn am
15. d. M. bei Szegedin von den Kroaten und Serbien aufs Haupt
geschlagen worden.“

Der Wiener Korrespondent der Berliner Zeitung berichtet
unterm 21. Juli Folgendes: „Nach den heutigen Nachrichten aus
Pesth vom 20. hätten die Ungarn durch die Kroaten und Jlly-
rier bei Szegedin eine bedeutende Niederlage erlitten, nachdem es
früher am 15. den Ungarn unter Kommando des Feldmarschall-
Lieutenant Grafen Berchtold gelungen war, St. Thomas mit
Sturm zu nehmen. Alle Raitzen und Serben wurden darin er-
mordet. St. Thomas wurde mit 38 Kanonen zusammengeschos-
sen und die Jllyrier hatten blos fünf elende Tschaikisten=Kanonen.
Graf Berchtold soll geblieben seyn. Nach der Einnahme von
St. Thomas rückten die Ungarn gegen Szegedin und stießen dort
auf 15,000 vereinigte Serbier und Jllyrier, wobei die Magyaren
eine Niederlage erlitten.“ Abweichend, wenn auch in der Haupt-
sache übereinstimmend, wird aus Pesth folgendes Nähere über
dieses wichtige Ereigniß gemeldet:

Pesth 19. Juli. Jch habe Jhnen heute leider sehr traurige
Nachrichten zu melden. Die Ungarn sind bei ihrem Angriff auf
die feindliche Stellung in St. Thomas am 14. Juli geschlagen
[Spaltenumbruch] worden und mußten sich bis O=Buse zurückziehen. Der Oberbe-
fehlshaber General Graf v. Berchtold hat wohl einen Fehler be-
gangen, indem er ungeübte Nationalgarden zuerst zur Erstürmung
der St. Thomaser Brücke aussendete. Die Brücke war von einer
wohl unterhaltenen Kanonade vertheidigt und die Nationalgarden
sprengten nach dem ersten Schuß auseinander. Die Kavallerie
befehligte der Oberst Kolowrat, ein Verwandter des bekannten
früheren Ministers Kolowrat und diesem in der Abneigung ge-
gen Ungarns Selbstständigkeit und Constitutionalität gleich ge-
stimmt. Der Oberst war zur Wegnahme der Redoute von St.
Thomas bestimmt, aber sey es, weil der von russischen Of-
fizieren
( ? ) dirigirte Feind ein furchtbares Kanonfeuer hielt,
sey es aus anderen Gründen — das ganze Unternehmen ist miß-
glückt, der Feind ist furchtbarer, als man es geahnt und Ge-
neral Berchtold muß jetzt vorläufig auf die Defensive sich be-
schränken. Die näheren Details und Aufklärungen sind noch nich
bekannt, wohl aber die entsetzliche Grausamkeit, welche der Feind
gegen Ungarn und Deutsche in St. Thomas ausübte. [ Oben
wird, wie man sieht, gerade das Umgekehrte berichtet. ] Die
Mißstimmung und die Sehnsucht nach Rache ist namentlich unter
der hiesigen Jugend grenzenlos, und allem Anscheine nach wird
der illyrische Aufstand, welchen das kurzsichtige Ministerium nicht
in der ganzen Gefahr erkannte, zu einem furchtbaren Kriege
werden, dessen Grausamkeiten unserer Zeit wenig Ehre machen
werden. [ Jn Pesth herrscht allgemeine Niedergeschlagenheit und
man spricht schon von einer Auflösung des Ministeriums Kossuth,
dem bekanntlich noch vor wenigen Tagen die Welt zu enge war. ]

Jtalien.

Rom 14. Juli. ( A. Z. ) Den 7. Juli verschied in Bologna
der Fürst Theodor Galitzin, welcher in Rom eine zweite Heimath
gefunden hatte, der er mit einer rührenden Liebe anhing. Sowie
er früher mit namhaften Opfern sich der katholischen Religion
zugewendet hatte, so sah man ihn in den Tagen nationaler Be-
geisterung als gemeinen Soldaten nach der Lombardei ziehen, um
das Vaterland seiner Wahl befreien zu helfen. Sein zarter Kör-
per war für die harten Mühen, die er mit ehrenhafter Ausdauer
duldete und ertrug, zu schwach, und er erlag zuletzt denselben.
Wenn es immer etwas Erhebendes hat, einen Menschen einer
Jdee leben und sterben zu sehen, so ist dieser Fall sogar ergreifen-
der Art, indem die Hingebung und das Opfer hier mit einer sel-
tenen Anspruchslosigkeit und Festigkeit des Sinnes verbunden er-
scheinen. Der edle junge Mann wird von Vielen betrauert, den
Vielen ist er ein Retter und Helfer gewesen. Selbst dann noch
als sein Uebertritt zur katholischen Kirche ihm einen großen Thei
seiner Mittel entzogen hatte, hat er nicht aufgehört wohl zu thun
und die Künstler namentlich verdanken seiner Großmuth beträcht-
liche Unterstützungen. Ein Palast, den er hier erbaut hat, und
welcher gegenwärtig dem Künstlerclub ein geräumiges Local dar-
bietet, gibt ein schönes Zeugniß von seiner Ausdauer ab und auch
von der Reinheit des Geschmacks, deren er sich allezeit befleißigte.
— Mons. Morichini wird jede Stunde hier erwartet, da er schon
am 10. l. M. in Bologna eingetroffen war. Die hiesigen Kriegs-
fanatiker bemühen sich um die Wette seine Mission als recht lächer-
lich und als völlig verunglückt darzustellen. Seinen eigenen
Aeußerungen zufolge soll sie dieß nicht seyn, sondern er hat sogar
versichert, er bringe sehr ansehnliche Zugeständnisse mit, deren der
Papst sich zur Vermittelung des Friedens bedienen könne. — Die
Schweizer haben jetzt ausdrücklich und feierlich durch einen ihrer
Obersten erklärt, sie würden sich fürderhin nicht an die Befehle
des Ministeriums halten, sondern nur dem Papst Gehorsam
leisten. Sie klagen darüber, daß sie auf dem Monte Berico bei
Vicenza sogar rücksichtslos durch die Befehle des Generalstabs
von Durando geopfert worden seyen. Ja es wird erzählt, öster-
reichische Officiere hätten sie noch während des Sturmes auf die
Gefahr aufmerksam gemacht, der sie sich aussetzten.

Venedig 15. Juli. ( A. Z. ) Heute früh neun Uhr verkün-
deten 21 Kanonenschüsse der Hafenwachfregatte die Ankunft der
piemontesischen Truppen. Bei ihrem Aussteigen wurden sie von
der Musikbande der Nationalgarde und einer verhältnißmäßig
geringen Volksmasse, die den in Jtalien gewohnten Jubel durch-
aus nicht an den Tag legte, empfangen. Ueberhaupt sind die
unter der Republik so häufig vorgekommenen Fälle von enthu-
siastischen Beifallsbezeugungen allmählig im Abnehmen. Der
Löwe des St. Marcus hat jedenfalls bei weitem mehr Anhänger
als man sich vielleicht einbildet, und ich habe so manchen Alber-
tisten gesprochen, der mich versichert, man müsse gute Miene zum
bösen Spiele machen!

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] Bensheim 25. Juli. Heute früh um 4 Uhr wurde die hie- sige Bürgerschaft durch Feuerlärm geweckt und auch das Militär durch den Lärmmarsch auf die Beine gebracht. Es war nämlich in dem benachbarten Landgerichtssitze Zwingenberg während der Nacht Feuer ausgebrochen, dessen Entstehung man allgemein mit einem am gestrigen Abende stattgehabten Unfuge in Verbin- dung bringt. Bei einem daselbst abgehaltenen Forstgerichte hatten sich die Verurtheilten mit einigen Anderen verbündet und den Re- vierförster, der ein äußerst gestrenger Mann seyn soll, thätlich mißhandelt. Das zur Wiederherstellung der Ruhe aus dem be- nachbarten Auerbach herbeigerufene hessische Militär brachte die Rädelsführer in sicheren Gewahr. Ein junger Mann von Auerbach, der sich dem Einschreiten der Soldaten widersetzte, erhielt leider einen Stich in den Arm. Beklagenswerth aber wäre es, wenn es sich bestätigte, was man sich sagt, daß Freunde der Gefangenen jenes Feuer an eine Scheune — es brannte noch eine dazu ab — gelegt, um bei der allgemeinen Bestürzung dieselben zu befreien. Wir sind weit entfernt, ein solches Benehmen gegen Beamte und die bestehenden Gesetze zu billigen; aber wir hoffen aus dem innigsten Grunde unserer Seele, daß doch endlich einmal eine mildere Verfahrungsweise in dem Forstwesen eintrete, und daß die Forstleute doch nicht mehr jeden Baum für einen Gott ausgeben möchten, vor dem man niederfalle und anbete. Jn unserer aufgeklärten Zeit noch Fetisch- dienst?! Frankfurt 25. Juli. Jn Jhrer heutigen Nummer brin- gen Sie die Nachricht von einer möglichen Reaktion in Altpreu- ßen. Nach einer Privatmittheilung eines seit Kurzem von dort weggegangenen Kaufmannes wird diese Nachricht vollkommen be- stätigt, und namentlich bemerkt, daß diese Stimmung durch die maaßlosen Schmähungen hervorgerufen worden, mit der in letz- ter Zeit die Preußen in öffentlichen Blättern überhäuft wurden. — Gestern Abend war große Versammlung im Montagskränz- chen. Gagern soll die Nationalversammlung vom Präsidenten- stuhl aus dazu eingeladen haben?? Dr. Robert Haas ent- wickelte seine Theorie einer großen deutschen Nationalkirche; nach ihm sprachen Wigard aus Dresden, Kuenzer aus Constanz, ein kathol. Pfarrer und Parlamentsmitglied aus Wien, Rös- selt, Schwarzschild. Die beiden katholischen Geistlichen waren nicht einverstanden mit Haas; sie meinten, man solle jede Kirche nur ohne Polizei sich entwickeln lassen, mit einer Nationalkirche könnten Einzelne wieder nicht einverstanden seyn, und dann habe man wieder Zwang oder Trennung. Die Formen in dem katholischen Cultus, woran Manche sich stoßen, seyen ja nicht das Wesentliche und es käme nur auf den Geist an, den man hineinlege. Jch glaubte mich im Augenblick nach Mainz an den Heerd des Ultra- montanismus versetzt, wenn nicht Dr. Schwarzschild alsbald aufgetreten wäre, und gegen confessionelle Schulen sich ausge- sprochen hätte. Er meinte, nur durch confessionslose Schulen könne der Uneinigkeit auf religiösem Gebiete abgeholfen wer- den, und erst in reiferem Alter dürfe der Religionsunterricht stattfinden! Das Ende des Ganzen war, daß Haas mit seiner Nationalkirche im eigentlichen Sinne durchfiel, obschon man dieß nicht eingestehen will. Oesterreichische Monarchie. [ Große Niederlage der Ungarn bei Szegedin. ] Die Wiener Zeitung vom 21. Juli meldet hierüber Folgendes: „Eben eingehenden Privatnachrichten zufolge sind die Ungarn am 15. d. M. bei Szegedin von den Kroaten und Serbien aufs Haupt geschlagen worden.“ Der Wiener Korrespondent der Berliner Zeitung berichtet unterm 21. Juli Folgendes: „Nach den heutigen Nachrichten aus Pesth vom 20. hätten die Ungarn durch die Kroaten und Jlly- rier bei Szegedin eine bedeutende Niederlage erlitten, nachdem es früher am 15. den Ungarn unter Kommando des Feldmarschall- Lieutenant Grafen Berchtold gelungen war, St. Thomas mit Sturm zu nehmen. Alle Raitzen und Serben wurden darin er- mordet. St. Thomas wurde mit 38 Kanonen zusammengeschos- sen und die Jllyrier hatten blos fünf elende Tschaikisten=Kanonen. Graf Berchtold soll geblieben seyn. Nach der Einnahme von St. Thomas rückten die Ungarn gegen Szegedin und stießen dort auf 15,000 vereinigte Serbier und Jllyrier, wobei die Magyaren eine Niederlage erlitten.“ Abweichend, wenn auch in der Haupt- sache übereinstimmend, wird aus Pesth folgendes Nähere über dieses wichtige Ereigniß gemeldet: Pesth 19. Juli. Jch habe Jhnen heute leider sehr traurige Nachrichten zu melden. Die Ungarn sind bei ihrem Angriff auf die feindliche Stellung in St. Thomas am 14. Juli geschlagen worden und mußten sich bis O=Buse zurückziehen. Der Oberbe- fehlshaber General Graf v. Berchtold hat wohl einen Fehler be- gangen, indem er ungeübte Nationalgarden zuerst zur Erstürmung der St. Thomaser Brücke aussendete. Die Brücke war von einer wohl unterhaltenen Kanonade vertheidigt und die Nationalgarden sprengten nach dem ersten Schuß auseinander. Die Kavallerie befehligte der Oberst Kolowrat, ein Verwandter des bekannten früheren Ministers Kolowrat und diesem in der Abneigung ge- gen Ungarns Selbstständigkeit und Constitutionalität gleich ge- stimmt. Der Oberst war zur Wegnahme der Redoute von St. Thomas bestimmt, aber sey es, weil der von russischen Of- fizieren ( ? ) dirigirte Feind ein furchtbares Kanonfeuer hielt, sey es aus anderen Gründen — das ganze Unternehmen ist miß- glückt, der Feind ist furchtbarer, als man es geahnt und Ge- neral Berchtold muß jetzt vorläufig auf die Defensive sich be- schränken. Die näheren Details und Aufklärungen sind noch nich bekannt, wohl aber die entsetzliche Grausamkeit, welche der Feind gegen Ungarn und Deutsche in St. Thomas ausübte. [ Oben wird, wie man sieht, gerade das Umgekehrte berichtet. ] Die Mißstimmung und die Sehnsucht nach Rache ist namentlich unter der hiesigen Jugend grenzenlos, und allem Anscheine nach wird der illyrische Aufstand, welchen das kurzsichtige Ministerium nicht in der ganzen Gefahr erkannte, zu einem furchtbaren Kriege werden, dessen Grausamkeiten unserer Zeit wenig Ehre machen werden. [ Jn Pesth herrscht allgemeine Niedergeschlagenheit und man spricht schon von einer Auflösung des Ministeriums Kossuth, dem bekanntlich noch vor wenigen Tagen die Welt zu enge war. ] Jtalien. Rom 14. Juli. ( A. Z. ) Den 7. Juli verschied in Bologna der Fürst Theodor Galitzin, welcher in Rom eine zweite Heimath gefunden hatte, der er mit einer rührenden Liebe anhing. Sowie er früher mit namhaften Opfern sich der katholischen Religion zugewendet hatte, so sah man ihn in den Tagen nationaler Be- geisterung als gemeinen Soldaten nach der Lombardei ziehen, um das Vaterland seiner Wahl befreien zu helfen. Sein zarter Kör- per war für die harten Mühen, die er mit ehrenhafter Ausdauer duldete und ertrug, zu schwach, und er erlag zuletzt denselben. Wenn es immer etwas Erhebendes hat, einen Menschen einer Jdee leben und sterben zu sehen, so ist dieser Fall sogar ergreifen- der Art, indem die Hingebung und das Opfer hier mit einer sel- tenen Anspruchslosigkeit und Festigkeit des Sinnes verbunden er- scheinen. Der edle junge Mann wird von Vielen betrauert, den Vielen ist er ein Retter und Helfer gewesen. Selbst dann noch als sein Uebertritt zur katholischen Kirche ihm einen großen Thei seiner Mittel entzogen hatte, hat er nicht aufgehört wohl zu thun und die Künstler namentlich verdanken seiner Großmuth beträcht- liche Unterstützungen. Ein Palast, den er hier erbaut hat, und welcher gegenwärtig dem Künstlerclub ein geräumiges Local dar- bietet, gibt ein schönes Zeugniß von seiner Ausdauer ab und auch von der Reinheit des Geschmacks, deren er sich allezeit befleißigte. — Mons. Morichini wird jede Stunde hier erwartet, da er schon am 10. l. M. in Bologna eingetroffen war. Die hiesigen Kriegs- fanatiker bemühen sich um die Wette seine Mission als recht lächer- lich und als völlig verunglückt darzustellen. Seinen eigenen Aeußerungen zufolge soll sie dieß nicht seyn, sondern er hat sogar versichert, er bringe sehr ansehnliche Zugeständnisse mit, deren der Papst sich zur Vermittelung des Friedens bedienen könne. — Die Schweizer haben jetzt ausdrücklich und feierlich durch einen ihrer Obersten erklärt, sie würden sich fürderhin nicht an die Befehle des Ministeriums halten, sondern nur dem Papst Gehorsam leisten. Sie klagen darüber, daß sie auf dem Monte Berico bei Vicenza sogar rücksichtslos durch die Befehle des Generalstabs von Durando geopfert worden seyen. Ja es wird erzählt, öster- reichische Officiere hätten sie noch während des Sturmes auf die Gefahr aufmerksam gemacht, der sie sich aussetzten. Venedig 15. Juli. ( A. Z. ) Heute früh neun Uhr verkün- deten 21 Kanonenschüsse der Hafenwachfregatte die Ankunft der piemontesischen Truppen. Bei ihrem Aussteigen wurden sie von der Musikbande der Nationalgarde und einer verhältnißmäßig geringen Volksmasse, die den in Jtalien gewohnten Jubel durch- aus nicht an den Tag legte, empfangen. Ueberhaupt sind die unter der Republik so häufig vorgekommenen Fälle von enthu- siastischen Beifallsbezeugungen allmählig im Abnehmen. Der Löwe des St. Marcus hat jedenfalls bei weitem mehr Anhänger als man sich vielleicht einbildet, und ich habe so manchen Alber- tisten gesprochen, der mich versichert, man müsse gute Miene zum bösen Spiele machen! Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 42. Mainz, 27. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal042_1848/4>, abgerufen am 12.06.2024.