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Mainzer Journal. Nr. 48. Mainz, 2. August 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 31. Juli. Nach der vollzogenen Wahl hielt
Präsident Gagern folgende Rede, die mit dem lautesten und
ungetheiltesten Beifalle aufgenommen ward: "Meine Herren, zum
vierten Male hat mich die überwiegende Stimmenmehrheit dieser
hohen Versammlung, ich darf auch sagen, das Vertrauen, das
Wohlwollen dieser Versammlung auf diese Stelle berufen, die die
erhabendste ist, die einem deutschen Bürger geboten werden kann.
Jch entspreche diesem Ruf auch heute, dem Dienste mich widmend,
in welchem man mich zur gegebenen Zeit für nützlich erachtet. Jch
habe keinen Ehrgeiz, der irgend etwas erstrebte, als nützlich zu
seyn meinem Vaterlande, wo und wie immer ich zur Thätigkeit
berufen seyn mag, meine Zukunft außer Acht lassend. Das Amt,
wozu Sie mich abermals berufen, ist ein leichteres geworden.
Der Steuermann, der sich einschifft auf bewegter See, im Be-
ginne seiner Fahrt, mit noch unbetrauter Bemannung, von ihm
wird gefordert, daß er die Hand am Steuer, zugleich das Auge
im Segel habe. Aber Sie selbst haben das Auge im Segel, die
Gewalt, die Sie geschaffen; -- endlich der Genius der Nation,
-- er verläßt uns nimmer. Der Steuermann auf dieser Stelle
kann mit schlafferer Hand das Ruder führen, und doch wird das
Schiff dem großen Ziele glücklich entgegensegeln, das uns gesteckt
ist, dem großen Ziele, zu dem wir zwar noch Strecken vor uns
zu durchfahren haben, ehe wir es erreichen, aber das wir erreichen
werden trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse,
die entgegen sich stemmen, Das Ziel der Befestigung der
Freiheit, der Gründung der Einheit des Vater-
landes.
Alle Theile des Vaterlandes werden diejenigen Opfer
ihrer Selbstständigkeit bringen, die nothwendig sind, damit diese Ein-
heit möglich werde. Weitere werden nicht gefordert. Mit solcher Hoff-
nung und Empfindung übernehme ich von Neuem das Amt, das Sie
mir übergeben. Jch werde meine Kraft widmen Demjenigen, was
die Aufgabe unserer Versammlung ist. Jndem ich wiederum
Jhrem Willen mich füge, habe ich noch um die Fortsetzung der
Nachsicht zu bitten, die Sie mir in so reichem Maße stets ge-
währt haben."

Wien 27. Juli. ( Bresl. Z. ) Die Haltung Preußens,
nicht blos der Regierung, sondern auch eines Theils der Nation
gegenüber der deutschen Nationalversammlung wegen Festhaltung
eines specifischen Preußenthums erregt hier ebensoviel Staunen
als Entrüstung. Wie? so frägt sich Jedermann, ist das der Auf-
schwung des deutschen [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]Bewußtseyns, daß der mächtigste Bestand-
theil zum Schaden des Ganzen eine Hegemonie festzuhalten sucht,
die von jeher das Unglück Deutschlands war? Wir Oesterreicher
würden uns glücklich fühlen, wenn die deutschen Bundesländer
der österreichischen Monarchie jene unvermischte, oder mindestens
entschieden deutsche Abstammung hätten, wie sie Preußen zu be-
sitzen so glücklich ist, um den Anschluß an Deutschland im voll-
ständigsten Sinne rasch und energisch zu bewerkstelligen. Das
Auftreten des Königs von Hannover findet hier nur Hohn und
Verachtung.

Berlin 27. Juli. ( Br. Z. ) Aus Paris geht uns die son-
derbare Notiz zu ( die man sich wohl merken mag! ) daß die fran-
zösische Diplomatie die Einheit Deutschlands sich so constituirt,
als ob aus ihr ein nord- und ein süddeutscher Staaten-
bund
hervorgehen müsse, von denen der erstere unter russischem,
der letztere unter französischem Protectorate stehen würde.

Berlin 28. Juli. ( B. H. ) Heute Nachmittag wird in der
Stadtverordneten=Versammlung in Bezug auf mehrere Anträge
die preußisch=deutsche Angelegenheit ebenfalls zur Verhandlung
[Spaltenumbruch] kommen, man wird sich aber wohl hüten, sich im Sinne der
preußischen Sonderinteressen auszusprechen, weil man fühlt, daß
der Republik nichts so sehr in die Hände arbeiten würde, als ein
erneuertes Aushängen des altpreußischen Zopfes.

Wenn man allein die Heftigkeit in Betracht ziehen wollte, mit
welcher die Berliner Blätter bei Gelegenheit des Circulairs des
Reichskriegsministers über die am 6. August vorzunehmende Hul-
digung, direct und indirect, durch eigene Aufsätze und ein-
gesandte Artikel, gegen das Aufgehen Preußens in Deutschland
Protest einlegen, so müßte man sich der Besorgniß hingeben, daß
ein unheilbarer Riß in die kaum angebahnte deutsche Einheit un-
vermeidlich sey. Man kann aber wohl einen guten Theil jener
gewaltigen Ereiferung auf Rechnung der Bestrebungen der im
eigentlichen Sinne des Wortes reactionairen Partei setzen,
welche, durch die Gewalt der Ereignisse zurückgehalten, den
gegenwärtigen Moment für geeignet halten mag, unter dem
Schirmdache des Begriffes von der Selbstständigkeit Preußens
ihre Pläne zur Zurückführung der guten alten patriarchalischen
Zeit der hohen Gehalte und Gagen aus des Volkes schweißbedeck-
tem Säckel von Neuem wieder anzuknüpfen. Jst das der Fall,
dann wird der gesunde Sinn des Volkes sich um so weniger auch
nur für einen Augenblick von der richtigen Bahn abbringen lassen,
und die Gränzlinie, in der sich die Centralisation von den Par-
ticularinteressen scheiden muß, wenn das Wohl des Volkes und
die Einheit der Nation kräftig neben einander bestehen sdllen[unleserliches Material],
auch in Preußen nirgends verkannt werden. Weit entfernt von
der Absicht, ein Centralisationssystem herbeizuführen, wie es in
Frankreich besteht, ein System, welches alle Einzelninteresien in
dem Mittelpunkte aufgehen läßt, die Nation zum fortwährenden
Spielball der Centralgewalt macht und der Entwickelung der
Volksfreiheiten eben so nachtheilig ist, wie der Förderung des
[unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]materiellen Volkswohles -- wird vielmehr Deutschland durch die
Geschichte und die germanische Sitte darauf hingewiesen, in der
Gemeindefreiheit die einzige wahre und dauerhafte Grundlage
der Volksfreiheit sowohl wie der Volksmacht zu erblicken, und
wird daher gewiß nicht aus bloßer Systematisirungssucht der
Centralgewalt Rechte und Gewalten übertragen, welche dem
wohlbegründeten Einzelninteresse widerstreiten. Andererseits aber
wird es nie verkannt werden, daß die einzig sichere Stütze der
deutschen Volksfreiheit in der Einheit Deutschlands liegt und daß
diese Einheit, da sie sich durch Umwandlung des bisherigen
Staatenbundes in einen Bundesstaat kundgeben soll, ohne Auf-
opferung eines Theils der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten
nicht zu erreichen ist. Unläugbar ist nun, daß wenn auch in
allen anderen Ausgleichungen getroffen werden könnten, doch die
Einheit im Bundesstaate als eine Unmöglichkeit erscheint, so
lange neben dem Reichsheere und der Vertretung des Reiches
dem Auslande gegenüber noch besondere Heere der einzelnen Staa-
ten und eine besondere diplomatische Vertretung dieser letzteren
stattfinden dürfen. Einheit der Heeresmacht und Ein-
heit der Beziehungen zu dem Auslande,
das sind die
Forderungen, die sich auf keine Weise umgehen lassen, mag nun
die Centralgewalt provisorisch oder definitiv seyn. Allerdings
aber wäre unter den jetzigen provisorischen Zuständen wohl eine
größere Rücksichtnahme, als sie das Peucker'sche Circulair kund-
giebt, nöthig und nützlich gewesen, zumal in Bezug auf Preußen,
das der deutschen Einheit unleugbar schon manches Opfer gebracht
hat. Erfreulich sind daher die neuesten Zusicherungen des Mini-
sters von Auerswald, welche eine Ausgleichung der drohenden
Differenz in Aussicht stellen, um so erfreulicher, da sie mit der
Versicherung verknüpft sind, daß Preußen an dem Principe der
deutschen Einheit festzuhalten entschlossen sey; und da in der
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 31. Juli. Nach der vollzogenen Wahl hielt
Präsident Gagern folgende Rede, die mit dem lautesten und
ungetheiltesten Beifalle aufgenommen ward: „Meine Herren, zum
vierten Male hat mich die überwiegende Stimmenmehrheit dieser
hohen Versammlung, ich darf auch sagen, das Vertrauen, das
Wohlwollen dieser Versammlung auf diese Stelle berufen, die die
erhabendste ist, die einem deutschen Bürger geboten werden kann.
Jch entspreche diesem Ruf auch heute, dem Dienste mich widmend,
in welchem man mich zur gegebenen Zeit für nützlich erachtet. Jch
habe keinen Ehrgeiz, der irgend etwas erstrebte, als nützlich zu
seyn meinem Vaterlande, wo und wie immer ich zur Thätigkeit
berufen seyn mag, meine Zukunft außer Acht lassend. Das Amt,
wozu Sie mich abermals berufen, ist ein leichteres geworden.
Der Steuermann, der sich einschifft auf bewegter See, im Be-
ginne seiner Fahrt, mit noch unbetrauter Bemannung, von ihm
wird gefordert, daß er die Hand am Steuer, zugleich das Auge
im Segel habe. Aber Sie selbst haben das Auge im Segel, die
Gewalt, die Sie geschaffen; — endlich der Genius der Nation,
— er verläßt uns nimmer. Der Steuermann auf dieser Stelle
kann mit schlafferer Hand das Ruder führen, und doch wird das
Schiff dem großen Ziele glücklich entgegensegeln, das uns gesteckt
ist, dem großen Ziele, zu dem wir zwar noch Strecken vor uns
zu durchfahren haben, ehe wir es erreichen, aber das wir erreichen
werden trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse,
die entgegen sich stemmen, Das Ziel der Befestigung der
Freiheit, der Gründung der Einheit des Vater-
landes.
Alle Theile des Vaterlandes werden diejenigen Opfer
ihrer Selbstständigkeit bringen, die nothwendig sind, damit diese Ein-
heit möglich werde. Weitere werden nicht gefordert. Mit solcher Hoff-
nung und Empfindung übernehme ich von Neuem das Amt, das Sie
mir übergeben. Jch werde meine Kraft widmen Demjenigen, was
die Aufgabe unserer Versammlung ist. Jndem ich wiederum
Jhrem Willen mich füge, habe ich noch um die Fortsetzung der
Nachsicht zu bitten, die Sie mir in so reichem Maße stets ge-
währt haben.“

Wien 27. Juli. ( Bresl. Z. ) Die Haltung Preußens,
nicht blos der Regierung, sondern auch eines Theils der Nation
gegenüber der deutschen Nationalversammlung wegen Festhaltung
eines specifischen Preußenthums erregt hier ebensoviel Staunen
als Entrüstung. Wie? so frägt sich Jedermann, ist das der Auf-
schwung des deutschen [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]Bewußtseyns, daß der mächtigste Bestand-
theil zum Schaden des Ganzen eine Hegemonie festzuhalten sucht,
die von jeher das Unglück Deutschlands war? Wir Oesterreicher
würden uns glücklich fühlen, wenn die deutschen Bundesländer
der österreichischen Monarchie jene unvermischte, oder mindestens
entschieden deutsche Abstammung hätten, wie sie Preußen zu be-
sitzen so glücklich ist, um den Anschluß an Deutschland im voll-
ständigsten Sinne rasch und energisch zu bewerkstelligen. Das
Auftreten des Königs von Hannover findet hier nur Hohn und
Verachtung.

Berlin 27. Juli. ( Br. Z. ) Aus Paris geht uns die son-
derbare Notiz zu ( die man sich wohl merken mag! ) daß die fran-
zösische Diplomatie die Einheit Deutschlands sich so constituirt,
als ob aus ihr ein nord- und ein süddeutscher Staaten-
bund
hervorgehen müsse, von denen der erstere unter russischem,
der letztere unter französischem Protectorate stehen würde.

Berlin 28. Juli. ( B. H. ) Heute Nachmittag wird in der
Stadtverordneten=Versammlung in Bezug auf mehrere Anträge
die preußisch=deutsche Angelegenheit ebenfalls zur Verhandlung
[Spaltenumbruch] kommen, man wird sich aber wohl hüten, sich im Sinne der
preußischen Sonderinteressen auszusprechen, weil man fühlt, daß
der Republik nichts so sehr in die Hände arbeiten würde, als ein
erneuertes Aushängen des altpreußischen Zopfes.

Wenn man allein die Heftigkeit in Betracht ziehen wollte, mit
welcher die Berliner Blätter bei Gelegenheit des Circulairs des
Reichskriegsministers über die am 6. August vorzunehmende Hul-
digung, direct und indirect, durch eigene Aufsätze und ein-
gesandte Artikel, gegen das Aufgehen Preußens in Deutschland
Protest einlegen, so müßte man sich der Besorgniß hingeben, daß
ein unheilbarer Riß in die kaum angebahnte deutsche Einheit un-
vermeidlich sey. Man kann aber wohl einen guten Theil jener
gewaltigen Ereiferung auf Rechnung der Bestrebungen der im
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welche, durch die Gewalt der Ereignisse zurückgehalten, den
gegenwärtigen Moment für geeignet halten mag, unter dem
Schirmdache des Begriffes von der Selbstständigkeit Preußens
ihre Pläne zur Zurückführung der guten alten patriarchalischen
Zeit der hohen Gehalte und Gagen aus des Volkes schweißbedeck-
tem Säckel von Neuem wieder anzuknüpfen. Jst das der Fall,
dann wird der gesunde Sinn des Volkes sich um so weniger auch
nur für einen Augenblick von der richtigen Bahn abbringen lassen,
und die Gränzlinie, in der sich die Centralisation von den Par-
ticularinteressen scheiden muß, wenn das Wohl des Volkes und
die Einheit der Nation kräftig neben einander bestehen sdllen[unleserliches Material],
auch in Preußen nirgends verkannt werden. Weit entfernt von
der Absicht, ein Centralisationssystem herbeizuführen, wie es in
Frankreich besteht, ein System, welches alle Einzelninteresien in
dem Mittelpunkte aufgehen läßt, die Nation zum fortwährenden
Spielball der Centralgewalt macht und der Entwickelung der
Volksfreiheiten eben so nachtheilig ist, wie der Förderung des
[unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]materiellen Volkswohles — wird vielmehr Deutschland durch die
Geschichte und die germanische Sitte darauf hingewiesen, in der
Gemeindefreiheit die einzige wahre und dauerhafte Grundlage
der Volksfreiheit sowohl wie der Volksmacht zu erblicken, und
wird daher gewiß nicht aus bloßer Systematisirungssucht der
Centralgewalt Rechte und Gewalten übertragen, welche dem
wohlbegründeten Einzelninteresse widerstreiten. Andererseits aber
wird es nie verkannt werden, daß die einzig sichere Stütze der
deutschen Volksfreiheit in der Einheit Deutschlands liegt und daß
diese Einheit, da sie sich durch Umwandlung des bisherigen
Staatenbundes in einen Bundesstaat kundgeben soll, ohne Auf-
opferung eines Theils der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten
nicht zu erreichen ist. Unläugbar ist nun, daß wenn auch in
allen anderen Ausgleichungen getroffen werden könnten, doch die
Einheit im Bundesstaate als eine Unmöglichkeit erscheint, so
lange neben dem Reichsheere und der Vertretung des Reiches
dem Auslande gegenüber noch besondere Heere der einzelnen Staa-
ten und eine besondere diplomatische Vertretung dieser letzteren
stattfinden dürfen. Einheit der Heeresmacht und Ein-
heit der Beziehungen zu dem Auslande,
das sind die
Forderungen, die sich auf keine Weise umgehen lassen, mag nun
die Centralgewalt provisorisch oder definitiv seyn. Allerdings
aber wäre unter den jetzigen provisorischen Zuständen wohl eine
größere Rücksichtnahme, als sie das Peucker'sche Circulair kund-
giebt, nöthig und nützlich gewesen, zumal in Bezug auf Preußen,
das der deutschen Einheit unleugbar schon manches Opfer gebracht
hat. Erfreulich sind daher die neuesten Zusicherungen des Mini-
sters von Auerswald, welche eine Ausgleichung der drohenden
Differenz in Aussicht stellen, um so erfreulicher, da sie mit der
Versicherung verknüpft sind, daß Preußen an dem Principe der
deutschen Einheit festzuhalten entschlossen sey; und da in der
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848. Deutschland. Reichstag. f Frankfurt 31. Juli. Nach der vollzogenen Wahl hielt Präsident Gagern folgende Rede, die mit dem lautesten und ungetheiltesten Beifalle aufgenommen ward: „Meine Herren, zum vierten Male hat mich die überwiegende Stimmenmehrheit dieser hohen Versammlung, ich darf auch sagen, das Vertrauen, das Wohlwollen dieser Versammlung auf diese Stelle berufen, die die erhabendste ist, die einem deutschen Bürger geboten werden kann. Jch entspreche diesem Ruf auch heute, dem Dienste mich widmend, in welchem man mich zur gegebenen Zeit für nützlich erachtet. Jch habe keinen Ehrgeiz, der irgend etwas erstrebte, als nützlich zu seyn meinem Vaterlande, wo und wie immer ich zur Thätigkeit berufen seyn mag, meine Zukunft außer Acht lassend. Das Amt, wozu Sie mich abermals berufen, ist ein leichteres geworden. Der Steuermann, der sich einschifft auf bewegter See, im Be- ginne seiner Fahrt, mit noch unbetrauter Bemannung, von ihm wird gefordert, daß er die Hand am Steuer, zugleich das Auge im Segel habe. Aber Sie selbst haben das Auge im Segel, die Gewalt, die Sie geschaffen; — endlich der Genius der Nation, — er verläßt uns nimmer. Der Steuermann auf dieser Stelle kann mit schlafferer Hand das Ruder führen, und doch wird das Schiff dem großen Ziele glücklich entgegensegeln, das uns gesteckt ist, dem großen Ziele, zu dem wir zwar noch Strecken vor uns zu durchfahren haben, ehe wir es erreichen, aber das wir erreichen werden trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse, die entgegen sich stemmen, Das Ziel der Befestigung der Freiheit, der Gründung der Einheit des Vater- landes. Alle Theile des Vaterlandes werden diejenigen Opfer ihrer Selbstständigkeit bringen, die nothwendig sind, damit diese Ein- heit möglich werde. Weitere werden nicht gefordert. Mit solcher Hoff- nung und Empfindung übernehme ich von Neuem das Amt, das Sie mir übergeben. Jch werde meine Kraft widmen Demjenigen, was die Aufgabe unserer Versammlung ist. Jndem ich wiederum Jhrem Willen mich füge, habe ich noch um die Fortsetzung der Nachsicht zu bitten, die Sie mir in so reichem Maße stets ge- währt haben.“ Wien 27. Juli. ( Bresl. Z. ) Die Haltung Preußens, nicht blos der Regierung, sondern auch eines Theils der Nation gegenüber der deutschen Nationalversammlung wegen Festhaltung eines specifischen Preußenthums erregt hier ebensoviel Staunen als Entrüstung. Wie? so frägt sich Jedermann, ist das der Auf- schwung des deutschen ___________Bewußtseyns, daß der mächtigste Bestand- theil zum Schaden des Ganzen eine Hegemonie festzuhalten sucht, die von jeher das Unglück Deutschlands war? Wir Oesterreicher würden uns glücklich fühlen, wenn die deutschen Bundesländer der österreichischen Monarchie jene unvermischte, oder mindestens entschieden deutsche Abstammung hätten, wie sie Preußen zu be- sitzen so glücklich ist, um den Anschluß an Deutschland im voll- ständigsten Sinne rasch und energisch zu bewerkstelligen. Das Auftreten des Königs von Hannover findet hier nur Hohn und Verachtung. Berlin 27. Juli. ( Br. Z. ) Aus Paris geht uns die son- derbare Notiz zu ( die man sich wohl merken mag! ) daß die fran- zösische Diplomatie die Einheit Deutschlands sich so constituirt, als ob aus ihr ein nord- und ein süddeutscher Staaten- bund hervorgehen müsse, von denen der erstere unter russischem, der letztere unter französischem Protectorate stehen würde. Berlin 28. Juli. ( B. H. ) Heute Nachmittag wird in der Stadtverordneten=Versammlung in Bezug auf mehrere Anträge die preußisch=deutsche Angelegenheit ebenfalls zur Verhandlung kommen, man wird sich aber wohl hüten, sich im Sinne der preußischen Sonderinteressen auszusprechen, weil man fühlt, daß der Republik nichts so sehr in die Hände arbeiten würde, als ein erneuertes Aushängen des altpreußischen Zopfes. Wenn man allein die Heftigkeit in Betracht ziehen wollte, mit welcher die Berliner Blätter bei Gelegenheit des Circulairs des Reichskriegsministers über die am 6. August vorzunehmende Hul- digung, direct und indirect, durch eigene Aufsätze und ein- gesandte Artikel, gegen das Aufgehen Preußens in Deutschland Protest einlegen, so müßte man sich der Besorgniß hingeben, daß ein unheilbarer Riß in die kaum angebahnte deutsche Einheit un- vermeidlich sey. Man kann aber wohl einen guten Theil jener gewaltigen Ereiferung auf Rechnung der Bestrebungen der im eigentlichen Sinne des Wortes reactionairen Partei setzen, welche, durch die Gewalt der Ereignisse zurückgehalten, den gegenwärtigen Moment für geeignet halten mag, unter dem Schirmdache des Begriffes von der Selbstständigkeit Preußens ihre Pläne zur Zurückführung der guten alten patriarchalischen Zeit der hohen Gehalte und Gagen aus des Volkes schweißbedeck- tem Säckel von Neuem wieder anzuknüpfen. Jst das der Fall, dann wird der gesunde Sinn des Volkes sich um so weniger auch nur für einen Augenblick von der richtigen Bahn abbringen lassen, und die Gränzlinie, in der sich die Centralisation von den Par- ticularinteressen scheiden muß, wenn das Wohl des Volkes und die Einheit der Nation kräftig neben einander bestehen sdllen_ , auch in Preußen nirgends verkannt werden. Weit entfernt von der Absicht, ein Centralisationssystem herbeizuführen, wie es in Frankreich besteht, ein System, welches alle Einzelninteresien in dem Mittelpunkte aufgehen läßt, die Nation zum fortwährenden Spielball der Centralgewalt macht und der Entwickelung der Volksfreiheiten eben so nachtheilig ist, wie der Förderung des ___________materiellen Volkswohles — wird vielmehr Deutschland durch die Geschichte und die germanische Sitte darauf hingewiesen, in der Gemeindefreiheit die einzige wahre und dauerhafte Grundlage der Volksfreiheit sowohl wie der Volksmacht zu erblicken, und wird daher gewiß nicht aus bloßer Systematisirungssucht der Centralgewalt Rechte und Gewalten übertragen, welche dem wohlbegründeten Einzelninteresse widerstreiten. Andererseits aber wird es nie verkannt werden, daß die einzig sichere Stütze der deutschen Volksfreiheit in der Einheit Deutschlands liegt und daß diese Einheit, da sie sich durch Umwandlung des bisherigen Staatenbundes in einen Bundesstaat kundgeben soll, ohne Auf- opferung eines Theils der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten nicht zu erreichen ist. Unläugbar ist nun, daß wenn auch in allen anderen Ausgleichungen getroffen werden könnten, doch die Einheit im Bundesstaate als eine Unmöglichkeit erscheint, so lange neben dem Reichsheere und der Vertretung des Reiches dem Auslande gegenüber noch besondere Heere der einzelnen Staa- ten und eine besondere diplomatische Vertretung dieser letzteren stattfinden dürfen. Einheit der Heeresmacht und Ein- heit der Beziehungen zu dem Auslande, das sind die Forderungen, die sich auf keine Weise umgehen lassen, mag nun die Centralgewalt provisorisch oder definitiv seyn. Allerdings aber wäre unter den jetzigen provisorischen Zuständen wohl eine größere Rücksichtnahme, als sie das Peucker'sche Circulair kund- giebt, nöthig und nützlich gewesen, zumal in Bezug auf Preußen, das der deutschen Einheit unleugbar schon manches Opfer gebracht hat. Erfreulich sind daher die neuesten Zusicherungen des Mini- sters von Auerswald, welche eine Ausgleichung der drohenden Differenz in Aussicht stellen, um so erfreulicher, da sie mit der Versicherung verknüpft sind, daß Preußen an dem Principe der deutschen Einheit festzuhalten entschlossen sey; und da in der

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 48. Mainz, 2. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal048_1848/1>, abgerufen am 18.05.2024.