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Mainzer Journal. Nr. 57. Mainz, 12. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] hatte, in die Debatte zog. Dagegen hob Plathner hervor, daß das
Verbrechen Heckers darin bestände, daß er dem deutschen Volke eine
Verfassung aufdrängen wollte. Darin waren vom Vorparla-
mente an Alle einverstanden, daß einzig und allein die Na-
tionalversammlung die Verfassung Deutschland bestimmen solle.
Gegen diese Bestimmung hat sich Hecker vergangen. Ob er ein
Hochverräther ist, darüber wird die Geschichte und werden
die Gerichte entscheiden. Der Hauptpunkt ist, daß er gegen jenen
Beschluß sich vergangen hat. Es fragt sich, ob die Nationalver-
sammlung Hecker aufnehmen soll, weil ihn ein deutscher Wahl-
körper gewählt hat, oder ausschließen, obwohl er ihn gewählt
hat. Nur die Gesammtheit der Nation ist souverän und nicht der
Wahlkreis Thiengen, der nicht wählen kann, wenn die Souve-
ränetät der Nation nicht will. Am besten ging wohl Simson
auf den Grund der Sache ein: Es fragt sich, ob die Nationalver-
sammlung einen Mann aufnehmen soll, der zu einem Aufstande die
Waffen erhoben hat. Daß Hecker nach den alten Rechten einen Hoch-
verrath begangen hat ist unzweifelhaft; er hat aber auch die Souve-
ränetät des Volkswillens verletzt. Hecker hat sich gegen die Be-
schlüsse des Vorparlaments aufgelehnt. Seine jetzige Stellung zur
Nationalversammlung zeigt sein eigener Brief. Er stellt sich der-
selben gleich, und findet nur den gleichgültigen Unterschied, daß
er den Beschlüssen auch die Mittel des Vollzugs, die Waffen bei-
fügte. Diese Gleichgültigkeit der Mittel in der Argumentation hat
einen widerlichen Beigeschmack. Man hat gesagt, daß wir durch
die Einberufung Hecker's dem Volke Beruhigung geben werden;
ich kann versichern, daß die Einberufung Heckers die National-
versammlung für den überwiegenden Theil Deutschlands zu einer
absoluten Unmöglichkeit machen würde. Man spricht von souve-
ränen Wahlkreisen; wäre jeder Wahlkreis souverän, wir wür-
den bald zu einem Zustand kommen, gegen welchen die von einem
Redner bei früherer Veranlassung als Miseren bezeichneten acht-
unddreißig Nationalitäten ein Paradies seyn würden. Jch kann
nur tief beklagen, daß ein Mann, der nach allen Berichten außer-
gewöhnliche Gaben des Geistes und des Herzens besitzt, durch
seine Verblendung sich unmöglich gemacht hat für die Mitwirkung
beim Aufbau der Verfassung, wozu er so sehr berusen gewesen
wäre. Er hat aber gefehlt gegen die ewigen Grundsätze des
Rechtes, und nur nach langer Sühne wird er wieder eine Stätte
in Deutschland finden können. Nachdem der Berichterstatter Wi-
denmann das Resum e gegeben, ward mit namentlicher Abstimm-
ung ( 350 gegen 116 ) die Wahl verworfen und die badische Re-
gierung aufgefordert, alsbald eine neue Wahl anzuordnen.

Wien 5. August. ( W. Z. ) Jn der heutigen Reichstagssitzung
hielt, bevor zur Debatte über die Geschäftsordnung übergegangen
wurde, der Finanzminister Kraus über die finanziellen Zustände
Oesterreichs einen sehr langen mit großer Ruhe gehaltenen Vor-
trag, durch welchen er vornehmlich das aus einer Stelle der
Thronrede entstandene Mistrauen zu heben suchte. Die finanzielle
Lage Oesterreichs, sagte er, sey nicht nur vom Jahre 31 -- 47
keine solche gewesen, die zu Besorgniß Grund hätte geben können,
er sey auch für die Zukunft vollkommen beruhigt. Er führte dann
die Ursachen an, die allerdings für die nächste Gegenwart außer-
ordentliche Maßnahmen ( über welche er einen Entwurf vorlegte )
nöthig machten, darunter sey ganz natürlich der Krieg in
Jtalien
und das eigenthümliche gegenwärtige Verhältniß
Ungarns
zur Gesammtmonarchie zu rechnen. Der mit sicherer
Zuversicht abzuschließende " Friede " mit ersterem werde indeß
die Last leichter machen, auch Ungarn werde zur Uebernahme eines
Theiles der Staatsschuld bereit seyn. Nachdem er eine Reihe von
Zahlen, wie sie aus der Wiener Zeitung bereits bekannt, ange-
führt, um seine Behauptungen zu rechtfertigen, entwickelte er der
Versammlung seine Ansichten über die zukünftige Leitung der Fi-
nanzen, mit der Bitte, ihm ihr Vertrauensvotum abzugeben, da
er das dem Gesammtministerium bereits abgegebene auf sich nicht
beziehen wolle, bei diesem wichtigen Posten aber Vertrauen
von der höchsten Wichtigkeit sey. Die Staatsschuld
ist unantastbar,
sagte er, die übernommenen Ver-
pflichtungen müssen gehalten werden. ( Hier erwähnte er,
daß aber auch Ungarn einen Theil derselben werde auf sich
nehmen müssen. ) ( Bravo. ) Man werde suchen die Abgaben, so
viel es gehe, zu vermindern, und die Geschäftsordnung zu verein-
fachen, wozu die freien Gemeinde= und Munizipaleinrichtungen sehr
behülflich seyn werden. Nun ging die Rede zu den Steuern selbst
über. Auf sein Grundsteuersystem könne Oesterreich stolz seyn
( sein Kataster habe sich schon in der Lombardei als musterhaft be-
währt ) , dagegen sey die Judensteuer eine starke Schattenseite und
mit dem gegenwärtigen humanen Geiste nicht vereinbar. Was
die indirecte Steuer betreffe, so werde er die Erniedrigung des
Salzpreises sich zur Aufgabe machen, von Prohibitivzöllen
müsse man ganz zurückkommen, um desto mehr, wenn man
[Spaltenumbruch] einen innigen Anschluß an Deutschland wolle,
es
werde überhaupt ein solches System hier beobachtet werden
müssen, welches diesen Anschluß möglich mache. Die Stempel-
und Targesetze
müßten von Grund aus umgestaltet, das
Lottogefälle ganz abgestellt und eine Lurussteuer eingeführt
werden, mit der Post endlich dürfe kein finanzieller Zweck ver-
bunden sein. Bezüglich aller Steuern gelte ihm aber der Grund-
satz, daß derjenige, der mehr Einkommen habe, einen größern
Vortheil genieße, also auch mehr zahlen müsse. Eine Einkom-
mensteuer werde also in erster Reihe die Bedürfnisse des Staats
aufzubringen haben. Auch über das Geldausfuhrverbot
versprach der Minister mit Nächstem einen Vorschlag einzu-
bringen. Seine Rede wurde mit ungeheurem Applaus aufge-
nommen. Für Aufyebung des Ausfuhrverbots sprach noch der
Fabrikant Herzog aus Reichenberg. Er schrieb dieser Maß-
regel die meiste Schuld des Sinkens des österreichischen Credits zu.

Breslau 7. August. Der Wiener Postzug, so meldet
die Breslauer Zeitung, bringt die Nachricht, daß bis gestern
Abend, bei Abgang desselben, weder die an den Kaiser
abgesandte Deputation des Reichstags, noch auch
der Kaiser selbst in Wien angelangt sey.
Die ganze
Bevölkerung befindet sich in der größten Erregung, so daß die
gestern auf dem Glacis stattgefundene große Parade fast alle Be-
achtung verlor. Für die republikanische Partei ist keine Hoffnung
vorhanden, und auch die constitutionelle hat von einem kaum
der Kindheit entwachsenen Jünglinge nichts in einer Zeit zu er-
warten, welcher der kräftigste Mann kaum gewachsen wäre.
Die fast unglaubliche Spannung, welche die gegenwärtigen Um-
stände erzeugen, wird durch das mehrfach gegebene, bisher aber
noch zu lösende Kaiserwort der zugesagten Rückkehr noch erhöht.
Das künftige Schicksal des österreichischen Staates dürfte binnen
24 Stunden vielleicht seine Gestaltung empfangen. [ Wollen die
Wiener vielleicht den Erzherzog Johann zum Kaiser und den
Grafen von Meran zum römischen König ausrufen? ]

Prag. Fürst Windischgrätz erläßt eine Bekanntmachung über
das bisherige Ergebniß der über die Prager Pfingstereig-
nisse
von den Militärbehörden gepflogenen Untersuchung, als
welches sich die Ueberzeugung herausstellt, daß es bei diesen Er-
eignissen nicht um einen zufälligen Zusammenstoß des Civils mit
dem Militär, sondern um einen wohlüberdachten Aufruhrplan
gehandelt habe. Als Beweis dafür führt er unter Anderem die
Aussage eines geständig gewordenen Jnquisiten an, welche fol-
gendermaßen lautet: Zu Ostern 1847 wurde Jnquisit zn Eperies
in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche
ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen,
ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien,
Serbien, den Slowaken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schle-
sien und österreichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn
[unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]uerschwinden zu machen, sich von Oesterreich los zu reißen, im
vngünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die
Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik,
war man noch mit einem fremden Staate in Correspondenz.
Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden, und die
Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Um-
gebung von Preßburg bei den Slowaken ausbrechen. Nach-
dem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proclamirt
war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten
vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu
diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centra-
lisationen errichtet, denen eigene Chefs vorstanden und die ihre
Correspondenz theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte
führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt.
Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Aus-
führung gebracht worden ist. Jnquisit gibt an, mehrere
Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet
worden zu seyn. Jn Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr
nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Al-
les vorbereitet und es bald losgehen werde. Jn Prag angekommen,
erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die
Regierung und das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.
Einer der Leiter der Bewegungen trug vor Pfingsten darauf an,
den commandirenden General, Fürsten Windisch=Grätz, wenn er
zum Slavenballe führe, auf der Fahrt dahin niederzuschlagen; von
diesem Vorhaben wurde jedoch mit dem Bemerken, daß es noch
nicht an der Zeit sey und daß man ihn noch immer erreichen könne,
einstweilen abgestanden. Außer den Sitzungen im Congresse
waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen
gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der
Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte
Reden, in denen es hieß: daß die Prager den Wienern nicht
nachstehen dürften, daß die Studenten, um dem Militär mehr zu
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] hatte, in die Debatte zog. Dagegen hob Plathner hervor, daß das
Verbrechen Heckers darin bestände, daß er dem deutschen Volke eine
Verfassung aufdrängen wollte. Darin waren vom Vorparla-
mente an Alle einverstanden, daß einzig und allein die Na-
tionalversammlung die Verfassung Deutschland bestimmen solle.
Gegen diese Bestimmung hat sich Hecker vergangen. Ob er ein
Hochverräther ist, darüber wird die Geschichte und werden
die Gerichte entscheiden. Der Hauptpunkt ist, daß er gegen jenen
Beschluß sich vergangen hat. Es fragt sich, ob die Nationalver-
sammlung Hecker aufnehmen soll, weil ihn ein deutscher Wahl-
körper gewählt hat, oder ausschließen, obwohl er ihn gewählt
hat. Nur die Gesammtheit der Nation ist souverän und nicht der
Wahlkreis Thiengen, der nicht wählen kann, wenn die Souve-
ränetät der Nation nicht will. Am besten ging wohl Simson
auf den Grund der Sache ein: Es fragt sich, ob die Nationalver-
sammlung einen Mann aufnehmen soll, der zu einem Aufstande die
Waffen erhoben hat. Daß Hecker nach den alten Rechten einen Hoch-
verrath begangen hat ist unzweifelhaft; er hat aber auch die Souve-
ränetät des Volkswillens verletzt. Hecker hat sich gegen die Be-
schlüsse des Vorparlaments aufgelehnt. Seine jetzige Stellung zur
Nationalversammlung zeigt sein eigener Brief. Er stellt sich der-
selben gleich, und findet nur den gleichgültigen Unterschied, daß
er den Beschlüssen auch die Mittel des Vollzugs, die Waffen bei-
fügte. Diese Gleichgültigkeit der Mittel in der Argumentation hat
einen widerlichen Beigeschmack. Man hat gesagt, daß wir durch
die Einberufung Hecker's dem Volke Beruhigung geben werden;
ich kann versichern, daß die Einberufung Heckers die National-
versammlung für den überwiegenden Theil Deutschlands zu einer
absoluten Unmöglichkeit machen würde. Man spricht von souve-
ränen Wahlkreisen; wäre jeder Wahlkreis souverän, wir wür-
den bald zu einem Zustand kommen, gegen welchen die von einem
Redner bei früherer Veranlassung als Miseren bezeichneten acht-
unddreißig Nationalitäten ein Paradies seyn würden. Jch kann
nur tief beklagen, daß ein Mann, der nach allen Berichten außer-
gewöhnliche Gaben des Geistes und des Herzens besitzt, durch
seine Verblendung sich unmöglich gemacht hat für die Mitwirkung
beim Aufbau der Verfassung, wozu er so sehr berusen gewesen
wäre. Er hat aber gefehlt gegen die ewigen Grundsätze des
Rechtes, und nur nach langer Sühne wird er wieder eine Stätte
in Deutschland finden können. Nachdem der Berichterstatter Wi-
denmann das Resum é gegeben, ward mit namentlicher Abstimm-
ung ( 350 gegen 116 ) die Wahl verworfen und die badische Re-
gierung aufgefordert, alsbald eine neue Wahl anzuordnen.

Wien 5. August. ( W. Z. ) Jn der heutigen Reichstagssitzung
hielt, bevor zur Debatte über die Geschäftsordnung übergegangen
wurde, der Finanzminister Kraus über die finanziellen Zustände
Oesterreichs einen sehr langen mit großer Ruhe gehaltenen Vor-
trag, durch welchen er vornehmlich das aus einer Stelle der
Thronrede entstandene Mistrauen zu heben suchte. Die finanzielle
Lage Oesterreichs, sagte er, sey nicht nur vom Jahre 31 — 47
keine solche gewesen, die zu Besorgniß Grund hätte geben können,
er sey auch für die Zukunft vollkommen beruhigt. Er führte dann
die Ursachen an, die allerdings für die nächste Gegenwart außer-
ordentliche Maßnahmen ( über welche er einen Entwurf vorlegte )
nöthig machten, darunter sey ganz natürlich der Krieg in
Jtalien
und das eigenthümliche gegenwärtige Verhältniß
Ungarns
zur Gesammtmonarchie zu rechnen. Der mit sicherer
Zuversicht abzuschließende „ Friede “ mit ersterem werde indeß
die Last leichter machen, auch Ungarn werde zur Uebernahme eines
Theiles der Staatsschuld bereit seyn. Nachdem er eine Reihe von
Zahlen, wie sie aus der Wiener Zeitung bereits bekannt, ange-
führt, um seine Behauptungen zu rechtfertigen, entwickelte er der
Versammlung seine Ansichten über die zukünftige Leitung der Fi-
nanzen, mit der Bitte, ihm ihr Vertrauensvotum abzugeben, da
er das dem Gesammtministerium bereits abgegebene auf sich nicht
beziehen wolle, bei diesem wichtigen Posten aber Vertrauen
von der höchsten Wichtigkeit sey. Die Staatsschuld
ist unantastbar,
sagte er, die übernommenen Ver-
pflichtungen müssen gehalten werden. ( Hier erwähnte er,
daß aber auch Ungarn einen Theil derselben werde auf sich
nehmen müssen. ) ( Bravo. ) Man werde suchen die Abgaben, so
viel es gehe, zu vermindern, und die Geschäftsordnung zu verein-
fachen, wozu die freien Gemeinde= und Munizipaleinrichtungen sehr
behülflich seyn werden. Nun ging die Rede zu den Steuern selbst
über. Auf sein Grundsteuersystem könne Oesterreich stolz seyn
( sein Kataster habe sich schon in der Lombardei als musterhaft be-
währt ) , dagegen sey die Judensteuer eine starke Schattenseite und
mit dem gegenwärtigen humanen Geiste nicht vereinbar. Was
die indirecte Steuer betreffe, so werde er die Erniedrigung des
Salzpreises sich zur Aufgabe machen, von Prohibitivzöllen
müsse man ganz zurückkommen, um desto mehr, wenn man
[Spaltenumbruch] einen innigen Anschluß an Deutschland wolle,
es
werde überhaupt ein solches System hier beobachtet werden
müssen, welches diesen Anschluß möglich mache. Die Stempel-
und Targesetze
müßten von Grund aus umgestaltet, das
Lottogefälle ganz abgestellt und eine Lurussteuer eingeführt
werden, mit der Post endlich dürfe kein finanzieller Zweck ver-
bunden sein. Bezüglich aller Steuern gelte ihm aber der Grund-
satz, daß derjenige, der mehr Einkommen habe, einen größern
Vortheil genieße, also auch mehr zahlen müsse. Eine Einkom-
mensteuer werde also in erster Reihe die Bedürfnisse des Staats
aufzubringen haben. Auch über das Geldausfuhrverbot
versprach der Minister mit Nächstem einen Vorschlag einzu-
bringen. Seine Rede wurde mit ungeheurem Applaus aufge-
nommen. Für Aufyebung des Ausfuhrverbots sprach noch der
Fabrikant Herzog aus Reichenberg. Er schrieb dieser Maß-
regel die meiste Schuld des Sinkens des österreichischen Credits zu.

Breslau 7. August. Der Wiener Postzug, so meldet
die Breslauer Zeitung, bringt die Nachricht, daß bis gestern
Abend, bei Abgang desselben, weder die an den Kaiser
abgesandte Deputation des Reichstags, noch auch
der Kaiser selbst in Wien angelangt sey.
Die ganze
Bevölkerung befindet sich in der größten Erregung, so daß die
gestern auf dem Glacis stattgefundene große Parade fast alle Be-
achtung verlor. Für die republikanische Partei ist keine Hoffnung
vorhanden, und auch die constitutionelle hat von einem kaum
der Kindheit entwachsenen Jünglinge nichts in einer Zeit zu er-
warten, welcher der kräftigste Mann kaum gewachsen wäre.
Die fast unglaubliche Spannung, welche die gegenwärtigen Um-
stände erzeugen, wird durch das mehrfach gegebene, bisher aber
noch zu lösende Kaiserwort der zugesagten Rückkehr noch erhöht.
Das künftige Schicksal des österreichischen Staates dürfte binnen
24 Stunden vielleicht seine Gestaltung empfangen. [ Wollen die
Wiener vielleicht den Erzherzog Johann zum Kaiser und den
Grafen von Meran zum römischen König ausrufen? ]

Prag. Fürst Windischgrätz erläßt eine Bekanntmachung über
das bisherige Ergebniß der über die Prager Pfingstereig-
nisse
von den Militärbehörden gepflogenen Untersuchung, als
welches sich die Ueberzeugung herausstellt, daß es bei diesen Er-
eignissen nicht um einen zufälligen Zusammenstoß des Civils mit
dem Militär, sondern um einen wohlüberdachten Aufruhrplan
gehandelt habe. Als Beweis dafür führt er unter Anderem die
Aussage eines geständig gewordenen Jnquisiten an, welche fol-
gendermaßen lautet: Zu Ostern 1847 wurde Jnquisit zn Eperies
in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche
ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen,
ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien,
Serbien, den Slowaken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schle-
sien und österreichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn
[unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]uerschwinden zu machen, sich von Oesterreich los zu reißen, im
vngünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die
Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik,
war man noch mit einem fremden Staate in Correspondenz.
Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden, und die
Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Um-
gebung von Preßburg bei den Slowaken ausbrechen. Nach-
dem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proclamirt
war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten
vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu
diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centra-
lisationen errichtet, denen eigene Chefs vorstanden und die ihre
Correspondenz theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte
führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt.
Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Aus-
führung gebracht worden ist. Jnquisit gibt an, mehrere
Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet
worden zu seyn. Jn Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr
nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Al-
les vorbereitet und es bald losgehen werde. Jn Prag angekommen,
erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die
Regierung und das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.
Einer der Leiter der Bewegungen trug vor Pfingsten darauf an,
den commandirenden General, Fürsten Windisch=Grätz, wenn er
zum Slavenballe führe, auf der Fahrt dahin niederzuschlagen; von
diesem Vorhaben wurde jedoch mit dem Bemerken, daß es noch
nicht an der Zeit sey und daß man ihn noch immer erreichen könne,
einstweilen abgestanden. Außer den Sitzungen im Congresse
waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen
gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der
Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte
Reden, in denen es hieß: daß die Prager den Wienern nicht
nachstehen dürften, daß die Studenten, um dem Militär mehr zu
[Ende Spaltensatz]

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[0002] hatte, in die Debatte zog. Dagegen hob Plathner hervor, daß das Verbrechen Heckers darin bestände, daß er dem deutschen Volke eine Verfassung aufdrängen wollte. Darin waren vom Vorparla- mente an Alle einverstanden, daß einzig und allein die Na- tionalversammlung die Verfassung Deutschland bestimmen solle. Gegen diese Bestimmung hat sich Hecker vergangen. Ob er ein Hochverräther ist, darüber wird die Geschichte und werden die Gerichte entscheiden. Der Hauptpunkt ist, daß er gegen jenen Beschluß sich vergangen hat. Es fragt sich, ob die Nationalver- sammlung Hecker aufnehmen soll, weil ihn ein deutscher Wahl- körper gewählt hat, oder ausschließen, obwohl er ihn gewählt hat. Nur die Gesammtheit der Nation ist souverän und nicht der Wahlkreis Thiengen, der nicht wählen kann, wenn die Souve- ränetät der Nation nicht will. Am besten ging wohl Simson auf den Grund der Sache ein: Es fragt sich, ob die Nationalver- sammlung einen Mann aufnehmen soll, der zu einem Aufstande die Waffen erhoben hat. Daß Hecker nach den alten Rechten einen Hoch- verrath begangen hat ist unzweifelhaft; er hat aber auch die Souve- ränetät des Volkswillens verletzt. Hecker hat sich gegen die Be- schlüsse des Vorparlaments aufgelehnt. Seine jetzige Stellung zur Nationalversammlung zeigt sein eigener Brief. Er stellt sich der- selben gleich, und findet nur den gleichgültigen Unterschied, daß er den Beschlüssen auch die Mittel des Vollzugs, die Waffen bei- fügte. Diese Gleichgültigkeit der Mittel in der Argumentation hat einen widerlichen Beigeschmack. Man hat gesagt, daß wir durch die Einberufung Hecker's dem Volke Beruhigung geben werden; ich kann versichern, daß die Einberufung Heckers die National- versammlung für den überwiegenden Theil Deutschlands zu einer absoluten Unmöglichkeit machen würde. Man spricht von souve- ränen Wahlkreisen; wäre jeder Wahlkreis souverän, wir wür- den bald zu einem Zustand kommen, gegen welchen die von einem Redner bei früherer Veranlassung als Miseren bezeichneten acht- unddreißig Nationalitäten ein Paradies seyn würden. Jch kann nur tief beklagen, daß ein Mann, der nach allen Berichten außer- gewöhnliche Gaben des Geistes und des Herzens besitzt, durch seine Verblendung sich unmöglich gemacht hat für die Mitwirkung beim Aufbau der Verfassung, wozu er so sehr berusen gewesen wäre. Er hat aber gefehlt gegen die ewigen Grundsätze des Rechtes, und nur nach langer Sühne wird er wieder eine Stätte in Deutschland finden können. Nachdem der Berichterstatter Wi- denmann das Resum é gegeben, ward mit namentlicher Abstimm- ung ( 350 gegen 116 ) die Wahl verworfen und die badische Re- gierung aufgefordert, alsbald eine neue Wahl anzuordnen. Wien 5. August. ( W. Z. ) Jn der heutigen Reichstagssitzung hielt, bevor zur Debatte über die Geschäftsordnung übergegangen wurde, der Finanzminister Kraus über die finanziellen Zustände Oesterreichs einen sehr langen mit großer Ruhe gehaltenen Vor- trag, durch welchen er vornehmlich das aus einer Stelle der Thronrede entstandene Mistrauen zu heben suchte. Die finanzielle Lage Oesterreichs, sagte er, sey nicht nur vom Jahre 31 — 47 keine solche gewesen, die zu Besorgniß Grund hätte geben können, er sey auch für die Zukunft vollkommen beruhigt. Er führte dann die Ursachen an, die allerdings für die nächste Gegenwart außer- ordentliche Maßnahmen ( über welche er einen Entwurf vorlegte ) nöthig machten, darunter sey ganz natürlich der Krieg in Jtalien und das eigenthümliche gegenwärtige Verhältniß Ungarns zur Gesammtmonarchie zu rechnen. Der mit sicherer Zuversicht abzuschließende „ Friede “ mit ersterem werde indeß die Last leichter machen, auch Ungarn werde zur Uebernahme eines Theiles der Staatsschuld bereit seyn. Nachdem er eine Reihe von Zahlen, wie sie aus der Wiener Zeitung bereits bekannt, ange- führt, um seine Behauptungen zu rechtfertigen, entwickelte er der Versammlung seine Ansichten über die zukünftige Leitung der Fi- nanzen, mit der Bitte, ihm ihr Vertrauensvotum abzugeben, da er das dem Gesammtministerium bereits abgegebene auf sich nicht beziehen wolle, bei diesem wichtigen Posten aber Vertrauen von der höchsten Wichtigkeit sey. Die Staatsschuld ist unantastbar, sagte er, die übernommenen Ver- pflichtungen müssen gehalten werden. ( Hier erwähnte er, daß aber auch Ungarn einen Theil derselben werde auf sich nehmen müssen. ) ( Bravo. ) Man werde suchen die Abgaben, so viel es gehe, zu vermindern, und die Geschäftsordnung zu verein- fachen, wozu die freien Gemeinde= und Munizipaleinrichtungen sehr behülflich seyn werden. Nun ging die Rede zu den Steuern selbst über. Auf sein Grundsteuersystem könne Oesterreich stolz seyn ( sein Kataster habe sich schon in der Lombardei als musterhaft be- währt ) , dagegen sey die Judensteuer eine starke Schattenseite und mit dem gegenwärtigen humanen Geiste nicht vereinbar. Was die indirecte Steuer betreffe, so werde er die Erniedrigung des Salzpreises sich zur Aufgabe machen, von Prohibitivzöllen müsse man ganz zurückkommen, um desto mehr, wenn man einen innigen Anschluß an Deutschland wolle, es werde überhaupt ein solches System hier beobachtet werden müssen, welches diesen Anschluß möglich mache. Die Stempel- und Targesetze müßten von Grund aus umgestaltet, das Lottogefälle ganz abgestellt und eine Lurussteuer eingeführt werden, mit der Post endlich dürfe kein finanzieller Zweck ver- bunden sein. Bezüglich aller Steuern gelte ihm aber der Grund- satz, daß derjenige, der mehr Einkommen habe, einen größern Vortheil genieße, also auch mehr zahlen müsse. Eine Einkom- mensteuer werde also in erster Reihe die Bedürfnisse des Staats aufzubringen haben. Auch über das Geldausfuhrverbot versprach der Minister mit Nächstem einen Vorschlag einzu- bringen. Seine Rede wurde mit ungeheurem Applaus aufge- nommen. Für Aufyebung des Ausfuhrverbots sprach noch der Fabrikant Herzog aus Reichenberg. Er schrieb dieser Maß- regel die meiste Schuld des Sinkens des österreichischen Credits zu. Breslau 7. August. Der Wiener Postzug, so meldet die Breslauer Zeitung, bringt die Nachricht, daß bis gestern Abend, bei Abgang desselben, weder die an den Kaiser abgesandte Deputation des Reichstags, noch auch der Kaiser selbst in Wien angelangt sey. Die ganze Bevölkerung befindet sich in der größten Erregung, so daß die gestern auf dem Glacis stattgefundene große Parade fast alle Be- achtung verlor. Für die republikanische Partei ist keine Hoffnung vorhanden, und auch die constitutionelle hat von einem kaum der Kindheit entwachsenen Jünglinge nichts in einer Zeit zu er- warten, welcher der kräftigste Mann kaum gewachsen wäre. Die fast unglaubliche Spannung, welche die gegenwärtigen Um- stände erzeugen, wird durch das mehrfach gegebene, bisher aber noch zu lösende Kaiserwort der zugesagten Rückkehr noch erhöht. Das künftige Schicksal des österreichischen Staates dürfte binnen 24 Stunden vielleicht seine Gestaltung empfangen. [ Wollen die Wiener vielleicht den Erzherzog Johann zum Kaiser und den Grafen von Meran zum römischen König ausrufen? ] Prag. Fürst Windischgrätz erläßt eine Bekanntmachung über das bisherige Ergebniß der über die Prager Pfingstereig- nisse von den Militärbehörden gepflogenen Untersuchung, als welches sich die Ueberzeugung herausstellt, daß es bei diesen Er- eignissen nicht um einen zufälligen Zusammenstoß des Civils mit dem Militär, sondern um einen wohlüberdachten Aufruhrplan gehandelt habe. Als Beweis dafür führt er unter Anderem die Aussage eines geständig gewordenen Jnquisiten an, welche fol- gendermaßen lautet: Zu Ostern 1847 wurde Jnquisit zn Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowaken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schle- sien und österreichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn ____________uerschwinden zu machen, sich von Oesterreich los zu reißen, im vngünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Correspondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden, und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Um- gebung von Preßburg bei den Slowaken ausbrechen. Nach- dem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proclamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centra- lisationen errichtet, denen eigene Chefs vorstanden und die ihre Correspondenz theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Aus- führung gebracht worden ist. Jnquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu seyn. Jn Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Al- les vorbereitet und es bald losgehen werde. Jn Prag angekommen, erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und das Militär aufreizende Reden gehalten wurden. Einer der Leiter der Bewegungen trug vor Pfingsten darauf an, den commandirenden General, Fürsten Windisch=Grätz, wenn er zum Slavenballe führe, auf der Fahrt dahin niederzuschlagen; von diesem Vorhaben wurde jedoch mit dem Bemerken, daß es noch nicht an der Zeit sey und daß man ihn noch immer erreichen könne, einstweilen abgestanden. Außer den Sitzungen im Congresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten, um dem Militär mehr zu

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 57. Mainz, 12. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal057_1848/2>, abgerufen am 01.06.2024.