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Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 169. Mittwoch, den 20. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz] Bestellungen auf das mit dem 1. Januar 1849
beginnende neue Quartal des Mainzer Journals neh-
men alle Postämter an und wir ersuchen die resp.
Abonnenten, dieselben möglichst bald machen zu
wollen, damit wir die Größe der Auflage bestimmen
können. Eben so bitten wir alle Freunde sich nach
Kräften für die Verbreitung unseres Blattes zu in-
teressiren.

Oesterreich und Preußen 1).

^ Ein gar wunderliches Jahr ist das Jahr 1848 und wollte
Gott, daß gar Vieles mit ihm bald zu Ende ging! Wie Manche,
welche zu Anfange desselben noch gar hoch standen und vor denen
sich nicht genug Leute beugen konnten, sind ganz verschwunden und
finden Zeit und Muße, über die Vergänglichkeit alles Jrdischen
nachzudenken und oft auch die Erbärmlichkeit und Gesinnungslo-
sigkeit der Menschen kennen zu lernen, die vorher nichts zu reden
wagten, als höchstens Complimente, nun aber laut in den Chor
der Lärmer und Schimpfer mit einstimmen. Manche früher ange-
betete Volksgröße ist aber auch eingefallen und kann ebenfalls
Betrachtungen über die wandelbare Volkslaune anstellen. Mit
jedem Tage fast taucht Einer auf, der die Augen der großen
Menge auf sich zieht und dann in einigen Tagen froh seyn kann,
wenn man ihn nur vergessen hat und ruhig seinem Weg
gehen läßt.

Ein eigenthümliches Schicksal der Art hat Preußens König
seit dem März betroffen. Hat er früher schon viele Gegner ge-
habt, so brach wegen der glorreichen Berliner Revolution, in
welcher Volk und Soldaten schossen, ein furchtbarer Sturm des
wüthendsten Hasses gegen den König los, dem das vergossene
Blut des Volkes -- natürlich nicht der Soldaten -- aufs Haupt
gewälzt wurde. Die Wühler, Hitzköpfe, Lärmer von Profession
und Alle, welche vom Scandale leben, waren ganz außer sich und
die guten Philister selbst ließen sich dadurch wieder, wie immer,
verleiten, mit in den schrecklichen Jngrimme gegen den König ein-
zustimmen, weil sie in der Regel nichts denken und doch in der
Zeit nicht zurückbleiben wollen. Wer damals die maßlosen und
übertriebenen Schmähungen mißbilligte, hatte Mühe sein Leben
zu retten, weil auch er für einen Bluthunde und Schlächter der
edelsten Menschen angesehen wurde. Allein trotz aller Schmach
und Bosheit, die man dem Könige in Bild und Wort anthat,
legte sich bald die Wuth, und er kam unerwartet schnell wieder zu
[Spaltenumbruch] Ehren, und die guten Bürger schauten doch mit Sehnsucht und
Reue wegen ihres vorigen unhöflichen Betragens wieder auf ihn,
weil er viele Soldaten hat und mit ihnen Haus und Hof schützen
und die Schlafmütze vor der Angst vor den Freischaaren u. s. w.
befreien kann. Doch da wurde die Huldigung der Armee verlangt,
Preußens König erläßt einen eigenthümlichen Armeebefehl, indem
er sich über die Centralgewalt setzt, das erregt wieder ein großes
Geschrei. Die furchtbarste Entrüstung aber bricht los bei der
Kunde des Abschlusses des Waffenstillstandes von Malmoe, in
dem Preußen ein wenig stark seinen Vortheil über die Ehre
Deutschlands gestellt hat. Es gab da ein wüthiges Gebären und
erschreckliches Geschrei über Verrath an Deutschlands Einheit
und Ehre. Den Hauptschreiern war es freilich nicht Ernst, son-
dern sie hatten große Freude wieder einmal eine Ursache zum
Skandal und Aufhetzen gefunden zu haben und die große Menge
lief wieder, wie immer, hinter ihnen darein, schrie mit und that
als wollte sie sich fast zerreißen wegen des Schimpfes, der Deutsch-
land angethan worden, dagegen war bald auch diese Schmach
vergessen und von den Demokraten sogar soweit vergessen, daß
sie dem Könige freundlich wurden und ihm ihre Dienste anbieten
wollten. Da brach ein neuer Sturm los. Es wurde das Mini-
sterium Brandenburg gebildet, die Nationalversammlung von
Berlin nach Brandenburg verlegt, die Hauptstadt selbst in Be-
lagerungszustand versetzt und die eigensinnigen Deputirten aus
einem Hause nach dem andern vertrieben. Nach dem Lärme, der
sich hierüber erhob und den vielen Erklärungen für und gegen
hätte man denken sollen, es gäbe einen Krieg auf Tod und Leben.
Allein wer die Leute dort zu Lande etwas besser kennt, wußte, daß
Alles dies nicht so fürchterlich gemeint war, und man zwischen
Aeußerem und Jnneren sehr unterscheiden muß. Jetzt wird nun
derselbe König von Preußen von Manchen gar als Kaiser von
Deutschland ausersehen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. im
Jahre 1848 dieses noch würde, dann hätte er darin viel erlebt,
namentlich auch, daß das Geschrei, welches so laut sich wider ihn
erhob, als er Miene machte, sich an Deutschlands Spitze zu stellen,
nun wieder ihm zujubelte. Wie lange dies dauerte, und was das
Jahr 1849 brächte, wäre dann freilich noch abzuwarten.

Oesterreich dagegen wurde von den Demokraten und selbst
von den gemäßigten Freiheitsmännern immer angefochten, aus
dem Grunde, weil es nie -- um eines Vortheiles willen -- mit
ihnen freundlich gethan, wie namentlich Preußen lange Zeit das
aufgeklärte gespielt und Manche getäuscht hat. Daher und aus
einem noch tiefern Grunde, von dem wir hier nicht reden wollen,
sind Viele Oesterreich im Voraus abgeneigt und sehen es mit ver-
blendeten Augen an. Man sagt, es wolle sich von Deutschland
lossagen und achte die Centralgewalt nicht. Während Preu-
ßen schon offen gegen dieselbe und gegen Beschlüsse der Versamm-
lung zu Frankfurt gehandelt hat, wie z. B. bei der Huldigung
der Armee, bei Abschluß des Waffenstillstandes wegen Schles-
wigs, während der König ganz entgegen den Anträgen des Par-
lamentes die preußische Versammlung nicht nach Berlin zurück-
verlegt, sondern aufgelöst, das Ministerium Brandenburg nicht
durch ein volksthümliches ersetzt, sondern behalten hat, während
die preußische Versammlung den Beschlüssen der Frankfurter ge-
radezu entgegengetreten ist, wie in Abschaffnng des Adels und
der Titel, in der Posener Frage, und beschlossen hat, nichts
vom deutschen Parlamente anzunehmen, als was durch sie ge-
billigt worden: -- wie kann man da noch von einer größern An-
näherung Preußens an Deutschland reden? Von allem dem hat
Oesterreich noch nichts gethan. Blum wurde erschossen, allein
dieser ganz besondere Fall läßt wenig aus sich schließen. Oester-
[Ende Spaltensatz]

1) Wir müssen hier, um Mißverständnissen und Verdächtigungen zu
begegnen, ein für allemal erklären, daß wir und Millionen Katholiken
mit uns keinerlei confessionelle Antipathien gegen Preußen hegen, wie
uns überhaupt eine solche Engherzigkeit fern liegt. Die Kirche wird
vom Drucke der Staatsgewalt frei und so kann es uns vollkommen
einerlei seyn, ob das künftige Reichsoberhaupt katholisch oder protestan-
tisch ist! Wenn wir für Uebertragung der deutschen Kaiserkrone an
Oesterreich stimmen, so hat dieses einzig und allein in der in diesen
Blättern schon mehrfach entwickelten politischen Anschauung seinen Grund,
weil wir glauben, daß auf diesem Wege Deutschlands Einheit und
Größe am besten gewahrt werde. Sollte einer unserer Freunde anderer
Ansicht seyn, so stehen ihm, da die Frage jetzt noch eine offene ist, zur
Entwickelung derselben diese Blätter mit Vergnügen zu Gebote. Ueb-
rigens kann es jedem Freunde des Vaterlandes nur zum Troste gerei-
chen, daß Friedrich Wilhelm IV. weiser ist als seine unberufenen Agen-
ten zu Frankfurt, denn er wird ohne Wissen und Willen Oesterreichs
die angebotene Kaiserkrone nie annehmen, sowie umgekehrt auch Franz
Joseph I. die Hand nach der gefährlichen Gabe nicht ausstrecken wird,
so lange von Berlin aus noch ein Widerspruch dagegen zu besorgen ist.
    D. Red.
Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 169. Mittwoch, den 20. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz] Bestellungen auf das mit dem 1. Januar 1849
beginnende neue Quartal des Mainzer Journals neh-
men alle Postämter an und wir ersuchen die resp.
Abonnenten, dieselben möglichst bald machen zu
wollen, damit wir die Größe der Auflage bestimmen
können. Eben so bitten wir alle Freunde sich nach
Kräften für die Verbreitung unseres Blattes zu in-
teressiren.

Oesterreich und Preußen 1).

△ Ein gar wunderliches Jahr ist das Jahr 1848 und wollte
Gott, daß gar Vieles mit ihm bald zu Ende ging! Wie Manche,
welche zu Anfange desselben noch gar hoch standen und vor denen
sich nicht genug Leute beugen konnten, sind ganz verschwunden und
finden Zeit und Muße, über die Vergänglichkeit alles Jrdischen
nachzudenken und oft auch die Erbärmlichkeit und Gesinnungslo-
sigkeit der Menschen kennen zu lernen, die vorher nichts zu reden
wagten, als höchstens Complimente, nun aber laut in den Chor
der Lärmer und Schimpfer mit einstimmen. Manche früher ange-
betete Volksgröße ist aber auch eingefallen und kann ebenfalls
Betrachtungen über die wandelbare Volkslaune anstellen. Mit
jedem Tage fast taucht Einer auf, der die Augen der großen
Menge auf sich zieht und dann in einigen Tagen froh seyn kann,
wenn man ihn nur vergessen hat und ruhig seinem Weg
gehen läßt.

Ein eigenthümliches Schicksal der Art hat Preußens König
seit dem März betroffen. Hat er früher schon viele Gegner ge-
habt, so brach wegen der glorreichen Berliner Revolution, in
welcher Volk und Soldaten schossen, ein furchtbarer Sturm des
wüthendsten Hasses gegen den König los, dem das vergossene
Blut des Volkes — natürlich nicht der Soldaten — aufs Haupt
gewälzt wurde. Die Wühler, Hitzköpfe, Lärmer von Profession
und Alle, welche vom Scandale leben, waren ganz außer sich und
die guten Philister selbst ließen sich dadurch wieder, wie immer,
verleiten, mit in den schrecklichen Jngrimme gegen den König ein-
zustimmen, weil sie in der Regel nichts denken und doch in der
Zeit nicht zurückbleiben wollen. Wer damals die maßlosen und
übertriebenen Schmähungen mißbilligte, hatte Mühe sein Leben
zu retten, weil auch er für einen Bluthunde und Schlächter der
edelsten Menschen angesehen wurde. Allein trotz aller Schmach
und Bosheit, die man dem Könige in Bild und Wort anthat,
legte sich bald die Wuth, und er kam unerwartet schnell wieder zu
[Spaltenumbruch] Ehren, und die guten Bürger schauten doch mit Sehnsucht und
Reue wegen ihres vorigen unhöflichen Betragens wieder auf ihn,
weil er viele Soldaten hat und mit ihnen Haus und Hof schützen
und die Schlafmütze vor der Angst vor den Freischaaren u. s. w.
befreien kann. Doch da wurde die Huldigung der Armee verlangt,
Preußens König erläßt einen eigenthümlichen Armeebefehl, indem
er sich über die Centralgewalt setzt, das erregt wieder ein großes
Geschrei. Die furchtbarste Entrüstung aber bricht los bei der
Kunde des Abschlusses des Waffenstillstandes von Malmoe, in
dem Preußen ein wenig stark seinen Vortheil über die Ehre
Deutschlands gestellt hat. Es gab da ein wüthiges Gebären und
erschreckliches Geschrei über Verrath an Deutschlands Einheit
und Ehre. Den Hauptschreiern war es freilich nicht Ernst, son-
dern sie hatten große Freude wieder einmal eine Ursache zum
Skandal und Aufhetzen gefunden zu haben und die große Menge
lief wieder, wie immer, hinter ihnen darein, schrie mit und that
als wollte sie sich fast zerreißen wegen des Schimpfes, der Deutsch-
land angethan worden, dagegen war bald auch diese Schmach
vergessen und von den Demokraten sogar soweit vergessen, daß
sie dem Könige freundlich wurden und ihm ihre Dienste anbieten
wollten. Da brach ein neuer Sturm los. Es wurde das Mini-
sterium Brandenburg gebildet, die Nationalversammlung von
Berlin nach Brandenburg verlegt, die Hauptstadt selbst in Be-
lagerungszustand versetzt und die eigensinnigen Deputirten aus
einem Hause nach dem andern vertrieben. Nach dem Lärme, der
sich hierüber erhob und den vielen Erklärungen für und gegen
hätte man denken sollen, es gäbe einen Krieg auf Tod und Leben.
Allein wer die Leute dort zu Lande etwas besser kennt, wußte, daß
Alles dies nicht so fürchterlich gemeint war, und man zwischen
Aeußerem und Jnneren sehr unterscheiden muß. Jetzt wird nun
derselbe König von Preußen von Manchen gar als Kaiser von
Deutschland ausersehen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. im
Jahre 1848 dieses noch würde, dann hätte er darin viel erlebt,
namentlich auch, daß das Geschrei, welches so laut sich wider ihn
erhob, als er Miene machte, sich an Deutschlands Spitze zu stellen,
nun wieder ihm zujubelte. Wie lange dies dauerte, und was das
Jahr 1849 brächte, wäre dann freilich noch abzuwarten.

Oesterreich dagegen wurde von den Demokraten und selbst
von den gemäßigten Freiheitsmännern immer angefochten, aus
dem Grunde, weil es nie — um eines Vortheiles willen — mit
ihnen freundlich gethan, wie namentlich Preußen lange Zeit das
aufgeklärte gespielt und Manche getäuscht hat. Daher und aus
einem noch tiefern Grunde, von dem wir hier nicht reden wollen,
sind Viele Oesterreich im Voraus abgeneigt und sehen es mit ver-
blendeten Augen an. Man sagt, es wolle sich von Deutschland
lossagen und achte die Centralgewalt nicht. Während Preu-
ßen schon offen gegen dieselbe und gegen Beschlüsse der Versamm-
lung zu Frankfurt gehandelt hat, wie z. B. bei der Huldigung
der Armee, bei Abschluß des Waffenstillstandes wegen Schles-
wigs, während der König ganz entgegen den Anträgen des Par-
lamentes die preußische Versammlung nicht nach Berlin zurück-
verlegt, sondern aufgelöst, das Ministerium Brandenburg nicht
durch ein volksthümliches ersetzt, sondern behalten hat, während
die preußische Versammlung den Beschlüssen der Frankfurter ge-
radezu entgegengetreten ist, wie in Abschaffnng des Adels und
der Titel, in der Posener Frage, und beschlossen hat, nichts
vom deutschen Parlamente anzunehmen, als was durch sie ge-
billigt worden: — wie kann man da noch von einer größern An-
näherung Preußens an Deutschland reden? Von allem dem hat
Oesterreich noch nichts gethan. Blum wurde erschossen, allein
dieser ganz besondere Fall läßt wenig aus sich schließen. Oester-
[Ende Spaltensatz]

1) Wir müssen hier, um Mißverständnissen und Verdächtigungen zu
begegnen, ein für allemal erklären, daß wir und Millionen Katholiken
mit uns keinerlei confessionelle Antipathien gegen Preußen hegen, wie
uns überhaupt eine solche Engherzigkeit fern liegt. Die Kirche wird
vom Drucke der Staatsgewalt frei und so kann es uns vollkommen
einerlei seyn, ob das künftige Reichsoberhaupt katholisch oder protestan-
tisch ist! Wenn wir für Uebertragung der deutschen Kaiserkrone an
Oesterreich stimmen, so hat dieses einzig und allein in der in diesen
Blättern schon mehrfach entwickelten politischen Anschauung seinen Grund,
weil wir glauben, daß auf diesem Wege Deutschlands Einheit und
Größe am besten gewahrt werde. Sollte einer unserer Freunde anderer
Ansicht seyn, so stehen ihm, da die Frage jetzt noch eine offene ist, zur
Entwickelung derselben diese Blätter mit Vergnügen zu Gebote. Ueb-
rigens kann es jedem Freunde des Vaterlandes nur zum Troste gerei-
chen, daß Friedrich Wilhelm IV. weiser ist als seine unberufenen Agen-
ten zu Frankfurt, denn er wird ohne Wissen und Willen Oesterreichs
die angebotene Kaiserkrone nie annehmen, sowie umgekehrt auch Franz
Joseph I. die Hand nach der gefährlichen Gabe nicht ausstrecken wird,
so lange von Berlin aus noch ein Widerspruch dagegen zu besorgen ist.
    D. Red.
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Abonnenten, dieselben möglichst bald machen zu wollen, damit wir die Größe der Auflage bestimmen können. Eben so bitten wir alle Freunde sich nach Kräften für die Verbreitung unseres Blattes zu in- teressiren. Oesterreich und Preußen 1). △ Ein gar wunderliches Jahr ist das Jahr 1848 und wollte Gott, daß gar Vieles mit ihm bald zu Ende ging! Wie Manche, welche zu Anfange desselben noch gar hoch standen und vor denen sich nicht genug Leute beugen konnten, sind ganz verschwunden und finden Zeit und Muße, über die Vergänglichkeit alles Jrdischen nachzudenken und oft auch die Erbärmlichkeit und Gesinnungslo- sigkeit der Menschen kennen zu lernen, die vorher nichts zu reden wagten, als höchstens Complimente, nun aber laut in den Chor der Lärmer und Schimpfer mit einstimmen. Manche früher ange- betete Volksgröße ist aber auch eingefallen und kann ebenfalls Betrachtungen über die wandelbare Volkslaune anstellen. Mit jedem Tage fast taucht Einer auf, der die Augen der großen Menge auf sich zieht und dann in einigen Tagen froh seyn kann, wenn man ihn nur vergessen hat und ruhig seinem Weg gehen läßt. Ein eigenthümliches Schicksal der Art hat Preußens König seit dem März betroffen. Hat er früher schon viele Gegner ge- habt, so brach wegen der glorreichen Berliner Revolution, in welcher Volk und Soldaten schossen, ein furchtbarer Sturm des wüthendsten Hasses gegen den König los, dem das vergossene Blut des Volkes — natürlich nicht der Soldaten — aufs Haupt gewälzt wurde. Die Wühler, Hitzköpfe, Lärmer von Profession und Alle, welche vom Scandale leben, waren ganz außer sich und die guten Philister selbst ließen sich dadurch wieder, wie immer, verleiten, mit in den schrecklichen Jngrimme gegen den König ein- zustimmen, weil sie in der Regel nichts denken und doch in der Zeit nicht zurückbleiben wollen. Wer damals die maßlosen und übertriebenen Schmähungen mißbilligte, hatte Mühe sein Leben zu retten, weil auch er für einen Bluthunde und Schlächter der edelsten Menschen angesehen wurde. Allein trotz aller Schmach und Bosheit, die man dem Könige in Bild und Wort anthat, legte sich bald die Wuth, und er kam unerwartet schnell wieder zu Ehren, und die guten Bürger schauten doch mit Sehnsucht und Reue wegen ihres vorigen unhöflichen Betragens wieder auf ihn, weil er viele Soldaten hat und mit ihnen Haus und Hof schützen und die Schlafmütze vor der Angst vor den Freischaaren u. s. w. befreien kann. Doch da wurde die Huldigung der Armee verlangt, Preußens König erläßt einen eigenthümlichen Armeebefehl, indem er sich über die Centralgewalt setzt, das erregt wieder ein großes Geschrei. Die furchtbarste Entrüstung aber bricht los bei der Kunde des Abschlusses des Waffenstillstandes von Malmoe, in dem Preußen ein wenig stark seinen Vortheil über die Ehre Deutschlands gestellt hat. Es gab da ein wüthiges Gebären und erschreckliches Geschrei über Verrath an Deutschlands Einheit und Ehre. Den Hauptschreiern war es freilich nicht Ernst, son- dern sie hatten große Freude wieder einmal eine Ursache zum Skandal und Aufhetzen gefunden zu haben und die große Menge lief wieder, wie immer, hinter ihnen darein, schrie mit und that als wollte sie sich fast zerreißen wegen des Schimpfes, der Deutsch- land angethan worden, dagegen war bald auch diese Schmach vergessen und von den Demokraten sogar soweit vergessen, daß sie dem Könige freundlich wurden und ihm ihre Dienste anbieten wollten. Da brach ein neuer Sturm los. Es wurde das Mini- sterium Brandenburg gebildet, die Nationalversammlung von Berlin nach Brandenburg verlegt, die Hauptstadt selbst in Be- lagerungszustand versetzt und die eigensinnigen Deputirten aus einem Hause nach dem andern vertrieben. Nach dem Lärme, der sich hierüber erhob und den vielen Erklärungen für und gegen hätte man denken sollen, es gäbe einen Krieg auf Tod und Leben. Allein wer die Leute dort zu Lande etwas besser kennt, wußte, daß Alles dies nicht so fürchterlich gemeint war, und man zwischen Aeußerem und Jnneren sehr unterscheiden muß. Jetzt wird nun derselbe König von Preußen von Manchen gar als Kaiser von Deutschland ausersehen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1848 dieses noch würde, dann hätte er darin viel erlebt, namentlich auch, daß das Geschrei, welches so laut sich wider ihn erhob, als er Miene machte, sich an Deutschlands Spitze zu stellen, nun wieder ihm zujubelte. Wie lange dies dauerte, und was das Jahr 1849 brächte, wäre dann freilich noch abzuwarten. Oesterreich dagegen wurde von den Demokraten und selbst von den gemäßigten Freiheitsmännern immer angefochten, aus dem Grunde, weil es nie — um eines Vortheiles willen — mit ihnen freundlich gethan, wie namentlich Preußen lange Zeit das aufgeklärte gespielt und Manche getäuscht hat. Daher und aus einem noch tiefern Grunde, von dem wir hier nicht reden wollen, sind Viele Oesterreich im Voraus abgeneigt und sehen es mit ver- blendeten Augen an. Man sagt, es wolle sich von Deutschland lossagen und achte die Centralgewalt nicht. Während Preu- ßen schon offen gegen dieselbe und gegen Beschlüsse der Versamm- lung zu Frankfurt gehandelt hat, wie z. B. bei der Huldigung der Armee, bei Abschluß des Waffenstillstandes wegen Schles- wigs, während der König ganz entgegen den Anträgen des Par- lamentes die preußische Versammlung nicht nach Berlin zurück- verlegt, sondern aufgelöst, das Ministerium Brandenburg nicht durch ein volksthümliches ersetzt, sondern behalten hat, während die preußische Versammlung den Beschlüssen der Frankfurter ge- radezu entgegengetreten ist, wie in Abschaffnng des Adels und der Titel, in der Posener Frage, und beschlossen hat, nichts vom deutschen Parlamente anzunehmen, als was durch sie ge- billigt worden: — wie kann man da noch von einer größern An- näherung Preußens an Deutschland reden? Von allem dem hat Oesterreich noch nichts gethan. Blum wurde erschossen, allein dieser ganz besondere Fall läßt wenig aus sich schließen. Oester- 1) Wir müssen hier, um Mißverständnissen und Verdächtigungen zu begegnen, ein für allemal erklären, daß wir und Millionen Katholiken mit uns keinerlei confessionelle Antipathien gegen Preußen hegen, wie uns überhaupt eine solche Engherzigkeit fern liegt. Die Kirche wird vom Drucke der Staatsgewalt frei und so kann es uns vollkommen einerlei seyn, ob das künftige Reichsoberhaupt katholisch oder protestan- tisch ist! Wenn wir für Uebertragung der deutschen Kaiserkrone an Oesterreich stimmen, so hat dieses einzig und allein in der in diesen Blättern schon mehrfach entwickelten politischen Anschauung seinen Grund, weil wir glauben, daß auf diesem Wege Deutschlands Einheit und Größe am besten gewahrt werde. Sollte einer unserer Freunde anderer Ansicht seyn, so stehen ihm, da die Frage jetzt noch eine offene ist, zur Entwickelung derselben diese Blätter mit Vergnügen zu Gebote. Ueb- rigens kann es jedem Freunde des Vaterlandes nur zum Troste gerei- chen, daß Friedrich Wilhelm IV. weiser ist als seine unberufenen Agen- ten zu Frankfurt, denn er wird ohne Wissen und Willen Oesterreichs die angebotene Kaiserkrone nie annehmen, sowie umgekehrt auch Franz Joseph I. die Hand nach der gefährlichen Gabe nicht ausstrecken wird, so lange von Berlin aus noch ein Widerspruch dagegen zu besorgen ist. D. Red.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 169. Mainz, 20. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal169_1848/1>, abgerufen am 16.05.2024.