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Beilage zum Mainzer Journal. Nr. 241. Mainz, 11. Oktober 1849.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 241. Donnerstag, den 11. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 6. October ( A. Z. ) Wien ist heute am Jahrestage so
denkwürdiger Ereignisse vollkommen ruhig; die Behörden haben
nicht einmal nöthig gefunden besondere Vorsichtsmaßregeln anzu-
ordnen. Die zahlreichen Fremden, welche seit einiger Zeit wieder
hierher strömen, beleben mit der aus den Landaufenthalten zurück-
kehrenden Bevölkerung die Straßen. Mit gerechtem Stolze mag
Herr v. Kraus auf das Resultat des von ihm emittirten Anlehens
blicken; denn noch immer melden sich neue Subscribenten. Ob-
gleich Herr Cobden den Juden zur Gewissenspflicht macht an die-
sem Anlehen keinen Theil zu nehmen, so zeigen doch die Listen
der betheiligten Banquierhäuser, daß Jsrael sich reichlich einge-
funden. Bemerken muß ich dabei, daß ein Theil Einzeichnungen
mehrerer Banquier auf Rechnung wohlhabender Privaten er-
folgt ist. Die Börse fürchtet durchaus keine Störung der friedli-
chen Beziehungen Oesterreichs zur Pforte, und hat hoffentlich Recht.

München 8. October. Jn der Sitzung des Hauptvereins
für constitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit vom 4. d. M.
ist die Adresse dieses Vereines an die Kammer durch allgemeinen
und wiederholten stürmischen Zuruf angenommen worden. Nach
dem Jnhalte der Adresse soll nimmer und in keiner Weise in einen
Ausschluß Oesterreichs von Deutschland gewilligt oder dazu die
Hand geboten werden. Ein Mal über das andere erscholl: "Nie
ohne Oesterreich!" Man will ein Deutschland mit Preußen, aber
nie unter Preußen.

Wie man vernimmt, finden gegenwärtig zwischen der bayri-
schen und österreichischen Regierung wegen Regelung der gegen-
seitigen Verkehrsverhältnisse Unterhandlungen statt. Es soll
demgemäß in Wien demnächst ein Postcongreß stattfinden. Auch
wird der Austausch von Gebietstheilen, welche bisher für den
Verkehr durch ihre Jnclavirung hemmend waren, in der Gegend
von Berchtesgaden beabsichtigt.

Während es in anderen deutschen Ländern fortwährend nach
Belagerungszustand oder dergleichen riecht, so meldet der " Volks-
bote," und namentlich die hochmüthigen Berliner sich sieben Mal
besinnen müßten, ob sie ohne Gefahr etliche tausend Menschen auf
ihrer Sandwüste zu einem "Jux" zusammenkommen zu lassen sich
getrauen dürften, wird in München lustig und fröhlich geoc-
tobert.
Gestern ( am 7. ) ging's Fest an; weit über 60,000
Menschen, darunter unzählige Landleut' waren draußen auf der
Theresienwiese, und als König Max mit Königin Marie in
einem kleinen offenen Wagen mit flotten sechs Gäulen hinausge-
fahren kamen, gab's anders kein Hoch! Wenn Einer oder der
Andere taub geworden ist, von dem Donner, ist's kein Wunder.
Stadt= und Landleut' riefen zusammen, als ob's sich einander
überbieten wollten. Das Wetter hätt' schon ein Bißl ein freund-
licheres Gesicht machen können, doch zum ordentlichen Regen
kam's nicht, nur zu einer kleinen Anfrischung, wahrscheinlich,
weil's Bier doch schon Wasser genug hat. Das Pferderennen
ging flott von Statten. Unter den anderen schönen Sachen drau-
ßen zogen besonders ein paar Bamberger Gemüsewagen
die Augen auf sich, die mit der Eisenbahn gekommen waren.

Von der Bergstraße 9. October wird der "Darmstädter
Zeitung" geschrieben: Die demokratische Versammlung zu Auer-
bach
vom 7. d. M. liefert ein bezeichnendes Bild über die demo-
kratischen Bestrebungen. Sie beweist, daß von dieser Partei das
"allgemeine Wohl" im Munde geführt wird, daß aber nur ge-
meiner Eigennutz hinter dieser Redensart verborgen werden soll,
denn unter den anwesenden Deputirten waren kaum fünf zu fin-
den, die Zuhörer abgerechnet, welche nicht Abgeordnete werden
wollen, und sich dadurch eine Erwerbsquelle zu verschaffen beab-
sichtigen. Die "Darmstädter Zeitung" ist namentlich auch sehr
betrübt darüber, daß ihr guter Freund, der Dr. Duller, dabei
gewesen und von den Demokraten gar zum Candidaten für Darm-
stadt vorgeschlagen worden ist! Jhr "Leidwesen" darüber ist sehr
groß und sie wird auch wissen warum. Aller Wahrscheinlichkeit
nach ist der Bürger Duller ein mit den Demokraten Hand in
Hand gehender "Ultramontane!"

# Mainz 11. October. Stand der Brechruhr. Jn Mainz
sind 15 neue Krankheits=, 3 Genesungs= und 6 Sterbefälle vor-
gekommen.

Frankfurt 10. October. ( D. Z. ) Sicherem Vernehmen nach
ist der Vertrag vom 30. September über eine neue provisorische
[Spaltenumbruch] Centralgewalt von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Johann
bereits ratificirt worden. Gestern wird auch in Berlin die Rati-
fication erfolgt seyn, welche Herr v. Schleinitz der Anfrage des
Abgeordneten v. Beckerath noch nicht als vollendete Thatsache
gegenüberstellen konnte, weshalb die Antwort eine ausweichende
seyn mußte. Jm Verwaltungsrathe haben mit Ausnahme von
Hannover und Sachsen alle Mitglieder für den Antrag Nassau's
auf Ausschreibung der Wahlen zum Reichstage gestimmt. Von
diesen zehn Stimmen waren neun auch für die gleichzeitige Fest-
setzung eines Termins zur Eröffnung des Reichstages; nur Meck-
lenburg stimmte mit Hannover und Sachsen dagegen; die Ver-
handlung kann übrigens noch nicht als geschlossen betrachtet
werden.

Der General von Schack, bekannt durch seinen vortrefflichen
Charakter, und durch seine persönliche Liebenswürdigkeit so
manchmal in seiner Stellung berufen den Vermittler und Ver-
söhner unter den sich hier anfeindenden Truppentheilen zu machen,
ist nun nach Erfurt abgereist, um seine dortige häusliche Einrich-
tung nach Mainz zu übersiedeln, woselbst er am 1. November die
Commandantur der Reichsfestung antritt.

Schweiz.

Aus der deutschen Schweiz 7. October. ( Karlsr. Z. ) Die
Revolutionen in der Atmosphäre künden sich wohl nirgends durch
so viele Vorboten an, als in unserem Gebirgslande; der Farben-
wechsel der Felsenhörner, das Knallen und Murren in dem Glet-
scher, das Spiel der Wolken um die Bergspitzen, das Blasen der
Wetterlöcher geben für den aufmerksamen Beobachter untrüg-
liche Zeichen, welche durch entsprechende Zustände unserer Seen
ergänzt werden, und die Bewohner der Fluthen, des Luftreiches
und des Waldrevieres unterlassen auch nicht, ihre Vorgefühle in
eigener Weise zu verkünden. So haben wir auch seit Jahr und
Tag Gelegenheit, die Vorzeichen der politischen Stürme zu
beobachten und die verschiedenen Wirkungen entfernter Gewitter
anzusehen, freilich nicht an Vögeln und Fischen, sondern an den
vielen Fremden, die sich als Flüchtlinge eingefunden haben, oder
als Reisende aller Art unsere Cantone durchkreuzen. Die nicht-
deutschen Exulanten haben hierin den Vorzug; es ist, als ob die
Revolution eine eigene Elektricität habe, welche in unsichtbaren
Strömungen über Gebirg und Wasser dringt und die Nerven der
Revolutionsmänner angreift, während die Conservativen Nichts
verspüren
und nur an dem Benehmen ihrer Nachbarn merken,
daß das revolutionäre Element irgendwo heftig gespannt ist oder
sich entladen hat. Die Verbindung ist jedoch auch eine ganz un-
mittelbare, -- zwar nicht durch Drähte hergestellt, sondern durch
Leute jedes Standes und Alters, die einen ununterbrochenen
Verkehr unterhalten und ihren Dienst mit musterhaftem Eifer
versehen.

Gerade jetzt glimmt das Feuer in manchem Auge wieder un-
heimlicher, denn in Frankreich hat die revolutionäre Spannung
eine beträchtliche Stärke erlangt und irgend ein beihelfender Zu-
fall, wie sie das Schicksal in den letzten Jahren so häufig herbei-
geführt hat, kann das Losbrechen bewirken. Schon vor zwei
Monaten, als ich die Gegenden am Doubs und der Jll besuchte,
fand ich durchgängig bei dem Volke die Meinung verbreitet, daß
ein Zusammenstoß bevorstehe und ohne Zweifel hat die römische
Frage die Krisis näher gerückt. Sey dem, wie ihm wolle, so viel
ist gewiß, daß die Hoffnungen der flüchtigen Revolution gewachsen
sind und daß sich diese auf Frankreich gründen.

Jtalien.

Rom 23. September. Von diesem Tage läßt sich der " Con-
stitutionnel," ein sicherlich unbefangenes französisches Blatt schrei-
ben: "Während der letzten Tage der römischen Republik war
Mord das gewöhnliche Auskunstsmittel der geheimen Gesellschaften.
Unsichtbare Leiter beauftragten berauschte, gemiethete Mörder mit
der Ausführung ihrer schwarzen Plane. Gewöhnlich fand man
einen Vorwand, um solche Abscheulichkeiten zu beschönigen.
Einmal war das gefallene Opfer ein Spion, das andere Mai
ein Verräther, den der Volksunwille gerichtet hatte. Die
Mordthaten blieben anonym; die Mörder wurden nie officiell
bekannt, und doch wagten sie in den Cafes und anderen öffent-
lichen Orten sich ihrer Schandthaten laut zu rühmen. Die
Executionen von St. Calixta sind in Abrede gezogen worden
und doch ist nichts so authentisch. Ein Mann, wie ihn die
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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 241. Donnerstag, den 11. October. 1849.


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Deutschland.

Wien 6. October ( A. Z. ) Wien ist heute am Jahrestage so
denkwürdiger Ereignisse vollkommen ruhig; die Behörden haben
nicht einmal nöthig gefunden besondere Vorsichtsmaßregeln anzu-
ordnen. Die zahlreichen Fremden, welche seit einiger Zeit wieder
hierher strömen, beleben mit der aus den Landaufenthalten zurück-
kehrenden Bevölkerung die Straßen. Mit gerechtem Stolze mag
Herr v. Kraus auf das Resultat des von ihm emittirten Anlehens
blicken; denn noch immer melden sich neue Subscribenten. Ob-
gleich Herr Cobden den Juden zur Gewissenspflicht macht an die-
sem Anlehen keinen Theil zu nehmen, so zeigen doch die Listen
der betheiligten Banquierhäuser, daß Jsrael sich reichlich einge-
funden. Bemerken muß ich dabei, daß ein Theil Einzeichnungen
mehrerer Banquier auf Rechnung wohlhabender Privaten er-
folgt ist. Die Börse fürchtet durchaus keine Störung der friedli-
chen Beziehungen Oesterreichs zur Pforte, und hat hoffentlich Recht.

München 8. October. Jn der Sitzung des Hauptvereins
für constitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit vom 4. d. M.
ist die Adresse dieses Vereines an die Kammer durch allgemeinen
und wiederholten stürmischen Zuruf angenommen worden. Nach
dem Jnhalte der Adresse soll nimmer und in keiner Weise in einen
Ausschluß Oesterreichs von Deutschland gewilligt oder dazu die
Hand geboten werden. Ein Mal über das andere erscholl: „Nie
ohne Oesterreich!“ Man will ein Deutschland mit Preußen, aber
nie unter Preußen.

Wie man vernimmt, finden gegenwärtig zwischen der bayri-
schen und österreichischen Regierung wegen Regelung der gegen-
seitigen Verkehrsverhältnisse Unterhandlungen statt. Es soll
demgemäß in Wien demnächst ein Postcongreß stattfinden. Auch
wird der Austausch von Gebietstheilen, welche bisher für den
Verkehr durch ihre Jnclavirung hemmend waren, in der Gegend
von Berchtesgaden beabsichtigt.

Während es in anderen deutschen Ländern fortwährend nach
Belagerungszustand oder dergleichen riecht, so meldet der „ Volks-
bote,“ und namentlich die hochmüthigen Berliner sich sieben Mal
besinnen müßten, ob sie ohne Gefahr etliche tausend Menschen auf
ihrer Sandwüste zu einem „Jux“ zusammenkommen zu lassen sich
getrauen dürften, wird in München lustig und fröhlich geoc-
tobert.
Gestern ( am 7. ) ging's Fest an; weit über 60,000
Menschen, darunter unzählige Landleut' waren draußen auf der
Theresienwiese, und als König Max mit Königin Marie in
einem kleinen offenen Wagen mit flotten sechs Gäulen hinausge-
fahren kamen, gab's anders kein Hoch! Wenn Einer oder der
Andere taub geworden ist, von dem Donner, ist's kein Wunder.
Stadt= und Landleut' riefen zusammen, als ob's sich einander
überbieten wollten. Das Wetter hätt' schon ein Bißl ein freund-
licheres Gesicht machen können, doch zum ordentlichen Regen
kam's nicht, nur zu einer kleinen Anfrischung, wahrscheinlich,
weil's Bier doch schon Wasser genug hat. Das Pferderennen
ging flott von Statten. Unter den anderen schönen Sachen drau-
ßen zogen besonders ein paar Bamberger Gemüsewagen
die Augen auf sich, die mit der Eisenbahn gekommen waren.

Von der Bergstraße 9. October wird der „Darmstädter
Zeitung“ geschrieben: Die demokratische Versammlung zu Auer-
bach
vom 7. d. M. liefert ein bezeichnendes Bild über die demo-
kratischen Bestrebungen. Sie beweist, daß von dieser Partei das
„allgemeine Wohl“ im Munde geführt wird, daß aber nur ge-
meiner Eigennutz hinter dieser Redensart verborgen werden soll,
denn unter den anwesenden Deputirten waren kaum fünf zu fin-
den, die Zuhörer abgerechnet, welche nicht Abgeordnete werden
wollen, und sich dadurch eine Erwerbsquelle zu verschaffen beab-
sichtigen. Die „Darmstädter Zeitung“ ist namentlich auch sehr
betrübt darüber, daß ihr guter Freund, der Dr. Duller, dabei
gewesen und von den Demokraten gar zum Candidaten für Darm-
stadt vorgeschlagen worden ist! Jhr „Leidwesen“ darüber ist sehr
groß und sie wird auch wissen warum. Aller Wahrscheinlichkeit
nach ist der Bürger Duller ein mit den Demokraten Hand in
Hand gehender „Ultramontane!“

# Mainz 11. October. Stand der Brechruhr. Jn Mainz
sind 15 neue Krankheits=, 3 Genesungs= und 6 Sterbefälle vor-
gekommen.

Frankfurt 10. October. ( D. Z. ) Sicherem Vernehmen nach
ist der Vertrag vom 30. September über eine neue provisorische
[Spaltenumbruch] Centralgewalt von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Johann
bereits ratificirt worden. Gestern wird auch in Berlin die Rati-
fication erfolgt seyn, welche Herr v. Schleinitz der Anfrage des
Abgeordneten v. Beckerath noch nicht als vollendete Thatsache
gegenüberstellen konnte, weshalb die Antwort eine ausweichende
seyn mußte. Jm Verwaltungsrathe haben mit Ausnahme von
Hannover und Sachsen alle Mitglieder für den Antrag Nassau's
auf Ausschreibung der Wahlen zum Reichstage gestimmt. Von
diesen zehn Stimmen waren neun auch für die gleichzeitige Fest-
setzung eines Termins zur Eröffnung des Reichstages; nur Meck-
lenburg stimmte mit Hannover und Sachsen dagegen; die Ver-
handlung kann übrigens noch nicht als geschlossen betrachtet
werden.

Der General von Schack, bekannt durch seinen vortrefflichen
Charakter, und durch seine persönliche Liebenswürdigkeit so
manchmal in seiner Stellung berufen den Vermittler und Ver-
söhner unter den sich hier anfeindenden Truppentheilen zu machen,
ist nun nach Erfurt abgereist, um seine dortige häusliche Einrich-
tung nach Mainz zu übersiedeln, woselbst er am 1. November die
Commandantur der Reichsfestung antritt.

Schweiz.

Aus der deutschen Schweiz 7. October. ( Karlsr. Z. ) Die
Revolutionen in der Atmosphäre künden sich wohl nirgends durch
so viele Vorboten an, als in unserem Gebirgslande; der Farben-
wechsel der Felsenhörner, das Knallen und Murren in dem Glet-
scher, das Spiel der Wolken um die Bergspitzen, das Blasen der
Wetterlöcher geben für den aufmerksamen Beobachter untrüg-
liche Zeichen, welche durch entsprechende Zustände unserer Seen
ergänzt werden, und die Bewohner der Fluthen, des Luftreiches
und des Waldrevieres unterlassen auch nicht, ihre Vorgefühle in
eigener Weise zu verkünden. So haben wir auch seit Jahr und
Tag Gelegenheit, die Vorzeichen der politischen Stürme zu
beobachten und die verschiedenen Wirkungen entfernter Gewitter
anzusehen, freilich nicht an Vögeln und Fischen, sondern an den
vielen Fremden, die sich als Flüchtlinge eingefunden haben, oder
als Reisende aller Art unsere Cantone durchkreuzen. Die nicht-
deutschen Exulanten haben hierin den Vorzug; es ist, als ob die
Revolution eine eigene Elektricität habe, welche in unsichtbaren
Strömungen über Gebirg und Wasser dringt und die Nerven der
Revolutionsmänner angreift, während die Conservativen Nichts
verspüren
und nur an dem Benehmen ihrer Nachbarn merken,
daß das revolutionäre Element irgendwo heftig gespannt ist oder
sich entladen hat. Die Verbindung ist jedoch auch eine ganz un-
mittelbare, — zwar nicht durch Drähte hergestellt, sondern durch
Leute jedes Standes und Alters, die einen ununterbrochenen
Verkehr unterhalten und ihren Dienst mit musterhaftem Eifer
versehen.

Gerade jetzt glimmt das Feuer in manchem Auge wieder un-
heimlicher, denn in Frankreich hat die revolutionäre Spannung
eine beträchtliche Stärke erlangt und irgend ein beihelfender Zu-
fall, wie sie das Schicksal in den letzten Jahren so häufig herbei-
geführt hat, kann das Losbrechen bewirken. Schon vor zwei
Monaten, als ich die Gegenden am Doubs und der Jll besuchte,
fand ich durchgängig bei dem Volke die Meinung verbreitet, daß
ein Zusammenstoß bevorstehe und ohne Zweifel hat die römische
Frage die Krisis näher gerückt. Sey dem, wie ihm wolle, so viel
ist gewiß, daß die Hoffnungen der flüchtigen Revolution gewachsen
sind und daß sich diese auf Frankreich gründen.

Jtalien.

Rom 23. September. Von diesem Tage läßt sich der „ Con-
stitutionnel,“ ein sicherlich unbefangenes französisches Blatt schrei-
ben: „Während der letzten Tage der römischen Republik war
Mord das gewöhnliche Auskunstsmittel der geheimen Gesellschaften.
Unsichtbare Leiter beauftragten berauschte, gemiethete Mörder mit
der Ausführung ihrer schwarzen Plane. Gewöhnlich fand man
einen Vorwand, um solche Abscheulichkeiten zu beschönigen.
Einmal war das gefallene Opfer ein Spion, das andere Mai
ein Verräther, den der Volksunwille gerichtet hatte. Die
Mordthaten blieben anonym; die Mörder wurden nie officiell
bekannt, und doch wagten sie in den Cafés und anderen öffent-
lichen Orten sich ihrer Schandthaten laut zu rühmen. Die
Executionen von St. Calixta sind in Abrede gezogen worden
und doch ist nichts so authentisch. Ein Mann, wie ihn die
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[0001] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 241. Donnerstag, den 11. October. 1849. Deutschland. Wien 6. October ( A. Z. ) Wien ist heute am Jahrestage so denkwürdiger Ereignisse vollkommen ruhig; die Behörden haben nicht einmal nöthig gefunden besondere Vorsichtsmaßregeln anzu- ordnen. Die zahlreichen Fremden, welche seit einiger Zeit wieder hierher strömen, beleben mit der aus den Landaufenthalten zurück- kehrenden Bevölkerung die Straßen. Mit gerechtem Stolze mag Herr v. Kraus auf das Resultat des von ihm emittirten Anlehens blicken; denn noch immer melden sich neue Subscribenten. Ob- gleich Herr Cobden den Juden zur Gewissenspflicht macht an die- sem Anlehen keinen Theil zu nehmen, so zeigen doch die Listen der betheiligten Banquierhäuser, daß Jsrael sich reichlich einge- funden. Bemerken muß ich dabei, daß ein Theil Einzeichnungen mehrerer Banquier auf Rechnung wohlhabender Privaten er- folgt ist. Die Börse fürchtet durchaus keine Störung der friedli- chen Beziehungen Oesterreichs zur Pforte, und hat hoffentlich Recht. München 8. October. Jn der Sitzung des Hauptvereins für constitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit vom 4. d. M. ist die Adresse dieses Vereines an die Kammer durch allgemeinen und wiederholten stürmischen Zuruf angenommen worden. Nach dem Jnhalte der Adresse soll nimmer und in keiner Weise in einen Ausschluß Oesterreichs von Deutschland gewilligt oder dazu die Hand geboten werden. Ein Mal über das andere erscholl: „Nie ohne Oesterreich!“ Man will ein Deutschland mit Preußen, aber nie unter Preußen. Wie man vernimmt, finden gegenwärtig zwischen der bayri- schen und österreichischen Regierung wegen Regelung der gegen- seitigen Verkehrsverhältnisse Unterhandlungen statt. Es soll demgemäß in Wien demnächst ein Postcongreß stattfinden. Auch wird der Austausch von Gebietstheilen, welche bisher für den Verkehr durch ihre Jnclavirung hemmend waren, in der Gegend von Berchtesgaden beabsichtigt. Während es in anderen deutschen Ländern fortwährend nach Belagerungszustand oder dergleichen riecht, so meldet der „ Volks- bote,“ und namentlich die hochmüthigen Berliner sich sieben Mal besinnen müßten, ob sie ohne Gefahr etliche tausend Menschen auf ihrer Sandwüste zu einem „Jux“ zusammenkommen zu lassen sich getrauen dürften, wird in München lustig und fröhlich geoc- tobert. Gestern ( am 7. ) ging's Fest an; weit über 60,000 Menschen, darunter unzählige Landleut' waren draußen auf der Theresienwiese, und als König Max mit Königin Marie in einem kleinen offenen Wagen mit flotten sechs Gäulen hinausge- fahren kamen, gab's anders kein Hoch! Wenn Einer oder der Andere taub geworden ist, von dem Donner, ist's kein Wunder. Stadt= und Landleut' riefen zusammen, als ob's sich einander überbieten wollten. Das Wetter hätt' schon ein Bißl ein freund- licheres Gesicht machen können, doch zum ordentlichen Regen kam's nicht, nur zu einer kleinen Anfrischung, wahrscheinlich, weil's Bier doch schon Wasser genug hat. Das Pferderennen ging flott von Statten. Unter den anderen schönen Sachen drau- ßen zogen besonders ein paar Bamberger Gemüsewagen die Augen auf sich, die mit der Eisenbahn gekommen waren. Von der Bergstraße 9. October wird der „Darmstädter Zeitung“ geschrieben: Die demokratische Versammlung zu Auer- bach vom 7. d. M. liefert ein bezeichnendes Bild über die demo- kratischen Bestrebungen. Sie beweist, daß von dieser Partei das „allgemeine Wohl“ im Munde geführt wird, daß aber nur ge- meiner Eigennutz hinter dieser Redensart verborgen werden soll, denn unter den anwesenden Deputirten waren kaum fünf zu fin- den, die Zuhörer abgerechnet, welche nicht Abgeordnete werden wollen, und sich dadurch eine Erwerbsquelle zu verschaffen beab- sichtigen. Die „Darmstädter Zeitung“ ist namentlich auch sehr betrübt darüber, daß ihr guter Freund, der Dr. Duller, dabei gewesen und von den Demokraten gar zum Candidaten für Darm- stadt vorgeschlagen worden ist! Jhr „Leidwesen“ darüber ist sehr groß und sie wird auch wissen warum. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Bürger Duller ein mit den Demokraten Hand in Hand gehender „Ultramontane!“ # Mainz 11. October. Stand der Brechruhr. Jn Mainz sind 15 neue Krankheits=, 3 Genesungs= und 6 Sterbefälle vor- gekommen. Frankfurt 10. October. ( D. Z. ) Sicherem Vernehmen nach ist der Vertrag vom 30. September über eine neue provisorische Centralgewalt von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Johann bereits ratificirt worden. Gestern wird auch in Berlin die Rati- fication erfolgt seyn, welche Herr v. Schleinitz der Anfrage des Abgeordneten v. Beckerath noch nicht als vollendete Thatsache gegenüberstellen konnte, weshalb die Antwort eine ausweichende seyn mußte. Jm Verwaltungsrathe haben mit Ausnahme von Hannover und Sachsen alle Mitglieder für den Antrag Nassau's auf Ausschreibung der Wahlen zum Reichstage gestimmt. Von diesen zehn Stimmen waren neun auch für die gleichzeitige Fest- setzung eines Termins zur Eröffnung des Reichstages; nur Meck- lenburg stimmte mit Hannover und Sachsen dagegen; die Ver- handlung kann übrigens noch nicht als geschlossen betrachtet werden. Der General von Schack, bekannt durch seinen vortrefflichen Charakter, und durch seine persönliche Liebenswürdigkeit so manchmal in seiner Stellung berufen den Vermittler und Ver- söhner unter den sich hier anfeindenden Truppentheilen zu machen, ist nun nach Erfurt abgereist, um seine dortige häusliche Einrich- tung nach Mainz zu übersiedeln, woselbst er am 1. November die Commandantur der Reichsfestung antritt. Schweiz. Aus der deutschen Schweiz 7. October. ( Karlsr. Z. ) Die Revolutionen in der Atmosphäre künden sich wohl nirgends durch so viele Vorboten an, als in unserem Gebirgslande; der Farben- wechsel der Felsenhörner, das Knallen und Murren in dem Glet- scher, das Spiel der Wolken um die Bergspitzen, das Blasen der Wetterlöcher geben für den aufmerksamen Beobachter untrüg- liche Zeichen, welche durch entsprechende Zustände unserer Seen ergänzt werden, und die Bewohner der Fluthen, des Luftreiches und des Waldrevieres unterlassen auch nicht, ihre Vorgefühle in eigener Weise zu verkünden. So haben wir auch seit Jahr und Tag Gelegenheit, die Vorzeichen der politischen Stürme zu beobachten und die verschiedenen Wirkungen entfernter Gewitter anzusehen, freilich nicht an Vögeln und Fischen, sondern an den vielen Fremden, die sich als Flüchtlinge eingefunden haben, oder als Reisende aller Art unsere Cantone durchkreuzen. Die nicht- deutschen Exulanten haben hierin den Vorzug; es ist, als ob die Revolution eine eigene Elektricität habe, welche in unsichtbaren Strömungen über Gebirg und Wasser dringt und die Nerven der Revolutionsmänner angreift, während die Conservativen Nichts verspüren und nur an dem Benehmen ihrer Nachbarn merken, daß das revolutionäre Element irgendwo heftig gespannt ist oder sich entladen hat. Die Verbindung ist jedoch auch eine ganz un- mittelbare, — zwar nicht durch Drähte hergestellt, sondern durch Leute jedes Standes und Alters, die einen ununterbrochenen Verkehr unterhalten und ihren Dienst mit musterhaftem Eifer versehen. Gerade jetzt glimmt das Feuer in manchem Auge wieder un- heimlicher, denn in Frankreich hat die revolutionäre Spannung eine beträchtliche Stärke erlangt und irgend ein beihelfender Zu- fall, wie sie das Schicksal in den letzten Jahren so häufig herbei- geführt hat, kann das Losbrechen bewirken. Schon vor zwei Monaten, als ich die Gegenden am Doubs und der Jll besuchte, fand ich durchgängig bei dem Volke die Meinung verbreitet, daß ein Zusammenstoß bevorstehe und ohne Zweifel hat die römische Frage die Krisis näher gerückt. Sey dem, wie ihm wolle, so viel ist gewiß, daß die Hoffnungen der flüchtigen Revolution gewachsen sind und daß sich diese auf Frankreich gründen. Jtalien. Rom 23. September. Von diesem Tage läßt sich der „ Con- stitutionnel,“ ein sicherlich unbefangenes französisches Blatt schrei- ben: „Während der letzten Tage der römischen Republik war Mord das gewöhnliche Auskunstsmittel der geheimen Gesellschaften. Unsichtbare Leiter beauftragten berauschte, gemiethete Mörder mit der Ausführung ihrer schwarzen Plane. Gewöhnlich fand man einen Vorwand, um solche Abscheulichkeiten zu beschönigen. Einmal war das gefallene Opfer ein Spion, das andere Mai ein Verräther, den der Volksunwille gerichtet hatte. Die Mordthaten blieben anonym; die Mörder wurden nie officiell bekannt, und doch wagten sie in den Cafés und anderen öffent- lichen Orten sich ihrer Schandthaten laut zu rühmen. Die Executionen von St. Calixta sind in Abrede gezogen worden und doch ist nichts so authentisch. Ein Mann, wie ihn die

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Zitationshilfe: Beilage zum Mainzer Journal. Nr. 241. Mainz, 11. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal241b_1849/1>, abgerufen am 15.05.2024.