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Mainzer Journal. Nr. 255. Mainz, 26. Oktober 1849.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 255. Samstag, den 27. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 22. October. ( A. Z. ) So eben sind hier Briefe aus
Pesth angelangt, in denen von drei abermaligen Hinrichtungen
durch den Strang gemeldet wird. Dieser Vorfall wird hier seinen
schmerzlichen Eindruck nicht verfehlen; man glaubte schon sicher,
daß die kaiserliche Gnade mit menschenfreundlicher Eile Ungarn
erreicht habe. -- Es bestätigt sich, daß Graf Gyulai vom Kriegs-
ministerium zurück und Feldmarschall=Lieutenant Dahlen an seine
Stelle treten werde. Wie es heißt, war die Ursache des Rücktrit-
tes, daß sich Graf Gyulai mit dem militärischen Centralbureau,
welches unter den unmittelbaren Befehlen Sr. Maj. des Kaisers
steht, über einige Competenzfragen nicht verständigen konnte. Graf
Dahlen ist ein geborener Siebenbürger und steht im 69. Lebens-
jahre. Als 17jähriger Jüngling trat er in die Armee, in welcher
er die Feldzüge in Jtalien ( 1799 ) , in Deutschland 1805 und 1809,
in Rußland 1812, sowie die von 1813 und 1814 mitmachte --
eine lange Reihe ausgezeichneter Dienste. Seit dem Jahre 1825
lebte er, in höheren militärischen Stellungen, in Dalmatien, Un-
garn und Croatien. Er begleitete den Ban, als dieser im vorigen
Jahre den folgeschweren Zug über die Drave antrat. Zuletzt war
er Präsident des obersten Militärgerichtshofes.

"Die "Ostdeutsche Post" spricht sich nun auch aus über den
Vertrag für die neue provisorische Centralgewalt Deutschlands.
Sie sieht "keineswegs so schwarz in die Zukunft, wie mehrere
deutsche Blätter, welche den Vertrag über die interimistische Cen-
tralgewalt mit den allerhypochondrisch'sten Bemerkungen beglei-
ten." Sie erkennt in dem neuen Vertrage "einen großen positiven
Vortheil an: er stellt die Bundesverträge von 1815 wieder staats-
rechtlich fest." Nach Vorausschickung dieses Satzes fährt die
"Ostdeutsche Post" fort: "Täuschen wir uns nicht, die Bundes-
verträge waren aufgelöst. Die Nationalversammlung in Frank-
furt in dem übersprudelnden Gefühle ihrer anfänglichen Kraft,
in der Voraussetzung, daß sie Neues schaffen und durchführen
werde, hat sich um die alten Verträge wenig gekümmert. Sie
hätte sich auch wenig zu kümmern brauchen, wenn sie mit derselben
Kraft geendet hätte, mit der sie begonnen. Aber die Macht zer-
schmolz allmälig in ihren Händen, und als sie am Ende auseinan-
derstob, flatterten die Stricke in der Luft, es war der alte Bund
nicht mehr und ein neuer war nicht geschaffen worden. Das alte
Bundesverhältniß enthielt das Minimum deutscher Einheit; in der
Hoffnung das Maximum zu erreichen, hatte man das Minimum
halb verächtlich über Bord geworfen und da die Hoffnung ge-
scheitert ist -- so hatten wir in letzterer Zeit eigentlich gar nichts.
Das ist nun der unverkennbare Werth des Jnterims, daß es das
Minimum wieder herstellt, daß Absagungsbriefe a la Palazky
nicht mehr möglich sind unter dem Vorwande, die Revolution
habe die alten Verträge gesprengt. Der Jnterimsvertrag erklärt
und stellt fest, die Verträge bestehen zu Recht, der alte Reichsbo-
den bleibt mit allen seinen Rechten und Pflichten derselbe. Wir
glauben dies ist vor Allem das Wichtigste. Sey es ein Bundes-
staat, sey es ein Staatenbund, den man bilden will, die Haupt-
sache ist, daß man erst den Stoff, den Boden, den Län-
derumfang besitzt, welcher Deutschland bilden
soll.
Dieser Stoff, dieser Boden drohte verloren zu gehen,
verkürzt und geschwächt zu werden. Das Jnterim erobert ihn
wieder. Dies ist ein Verdienst, ein größeres Verdienst, als der
sogenannte Dreikönigsbund, der um eine Form zu retten ein
Drittel Deutschlands über Bord werfen wollte. Das Jnterim
ist kein Definitivum; wie letzteres sich aber auch gestalten möge,
zehn Mal lieber ist uns selbst der alte Bund, wenn er das ganze
Territorium umfaßt, als eine sogenannte Einheit, die
ein Drittel Deutschland den Slaven in die Arme
wirft.
"

München 24. October. ( N. M. Z. ) Wie wir so eben ver-
nehmen, werden Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Al-
brecht
diesen Abend in hiesiger Hauptstadt eintreffen und Jhr
Absteigequartier im "Bayrischen Hofe" nehmen. Ueber die Dauer
des Aufenthaltes Sr. k. k. Hoheit verlautet nichts Bestimmtes.
[ Der Erzherzog ist wahrscheinlich auf der Reise nach Mainz. ]

Stuttgart. Die Gesellschaft für nationale Aus-
wanderung und Colonisation
hier, welche von der k.
Regierung nach Genehmigung ihrer Statuten als juristische Per-
son anerkannt ist, hat so eben einen Landkauf von 200,000 Mor-
[Spaltenumbruch] gen in dem amerikanischen Freistaate Chile abgeschlossen und wird
von diesen in der Provinz Valdivia gelegenen Ländereien wieder
einen Theil zu dem billigen Preise von 1 fl. 45 kr. den württem-
bergischen Morgen in Abtheilungen von mindestens 20 Morgen
an einzelne Privaten abtreten. Das Land ist herrliches, mit Wie-
senplätzen vermischtes, fruchtbares Waldland in der gesundesten
Gegend der Welt, wo neben dem Waizen und der Kartoffel Wein
und die edelsten Obstsorten gedeihen. Der das Land durchströ-
mende, selbst für Seeschiffe fahrbare Fluß Trumao oder Nio
bueno, so wie die nahe See bieten die Mittel zum raschen Absatze
der Producte, wie Holz, Getreide und Fleisch. Jedermann, wel-
cher sich oder seinen Kindern ein Besitzthum sichern will, ist hier-
durch Gelegenheit geboten, auf höchst billige Weise ein Landgut
in Amerika zu erwerben, welches allmälig im Werthe steigt, so
zwar, daß die Gesellschaft sich erbietet, Denjenigen, welche inner-
halb 15 Jahren das Land nicht in Besitz nehmen, das eingelegte
Capital nebst Zins und Zinseszinsen zu fünf Procent mittelst jähr-
licher Verloosungen wieder zu erstatten, wodurch es sich zugleich
zu einer Geloanlage für größere und kleinere Summen empfiehlt,
da die Gesellschaft als Garantie eine entsprechende Caution bei
dem k. Ministerium des Jnnern niederlegt. Für die Güte und
Sicherheit der Sache dürfte insbesondere auch die Thatsache spre-
chen, daß außer einer Anzahl Privaten auch die k. württembergi-
sche Staatsregierung sich bereits mit 100 Länderscheinen zu je
35 fl. oder je 20 Morgen, mithin zusammen mit zweitausend
Morgen Land betheiligt hat und daß Herr Bankier Sigmund
Benedict hier Einzeichnungen und Einzahlungen hierfür entgegen-
nimmt.

Wie man vernimmt, hat der Kriegsminister General
v. Rüpplin in ersterer Eigenschaft dem Könige gestern seine
Entlassung eingereicht. Als wahrscheinlicher Nachfolger desselben
wird fast allgemein der bisherige Chef des Generalstabes, Oberst
Bauer in Ludwigsburg, ein sehr unterrichteter, allgemein ge-
achteter Offizier, genannt. -- Unsere Weinlese ist im vollen
Gange. Die Qualität fällt bedeutend besser aus, als man er-
wartet hatte, was man der gleichen Reife der Trauben zuschreibt.
-- Stuttgart bevölkert sich allmälig wieder. Viele der abwesen-
den Familien kehren nach der Hauptstadt zurück, welche sie vor
Monaten mit großen Besorgnissen verließen.

Ludwigsburg 23. October. ( L. Tagbl. ) Gestern Abend halb
10 Uhr ist hier ein tiefstehendes Nordlicht, in einer Ausdehnung
von ungefähr 30 Graden, gesehen worden, das gegen 20 Mi-
nuten lang andauerte, und bei dem die eigenthümliche Erschei-
nung wahrgenommen wurde, daß es weiße, hellleuchtende Strah-
lenbündel in die Höhe schoß, welche bis in die Gegend des
Polarsternes reichten. Wetterkundige wollen aus einer solchen
Erscheinung auf den einige Wochen später erfolgenden Eintritt
starker Kälte schließen.

Reutlingen 23. October. ( R. C. ) Vor wenigen Tagen pas-
sirte der Abgeordnete von Sulz, Stockmaier, unsere Stadt,
fröhlich und guter Dinge; warum sollte er aber nicht auch gut
aufgelegt seyn! nicht Jedem fliegen gebratene Tauben in den
Mund so wie ihm. Der Minister Römer hat Herrn Stockmaier
aus Dankbarkeit dafür, daß er von demselben des Hochverrathes
angeklagt worden war, ein angenehmes einträgliches Amt zuge-
sagt; derselbe soll nämlich auf Staatskosten Frankreich, Belgien
und England bereisen, um sich über das Gefängnißwesen dieser
Länder durch eigene Anschauung Kenntniß zu verschaffen. Wir
können den Grundsatz nur billigen, wenn ein Ministerium auch
aus den Reihen der Opposition talentvolle Männer für sich zu
verwenden sucht; allein einen anerkannten Ruf sollten sie dann
in dem Fache, wozu sie verwendet werden sollen, in jedem Falle
für sich haben!

Freiburg 23. October. ( S. M. ) Auch über die Studirenden
der Theologie, die dem Kampf mitmachten, oder sich sonst für die
revolutionäre Bewegung ausgesprochen haben, ist jetzt entschieden,
und zwar so, daß zehn ganz von der Theologie ausgeschlossen,
und ungefähr eben so viele, die dieses Spätjahr in das Seminar
kommen sollten, auf ein Jahr zurückgewiesen worden sind. Wie
ich höre, will man dem Mangel an Theologen durch Herbeizieh-
ung von württembergischen Geistlichen einigermaßen abhelfen.

Heidelberg 24. October. Wie man hört, hat der Erziehungs-
rath in Zürich beschlossen, Hagen als Professor der Geschichte
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 255. Samstag, den 27. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 22. October. ( A. Z. ) So eben sind hier Briefe aus
Pesth angelangt, in denen von drei abermaligen Hinrichtungen
durch den Strang gemeldet wird. Dieser Vorfall wird hier seinen
schmerzlichen Eindruck nicht verfehlen; man glaubte schon sicher,
daß die kaiserliche Gnade mit menschenfreundlicher Eile Ungarn
erreicht habe. — Es bestätigt sich, daß Graf Gyulai vom Kriegs-
ministerium zurück und Feldmarschall=Lieutenant Dahlen an seine
Stelle treten werde. Wie es heißt, war die Ursache des Rücktrit-
tes, daß sich Graf Gyulai mit dem militärischen Centralbureau,
welches unter den unmittelbaren Befehlen Sr. Maj. des Kaisers
steht, über einige Competenzfragen nicht verständigen konnte. Graf
Dahlen ist ein geborener Siebenbürger und steht im 69. Lebens-
jahre. Als 17jähriger Jüngling trat er in die Armee, in welcher
er die Feldzüge in Jtalien ( 1799 ) , in Deutschland 1805 und 1809,
in Rußland 1812, sowie die von 1813 und 1814 mitmachte —
eine lange Reihe ausgezeichneter Dienste. Seit dem Jahre 1825
lebte er, in höheren militärischen Stellungen, in Dalmatien, Un-
garn und Croatien. Er begleitete den Ban, als dieser im vorigen
Jahre den folgeschweren Zug über die Drave antrat. Zuletzt war
er Präsident des obersten Militärgerichtshofes.

„Die „Ostdeutsche Post“ spricht sich nun auch aus über den
Vertrag für die neue provisorische Centralgewalt Deutschlands.
Sie sieht „keineswegs so schwarz in die Zukunft, wie mehrere
deutsche Blätter, welche den Vertrag über die interimistische Cen-
tralgewalt mit den allerhypochondrisch'sten Bemerkungen beglei-
ten.“ Sie erkennt in dem neuen Vertrage „einen großen positiven
Vortheil an: er stellt die Bundesverträge von 1815 wieder staats-
rechtlich fest.“ Nach Vorausschickung dieses Satzes fährt die
„Ostdeutsche Post“ fort: „Täuschen wir uns nicht, die Bundes-
verträge waren aufgelöst. Die Nationalversammlung in Frank-
furt in dem übersprudelnden Gefühle ihrer anfänglichen Kraft,
in der Voraussetzung, daß sie Neues schaffen und durchführen
werde, hat sich um die alten Verträge wenig gekümmert. Sie
hätte sich auch wenig zu kümmern brauchen, wenn sie mit derselben
Kraft geendet hätte, mit der sie begonnen. Aber die Macht zer-
schmolz allmälig in ihren Händen, und als sie am Ende auseinan-
derstob, flatterten die Stricke in der Luft, es war der alte Bund
nicht mehr und ein neuer war nicht geschaffen worden. Das alte
Bundesverhältniß enthielt das Minimum deutscher Einheit; in der
Hoffnung das Maximum zu erreichen, hatte man das Minimum
halb verächtlich über Bord geworfen und da die Hoffnung ge-
scheitert ist — so hatten wir in letzterer Zeit eigentlich gar nichts.
Das ist nun der unverkennbare Werth des Jnterims, daß es das
Minimum wieder herstellt, daß Absagungsbriefe à la Palazky
nicht mehr möglich sind unter dem Vorwande, die Revolution
habe die alten Verträge gesprengt. Der Jnterimsvertrag erklärt
und stellt fest, die Verträge bestehen zu Recht, der alte Reichsbo-
den bleibt mit allen seinen Rechten und Pflichten derselbe. Wir
glauben dies ist vor Allem das Wichtigste. Sey es ein Bundes-
staat, sey es ein Staatenbund, den man bilden will, die Haupt-
sache ist, daß man erst den Stoff, den Boden, den Län-
derumfang besitzt, welcher Deutschland bilden
soll.
Dieser Stoff, dieser Boden drohte verloren zu gehen,
verkürzt und geschwächt zu werden. Das Jnterim erobert ihn
wieder. Dies ist ein Verdienst, ein größeres Verdienst, als der
sogenannte Dreikönigsbund, der um eine Form zu retten ein
Drittel Deutschlands über Bord werfen wollte. Das Jnterim
ist kein Definitivum; wie letzteres sich aber auch gestalten möge,
zehn Mal lieber ist uns selbst der alte Bund, wenn er das ganze
Territorium umfaßt, als eine sogenannte Einheit, die
ein Drittel Deutschland den Slaven in die Arme
wirft.

München 24. October. ( N. M. Z. ) Wie wir so eben ver-
nehmen, werden Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Al-
brecht
diesen Abend in hiesiger Hauptstadt eintreffen und Jhr
Absteigequartier im „Bayrischen Hofe“ nehmen. Ueber die Dauer
des Aufenthaltes Sr. k. k. Hoheit verlautet nichts Bestimmtes.
[ Der Erzherzog ist wahrscheinlich auf der Reise nach Mainz. ]

Stuttgart. Die Gesellschaft für nationale Aus-
wanderung und Colonisation
hier, welche von der k.
Regierung nach Genehmigung ihrer Statuten als juristische Per-
son anerkannt ist, hat so eben einen Landkauf von 200,000 Mor-
[Spaltenumbruch] gen in dem amerikanischen Freistaate Chile abgeschlossen und wird
von diesen in der Provinz Valdivia gelegenen Ländereien wieder
einen Theil zu dem billigen Preise von 1 fl. 45 kr. den württem-
bergischen Morgen in Abtheilungen von mindestens 20 Morgen
an einzelne Privaten abtreten. Das Land ist herrliches, mit Wie-
senplätzen vermischtes, fruchtbares Waldland in der gesundesten
Gegend der Welt, wo neben dem Waizen und der Kartoffel Wein
und die edelsten Obstsorten gedeihen. Der das Land durchströ-
mende, selbst für Seeschiffe fahrbare Fluß Trumao oder Nio
bueno, so wie die nahe See bieten die Mittel zum raschen Absatze
der Producte, wie Holz, Getreide und Fleisch. Jedermann, wel-
cher sich oder seinen Kindern ein Besitzthum sichern will, ist hier-
durch Gelegenheit geboten, auf höchst billige Weise ein Landgut
in Amerika zu erwerben, welches allmälig im Werthe steigt, so
zwar, daß die Gesellschaft sich erbietet, Denjenigen, welche inner-
halb 15 Jahren das Land nicht in Besitz nehmen, das eingelegte
Capital nebst Zins und Zinseszinsen zu fünf Procent mittelst jähr-
licher Verloosungen wieder zu erstatten, wodurch es sich zugleich
zu einer Geloanlage für größere und kleinere Summen empfiehlt,
da die Gesellschaft als Garantie eine entsprechende Caution bei
dem k. Ministerium des Jnnern niederlegt. Für die Güte und
Sicherheit der Sache dürfte insbesondere auch die Thatsache spre-
chen, daß außer einer Anzahl Privaten auch die k. württembergi-
sche Staatsregierung sich bereits mit 100 Länderscheinen zu je
35 fl. oder je 20 Morgen, mithin zusammen mit zweitausend
Morgen Land betheiligt hat und daß Herr Bankier Sigmund
Benedict hier Einzeichnungen und Einzahlungen hierfür entgegen-
nimmt.

Wie man vernimmt, hat der Kriegsminister General
v. Rüpplin in ersterer Eigenschaft dem Könige gestern seine
Entlassung eingereicht. Als wahrscheinlicher Nachfolger desselben
wird fast allgemein der bisherige Chef des Generalstabes, Oberst
Bauer in Ludwigsburg, ein sehr unterrichteter, allgemein ge-
achteter Offizier, genannt. — Unsere Weinlese ist im vollen
Gange. Die Qualität fällt bedeutend besser aus, als man er-
wartet hatte, was man der gleichen Reife der Trauben zuschreibt.
— Stuttgart bevölkert sich allmälig wieder. Viele der abwesen-
den Familien kehren nach der Hauptstadt zurück, welche sie vor
Monaten mit großen Besorgnissen verließen.

Ludwigsburg 23. October. ( L. Tagbl. ) Gestern Abend halb
10 Uhr ist hier ein tiefstehendes Nordlicht, in einer Ausdehnung
von ungefähr 30 Graden, gesehen worden, das gegen 20 Mi-
nuten lang andauerte, und bei dem die eigenthümliche Erschei-
nung wahrgenommen wurde, daß es weiße, hellleuchtende Strah-
lenbündel in die Höhe schoß, welche bis in die Gegend des
Polarsternes reichten. Wetterkundige wollen aus einer solchen
Erscheinung auf den einige Wochen später erfolgenden Eintritt
starker Kälte schließen.

Reutlingen 23. October. ( R. C. ) Vor wenigen Tagen pas-
sirte der Abgeordnete von Sulz, Stockmaier, unsere Stadt,
fröhlich und guter Dinge; warum sollte er aber nicht auch gut
aufgelegt seyn! nicht Jedem fliegen gebratene Tauben in den
Mund so wie ihm. Der Minister Römer hat Herrn Stockmaier
aus Dankbarkeit dafür, daß er von demselben des Hochverrathes
angeklagt worden war, ein angenehmes einträgliches Amt zuge-
sagt; derselbe soll nämlich auf Staatskosten Frankreich, Belgien
und England bereisen, um sich über das Gefängnißwesen dieser
Länder durch eigene Anschauung Kenntniß zu verschaffen. Wir
können den Grundsatz nur billigen, wenn ein Ministerium auch
aus den Reihen der Opposition talentvolle Männer für sich zu
verwenden sucht; allein einen anerkannten Ruf sollten sie dann
in dem Fache, wozu sie verwendet werden sollen, in jedem Falle
für sich haben!

Freiburg 23. October. ( S. M. ) Auch über die Studirenden
der Theologie, die dem Kampf mitmachten, oder sich sonst für die
revolutionäre Bewegung ausgesprochen haben, ist jetzt entschieden,
und zwar so, daß zehn ganz von der Theologie ausgeschlossen,
und ungefähr eben so viele, die dieses Spätjahr in das Seminar
kommen sollten, auf ein Jahr zurückgewiesen worden sind. Wie
ich höre, will man dem Mangel an Theologen durch Herbeizieh-
ung von württembergischen Geistlichen einigermaßen abhelfen.

Heidelberg 24. October. Wie man hört, hat der Erziehungs-
rath in Zürich beschlossen, Hagen als Professor der Geschichte
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 255. Samstag, den 27. October. 1849. Deutschland. Wien 22. October. ( A. Z. ) So eben sind hier Briefe aus Pesth angelangt, in denen von drei abermaligen Hinrichtungen durch den Strang gemeldet wird. Dieser Vorfall wird hier seinen schmerzlichen Eindruck nicht verfehlen; man glaubte schon sicher, daß die kaiserliche Gnade mit menschenfreundlicher Eile Ungarn erreicht habe. — Es bestätigt sich, daß Graf Gyulai vom Kriegs- ministerium zurück und Feldmarschall=Lieutenant Dahlen an seine Stelle treten werde. Wie es heißt, war die Ursache des Rücktrit- tes, daß sich Graf Gyulai mit dem militärischen Centralbureau, welches unter den unmittelbaren Befehlen Sr. Maj. des Kaisers steht, über einige Competenzfragen nicht verständigen konnte. Graf Dahlen ist ein geborener Siebenbürger und steht im 69. Lebens- jahre. Als 17jähriger Jüngling trat er in die Armee, in welcher er die Feldzüge in Jtalien ( 1799 ) , in Deutschland 1805 und 1809, in Rußland 1812, sowie die von 1813 und 1814 mitmachte — eine lange Reihe ausgezeichneter Dienste. Seit dem Jahre 1825 lebte er, in höheren militärischen Stellungen, in Dalmatien, Un- garn und Croatien. Er begleitete den Ban, als dieser im vorigen Jahre den folgeschweren Zug über die Drave antrat. Zuletzt war er Präsident des obersten Militärgerichtshofes. „Die „Ostdeutsche Post“ spricht sich nun auch aus über den Vertrag für die neue provisorische Centralgewalt Deutschlands. Sie sieht „keineswegs so schwarz in die Zukunft, wie mehrere deutsche Blätter, welche den Vertrag über die interimistische Cen- tralgewalt mit den allerhypochondrisch'sten Bemerkungen beglei- ten.“ Sie erkennt in dem neuen Vertrage „einen großen positiven Vortheil an: er stellt die Bundesverträge von 1815 wieder staats- rechtlich fest.“ Nach Vorausschickung dieses Satzes fährt die „Ostdeutsche Post“ fort: „Täuschen wir uns nicht, die Bundes- verträge waren aufgelöst. Die Nationalversammlung in Frank- furt in dem übersprudelnden Gefühle ihrer anfänglichen Kraft, in der Voraussetzung, daß sie Neues schaffen und durchführen werde, hat sich um die alten Verträge wenig gekümmert. Sie hätte sich auch wenig zu kümmern brauchen, wenn sie mit derselben Kraft geendet hätte, mit der sie begonnen. Aber die Macht zer- schmolz allmälig in ihren Händen, und als sie am Ende auseinan- derstob, flatterten die Stricke in der Luft, es war der alte Bund nicht mehr und ein neuer war nicht geschaffen worden. Das alte Bundesverhältniß enthielt das Minimum deutscher Einheit; in der Hoffnung das Maximum zu erreichen, hatte man das Minimum halb verächtlich über Bord geworfen und da die Hoffnung ge- scheitert ist — so hatten wir in letzterer Zeit eigentlich gar nichts. Das ist nun der unverkennbare Werth des Jnterims, daß es das Minimum wieder herstellt, daß Absagungsbriefe à la Palazky nicht mehr möglich sind unter dem Vorwande, die Revolution habe die alten Verträge gesprengt. Der Jnterimsvertrag erklärt und stellt fest, die Verträge bestehen zu Recht, der alte Reichsbo- den bleibt mit allen seinen Rechten und Pflichten derselbe. Wir glauben dies ist vor Allem das Wichtigste. Sey es ein Bundes- staat, sey es ein Staatenbund, den man bilden will, die Haupt- sache ist, daß man erst den Stoff, den Boden, den Län- derumfang besitzt, welcher Deutschland bilden soll. Dieser Stoff, dieser Boden drohte verloren zu gehen, verkürzt und geschwächt zu werden. Das Jnterim erobert ihn wieder. Dies ist ein Verdienst, ein größeres Verdienst, als der sogenannte Dreikönigsbund, der um eine Form zu retten ein Drittel Deutschlands über Bord werfen wollte. Das Jnterim ist kein Definitivum; wie letzteres sich aber auch gestalten möge, zehn Mal lieber ist uns selbst der alte Bund, wenn er das ganze Territorium umfaßt, als eine sogenannte Einheit, die ein Drittel Deutschland den Slaven in die Arme wirft. “ München 24. October. ( N. M. Z. ) Wie wir so eben ver- nehmen, werden Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Al- brecht diesen Abend in hiesiger Hauptstadt eintreffen und Jhr Absteigequartier im „Bayrischen Hofe“ nehmen. Ueber die Dauer des Aufenthaltes Sr. k. k. Hoheit verlautet nichts Bestimmtes. [ Der Erzherzog ist wahrscheinlich auf der Reise nach Mainz. ] Stuttgart. Die Gesellschaft für nationale Aus- wanderung und Colonisation hier, welche von der k. Regierung nach Genehmigung ihrer Statuten als juristische Per- son anerkannt ist, hat so eben einen Landkauf von 200,000 Mor- gen in dem amerikanischen Freistaate Chile abgeschlossen und wird von diesen in der Provinz Valdivia gelegenen Ländereien wieder einen Theil zu dem billigen Preise von 1 fl. 45 kr. den württem- bergischen Morgen in Abtheilungen von mindestens 20 Morgen an einzelne Privaten abtreten. Das Land ist herrliches, mit Wie- senplätzen vermischtes, fruchtbares Waldland in der gesundesten Gegend der Welt, wo neben dem Waizen und der Kartoffel Wein und die edelsten Obstsorten gedeihen. Der das Land durchströ- mende, selbst für Seeschiffe fahrbare Fluß Trumao oder Nio bueno, so wie die nahe See bieten die Mittel zum raschen Absatze der Producte, wie Holz, Getreide und Fleisch. Jedermann, wel- cher sich oder seinen Kindern ein Besitzthum sichern will, ist hier- durch Gelegenheit geboten, auf höchst billige Weise ein Landgut in Amerika zu erwerben, welches allmälig im Werthe steigt, so zwar, daß die Gesellschaft sich erbietet, Denjenigen, welche inner- halb 15 Jahren das Land nicht in Besitz nehmen, das eingelegte Capital nebst Zins und Zinseszinsen zu fünf Procent mittelst jähr- licher Verloosungen wieder zu erstatten, wodurch es sich zugleich zu einer Geloanlage für größere und kleinere Summen empfiehlt, da die Gesellschaft als Garantie eine entsprechende Caution bei dem k. Ministerium des Jnnern niederlegt. Für die Güte und Sicherheit der Sache dürfte insbesondere auch die Thatsache spre- chen, daß außer einer Anzahl Privaten auch die k. württembergi- sche Staatsregierung sich bereits mit 100 Länderscheinen zu je 35 fl. oder je 20 Morgen, mithin zusammen mit zweitausend Morgen Land betheiligt hat und daß Herr Bankier Sigmund Benedict hier Einzeichnungen und Einzahlungen hierfür entgegen- nimmt. Wie man vernimmt, hat der Kriegsminister General v. Rüpplin in ersterer Eigenschaft dem Könige gestern seine Entlassung eingereicht. Als wahrscheinlicher Nachfolger desselben wird fast allgemein der bisherige Chef des Generalstabes, Oberst Bauer in Ludwigsburg, ein sehr unterrichteter, allgemein ge- achteter Offizier, genannt. — Unsere Weinlese ist im vollen Gange. Die Qualität fällt bedeutend besser aus, als man er- wartet hatte, was man der gleichen Reife der Trauben zuschreibt. — Stuttgart bevölkert sich allmälig wieder. Viele der abwesen- den Familien kehren nach der Hauptstadt zurück, welche sie vor Monaten mit großen Besorgnissen verließen. Ludwigsburg 23. October. ( L. Tagbl. ) Gestern Abend halb 10 Uhr ist hier ein tiefstehendes Nordlicht, in einer Ausdehnung von ungefähr 30 Graden, gesehen worden, das gegen 20 Mi- nuten lang andauerte, und bei dem die eigenthümliche Erschei- nung wahrgenommen wurde, daß es weiße, hellleuchtende Strah- lenbündel in die Höhe schoß, welche bis in die Gegend des Polarsternes reichten. Wetterkundige wollen aus einer solchen Erscheinung auf den einige Wochen später erfolgenden Eintritt starker Kälte schließen. Reutlingen 23. October. ( R. C. ) Vor wenigen Tagen pas- sirte der Abgeordnete von Sulz, Stockmaier, unsere Stadt, fröhlich und guter Dinge; warum sollte er aber nicht auch gut aufgelegt seyn! nicht Jedem fliegen gebratene Tauben in den Mund so wie ihm. Der Minister Römer hat Herrn Stockmaier aus Dankbarkeit dafür, daß er von demselben des Hochverrathes angeklagt worden war, ein angenehmes einträgliches Amt zuge- sagt; derselbe soll nämlich auf Staatskosten Frankreich, Belgien und England bereisen, um sich über das Gefängnißwesen dieser Länder durch eigene Anschauung Kenntniß zu verschaffen. Wir können den Grundsatz nur billigen, wenn ein Ministerium auch aus den Reihen der Opposition talentvolle Männer für sich zu verwenden sucht; allein einen anerkannten Ruf sollten sie dann in dem Fache, wozu sie verwendet werden sollen, in jedem Falle für sich haben! Freiburg 23. October. ( S. M. ) Auch über die Studirenden der Theologie, die dem Kampf mitmachten, oder sich sonst für die revolutionäre Bewegung ausgesprochen haben, ist jetzt entschieden, und zwar so, daß zehn ganz von der Theologie ausgeschlossen, und ungefähr eben so viele, die dieses Spätjahr in das Seminar kommen sollten, auf ein Jahr zurückgewiesen worden sind. Wie ich höre, will man dem Mangel an Theologen durch Herbeizieh- ung von württembergischen Geistlichen einigermaßen abhelfen. Heidelberg 24. October. Wie man hört, hat der Erziehungs- rath in Zürich beschlossen, Hagen als Professor der Geschichte

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 255. Mainz, 26. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal255_1849/5>, abgerufen am 01.06.2024.