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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 87. Köln, 27. August 1848.

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eine Beschreibung alles Vorgefallenen in jenen frommtönenden Worten gab, die zauberisch, wie Glockengeläut in unser Ohr dringen, oder jenen Klängen ähnlich sind, die wir beim Sinken der Sonne vernehmen, wenn der Kuhhirt sein Horn bläst und die sanften Rinder westwärts treibt zu der Heimath.

In der Kölnischen Zeitung las ich denn auch Alles, was ich gesehen und was ich nicht gesehen. Wie dem Domzuge voran ein Musikkorps ritt und eine Abtheilung der Bürgerwehr, wie dann die Sängerchöre der Gymnasien kamen, die Gesangvereine, die Waisenkinder, die Dombauhütte mit ihrer Fahne und ihren Insignien, der Vorstand des Central-Dombauvereins, die auswärtigen Deputirten und zahllose Dombaufreunde, unsere alten, großen Meister darunter, unser ehrwürdiger Sulpiz, unser Cornelius und Kaulbach, und wie der Zug von Straße zu Straße wogend, den Herrn Erzbischof und die andern goldstrahlenden Würdeträger der Kirche in sich aufnahm, um unter feierlich-schönem Gesange sich endlich durch die Pforten des Domes in jene Riesenhalle zu ergießen, aus deren Fläche jene ragenden Säulen sprossen, die schlank, wie die Palmen des Mittags, ihre prächtige Wölbung tragen und den Staunenden fortreißen zu Jubel und Entzücken, daß es Menschen gab, die so Herrliches bauen und thürmen konnten mit ihren weißen winzigen Händen.

Alles dies las ich in der Kölnischen Zeitung und wie ich mich über die Reichhaltigkeit jener Festberichte freute, eben so sehr staunte ich über den Styl, in dem sie abgefaßt waren. Niemals wird es mir wohl gelingen, dergleichen nachzuahmen und zu erreichen. Schon bei dem ersten Worte dieser Skizzen habe ich es versucht, aber alle meine Anstrengungen waren umsonst; es fehlt mir die Weihe, die tieftraurige Frömmigkeit des Gemüthes, der säuselnde verzückte Pathos der Begeisterung und die in ewiger Auflösung begriffene Wehmuth einer unendlich fühlenden und empfindenden schönen Seele, kurz, es fehlt mir Alles. Ich sehe, daß ich "ein flaches modernes Weltkind" bin und melancholisch stiere ich hinab in mein großes, kohlschwarzes Dintenfaß.

Außer der Beschreibung des Festzuges las ich auch noch die Rede des Hrn. Dr. Everhard v. Groote, der im Namen des Vorstandes die ehrwürdigen Prälaten und die Vertreter Deutschlands und Preußens, so wie alle Genossen deutscher Stämme und Bewohner aller Gaue des Vaterlandes tausendmal willkommen hieß. Ich muß gestehen, ich habe ein Vorurtheil gegen jede Rede, die mit: "Genossen deutscher Stämme" und: "Gaue des deutschen Vaterlandes" anfängt; namentlich seit jener Rede auf dem Gürzenich, jener einfachen Rede eines einfachen Mannes, von allgemeiner Brüderlichkeit, bis an die äußersten Gränzen.

Nichtsdestoweniger las ich die Rede des Hrn. v. Groote mit Pietät. Ich las von "der Riesenschöpfung," wie Hr. Groote sagt, "bald nach jener Zeit als der Hohenstaufe Friedrich I. Europa durch seine Thaten erschütterte und der Erzbischof von Köln, den Raugrafen Reinold von Dassell an seiner Seite, -- ganz wie es jetzt Radetzky macht -- die italienischen Städte züchtigte und dem treulosen Mailand seinen Schatz entriß, über welchen der Dom sich wölbte." Alles dies las ich und wie dann am 14. August 1248 der erste Stein zu dem Baue gelegt wurde, und wie die Arbeit raschen Schrittes vorwärts ging und je weiter ich kam und je mehr sich die Beredsamkeit des Hrn. v. Groote entwickelte, desto ernster und tiefsinniger wurde ich, bis mir zuletzt, war es vor lauter Tiefsinn oder durch den Duft der Druckerschwärze, die Augen zufielen, ja, bis ich leise einschlief und auf den Sopha sank, die Kölnische Zeitung fromm gefalten in beiden Händen....

Selig schlummernd träumte ich die Groote'sche Rede zu Ende und ich bin fest überzeugt, daß ich sie tausendmal schöner träumte, als sie wirklich gehalten wurde und ich träumte auch noch den Fortgang und den Schluß der ganzen Feier, bis sich alles Volk wieder verlaufen hatte und bis ich gegen Abend mutterseelen allein unter den immer grauer und unheimlicher werdenden Pfeilern stand.

Weiß der Teufel, der Küster hatte mich eingeschlossen! Aengstlich wie eine Kirchenmaus polterte ich über Stühle und Bänke, durch alle Ecken und Winkel. Umsonst! Ich war gefangen.

Gottergeben setzte ich mich daher in einen alten harten Betstuhl und bildete mir ein, ich läge in den weichsten Kissen. Rings war Alles so märchenhaft still; ich sah die Säulen hinan und es war mir, als läge ich in einem alten nordamerikanischen Urwalde. Bald ging der Mond auf und zitternd fiel sein bleiches Licht durch die farbigen Scheiben. Das Laubgewinde des Chores blitzte von Gold und Smaragden; es war ein wunderschöner Anblick und in meinem Leben ist es mir nie wohler um's Herz gewesen. Schnell schwanden die Stunden; es schlug zehn und es schlug elf Uhr -- immer feierlicher und stiller wurde es. Da tönte es Mitternacht und es bebte der Dom bis hinab in den letzten Basaltblock. Ein Rauschen und Flüstern begann in dem Laubgewinde der Säulen, in den Bogen der riesigen Fenster, in dem heiligen Düster der Kapellen -- die Gräber öffneten sich und heraufstiegen in prangender Rüstung die todten Fürsten und Ritter verschollener Zeit und in langen, weihrauchduftenden Chorgewändern die Heroen der Kirche und weithin wogte der geisterhafte Zug, der graberstandene, und ihm voran schwebte eine himmlische Frau, ein stolzes, königliches Weib, rollende Welten ihre Augen, rollende Meerfluth ihr Diadem geschmücktes Haar und im Nu erkannte ich, daß es Niemand anderes sei, als die göttliche Maria von Medicis.

(Fortsetzung folgt.)

Zum Beweise, daß es noch Sklaven gibt:

Steckbrief.

Am 8. d. Vormittags sind die beiden Sklaven Christian Hansen und Hermann Jacob Axel Siewike aus der Festung entwichen und bis jetzt nicht wieder aufgegriffen worden.

Alle Militär- und Civilbehörden werden hiemittelst ersucht, auf die unten näher signalisirten Sklaven Christian Hansen und Herrmann Jacob Axel Siewike vigiliren und im Betretungsfalle dieselben gegen Erstattung der Kosten anher transportiren zu lassen.

Rendsburg, den 10. August 1848.

v. Abercron, Major und Platzkommandant.

[Deutschland]

gentheil. Je freisinniger die Institutionen, desto freier werden sich die heterogenen Elemente auseinander scheiden, desto mehr wird sich zeigen, wie nothwendiger die Trennung ist, desto mehr wird die Unfähigkeit der Berliner Politiker aller Parteien an den Tag kommen.

Wir wiederholen: Innerhalb Deutschlands mit den altpreußischen Provinzen zusammenzubleiben, dagegen hat die Rheinprovinz nichts einzuwenden; aber sie zwingen wollen, ewig innerhalb Preußens, gleichviel ob eines absolutistischen, eines konstitutionellen oder eines demokratischen Preußens zu bleiben, das hieße Deutschlands Einheit unmöglich machen, das hieße vielleicht sogar -- wir sprechen die allgemeine Stimmung des Volks aus, ein großes, schönes Gebiet für Deutschland verloren machen, während man es für Preußen erhalten will.

61 Wien, 21. August.

9 Uhr Abends. Die Stadt ist in drohender Aufregung; die Läden wurden früh geschlossen, je mehr Arbeiter in die Stadt geströmt kamen. Auf dem Graben, Kohlmarkt, unter den Tieflauben und fast in allen Straßen stehen Arbeiterklubs. Ich habe mich unter die Leute begeben und hörte die ärgsten Drohungen. "Wozu Fackelzüge, Beleuchtungen für den Kaiser, sagte man? Wir lassen uns keine Lohnherabsetzung gefallen." Das Wort "hängen" wurde dabei mit den bedeutendsten Personen in Verbindung gebracht. "Jetzt werden wir sie nicht mehr mit dem Gelde abziehen lassen, wir werden den Kerls zeigen, daß wir mächtig sind", hörte ich an vielen Stellen. Namentlich zeichneten sich die Frauen in dergleichen Reden aus. -- Die Nationalgarde ist überall in Bereitschaft und ich hörte manche sich äußern, man müsse der Sache ein Ende machen. Indessen dürfte dies nicht so leicht sein; unter den Wiener Arbeitern steckt die ganze österreichische Bevölkerung, d. h. Böhmen, Ungarn, Deutsche, Italiener, Croaten, Czekler, Illyrier, Serben u. s. w. Sie sind entschiedene, thatkräftige Leute. Die akademische Legion ist auf ihrer Seite; an Führern fehlts also nicht. -- Nach Schönbrunn konnte ich nicht gelangen; das Burgthor war gesperrt, die Wagen fuhren nicht mehr. -- Die ganze Aufregung ist durch einen Entschluß des Ministeriums vom 18. entstanden, wonach der Tagelohn von 20 auf 15 Kr. herabgesetzt worden ist, um die Geldmittel des Staats nicht zu erschöpfen. Durch ein am Abend angeheftetes, von dem Minister Schwarzer unterzeichnetes, durch die Arbeiter indessen überall herabgerissenes Plakat wird nun erklärt, daß das Ministerium bei der Herabsetzung des Lohns verharren müsse.

Nachdem Mittags die Aufregung begonnen, ließ der Gemeindeausschuß dem Oberkommandanten der Nationalgarde bedeuten, die Garde unter die Waffen zu rufen. Daher der Generalmarsch, daher aber auch die erhöhte Aufregung. -- Der Sicherheitsausschuß, durch das Ministerium wiederum mit voller Macht bekleidet, hat in seiner Permanenz, die ich eben verlasse, den Beschluß gefaßt, den Oberkommandanten vorfordern zu lassen, um Rechenschaft von ihm zu verlangen über das Verhalten der Garde und ihm zu bedeuten, daß er den Befehl zum Generalmarsch künftig von niemand anderem mehr zu empfangen habe, als vom Sicherheitausschuß; daß er nur allein unter diesem stehe. Ebenso wurde der Beschluß gefaßt, daß Militär sich nur auf ausdrücklichen Befehl des Sicherheitsausschusses der Stadt nähern dürfe. Der Gemeindeausschuß ist vernichtet; Sicherheitsausschuß und Reichstag werden künftig nunmehr allein in Wien herrschen; jede andere Gewalt ist durch den heutigen Tag annullirt, wenn die Kamarilla kein Kabinetsstückchen wagt. -- Wie ich eben höre, ist der Fackelzug unterblieben; alle Straßen sind wie gekehrt von Kavaleiren, man sieht nur Arbeiter, Studenten und Nationalgarden. Der Reichstag hält noch Sitzung, die Berichterstattung über die Finanzlage ward so eben abgethan. Ich werde Morgen das Nähere mittheilen.

Eine Arbeiter-Deputation hat den Minister Schwarzer aufgesucht, um von ihm die Zurücknahme des Beschlusses vom 18. und dessen heutige Bestätigung zu erlangen. Bis jetzt ist aber Schwarzer nirgends zu finden gewesen.

61 Wien, 21. Aug.

In der gestrigen Sitzung des Sicherheitsausschusses entwickelten sich unter den Anwesenden eine äußerst anziehende, höchst stürmische Debatte darüber, ob der Beschluß des Ausschusses, eine Adresse an die äußerste Frankfurter Linke zu senden aufrecht zu erhalten oder zu annulliren sei. Die vielen Anfeindungen des Ausschusses, die Frage, ob der Ausschuß dadurch nicht im Volke den Boden verlieren würde, hatte diese Debatte hervorgerufen.

In einer feurig-geistreichen Rede bewies Wessely, daß, obgleich die Adresse vom demokratischen Vereine dem Ausschusse vorgelegt worden, man, wie gesagt werde, durch ihre Annahme dennoch nicht im Schlepptau dieses Vereines gehe, weil es überhaupt nicht darauf ankomme, woher die guten Vorschläge und Thaten kämen, sondern nur darauf, daß sie ausgeführt würden.

Das Frankfurter Parlament habe leider gezeigt, daß es kein demokratisches sei, es habe durch die Mißhandlung Brentano's bewiesen, daß es nichts verdiene, als die Entrüstung aller edlen deutschen Herzen und diese Entrüstung müsse der Ausschuß aussprechen, weil er als ein demokratisches Institut Deutschlands solchen unwürdigen Thaten mit Gleichgültigkeit nicht zusehen dürfe, ohne an der Demokratie Verräther zu werden. Auf die Worte der Adresse komme es übrigens weniger an, als darauf, daß sie selbst abgehe. Was die Zuständigkeit des Ausschusses betreffe, so könne darüber kein Zweifel sein. Der Ausschuß sei ein Kind der Revolution, hervorgegangen aus dem 26. Mai, wo er allein ein obrigkeitliches Ansehen zu erringen gewußt. Der Ausschuß müsse eine permanente Revolution bleiben, so lange er bestehe; er habe Minister gestürzt und neue erhoben, er müsse auf der Warte der Freiheit stehen und von dieser Warte herab sähe er auch dem Schauspiel in Frankfurt zu. (Ungeheurer, nicht enden wollender Beifall im Saale und von den Galerien.)

Lichtenstern spricht gegen die Adresse, weil man gegen eine oberste Behörde, als welche man das Frankfurter Parlament zu betrachten habe, nicht auftreten könne.

Freund: Die Frage sei wichtig; es sei zwar eine Einfältigkeit zu sagen, der Ausschuß lasse sich vom demokratischen Vereine ins Schlepptau nehmen, allein der Ausschuß könne sich seines Erachtens doch nicht als Partei hinstellen und müsse qua Ausschuß die Adresse vermeiden. Wenn der Wiener Ausschuß eine Adresse erlasse, so bedeute dies etwas mehr, als die Adressen bloßer Vereine, denn es ständen 50,000 bewaffnete Nationalgarden hinter dieser Wiener Adresse, vor welcher das Frankfurter Parlament doch einigen Respekt haben müsse und auf welche sich diejenigen, welche ihn zu sprengen Luft trügen, wohl berufen könnten.

Willner, Abgesandter der akademischen Legion: Bei dem Erstreben der Freiheit komme es auf Verstand und Herz an, nicht blos auf den Verstand, wie ein Vorgänger gemeint. Auch die Kamarilla habe Verstand und das größte Unglück Deutschlands sei es eben, daß die Frankfurter lauter herzlose Theoretiker seien, lederne Pergamente. Durch eine kräftige Einsprache aller demokratischen Körper Deutschlands werde dessen Einheit keineswegs geschwächt, sondern nur verwirklicht; das Frankfurter Parlament aber stelle diese Einheit durchaus nicht dar. Wien stehe über Frankfurt, denn es bewahre die Demokratie, während Frankfurt sie mit Füßen trete; auf etwas Anderes komme es dabei nicht an; Wien müsse daher sein Augenmerk auf Frankfurt richten, ihm die ernste Miene zeigen. Nur die Linke befördere die Einheit Deutschlands; die Rechte gewähren lassen, würde auch Deutschlands Oesterreich erdrosseln machen, wie Brentano. (Ungeheurer, viele Minuten dauernder Beifall.) Ob Wien nicht Verwahrung einlegen würde, wenn in seinem Reichstag Deputirte geprügelt würden? (Ungeheurer Beifall.) -- Das ganze Volk von Wien würde diese Adresse unterschreiben; der Ausschuß habe bei seiner Gründung auf das Recht, Adressen zu entsenden, niemals verzichtet. Die heute vorgelegte Adresse enthalte eine Perfidie, weil in der Ueberschrift das Wort äußerste vor Linke weggelassen sei. Wenn dieser Tag des Ausschusses Ende bestimmen sollte, so ende er mit Ruhm, denn er nehme dann ein demokratisches Ende. (Ungeheurer Beifall.) Eine Deputation der Mariahilfer Nationalgarde (Vorstadt) betritt den Saal und es entsteht, da auch draußen große Menschenmassen die Straßen sperren, eine gewaltige Aufregung. Der Ausschuß will die Deputation anfangs nicht hören, gibt dann aber nach. Sie ist vom 8ten Bezirke und sagt: Obgleich die Republik unser Ideal ist, können wir jetzt doch noch keine wollen, aber das Frankfurter Parlament hat unsere Errungenschaften verrathen. Wir müssen es tadeln, zurechtweisen, indem wir Diejenigen anerkennen, die sich Deutschlands Freiheit würdig bezeigen. Es muß also jedenfalls eine Adresse an die Linke erlassen werden, nicht aber an die äußerste Linke, weil wir vorläufig noch nicht mit den Fäusten zu reden gedenken. Keine Republik mit der Faust, bis nichts anderes mehr übrig bleibt. (Großer Beifall.)

Sylvester: Das Wort äußerste müsse dabei bleiben. Auch eine Behörde könne Adressen erlassen und dies dürfe hier nicht als Auflehnung ausgelegt werden.

Nach der Reihe treten noch mehrere Redner pro und contra auf, bis zuletzt abgestimmt und der Beschluß, eine Adresse an die Frankfurter äußerste Linke zu senden nur mit der Modifikation aufrecht erhalten wird, das Wort äußerste zu vermeiden. Die Adresse wird den 230 Kompagnieen der Nationalgarde zur Unterschrift vorgelegt und ein großer Theil des Reichstags wird sie ebenfalls unterzeichnen. -- Die Kamarilla ist über diese Vorgänge in Verzweiflung und sucht nun den Spießbürger aufzuhetzen.

In der heutigen Morgensitzung kam der Fortbestand des Ausschusses zur stürmischen Berathung. Auf Anstiften der Kamarilla ward der Arbeitslohn um 5 Cr. herabgesetzt; die Arbeiter dringen von allen Seiten in die Stadt. Der Sicherheitsausschuß, ohne dessen Bewilligung ein solcher Beschluß nicht zur Ausführung gebracht werden konnte, nimmt sich ihrer an, sieht aber in seiner Uebergehung eine Verletzung seiner Stellung. Er erklärt sich in Permanenz. Eine Deputation wird abgesendet und überbringt nach kurzer Zeit folgenden Entscheid Dobblhoff's:

"Der Minister des Innern hat heute auf die an ihn gestellte Frage über die Stellung und Mission des Vereinigten Ausschusses der abgesendeten Deputation eröffnet: daß seiner Ansicht nach der Vereinigte Ausschuß weder in seiner bisherigen Stellung noch in seiner ihm übertragenen Aufgabe irgend welche Modification erlitten habe, er müsse daher an die Bürgerpflicht des Ausschusses die Forderung stellen, daß derselbe seine Aufgabe so wie bisher auch fortan und namentlich in der bestehenden jetzigen schwierigen Lage mit der Aufopferung erfülle, wie er es bisher gethan hat."

Dobblhoff mochte einsehen, daß auch er falle, wenn er den Ausschuß fallen lasse.

Ich theile Ihnen zum Schluß die oben besprochene Adresse mit; sie lautet:

"An die Vorfechter deutscher Freiheit,
an die Deputirten der Linken
im Frankfurter-Parlamente!

"Die Demokraten Wiens, entrüstet über die mannichfachen Anfeindungen und terroristischen Angriffe, welche die Vertreter der wirklichen und wahren Volksfreiheit von Seite der dinastischen Partei in der Nationalversammlung sowohl als außer derselben zu erleiden hatten, und noch haben, -- und in der Ueberzeugung, daß die von der äußersten Linken in Frankfurt vertretenen und standhaft verfochtenen Principien die einzige mögliche Grundlage für Deutschlands Freiheit und Einheit seien, fühlen sich gedrungen diesen edlen, wahren Volksvertretern öffentlich vor ganz Deutschland den Ausdruck ihrer wärmsten Sympathieen hierdurch mit aller Entschiedenheit freier Männer auszudrücken."

Wien am 16. August 1848.

61 Wien, 21. Aug.

27. Sitzung des Reichstags. Anfang 9 1/4 Uhr. Vorsitz: Strobach. Tagesordnung: Ablesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung; Berichte des Petitionsausschusses; Verhandlung über den Antrag Kudlich's u. s. w.

Petranowich interpellirt den Minister des Innern, ob nicht-ungarische Truppen an dem Kampfe wider die Kroaten Theil nähmen, wie es verlaute, und ob das Ministerium solche Truppen nicht zurückzuziehen gedenke.

Dobblhoff: Es sei ihm nicht bekannt, daß in Syrmien deutsche Regimenter stehen; wegen Rückberufung deutscher Offiziere in der ungarischen Armee sei aber das Nöthige bereits eingeleitet.

Ein Abgeorneter: Nach einem Vertrage beziehen Preußen und Rußland jährlich ein halb Million Centner Salz zu dem Preise von 3 Fl. 40 Kr., während der Oestreicher 6 Fl. 48 Kr. dafür bezahlen müsse. Er frage darum an, wie lange dieser Vertrag noch dauere, ob das Ministerium dies auffallende Mißverhältniß nicht sofort ändern wolle und ob es die gesättigten der Weichsel in gedeckten Kanälen zufließenden Salinen nicht freizugeben gesonnen sei.

Finanzminister Kraus: Er müsse wegen des Vertrags erst die Akten nachsehen; es würde eine Verminderung des Salzpreises bald eingeführt werden, damit werde die Frage über Freigebung des Salzwassers erledigt werden.

Bei der nun folgenden Berichterstattung des Petitionsausschusses nimmt eine Eingabe die Aufmerksamkeit der Versammlung hoch in Anspruch, in welcher mehrere Einwohner von Prag und Umgebung den Minister Doblhoff und das Gesammtministerium in Anklagestand versetzen, indem sie es des Hochverraths für schuldig erklären. (Allgemeine Aufregung. Ruf: Noch einmal lesen.) Es geschieht. Die Gründe der Anklage sind: Doblhoff habe das Ministerium ohne Rücksicht auf die Provinzen gebildet, weil er Schwarzer darin aufgenommen, weil er ohne Genehmigung einen Unterstaatssekretär ernannt, weil er sich um die Gunst der Journale bewerbe, weil er den Grafen Leo Thun abgesetzt und die Stelle eines niederöstreichischen Regierungspräsidenten noch nicht besetzt habe, weil es den Grafen Rothkirch zum Gouverneur in Böhmen ernannt und die Güter Metternichs zu Gunsten des Staats noch nicht sequestrirt habe. Diese Petition wird ad acta gelegt. In einer andern Eingabe bitten die Maschinenarbeiter, ein abgesondertes Korps der Nationalgarde bilden zu dürfen. Der Petitionsausschuß trägt auf Verweisung an den Minister des Innern an. Auf den Antrag Brauners weist die Versammlung dieselbe dem Konstitutionsausschusse zu.

Pillersdorff sucht als Berichterstatter der Finanzkommission den in einer frühern Sitzung gegebenen Bericht des Finanzausschusses zu begründen. Er will, da die Nothwendigkeit es erheische, daß dem Minister Kraus bewilligt werde, einstweilen 6 Millionen bei der Bank zu leihen; er will ferner die Errichtung eines permanenten Finanzausschusses, um die Vorarbeiten für das künftig zu befolgende System zu liefern.

Schuselka: Er spreche für den Antrag, weil Roth kein Gebot kenne.(!) Doch sei weder der Bericht des Finanzministers, noch der der Kommission den Zeitbedürfnissen entsprechend, weil beide sich im alten Systeme bewegten und keiner einen energischen, sozialen Gedanken enthielten. Aber wenn die Nothwendigkeit gebiete, müßten alle Rücksichten schweigen, obwohl der Reichstag sich mit Bewilligung eines Kredits nicht überrumpeln lassen solle u. s. w. Die Rede ist wie die aller Stellenjäger, die den Mund voller Völkerbeglückung haben, die entgegengesetzten Thaten aber genehmigen und damit die große Masse der dummen Schafe für sich zu ködern meinen.

Gobbi (Triest) will den Anspruch, daß der Reichstag die Staatsschuld für unantastbar erkläre und die Bank ehestens in die Lage versetzt werde, ihre Noten wieder einzulösen. Der 7. Punkt im Berichte des Ausschusses sei unbillig und ungerecht, da nur Karl Albert die Millionen zu zahlen habe, die der Krieg gekostet, nicht die Lombardei. Die Schuld des Landes reiche nur bis zum Eintritte Karl Alberts und müsse von da an auf ihn gewälzt werden, weil Karl Albert nur mit despotischen Gelüsten in die Lombardei getreten und dadurch, und weil er verrätherische Vorspiegelungen gemacht, es verhindert habe, daß Italien sich der Wiener Revolution angeschlossen u. s. w.

Bilieski findet es sonderbar, daß die Kommission sich für Benutzung der Bank ausspreche, nachdem sie vor wenigen Tagen sich erst dagegen erklärt habe; er spreche sich für eine Spezial-Hypothek auf die Staats- und geistlichen Güter aus, weil Karl Alberts Belastung mit den Kriegskosten nicht viel und namentlich nicht alsogleich etwas einbringen würde, die italienischen Provinzen aber mit dieser Last nicht besteuert werden dürften.

Faschonk: Man müsse schon von Frankreich, nicht vom wucherischen Albion gelernt haben den Menschenwerth zu achten; er will kein Geld, er will Boden, Produkte und Personen als Münze. Er theile die Meinung, daß die Gefahr eines Staatsbankerotts bevorstehe, es sei aber auch bisher nur eine Finanzwirthschaft, und keine Finanzwissenschaft betrieben worden und bei der letzten handle es sich vor Allem, wie man die Menschen von ihren Abgaben befreie. Daß der Ausschuß Ersatz von Italien verlange, müsse er als eine Barbarei ansehen und es stimme schlecht mit der Angabe überein, Oesterreich werde Befreier Italiens sein. Den Staatskredit benützen, erscheine ihm lächerlich, wenn man damit wieder die Bank oder die Stockjoberei Einzelner meine Es freue ihn zwar, daß man den Kredit nur in dem Vertrauen auf die Nation Oesterreichs suche, aber Vertrauen fordere Thaten. Er ist gegen die Pläne des Ausschusses und will andere entwickeln. Der Präsident entzieht ihm unter dem Vorgeben das Wort, es handle sich heute nur um den Antrag der Kommission.

Bressel: Wenn die Versammlung heute schon die Staatsschuld anerkenne, so seien Italien und Ungarn, weil sie hier nicht vertreten, davon entbunden Dies gehe also nicht. Aber die Versammlung müsse auf Mittel denken, augenblicklich Geld zu schaffen; es handle sich vorläufig noch gar nicht um ein neues Finanzsystem, nicht um Regelung des Staatshaushalts; es handle sich davon, den Staatshaushalt nicht in's Stocken gerathen zu lassen.

61 Wien, 22. August.

Die Hauptstadt ist noch einmal vor einem blutigen Geschick bewahrt worden, sie hat noch einmal einen großen demokratischen Sieg errungen und diesen Sieg verdankt sie der Besonnenheit, dem tüchtigen Freisinn ihrer revolutionären Bürger, vor allem dem Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und Studenten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Volksfreiheit. Ich habe einen großen Theil der Nacht und des heutigen Morgens im Ausschusse zugebracht und die Ueberzeugung gewonnen, daß Wiens Freiheit geschirmt ist. Während die Frankfurter Gesinnungsritter sich bei Ihnen mit dem Königthum in einem Dombau-Essen festlich verbrüdert und die Fabrik- und

eine Beschreibung alles Vorgefallenen in jenen frommtönenden Worten gab, die zauberisch, wie Glockengeläut in unser Ohr dringen, oder jenen Klängen ähnlich sind, die wir beim Sinken der Sonne vernehmen, wenn der Kuhhirt sein Horn bläst und die sanften Rinder westwärts treibt zu der Heimath.

In der Kölnischen Zeitung las ich denn auch Alles, was ich gesehen und was ich nicht gesehen. Wie dem Domzuge voran ein Musikkorps ritt und eine Abtheilung der Bürgerwehr, wie dann die Sängerchöre der Gymnasien kamen, die Gesangvereine, die Waisenkinder, die Dombauhütte mit ihrer Fahne und ihren Insignien, der Vorstand des Central-Dombauvereins, die auswärtigen Deputirten und zahllose Dombaufreunde, unsere alten, großen Meister darunter, unser ehrwürdiger Sulpiz, unser Cornelius und Kaulbach, und wie der Zug von Straße zu Straße wogend, den Herrn Erzbischof und die andern goldstrahlenden Würdeträger der Kirche in sich aufnahm, um unter feierlich-schönem Gesange sich endlich durch die Pforten des Domes in jene Riesenhalle zu ergießen, aus deren Fläche jene ragenden Säulen sprossen, die schlank, wie die Palmen des Mittags, ihre prächtige Wölbung tragen und den Staunenden fortreißen zu Jubel und Entzücken, daß es Menschen gab, die so Herrliches bauen und thürmen konnten mit ihren weißen winzigen Händen.

Alles dies las ich in der Kölnischen Zeitung und wie ich mich über die Reichhaltigkeit jener Festberichte freute, eben so sehr staunte ich über den Styl, in dem sie abgefaßt waren. Niemals wird es mir wohl gelingen, dergleichen nachzuahmen und zu erreichen. Schon bei dem ersten Worte dieser Skizzen habe ich es versucht, aber alle meine Anstrengungen waren umsonst; es fehlt mir die Weihe, die tieftraurige Frömmigkeit des Gemüthes, der säuselnde verzückte Pathos der Begeisterung und die in ewiger Auflösung begriffene Wehmuth einer unendlich fühlenden und empfindenden schönen Seele, kurz, es fehlt mir Alles. Ich sehe, daß ich „ein flaches modernes Weltkind“ bin und melancholisch stiere ich hinab in mein großes, kohlschwarzes Dintenfaß.

Außer der Beschreibung des Festzuges las ich auch noch die Rede des Hrn. Dr. Everhard v. Groote, der im Namen des Vorstandes die ehrwürdigen Prälaten und die Vertreter Deutschlands und Preußens, so wie alle Genossen deutscher Stämme und Bewohner aller Gaue des Vaterlandes tausendmal willkommen hieß. Ich muß gestehen, ich habe ein Vorurtheil gegen jede Rede, die mit: „Genossen deutscher Stämme“ und: „Gaue des deutschen Vaterlandes“ anfängt; namentlich seit jener Rede auf dem Gürzenich, jener einfachen Rede eines einfachen Mannes, von allgemeiner Brüderlichkeit, bis an die äußersten Gränzen.

Nichtsdestoweniger las ich die Rede des Hrn. v. Groote mit Pietät. Ich las von „der Riesenschöpfung,“ wie Hr. Groote sagt, „bald nach jener Zeit als der Hohenstaufe Friedrich I. Europa durch seine Thaten erschütterte und der Erzbischof von Köln, den Raugrafen Reinold von Dassell an seiner Seite, — ganz wie es jetzt Radetzky macht — die italienischen Städte züchtigte und dem treulosen Mailand seinen Schatz entriß, über welchen der Dom sich wölbte.“ Alles dies las ich und wie dann am 14. August 1248 der erste Stein zu dem Baue gelegt wurde, und wie die Arbeit raschen Schrittes vorwärts ging und je weiter ich kam und je mehr sich die Beredsamkeit des Hrn. v. Groote entwickelte, desto ernster und tiefsinniger wurde ich, bis mir zuletzt, war es vor lauter Tiefsinn oder durch den Duft der Druckerschwärze, die Augen zufielen, ja, bis ich leise einschlief und auf den Sopha sank, die Kölnische Zeitung fromm gefalten in beiden Händen‥‥

Selig schlummernd träumte ich die Groote'sche Rede zu Ende und ich bin fest überzeugt, daß ich sie tausendmal schöner träumte, als sie wirklich gehalten wurde und ich träumte auch noch den Fortgang und den Schluß der ganzen Feier, bis sich alles Volk wieder verlaufen hatte und bis ich gegen Abend mutterseelen allein unter den immer grauer und unheimlicher werdenden Pfeilern stand.

Weiß der Teufel, der Küster hatte mich eingeschlossen! Aengstlich wie eine Kirchenmaus polterte ich über Stühle und Bänke, durch alle Ecken und Winkel. Umsonst! Ich war gefangen.

Gottergeben setzte ich mich daher in einen alten harten Betstuhl und bildete mir ein, ich läge in den weichsten Kissen. Rings war Alles so märchenhaft still; ich sah die Säulen hinan und es war mir, als läge ich in einem alten nordamerikanischen Urwalde. Bald ging der Mond auf und zitternd fiel sein bleiches Licht durch die farbigen Scheiben. Das Laubgewinde des Chores blitzte von Gold und Smaragden; es war ein wunderschöner Anblick und in meinem Leben ist es mir nie wohler um's Herz gewesen. Schnell schwanden die Stunden; es schlug zehn und es schlug elf Uhr — immer feierlicher und stiller wurde es. Da tönte es Mitternacht und es bebte der Dom bis hinab in den letzten Basaltblock. Ein Rauschen und Flüstern begann in dem Laubgewinde der Säulen, in den Bogen der riesigen Fenster, in dem heiligen Düster der Kapellen — die Gräber öffneten sich und heraufstiegen in prangender Rüstung die todten Fürsten und Ritter verschollener Zeit und in langen, weihrauchduftenden Chorgewändern die Heroen der Kirche und weithin wogte der geisterhafte Zug, der graberstandene, und ihm voran schwebte eine himmlische Frau, ein stolzes, königliches Weib, rollende Welten ihre Augen, rollende Meerfluth ihr Diadem geschmücktes Haar und im Nu erkannte ich, daß es Niemand anderes sei, als die göttliche Maria von Medicis.

(Fortsetzung folgt.)

Zum Beweise, daß es noch Sklaven gibt:

Steckbrief.

Am 8. d. Vormittags sind die beiden Sklaven Christian Hansen und Hermann Jacob Axel Siewike aus der Festung entwichen und bis jetzt nicht wieder aufgegriffen worden.

Alle Militär- und Civilbehörden werden hiemittelst ersucht, auf die unten näher signalisirten Sklaven Christian Hansen und Herrmann Jacob Axel Siewike vigiliren und im Betretungsfalle dieselben gegen Erstattung der Kosten anher transportiren zu lassen.

Rendsburg, den 10. August 1848.

v. Abercron, Major und Platzkommandant.

[Deutschland]

gentheil. Je freisinniger die Institutionen, desto freier werden sich die heterogenen Elemente auseinander scheiden, desto mehr wird sich zeigen, wie nothwendiger die Trennung ist, desto mehr wird die Unfähigkeit der Berliner Politiker aller Parteien an den Tag kommen.

Wir wiederholen: Innerhalb Deutschlands mit den altpreußischen Provinzen zusammenzubleiben, dagegen hat die Rheinprovinz nichts einzuwenden; aber sie zwingen wollen, ewig innerhalb Preußens, gleichviel ob eines absolutistischen, eines konstitutionellen oder eines demokratischen Preußens zu bleiben, das hieße Deutschlands Einheit unmöglich machen, das hieße vielleicht sogar — wir sprechen die allgemeine Stimmung des Volks aus, ein großes, schönes Gebiet für Deutschland verloren machen, während man es für Preußen erhalten will.

61 Wien, 21. August.

9 Uhr Abends. Die Stadt ist in drohender Aufregung; die Läden wurden früh geschlossen, je mehr Arbeiter in die Stadt geströmt kamen. Auf dem Graben, Kohlmarkt, unter den Tieflauben und fast in allen Straßen stehen Arbeiterklubs. Ich habe mich unter die Leute begeben und hörte die ärgsten Drohungen. „Wozu Fackelzüge, Beleuchtungen für den Kaiser, sagte man? Wir lassen uns keine Lohnherabsetzung gefallen.“ Das Wort „hängen“ wurde dabei mit den bedeutendsten Personen in Verbindung gebracht. „Jetzt werden wir sie nicht mehr mit dem Gelde abziehen lassen, wir werden den Kerls zeigen, daß wir mächtig sind“, hörte ich an vielen Stellen. Namentlich zeichneten sich die Frauen in dergleichen Reden aus. — Die Nationalgarde ist überall in Bereitschaft und ich hörte manche sich äußern, man müsse der Sache ein Ende machen. Indessen dürfte dies nicht so leicht sein; unter den Wiener Arbeitern steckt die ganze österreichische Bevölkerung, d. h. Böhmen, Ungarn, Deutsche, Italiener, Croaten, Czekler, Illyrier, Serben u. s. w. Sie sind entschiedene, thatkräftige Leute. Die akademische Legion ist auf ihrer Seite; an Führern fehlts also nicht. — Nach Schönbrunn konnte ich nicht gelangen; das Burgthor war gesperrt, die Wagen fuhren nicht mehr. — Die ganze Aufregung ist durch einen Entschluß des Ministeriums vom 18. entstanden, wonach der Tagelohn von 20 auf 15 Kr. herabgesetzt worden ist, um die Geldmittel des Staats nicht zu erschöpfen. Durch ein am Abend angeheftetes, von dem Minister Schwarzer unterzeichnetes, durch die Arbeiter indessen überall herabgerissenes Plakat wird nun erklärt, daß das Ministerium bei der Herabsetzung des Lohns verharren müsse.

Nachdem Mittags die Aufregung begonnen, ließ der Gemeindeausschuß dem Oberkommandanten der Nationalgarde bedeuten, die Garde unter die Waffen zu rufen. Daher der Generalmarsch, daher aber auch die erhöhte Aufregung. — Der Sicherheitsausschuß, durch das Ministerium wiederum mit voller Macht bekleidet, hat in seiner Permanenz, die ich eben verlasse, den Beschluß gefaßt, den Oberkommandanten vorfordern zu lassen, um Rechenschaft von ihm zu verlangen über das Verhalten der Garde und ihm zu bedeuten, daß er den Befehl zum Generalmarsch künftig von niemand anderem mehr zu empfangen habe, als vom Sicherheitausschuß; daß er nur allein unter diesem stehe. Ebenso wurde der Beschluß gefaßt, daß Militär sich nur auf ausdrücklichen Befehl des Sicherheitsausschusses der Stadt nähern dürfe. Der Gemeindeausschuß ist vernichtet; Sicherheitsausschuß und Reichstag werden künftig nunmehr allein in Wien herrschen; jede andere Gewalt ist durch den heutigen Tag annullirt, wenn die Kamarilla kein Kabinetsstückchen wagt. — Wie ich eben höre, ist der Fackelzug unterblieben; alle Straßen sind wie gekehrt von Kavaleiren, man sieht nur Arbeiter, Studenten und Nationalgarden. Der Reichstag hält noch Sitzung, die Berichterstattung über die Finanzlage ward so eben abgethan. Ich werde Morgen das Nähere mittheilen.

Eine Arbeiter-Deputation hat den Minister Schwarzer aufgesucht, um von ihm die Zurücknahme des Beschlusses vom 18. und dessen heutige Bestätigung zu erlangen. Bis jetzt ist aber Schwarzer nirgends zu finden gewesen.

61 Wien, 21. Aug.

In der gestrigen Sitzung des Sicherheitsausschusses entwickelten sich unter den Anwesenden eine äußerst anziehende, höchst stürmische Debatte darüber, ob der Beschluß des Ausschusses, eine Adresse an die äußerste Frankfurter Linke zu senden aufrecht zu erhalten oder zu annulliren sei. Die vielen Anfeindungen des Ausschusses, die Frage, ob der Ausschuß dadurch nicht im Volke den Boden verlieren würde, hatte diese Debatte hervorgerufen.

In einer feurig-geistreichen Rede bewies Wessely, daß, obgleich die Adresse vom demokratischen Vereine dem Ausschusse vorgelegt worden, man, wie gesagt werde, durch ihre Annahme dennoch nicht im Schlepptau dieses Vereines gehe, weil es überhaupt nicht darauf ankomme, woher die guten Vorschläge und Thaten kämen, sondern nur darauf, daß sie ausgeführt würden.

Das Frankfurter Parlament habe leider gezeigt, daß es kein demokratisches sei, es habe durch die Mißhandlung Brentano's bewiesen, daß es nichts verdiene, als die Entrüstung aller edlen deutschen Herzen und diese Entrüstung müsse der Ausschuß aussprechen, weil er als ein demokratisches Institut Deutschlands solchen unwürdigen Thaten mit Gleichgültigkeit nicht zusehen dürfe, ohne an der Demokratie Verräther zu werden. Auf die Worte der Adresse komme es übrigens weniger an, als darauf, daß sie selbst abgehe. Was die Zuständigkeit des Ausschusses betreffe, so könne darüber kein Zweifel sein. Der Ausschuß sei ein Kind der Revolution, hervorgegangen aus dem 26. Mai, wo er allein ein obrigkeitliches Ansehen zu erringen gewußt. Der Ausschuß müsse eine permanente Revolution bleiben, so lange er bestehe; er habe Minister gestürzt und neue erhoben, er müsse auf der Warte der Freiheit stehen und von dieser Warte herab sähe er auch dem Schauspiel in Frankfurt zu. (Ungeheurer, nicht enden wollender Beifall im Saale und von den Galerien.)

Lichtenstern spricht gegen die Adresse, weil man gegen eine oberste Behörde, als welche man das Frankfurter Parlament zu betrachten habe, nicht auftreten könne.

Freund: Die Frage sei wichtig; es sei zwar eine Einfältigkeit zu sagen, der Ausschuß lasse sich vom demokratischen Vereine ins Schlepptau nehmen, allein der Ausschuß könne sich seines Erachtens doch nicht als Partei hinstellen und müsse qua Ausschuß die Adresse vermeiden. Wenn der Wiener Ausschuß eine Adresse erlasse, so bedeute dies etwas mehr, als die Adressen bloßer Vereine, denn es ständen 50,000 bewaffnete Nationalgarden hinter dieser Wiener Adresse, vor welcher das Frankfurter Parlament doch einigen Respekt haben müsse und auf welche sich diejenigen, welche ihn zu sprengen Luft trügen, wohl berufen könnten.

Willner, Abgesandter der akademischen Legion: Bei dem Erstreben der Freiheit komme es auf Verstand und Herz an, nicht blos auf den Verstand, wie ein Vorgänger gemeint. Auch die Kamarilla habe Verstand und das größte Unglück Deutschlands sei es eben, daß die Frankfurter lauter herzlose Theoretiker seien, lederne Pergamente. Durch eine kräftige Einsprache aller demokratischen Körper Deutschlands werde dessen Einheit keineswegs geschwächt, sondern nur verwirklicht; das Frankfurter Parlament aber stelle diese Einheit durchaus nicht dar. Wien stehe über Frankfurt, denn es bewahre die Demokratie, während Frankfurt sie mit Füßen trete; auf etwas Anderes komme es dabei nicht an; Wien müsse daher sein Augenmerk auf Frankfurt richten, ihm die ernste Miene zeigen. Nur die Linke befördere die Einheit Deutschlands; die Rechte gewähren lassen, würde auch Deutschlands Oesterreich erdrosseln machen, wie Brentano. (Ungeheurer, viele Minuten dauernder Beifall.) Ob Wien nicht Verwahrung einlegen würde, wenn in seinem Reichstag Deputirte geprügelt würden? (Ungeheurer Beifall.) — Das ganze Volk von Wien würde diese Adresse unterschreiben; der Ausschuß habe bei seiner Gründung auf das Recht, Adressen zu entsenden, niemals verzichtet. Die heute vorgelegte Adresse enthalte eine Perfidie, weil in der Ueberschrift das Wort äußerste vor Linke weggelassen sei. Wenn dieser Tag des Ausschusses Ende bestimmen sollte, so ende er mit Ruhm, denn er nehme dann ein demokratisches Ende. (Ungeheurer Beifall.) Eine Deputation der Mariahilfer Nationalgarde (Vorstadt) betritt den Saal und es entsteht, da auch draußen große Menschenmassen die Straßen sperren, eine gewaltige Aufregung. Der Ausschuß will die Deputation anfangs nicht hören, gibt dann aber nach. Sie ist vom 8ten Bezirke und sagt: Obgleich die Republik unser Ideal ist, können wir jetzt doch noch keine wollen, aber das Frankfurter Parlament hat unsere Errungenschaften verrathen. Wir müssen es tadeln, zurechtweisen, indem wir Diejenigen anerkennen, die sich Deutschlands Freiheit würdig bezeigen. Es muß also jedenfalls eine Adresse an die Linke erlassen werden, nicht aber an die äußerste Linke, weil wir vorläufig noch nicht mit den Fäusten zu reden gedenken. Keine Republik mit der Faust, bis nichts anderes mehr übrig bleibt. (Großer Beifall.)

Sylvester: Das Wort äußerste müsse dabei bleiben. Auch eine Behörde könne Adressen erlassen und dies dürfe hier nicht als Auflehnung ausgelegt werden.

Nach der Reihe treten noch mehrere Redner pro und contra auf, bis zuletzt abgestimmt und der Beschluß, eine Adresse an die Frankfurter äußerste Linke zu senden nur mit der Modifikation aufrecht erhalten wird, das Wort äußerste zu vermeiden. Die Adresse wird den 230 Kompagnieen der Nationalgarde zur Unterschrift vorgelegt und ein großer Theil des Reichstags wird sie ebenfalls unterzeichnen. — Die Kamarilla ist über diese Vorgänge in Verzweiflung und sucht nun den Spießbürger aufzuhetzen.

In der heutigen Morgensitzung kam der Fortbestand des Ausschusses zur stürmischen Berathung. Auf Anstiften der Kamarilla ward der Arbeitslohn um 5 Cr. herabgesetzt; die Arbeiter dringen von allen Seiten in die Stadt. Der Sicherheitsausschuß, ohne dessen Bewilligung ein solcher Beschluß nicht zur Ausführung gebracht werden konnte, nimmt sich ihrer an, sieht aber in seiner Uebergehung eine Verletzung seiner Stellung. Er erklärt sich in Permanenz. Eine Deputation wird abgesendet und überbringt nach kurzer Zeit folgenden Entscheid Dobblhoff's:

„Der Minister des Innern hat heute auf die an ihn gestellte Frage über die Stellung und Mission des Vereinigten Ausschusses der abgesendeten Deputation eröffnet: daß seiner Ansicht nach der Vereinigte Ausschuß weder in seiner bisherigen Stellung noch in seiner ihm übertragenen Aufgabe irgend welche Modification erlitten habe, er müsse daher an die Bürgerpflicht des Ausschusses die Forderung stellen, daß derselbe seine Aufgabe so wie bisher auch fortan und namentlich in der bestehenden jetzigen schwierigen Lage mit der Aufopferung erfülle, wie er es bisher gethan hat.“

Dobblhoff mochte einsehen, daß auch er falle, wenn er den Ausschuß fallen lasse.

Ich theile Ihnen zum Schluß die oben besprochene Adresse mit; sie lautet:

„An die Vorfechter deutscher Freiheit,
an die Deputirten der Linken
im Frankfurter-Parlamente!

„Die Demokraten Wiens, entrüstet über die mannichfachen Anfeindungen und terroristischen Angriffe, welche die Vertreter der wirklichen und wahren Volksfreiheit von Seite der dinastischen Partei in der Nationalversammlung sowohl als außer derselben zu erleiden hatten, und noch haben, — und in der Ueberzeugung, daß die von der äußersten Linken in Frankfurt vertretenen und standhaft verfochtenen Principien die einzige mögliche Grundlage für Deutschlands Freiheit und Einheit seien, fühlen sich gedrungen diesen edlen, wahren Volksvertretern öffentlich vor ganz Deutschland den Ausdruck ihrer wärmsten Sympathieen hierdurch mit aller Entschiedenheit freier Männer auszudrücken.“

Wien am 16. August 1848.

61 Wien, 21. Aug.

27. Sitzung des Reichstags. Anfang 9 1/4 Uhr. Vorsitz: Strobach. Tagesordnung: Ablesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung; Berichte des Petitionsausschusses; Verhandlung über den Antrag Kudlich's u. s. w.

Petranowich interpellirt den Minister des Innern, ob nicht-ungarische Truppen an dem Kampfe wider die Kroaten Theil nähmen, wie es verlaute, und ob das Ministerium solche Truppen nicht zurückzuziehen gedenke.

Dobblhoff: Es sei ihm nicht bekannt, daß in Syrmien deutsche Regimenter stehen; wegen Rückberufung deutscher Offiziere in der ungarischen Armee sei aber das Nöthige bereits eingeleitet.

Ein Abgeorneter: Nach einem Vertrage beziehen Preußen und Rußland jährlich ein halb Million Centner Salz zu dem Preise von 3 Fl. 40 Kr., während der Oestreicher 6 Fl. 48 Kr. dafür bezahlen müsse. Er frage darum an, wie lange dieser Vertrag noch dauere, ob das Ministerium dies auffallende Mißverhältniß nicht sofort ändern wolle und ob es die gesättigten der Weichsel in gedeckten Kanälen zufließenden Salinen nicht freizugeben gesonnen sei.

Finanzminister Kraus: Er müsse wegen des Vertrags erst die Akten nachsehen; es würde eine Verminderung des Salzpreises bald eingeführt werden, damit werde die Frage über Freigebung des Salzwassers erledigt werden.

Bei der nun folgenden Berichterstattung des Petitionsausschusses nimmt eine Eingabe die Aufmerksamkeit der Versammlung hoch in Anspruch, in welcher mehrere Einwohner von Prag und Umgebung den Minister Doblhoff und das Gesammtministerium in Anklagestand versetzen, indem sie es des Hochverraths für schuldig erklären. (Allgemeine Aufregung. Ruf: Noch einmal lesen.) Es geschieht. Die Gründe der Anklage sind: Doblhoff habe das Ministerium ohne Rücksicht auf die Provinzen gebildet, weil er Schwarzer darin aufgenommen, weil er ohne Genehmigung einen Unterstaatssekretär ernannt, weil er sich um die Gunst der Journale bewerbe, weil er den Grafen Leo Thun abgesetzt und die Stelle eines niederöstreichischen Regierungspräsidenten noch nicht besetzt habe, weil es den Grafen Rothkirch zum Gouverneur in Böhmen ernannt und die Güter Metternichs zu Gunsten des Staats noch nicht sequestrirt habe. Diese Petition wird ad acta gelegt. In einer andern Eingabe bitten die Maschinenarbeiter, ein abgesondertes Korps der Nationalgarde bilden zu dürfen. Der Petitionsausschuß trägt auf Verweisung an den Minister des Innern an. Auf den Antrag Brauners weist die Versammlung dieselbe dem Konstitutionsausschusse zu.

Pillersdorff sucht als Berichterstatter der Finanzkommission den in einer frühern Sitzung gegebenen Bericht des Finanzausschusses zu begründen. Er will, da die Nothwendigkeit es erheische, daß dem Minister Kraus bewilligt werde, einstweilen 6 Millionen bei der Bank zu leihen; er will ferner die Errichtung eines permanenten Finanzausschusses, um die Vorarbeiten für das künftig zu befolgende System zu liefern.

Schuselka: Er spreche für den Antrag, weil Roth kein Gebot kenne.(!) Doch sei weder der Bericht des Finanzministers, noch der der Kommission den Zeitbedürfnissen entsprechend, weil beide sich im alten Systeme bewegten und keiner einen energischen, sozialen Gedanken enthielten. Aber wenn die Nothwendigkeit gebiete, müßten alle Rücksichten schweigen, obwohl der Reichstag sich mit Bewilligung eines Kredits nicht überrumpeln lassen solle u. s. w. Die Rede ist wie die aller Stellenjäger, die den Mund voller Völkerbeglückung haben, die entgegengesetzten Thaten aber genehmigen und damit die große Masse der dummen Schafe für sich zu ködern meinen.

Gobbi (Triest) will den Anspruch, daß der Reichstag die Staatsschuld für unantastbar erkläre und die Bank ehestens in die Lage versetzt werde, ihre Noten wieder einzulösen. Der 7. Punkt im Berichte des Ausschusses sei unbillig und ungerecht, da nur Karl Albert die Millionen zu zahlen habe, die der Krieg gekostet, nicht die Lombardei. Die Schuld des Landes reiche nur bis zum Eintritte Karl Alberts und müsse von da an auf ihn gewälzt werden, weil Karl Albert nur mit despotischen Gelüsten in die Lombardei getreten und dadurch, und weil er verrätherische Vorspiegelungen gemacht, es verhindert habe, daß Italien sich der Wiener Revolution angeschlossen u. s. w.

Bilieski findet es sonderbar, daß die Kommission sich für Benutzung der Bank ausspreche, nachdem sie vor wenigen Tagen sich erst dagegen erklärt habe; er spreche sich für eine Spezial-Hypothek auf die Staats- und geistlichen Güter aus, weil Karl Alberts Belastung mit den Kriegskosten nicht viel und namentlich nicht alsogleich etwas einbringen würde, die italienischen Provinzen aber mit dieser Last nicht besteuert werden dürften.

Faschonk: Man müsse schon von Frankreich, nicht vom wucherischen Albion gelernt haben den Menschenwerth zu achten; er will kein Geld, er will Boden, Produkte und Personen als Münze. Er theile die Meinung, daß die Gefahr eines Staatsbankerotts bevorstehe, es sei aber auch bisher nur eine Finanzwirthschaft, und keine Finanzwissenschaft betrieben worden und bei der letzten handle es sich vor Allem, wie man die Menschen von ihren Abgaben befreie. Daß der Ausschuß Ersatz von Italien verlange, müsse er als eine Barbarei ansehen und es stimme schlecht mit der Angabe überein, Oesterreich werde Befreier Italiens sein. Den Staatskredit benützen, erscheine ihm lächerlich, wenn man damit wieder die Bank oder die Stockjoberei Einzelner meine Es freue ihn zwar, daß man den Kredit nur in dem Vertrauen auf die Nation Oesterreichs suche, aber Vertrauen fordere Thaten. Er ist gegen die Pläne des Ausschusses und will andere entwickeln. Der Präsident entzieht ihm unter dem Vorgeben das Wort, es handle sich heute nur um den Antrag der Kommission.

Bressel: Wenn die Versammlung heute schon die Staatsschuld anerkenne, so seien Italien und Ungarn, weil sie hier nicht vertreten, davon entbunden Dies gehe also nicht. Aber die Versammlung müsse auf Mittel denken, augenblicklich Geld zu schaffen; es handle sich vorläufig noch gar nicht um ein neues Finanzsystem, nicht um Regelung des Staatshaushalts; es handle sich davon, den Staatshaushalt nicht in's Stocken gerathen zu lassen.

61 Wien, 22. August.

Die Hauptstadt ist noch einmal vor einem blutigen Geschick bewahrt worden, sie hat noch einmal einen großen demokratischen Sieg errungen und diesen Sieg verdankt sie der Besonnenheit, dem tüchtigen Freisinn ihrer revolutionären Bürger, vor allem dem Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und Studenten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Volksfreiheit. Ich habe einen großen Theil der Nacht und des heutigen Morgens im Ausschusse zugebracht und die Ueberzeugung gewonnen, daß Wiens Freiheit geschirmt ist. Während die Frankfurter Gesinnungsritter sich bei Ihnen mit dem Königthum in einem Dombau-Essen festlich verbrüdert und die Fabrik- und

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eine Beschreibung alles                         Vorgefallenen in jenen frommtönenden Worten gab, die zauberisch, wie                         Glockengeläut in unser Ohr dringen, oder jenen Klängen ähnlich sind, die wir                         beim Sinken der Sonne vernehmen, wenn der Kuhhirt sein Horn bläst und die                         sanften Rinder westwärts treibt zu der Heimath.</p>
          <p>In der Kölnischen Zeitung las ich denn auch Alles, was ich gesehen und was                         ich nicht gesehen. Wie dem Domzuge voran ein Musikkorps ritt und eine                         Abtheilung der Bürgerwehr, wie dann die Sängerchöre der Gymnasien kamen, die                         Gesangvereine, die Waisenkinder, die Dombauhütte mit ihrer Fahne und ihren                         Insignien, der Vorstand des Central-Dombauvereins, die auswärtigen                         Deputirten und zahllose Dombaufreunde, unsere alten, großen Meister                         darunter, unser ehrwürdiger Sulpiz, unser Cornelius und Kaulbach, und wie                         der Zug von Straße zu Straße wogend, den Herrn Erzbischof und die andern                         goldstrahlenden Würdeträger der Kirche in sich aufnahm, um unter                         feierlich-schönem Gesange sich endlich durch die Pforten des Domes in jene                         Riesenhalle zu ergießen, aus deren Fläche jene ragenden Säulen sprossen, die                         schlank, wie die Palmen des Mittags, ihre prächtige Wölbung tragen und den                         Staunenden fortreißen zu Jubel und Entzücken, daß es Menschen gab, die so                         Herrliches bauen und thürmen konnten mit ihren weißen winzigen Händen.</p>
          <p>Alles dies las ich in der Kölnischen Zeitung und wie ich mich über die                         Reichhaltigkeit jener Festberichte freute, eben so sehr staunte ich über den                         Styl, in dem sie abgefaßt waren. Niemals wird es mir wohl gelingen,                         dergleichen nachzuahmen und zu erreichen. Schon bei dem ersten Worte dieser                         Skizzen habe ich es versucht, aber alle meine Anstrengungen waren umsonst;                         es fehlt mir die Weihe, die tieftraurige Frömmigkeit des Gemüthes, der                         säuselnde verzückte Pathos der Begeisterung und die in ewiger Auflösung                         begriffene Wehmuth einer unendlich fühlenden und empfindenden schönen Seele,                         kurz, es fehlt mir Alles. Ich sehe, daß ich &#x201E;ein flaches modernes Weltkind&#x201C;                         bin und melancholisch stiere ich hinab in mein großes, kohlschwarzes                         Dintenfaß.</p>
          <p>Außer der Beschreibung des Festzuges las ich auch noch die Rede des Hrn. Dr.                         Everhard v. Groote, der im Namen des Vorstandes die ehrwürdigen Prälaten und                         die Vertreter Deutschlands und Preußens, so wie alle Genossen deutscher                         Stämme und Bewohner aller Gaue des Vaterlandes tausendmal willkommen hieß.                         Ich muß gestehen, ich habe ein Vorurtheil gegen jede Rede, die mit:                         &#x201E;Genossen deutscher Stämme&#x201C; und: &#x201E;Gaue des deutschen Vaterlandes&#x201C; anfängt;                         namentlich seit jener Rede auf dem Gürzenich, jener einfachen Rede eines                         einfachen Mannes, von allgemeiner Brüderlichkeit, bis an die äußersten                         Gränzen.</p>
          <p>Nichtsdestoweniger las ich die Rede des Hrn. v. Groote mit Pietät. Ich las                         von &#x201E;der Riesenschöpfung,&#x201C; wie Hr. Groote sagt, &#x201E;bald nach jener Zeit als                         der Hohenstaufe Friedrich I. Europa durch seine Thaten erschütterte und der                         Erzbischof von Köln, den Raugrafen Reinold von Dassell an seiner Seite, &#x2014;                         ganz wie es jetzt Radetzky macht &#x2014; die italienischen Städte züchtigte und                         dem treulosen Mailand seinen Schatz entriß, über welchen der Dom sich                         wölbte.&#x201C; Alles dies las ich und wie dann am 14. August 1248 der erste Stein                         zu dem Baue gelegt wurde, und wie die Arbeit raschen Schrittes vorwärts ging                         und je weiter ich kam und je mehr sich die Beredsamkeit des Hrn. v. Groote                         entwickelte, desto ernster und tiefsinniger wurde ich, bis mir zuletzt, war                         es vor lauter Tiefsinn oder durch den Duft der Druckerschwärze, die Augen                         zufielen, ja, bis ich leise einschlief und auf den Sopha sank, die Kölnische                         Zeitung fromm gefalten in beiden Händen&#x2025;&#x2025;</p>
          <p>Selig schlummernd träumte ich die Groote'sche Rede zu Ende und ich bin fest                         überzeugt, daß ich sie tausendmal schöner träumte, als sie wirklich gehalten                         wurde und ich träumte auch noch den Fortgang und den Schluß der ganzen                         Feier, bis sich alles Volk wieder verlaufen hatte und bis ich gegen Abend                         mutterseelen allein unter den immer grauer und unheimlicher werdenden                         Pfeilern stand.</p>
          <p>Weiß der Teufel, der Küster hatte mich eingeschlossen! Aengstlich wie eine                         Kirchenmaus polterte ich über Stühle und Bänke, durch alle Ecken und Winkel.                         Umsonst! Ich war gefangen.</p>
          <p>Gottergeben setzte ich mich daher in einen alten harten Betstuhl und bildete                         mir ein, ich läge in den weichsten Kissen. Rings war Alles so märchenhaft                         still; ich sah die Säulen hinan und es war mir, als läge ich in einem alten                         nordamerikanischen Urwalde. Bald ging der Mond auf und zitternd fiel sein                         bleiches Licht durch die farbigen Scheiben. Das Laubgewinde des Chores                         blitzte von Gold und Smaragden; es war ein wunderschöner Anblick und in                         meinem Leben ist es mir nie wohler um's Herz gewesen. Schnell schwanden die                         Stunden; es schlug zehn und es schlug elf Uhr &#x2014; immer feierlicher und                         stiller wurde es. Da tönte es Mitternacht und es bebte der Dom bis hinab in                         den letzten Basaltblock. Ein Rauschen und Flüstern begann in dem Laubgewinde                         der Säulen, in den Bogen der riesigen Fenster, in dem heiligen Düster der                         Kapellen &#x2014; die Gräber öffneten sich und heraufstiegen in prangender Rüstung                         die todten Fürsten und Ritter verschollener Zeit und in langen,                         weihrauchduftenden Chorgewändern die Heroen der Kirche und weithin wogte der                         geisterhafte Zug, der graberstandene, und ihm voran schwebte eine himmlische                         Frau, ein stolzes, königliches Weib, rollende Welten ihre Augen, rollende                         Meerfluth ihr Diadem geschmücktes Haar und im Nu erkannte ich, daß es                         Niemand anderes sei, als die göttliche Maria von Medicis.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar087_004" type="jArticle">
          <p>Zum Beweise, daß es noch Sklaven gibt:</p>
          <p><hi rendition="#g">Steckbrief</hi>.</p>
          <p>Am 8. d. Vormittags sind die beiden Sklaven Christian Hansen und Hermann                         Jacob Axel Siewike aus der Festung entwichen und bis jetzt nicht wieder                         aufgegriffen worden.</p>
          <p>Alle Militär- und Civilbehörden werden hiemittelst ersucht, auf die unten                         näher signalisirten Sklaven Christian Hansen und Herrmann Jacob Axel Siewike                         vigiliren und im Betretungsfalle dieselben gegen Erstattung der Kosten anher                         transportiren zu lassen.</p>
          <p>Rendsburg, den 10. August 1848.</p>
          <p>v. <hi rendition="#g">Abercron</hi>, Major und Platzkommandant.</p>
        </div>
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      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar087_005" type="jArticle">
          <p>gentheil. Je freisinniger die Institutionen, desto freier werden sich die                         heterogenen Elemente auseinander scheiden, desto mehr wird sich zeigen, wie                         nothwendiger die Trennung ist, desto mehr wird die Unfähigkeit der Berliner                         Politiker aller Parteien an den Tag kommen.</p>
          <p>Wir wiederholen: Innerhalb <hi rendition="#g">Deutschlands</hi> mit den                         altpreußischen Provinzen zusammenzubleiben, dagegen hat die Rheinprovinz                         nichts einzuwenden; aber sie zwingen wollen, ewig innerhalb Preußens,                         gleichviel ob eines absolutistischen, eines konstitutionellen oder eines                         demokratischen Preußens zu bleiben, das hieße Deutschlands Einheit unmöglich                         machen, das hieße vielleicht sogar &#x2014; wir sprechen die allgemeine Stimmung                         des Volks aus, ein großes, schönes Gebiet für Deutschland verloren machen,                         während man es für Preußen erhalten will.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar087_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 21. August.</head>
          <p>9 Uhr Abends. Die Stadt ist in drohender Aufregung; die Läden wurden früh                         geschlossen, je mehr Arbeiter in die Stadt geströmt kamen. Auf dem Graben,                         Kohlmarkt, unter den Tieflauben und fast in allen Straßen stehen                         Arbeiterklubs. Ich habe mich unter die Leute begeben und hörte die ärgsten                         Drohungen. &#x201E;Wozu Fackelzüge, Beleuchtungen für den Kaiser, sagte man? Wir                         lassen uns keine Lohnherabsetzung gefallen.&#x201C; Das Wort &#x201E;hängen&#x201C; wurde dabei                         mit den bedeutendsten Personen in Verbindung gebracht. &#x201E;Jetzt werden wir sie                         nicht mehr mit dem Gelde abziehen lassen, wir werden den Kerls zeigen, daß                         wir mächtig sind&#x201C;, hörte ich an vielen Stellen. Namentlich zeichneten sich                         die Frauen in dergleichen Reden aus. &#x2014; Die Nationalgarde ist überall in                         Bereitschaft und ich hörte manche sich äußern, man müsse der Sache ein Ende                         machen. Indessen dürfte dies nicht so leicht sein; unter den Wiener                         Arbeitern steckt die ganze österreichische Bevölkerung, d. h. Böhmen,                         Ungarn, Deutsche, Italiener, Croaten, Czekler, Illyrier, Serben u. s. w. Sie                         sind entschiedene, thatkräftige Leute. Die akademische Legion ist auf ihrer                         Seite; an Führern fehlts also nicht. &#x2014; Nach Schönbrunn konnte ich nicht                         gelangen; das Burgthor war gesperrt, die Wagen fuhren nicht mehr. &#x2014; Die                         ganze Aufregung ist durch einen Entschluß des Ministeriums vom 18.                         entstanden, wonach der Tagelohn von 20 auf 15 Kr. herabgesetzt worden ist,                         um die Geldmittel des Staats nicht zu erschöpfen. Durch ein am Abend                         angeheftetes, von dem Minister Schwarzer unterzeichnetes, durch die Arbeiter                         indessen überall herabgerissenes Plakat wird nun erklärt, daß das                         Ministerium bei der Herabsetzung des Lohns verharren müsse.</p>
          <p>Nachdem Mittags die Aufregung begonnen, ließ der Gemeindeausschuß dem                         Oberkommandanten der Nationalgarde bedeuten, die Garde unter die Waffen zu                         rufen. Daher der Generalmarsch, daher aber auch die erhöhte Aufregung. &#x2014; Der                         Sicherheitsausschuß, durch das Ministerium wiederum mit voller Macht                         bekleidet, hat in seiner Permanenz, die ich eben verlasse, den Beschluß                         gefaßt, den Oberkommandanten vorfordern zu lassen, um Rechenschaft von ihm                         zu verlangen über das Verhalten der Garde und ihm zu bedeuten, daß er den                         Befehl zum Generalmarsch künftig von niemand anderem mehr zu empfangen habe,                         als vom Sicherheitausschuß; daß er nur allein unter diesem stehe. Ebenso                         wurde der Beschluß gefaßt, daß Militär sich nur auf ausdrücklichen Befehl                         des Sicherheitsausschusses der Stadt nähern dürfe. Der Gemeindeausschuß ist                         vernichtet; Sicherheitsausschuß und Reichstag werden künftig nunmehr allein                         in Wien herrschen; jede andere Gewalt ist durch den heutigen Tag annullirt,                         wenn die Kamarilla kein Kabinetsstückchen wagt. &#x2014; Wie ich eben höre, ist der                         Fackelzug unterblieben; alle Straßen sind wie gekehrt von Kavaleiren, man                         sieht nur Arbeiter, Studenten und Nationalgarden. Der Reichstag hält noch                         Sitzung, die Berichterstattung über die Finanzlage ward so eben abgethan.                         Ich werde Morgen das Nähere mittheilen.</p>
          <p>Eine Arbeiter-Deputation hat den Minister Schwarzer aufgesucht, um von ihm                         die Zurücknahme des Beschlusses vom 18. und dessen heutige Bestätigung zu                         erlangen. Bis jetzt ist aber Schwarzer nirgends zu finden gewesen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar087_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 21. Aug.</head>
          <p>In der gestrigen Sitzung des Sicherheitsausschusses entwickelten sich unter                         den Anwesenden eine äußerst anziehende, höchst stürmische Debatte darüber,                         ob der Beschluß des Ausschusses, eine Adresse an die äußerste Frankfurter                         Linke zu senden aufrecht zu erhalten oder zu annulliren sei. Die vielen                         Anfeindungen des Ausschusses, die Frage, ob der Ausschuß dadurch nicht im                         Volke den Boden verlieren würde, hatte diese Debatte hervorgerufen.</p>
          <p>In einer feurig-geistreichen Rede bewies Wessely, daß, obgleich die Adresse                         vom demokratischen Vereine dem Ausschusse vorgelegt worden, man, wie gesagt                         werde, durch ihre Annahme dennoch nicht im Schlepptau dieses Vereines gehe,                         weil es überhaupt nicht darauf ankomme, woher die guten Vorschläge und                         Thaten kämen, sondern nur darauf, daß sie ausgeführt würden.</p>
          <p>Das Frankfurter Parlament habe leider gezeigt, daß es kein demokratisches                         sei, es habe durch die Mißhandlung Brentano's bewiesen, daß es nichts                         verdiene, als die Entrüstung aller edlen deutschen Herzen und diese                         Entrüstung müsse der Ausschuß aussprechen, weil er als ein demokratisches                         Institut Deutschlands solchen unwürdigen Thaten mit Gleichgültigkeit nicht                         zusehen dürfe, ohne an der Demokratie Verräther zu werden. Auf die Worte der                         Adresse komme es übrigens weniger an, als darauf, daß sie selbst abgehe. Was                         die Zuständigkeit des Ausschusses betreffe, so könne darüber kein Zweifel                         sein. Der Ausschuß sei ein Kind der Revolution, hervorgegangen aus dem 26.                         Mai, wo er allein ein obrigkeitliches Ansehen zu erringen gewußt. Der                         Ausschuß müsse eine permanente Revolution bleiben, so lange er bestehe; er                         habe Minister gestürzt und neue erhoben, er müsse auf der Warte der Freiheit                         stehen und von dieser Warte herab sähe er auch dem Schauspiel in Frankfurt                         zu. (Ungeheurer, nicht enden wollender Beifall im Saale und von den                         Galerien.)</p>
          <p>Lichtenstern spricht gegen die Adresse, weil man gegen eine oberste Behörde,                         als welche man das Frankfurter Parlament zu betrachten habe, nicht auftreten                         könne.</p>
          <p>Freund: Die Frage sei wichtig; es sei zwar eine Einfältigkeit zu sagen, der                         Ausschuß lasse sich vom demokratischen Vereine ins Schlepptau nehmen, allein                         der Ausschuß könne sich seines Erachtens doch nicht als Partei hinstellen                         und müsse qua Ausschuß die Adresse vermeiden. Wenn der Wiener Ausschuß eine                         Adresse erlasse, so bedeute dies etwas mehr, als die Adressen bloßer                         Vereine, denn es ständen 50,000 bewaffnete Nationalgarden hinter dieser                         Wiener Adresse, vor welcher das Frankfurter Parlament doch einigen Respekt                         haben müsse und auf welche sich diejenigen, welche ihn zu sprengen Luft                         trügen, wohl berufen könnten.</p>
          <p>Willner, Abgesandter der akademischen Legion: Bei dem Erstreben der Freiheit                         komme es auf Verstand und Herz an, nicht blos auf den Verstand, wie ein                         Vorgänger gemeint. Auch die Kamarilla habe Verstand und das größte Unglück                         Deutschlands sei es eben, daß die Frankfurter lauter herzlose Theoretiker                         seien, lederne Pergamente. Durch eine kräftige Einsprache aller                         demokratischen Körper Deutschlands werde dessen Einheit keineswegs                         geschwächt, sondern nur verwirklicht; das Frankfurter Parlament aber stelle                         diese Einheit durchaus nicht dar. Wien stehe über Frankfurt, denn es bewahre                         die Demokratie, während Frankfurt sie mit Füßen trete; auf etwas Anderes                         komme es dabei nicht an; Wien müsse daher sein Augenmerk auf Frankfurt                         richten, ihm die <hi rendition="#g">ernste</hi> Miene zeigen. Nur die Linke                         befördere die Einheit Deutschlands; die Rechte gewähren lassen, würde auch                         Deutschlands Oesterreich erdrosseln machen, wie Brentano. (Ungeheurer, viele                         Minuten dauernder Beifall.) Ob Wien nicht Verwahrung einlegen würde, wenn in                         seinem Reichstag Deputirte geprügelt würden? (Ungeheurer Beifall.) &#x2014; Das                         ganze Volk von Wien würde diese Adresse unterschreiben; der Ausschuß habe                         bei seiner Gründung auf das Recht, Adressen zu entsenden, niemals                         verzichtet. Die heute vorgelegte Adresse enthalte eine Perfidie, weil in der                         Ueberschrift das Wort <hi rendition="#g">äußerste</hi> vor <hi rendition="#g">Linke</hi> weggelassen sei. Wenn dieser Tag des                         Ausschusses Ende bestimmen sollte, so ende er mit Ruhm, denn er nehme dann                         ein demokratisches Ende. (Ungeheurer Beifall.) Eine Deputation der                         Mariahilfer Nationalgarde (Vorstadt) betritt den Saal und es entsteht, da                         auch draußen große Menschenmassen die Straßen sperren, eine gewaltige                         Aufregung. Der Ausschuß will die Deputation anfangs nicht hören, gibt dann                         aber nach. Sie ist vom 8ten Bezirke und sagt: Obgleich die Republik unser                         Ideal ist, können wir jetzt doch noch keine wollen, aber das Frankfurter                         Parlament hat unsere Errungenschaften verrathen. Wir müssen es tadeln,                         zurechtweisen, indem wir Diejenigen anerkennen, die sich Deutschlands                         Freiheit würdig bezeigen. Es muß also jedenfalls eine Adresse an die Linke                         erlassen werden, nicht aber an die äußerste Linke, weil wir vorläufig noch                         nicht mit den Fäusten zu reden gedenken. Keine Republik mit der Faust, bis                         nichts anderes mehr übrig bleibt. (Großer Beifall.)</p>
          <p>Sylvester: Das Wort äußerste müsse dabei bleiben. Auch eine Behörde könne                         Adressen erlassen und dies dürfe hier nicht als Auflehnung ausgelegt                         werden.</p>
          <p>Nach der Reihe treten noch mehrere Redner pro und contra auf, bis zuletzt                         abgestimmt und der Beschluß, eine Adresse an die Frankfurter äußerste Linke                         zu senden nur mit der Modifikation aufrecht erhalten wird, das Wort äußerste                         zu vermeiden. Die Adresse wird den 230 Kompagnieen der Nationalgarde zur                         Unterschrift vorgelegt und ein großer Theil des Reichstags wird sie                         ebenfalls unterzeichnen. &#x2014; Die Kamarilla ist über diese Vorgänge in                         Verzweiflung und sucht nun den Spießbürger aufzuhetzen.</p>
          <p>In der heutigen Morgensitzung kam der Fortbestand des Ausschusses zur                         stürmischen Berathung. Auf Anstiften der Kamarilla ward der Arbeitslohn um 5                         Cr. herabgesetzt; die Arbeiter dringen von allen Seiten in die Stadt. Der                         Sicherheitsausschuß, ohne dessen Bewilligung ein solcher Beschluß nicht zur                         Ausführung gebracht werden konnte, nimmt sich ihrer an, sieht aber in seiner                         Uebergehung eine Verletzung seiner Stellung. Er erklärt sich in Permanenz.                         Eine Deputation wird abgesendet und überbringt nach kurzer Zeit folgenden                         Entscheid Dobblhoff's:</p>
          <p>&#x201E;Der Minister des Innern hat heute auf die an ihn gestellte Frage über die                         Stellung und Mission des Vereinigten Ausschusses der abgesendeten Deputation                         eröffnet: daß seiner Ansicht nach der Vereinigte Ausschuß weder in seiner                         bisherigen Stellung noch in seiner ihm übertragenen Aufgabe irgend welche                         Modification erlitten habe, er müsse daher an die Bürgerpflicht des                         Ausschusses die Forderung stellen, daß derselbe seine Aufgabe so wie bisher                         auch fortan und namentlich in der bestehenden jetzigen schwierigen Lage mit                         der Aufopferung erfülle, wie er es bisher gethan hat.&#x201C;</p>
          <p>Dobblhoff mochte einsehen, daß auch er falle, wenn er den Ausschuß fallen                         lasse.</p>
          <p>Ich theile Ihnen zum Schluß die oben besprochene Adresse mit; sie lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;An die Vorfechter deutscher Freiheit,<lb/>
an die Deputirten                         der Linken<lb/>
im Frankfurter-Parlamente!</p>
          <p>&#x201E;Die Demokraten Wiens, entrüstet über die mannichfachen Anfeindungen und                         terroristischen Angriffe, welche die Vertreter der wirklichen und wahren                         Volksfreiheit von Seite der dinastischen Partei in der Nationalversammlung                         sowohl als außer derselben zu erleiden hatten, und noch haben, &#x2014; und in der                         Ueberzeugung, daß die von der äußersten Linken in Frankfurt vertretenen und                         standhaft verfochtenen Principien die einzige mögliche Grundlage für                         Deutschlands Freiheit und Einheit seien, fühlen sich gedrungen diesen edlen,                         wahren Volksvertretern öffentlich vor ganz Deutschland den Ausdruck ihrer                         wärmsten Sympathieen hierdurch mit aller Entschiedenheit freier Männer                         auszudrücken.&#x201C;</p>
          <p>Wien am 16. August 1848.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar087_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 21. Aug.</head>
          <p>27. Sitzung des Reichstags. Anfang 9 1/4 Uhr. Vorsitz: Strobach.                         Tagesordnung: Ablesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung; Berichte                         des Petitionsausschusses; Verhandlung über den Antrag Kudlich's u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Petranowich</hi> interpellirt den Minister des Innern, ob                         nicht-ungarische Truppen an dem Kampfe wider die Kroaten Theil nähmen, wie                         es verlaute, und ob das Ministerium solche Truppen nicht zurückzuziehen                         gedenke.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dobblhoff:</hi> Es sei ihm nicht bekannt, daß in Syrmien                         deutsche Regimenter stehen; wegen Rückberufung deutscher Offiziere in der                         ungarischen Armee sei aber das Nöthige bereits eingeleitet.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Abgeorneter</hi>: Nach einem Vertrage beziehen Preußen                         und Rußland jährlich ein halb Million Centner Salz zu dem Preise von 3 Fl.                         40 Kr., während der Oestreicher 6 Fl. 48 Kr. dafür bezahlen müsse. Er frage                         darum an, wie lange dieser Vertrag noch dauere, ob das Ministerium dies                         auffallende Mißverhältniß nicht sofort ändern wolle und ob es die                         gesättigten der Weichsel in gedeckten Kanälen zufließenden Salinen nicht                         freizugeben gesonnen sei.</p>
          <p>Finanzminister <hi rendition="#g">Kraus:</hi> Er müsse wegen des Vertrags                         erst die Akten nachsehen; es würde eine Verminderung des Salzpreises bald                         eingeführt werden, damit werde die Frage über Freigebung des Salzwassers                         erledigt werden.</p>
          <p>Bei der nun folgenden Berichterstattung des Petitionsausschusses nimmt eine                         Eingabe die Aufmerksamkeit der Versammlung hoch in Anspruch, in welcher                         mehrere Einwohner von Prag und Umgebung den Minister Doblhoff und das                         Gesammtministerium in Anklagestand versetzen, indem sie es des Hochverraths                         für schuldig erklären. (Allgemeine Aufregung. Ruf: Noch einmal lesen.) Es                         geschieht. Die Gründe der Anklage sind: Doblhoff habe das Ministerium ohne                         Rücksicht auf die Provinzen gebildet, weil er Schwarzer darin aufgenommen,                         weil er ohne Genehmigung einen Unterstaatssekretär ernannt, weil er sich um                         die Gunst der Journale bewerbe, weil er den Grafen Leo Thun abgesetzt und                         die Stelle eines niederöstreichischen Regierungspräsidenten noch nicht                         besetzt habe, weil es den Grafen Rothkirch zum Gouverneur in Böhmen ernannt                         und die Güter Metternichs zu Gunsten des Staats noch nicht sequestrirt habe.                         Diese Petition wird ad acta gelegt. In einer andern Eingabe bitten die                         Maschinenarbeiter, ein abgesondertes Korps der Nationalgarde bilden zu                         dürfen. Der Petitionsausschuß trägt auf Verweisung an den Minister des                         Innern an. Auf den Antrag <hi rendition="#g">Brauners</hi> weist die                         Versammlung dieselbe dem Konstitutionsausschusse zu.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorff</hi> sucht als Berichterstatter der                         Finanzkommission den in einer frühern Sitzung gegebenen Bericht des                         Finanzausschusses zu begründen. Er will, da die Nothwendigkeit es erheische,                         daß dem Minister Kraus bewilligt werde, einstweilen 6 Millionen bei der Bank                         zu leihen; er will ferner die Errichtung eines permanenten                         Finanzausschusses, um die Vorarbeiten für das künftig zu befolgende System                         zu liefern.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi>: Er spreche für den Antrag, weil Roth kein                         Gebot kenne.(!) Doch sei weder der Bericht des Finanzministers, noch der der                         Kommission den Zeitbedürfnissen entsprechend, weil beide sich im alten                         Systeme bewegten und keiner einen energischen, sozialen Gedanken enthielten.                         Aber wenn die Nothwendigkeit gebiete, müßten alle Rücksichten schweigen,                         obwohl der Reichstag sich mit Bewilligung eines Kredits nicht überrumpeln                         lassen solle u. s. w. Die Rede ist wie die aller Stellenjäger, die den Mund                         voller Völkerbeglückung haben, die entgegengesetzten Thaten aber genehmigen                         und damit die große Masse der dummen Schafe für sich zu ködern meinen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gobbi</hi> (Triest) will den Anspruch, daß der Reichstag                         die Staatsschuld für unantastbar erkläre und die Bank ehestens in die Lage                         versetzt werde, ihre Noten wieder einzulösen. Der 7. Punkt im Berichte des                         Ausschusses sei unbillig und ungerecht, da nur Karl Albert die Millionen zu                         zahlen habe, die der Krieg gekostet, nicht die Lombardei. Die Schuld des                         Landes reiche nur bis zum Eintritte Karl Alberts und müsse von da an auf ihn                         gewälzt werden, weil Karl Albert nur mit despotischen Gelüsten in die                         Lombardei getreten und dadurch, und weil er verrätherische Vorspiegelungen                         gemacht, es verhindert habe, daß Italien sich der Wiener Revolution                         angeschlossen u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bilieski</hi> findet es sonderbar, daß die Kommission sich                         für Benutzung der Bank ausspreche, nachdem sie vor wenigen Tagen sich erst                         dagegen erklärt habe; er spreche sich für eine Spezial-Hypothek auf die                         Staats- und geistlichen Güter aus, weil Karl Alberts Belastung mit den                         Kriegskosten nicht viel und namentlich nicht alsogleich etwas einbringen                         würde, die italienischen Provinzen aber mit dieser Last nicht besteuert                         werden dürften.</p>
          <p><hi rendition="#g">Faschonk:</hi> Man müsse schon von Frankreich, nicht vom                         wucherischen Albion gelernt haben den Menschenwerth zu achten; er will kein                         Geld, er will Boden, Produkte und Personen als Münze. Er theile die Meinung,                         daß die Gefahr eines Staatsbankerotts bevorstehe, es sei aber auch bisher                         nur eine Finanzwirthschaft, und keine Finanzwissenschaft betrieben worden                         und bei der letzten handle es sich vor Allem, wie man die Menschen von ihren                         Abgaben befreie. Daß der Ausschuß Ersatz von Italien verlange, müsse er als                         eine Barbarei ansehen und es stimme schlecht mit der Angabe überein,                         Oesterreich werde Befreier Italiens sein. Den Staatskredit benützen,                         erscheine ihm lächerlich, wenn man damit wieder die Bank oder die                         Stockjoberei Einzelner meine Es freue ihn zwar, daß man den Kredit nur in                         dem Vertrauen auf die Nation Oesterreichs suche, aber Vertrauen fordere                         Thaten. Er ist gegen die Pläne des Ausschusses und will andere entwickeln.                         Der Präsident entzieht ihm unter dem Vorgeben das Wort, es handle sich heute                         nur um den Antrag der Kommission.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bressel:</hi> Wenn die Versammlung heute schon die                         Staatsschuld anerkenne, so seien Italien und Ungarn, weil sie hier nicht                         vertreten, davon entbunden Dies gehe also nicht. Aber die Versammlung müsse                         auf Mittel denken, augenblicklich Geld zu schaffen; es handle sich vorläufig                         noch gar nicht um ein neues Finanzsystem, nicht um Regelung des                         Staatshaushalts; es handle sich davon, den Staatshaushalt nicht in's Stocken                         gerathen zu lassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar087_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 22. August.</head>
          <p>Die Hauptstadt ist noch einmal vor einem blutigen Geschick bewahrt worden,                         sie hat noch einmal einen großen demokratischen Sieg errungen und diesen                         Sieg verdankt sie der Besonnenheit, dem tüchtigen Freisinn ihrer                         revolutionären Bürger, vor allem dem Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und                         Studenten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Volksfreiheit. Ich habe                         einen großen Theil der Nacht und des heutigen Morgens im Ausschusse                         zugebracht und die Ueberzeugung gewonnen, daß Wiens Freiheit geschirmt ist.                         Während die Frankfurter Gesinnungsritter sich bei Ihnen mit dem Königthum in                         einem Dombau-Essen festlich verbrüdert und die Fabrik- und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0446/0002] eine Beschreibung alles Vorgefallenen in jenen frommtönenden Worten gab, die zauberisch, wie Glockengeläut in unser Ohr dringen, oder jenen Klängen ähnlich sind, die wir beim Sinken der Sonne vernehmen, wenn der Kuhhirt sein Horn bläst und die sanften Rinder westwärts treibt zu der Heimath. In der Kölnischen Zeitung las ich denn auch Alles, was ich gesehen und was ich nicht gesehen. Wie dem Domzuge voran ein Musikkorps ritt und eine Abtheilung der Bürgerwehr, wie dann die Sängerchöre der Gymnasien kamen, die Gesangvereine, die Waisenkinder, die Dombauhütte mit ihrer Fahne und ihren Insignien, der Vorstand des Central-Dombauvereins, die auswärtigen Deputirten und zahllose Dombaufreunde, unsere alten, großen Meister darunter, unser ehrwürdiger Sulpiz, unser Cornelius und Kaulbach, und wie der Zug von Straße zu Straße wogend, den Herrn Erzbischof und die andern goldstrahlenden Würdeträger der Kirche in sich aufnahm, um unter feierlich-schönem Gesange sich endlich durch die Pforten des Domes in jene Riesenhalle zu ergießen, aus deren Fläche jene ragenden Säulen sprossen, die schlank, wie die Palmen des Mittags, ihre prächtige Wölbung tragen und den Staunenden fortreißen zu Jubel und Entzücken, daß es Menschen gab, die so Herrliches bauen und thürmen konnten mit ihren weißen winzigen Händen. Alles dies las ich in der Kölnischen Zeitung und wie ich mich über die Reichhaltigkeit jener Festberichte freute, eben so sehr staunte ich über den Styl, in dem sie abgefaßt waren. Niemals wird es mir wohl gelingen, dergleichen nachzuahmen und zu erreichen. Schon bei dem ersten Worte dieser Skizzen habe ich es versucht, aber alle meine Anstrengungen waren umsonst; es fehlt mir die Weihe, die tieftraurige Frömmigkeit des Gemüthes, der säuselnde verzückte Pathos der Begeisterung und die in ewiger Auflösung begriffene Wehmuth einer unendlich fühlenden und empfindenden schönen Seele, kurz, es fehlt mir Alles. Ich sehe, daß ich „ein flaches modernes Weltkind“ bin und melancholisch stiere ich hinab in mein großes, kohlschwarzes Dintenfaß. Außer der Beschreibung des Festzuges las ich auch noch die Rede des Hrn. Dr. Everhard v. Groote, der im Namen des Vorstandes die ehrwürdigen Prälaten und die Vertreter Deutschlands und Preußens, so wie alle Genossen deutscher Stämme und Bewohner aller Gaue des Vaterlandes tausendmal willkommen hieß. Ich muß gestehen, ich habe ein Vorurtheil gegen jede Rede, die mit: „Genossen deutscher Stämme“ und: „Gaue des deutschen Vaterlandes“ anfängt; namentlich seit jener Rede auf dem Gürzenich, jener einfachen Rede eines einfachen Mannes, von allgemeiner Brüderlichkeit, bis an die äußersten Gränzen. Nichtsdestoweniger las ich die Rede des Hrn. v. Groote mit Pietät. Ich las von „der Riesenschöpfung,“ wie Hr. Groote sagt, „bald nach jener Zeit als der Hohenstaufe Friedrich I. Europa durch seine Thaten erschütterte und der Erzbischof von Köln, den Raugrafen Reinold von Dassell an seiner Seite, — ganz wie es jetzt Radetzky macht — die italienischen Städte züchtigte und dem treulosen Mailand seinen Schatz entriß, über welchen der Dom sich wölbte.“ Alles dies las ich und wie dann am 14. August 1248 der erste Stein zu dem Baue gelegt wurde, und wie die Arbeit raschen Schrittes vorwärts ging und je weiter ich kam und je mehr sich die Beredsamkeit des Hrn. v. Groote entwickelte, desto ernster und tiefsinniger wurde ich, bis mir zuletzt, war es vor lauter Tiefsinn oder durch den Duft der Druckerschwärze, die Augen zufielen, ja, bis ich leise einschlief und auf den Sopha sank, die Kölnische Zeitung fromm gefalten in beiden Händen‥‥ Selig schlummernd träumte ich die Groote'sche Rede zu Ende und ich bin fest überzeugt, daß ich sie tausendmal schöner träumte, als sie wirklich gehalten wurde und ich träumte auch noch den Fortgang und den Schluß der ganzen Feier, bis sich alles Volk wieder verlaufen hatte und bis ich gegen Abend mutterseelen allein unter den immer grauer und unheimlicher werdenden Pfeilern stand. Weiß der Teufel, der Küster hatte mich eingeschlossen! Aengstlich wie eine Kirchenmaus polterte ich über Stühle und Bänke, durch alle Ecken und Winkel. Umsonst! Ich war gefangen. Gottergeben setzte ich mich daher in einen alten harten Betstuhl und bildete mir ein, ich läge in den weichsten Kissen. Rings war Alles so märchenhaft still; ich sah die Säulen hinan und es war mir, als läge ich in einem alten nordamerikanischen Urwalde. Bald ging der Mond auf und zitternd fiel sein bleiches Licht durch die farbigen Scheiben. Das Laubgewinde des Chores blitzte von Gold und Smaragden; es war ein wunderschöner Anblick und in meinem Leben ist es mir nie wohler um's Herz gewesen. Schnell schwanden die Stunden; es schlug zehn und es schlug elf Uhr — immer feierlicher und stiller wurde es. Da tönte es Mitternacht und es bebte der Dom bis hinab in den letzten Basaltblock. Ein Rauschen und Flüstern begann in dem Laubgewinde der Säulen, in den Bogen der riesigen Fenster, in dem heiligen Düster der Kapellen — die Gräber öffneten sich und heraufstiegen in prangender Rüstung die todten Fürsten und Ritter verschollener Zeit und in langen, weihrauchduftenden Chorgewändern die Heroen der Kirche und weithin wogte der geisterhafte Zug, der graberstandene, und ihm voran schwebte eine himmlische Frau, ein stolzes, königliches Weib, rollende Welten ihre Augen, rollende Meerfluth ihr Diadem geschmücktes Haar und im Nu erkannte ich, daß es Niemand anderes sei, als die göttliche Maria von Medicis. (Fortsetzung folgt.) Zum Beweise, daß es noch Sklaven gibt: Steckbrief. Am 8. d. Vormittags sind die beiden Sklaven Christian Hansen und Hermann Jacob Axel Siewike aus der Festung entwichen und bis jetzt nicht wieder aufgegriffen worden. Alle Militär- und Civilbehörden werden hiemittelst ersucht, auf die unten näher signalisirten Sklaven Christian Hansen und Herrmann Jacob Axel Siewike vigiliren und im Betretungsfalle dieselben gegen Erstattung der Kosten anher transportiren zu lassen. Rendsburg, den 10. August 1848. v. Abercron, Major und Platzkommandant. [Deutschland] gentheil. Je freisinniger die Institutionen, desto freier werden sich die heterogenen Elemente auseinander scheiden, desto mehr wird sich zeigen, wie nothwendiger die Trennung ist, desto mehr wird die Unfähigkeit der Berliner Politiker aller Parteien an den Tag kommen. Wir wiederholen: Innerhalb Deutschlands mit den altpreußischen Provinzen zusammenzubleiben, dagegen hat die Rheinprovinz nichts einzuwenden; aber sie zwingen wollen, ewig innerhalb Preußens, gleichviel ob eines absolutistischen, eines konstitutionellen oder eines demokratischen Preußens zu bleiben, das hieße Deutschlands Einheit unmöglich machen, das hieße vielleicht sogar — wir sprechen die allgemeine Stimmung des Volks aus, ein großes, schönes Gebiet für Deutschland verloren machen, während man es für Preußen erhalten will. 61 Wien, 21. August. 9 Uhr Abends. Die Stadt ist in drohender Aufregung; die Läden wurden früh geschlossen, je mehr Arbeiter in die Stadt geströmt kamen. Auf dem Graben, Kohlmarkt, unter den Tieflauben und fast in allen Straßen stehen Arbeiterklubs. Ich habe mich unter die Leute begeben und hörte die ärgsten Drohungen. „Wozu Fackelzüge, Beleuchtungen für den Kaiser, sagte man? Wir lassen uns keine Lohnherabsetzung gefallen.“ Das Wort „hängen“ wurde dabei mit den bedeutendsten Personen in Verbindung gebracht. „Jetzt werden wir sie nicht mehr mit dem Gelde abziehen lassen, wir werden den Kerls zeigen, daß wir mächtig sind“, hörte ich an vielen Stellen. Namentlich zeichneten sich die Frauen in dergleichen Reden aus. — Die Nationalgarde ist überall in Bereitschaft und ich hörte manche sich äußern, man müsse der Sache ein Ende machen. Indessen dürfte dies nicht so leicht sein; unter den Wiener Arbeitern steckt die ganze österreichische Bevölkerung, d. h. Böhmen, Ungarn, Deutsche, Italiener, Croaten, Czekler, Illyrier, Serben u. s. w. Sie sind entschiedene, thatkräftige Leute. Die akademische Legion ist auf ihrer Seite; an Führern fehlts also nicht. — Nach Schönbrunn konnte ich nicht gelangen; das Burgthor war gesperrt, die Wagen fuhren nicht mehr. — Die ganze Aufregung ist durch einen Entschluß des Ministeriums vom 18. entstanden, wonach der Tagelohn von 20 auf 15 Kr. herabgesetzt worden ist, um die Geldmittel des Staats nicht zu erschöpfen. Durch ein am Abend angeheftetes, von dem Minister Schwarzer unterzeichnetes, durch die Arbeiter indessen überall herabgerissenes Plakat wird nun erklärt, daß das Ministerium bei der Herabsetzung des Lohns verharren müsse. Nachdem Mittags die Aufregung begonnen, ließ der Gemeindeausschuß dem Oberkommandanten der Nationalgarde bedeuten, die Garde unter die Waffen zu rufen. Daher der Generalmarsch, daher aber auch die erhöhte Aufregung. — Der Sicherheitsausschuß, durch das Ministerium wiederum mit voller Macht bekleidet, hat in seiner Permanenz, die ich eben verlasse, den Beschluß gefaßt, den Oberkommandanten vorfordern zu lassen, um Rechenschaft von ihm zu verlangen über das Verhalten der Garde und ihm zu bedeuten, daß er den Befehl zum Generalmarsch künftig von niemand anderem mehr zu empfangen habe, als vom Sicherheitausschuß; daß er nur allein unter diesem stehe. Ebenso wurde der Beschluß gefaßt, daß Militär sich nur auf ausdrücklichen Befehl des Sicherheitsausschusses der Stadt nähern dürfe. Der Gemeindeausschuß ist vernichtet; Sicherheitsausschuß und Reichstag werden künftig nunmehr allein in Wien herrschen; jede andere Gewalt ist durch den heutigen Tag annullirt, wenn die Kamarilla kein Kabinetsstückchen wagt. — Wie ich eben höre, ist der Fackelzug unterblieben; alle Straßen sind wie gekehrt von Kavaleiren, man sieht nur Arbeiter, Studenten und Nationalgarden. Der Reichstag hält noch Sitzung, die Berichterstattung über die Finanzlage ward so eben abgethan. Ich werde Morgen das Nähere mittheilen. Eine Arbeiter-Deputation hat den Minister Schwarzer aufgesucht, um von ihm die Zurücknahme des Beschlusses vom 18. und dessen heutige Bestätigung zu erlangen. Bis jetzt ist aber Schwarzer nirgends zu finden gewesen. 61 Wien, 21. Aug. In der gestrigen Sitzung des Sicherheitsausschusses entwickelten sich unter den Anwesenden eine äußerst anziehende, höchst stürmische Debatte darüber, ob der Beschluß des Ausschusses, eine Adresse an die äußerste Frankfurter Linke zu senden aufrecht zu erhalten oder zu annulliren sei. Die vielen Anfeindungen des Ausschusses, die Frage, ob der Ausschuß dadurch nicht im Volke den Boden verlieren würde, hatte diese Debatte hervorgerufen. In einer feurig-geistreichen Rede bewies Wessely, daß, obgleich die Adresse vom demokratischen Vereine dem Ausschusse vorgelegt worden, man, wie gesagt werde, durch ihre Annahme dennoch nicht im Schlepptau dieses Vereines gehe, weil es überhaupt nicht darauf ankomme, woher die guten Vorschläge und Thaten kämen, sondern nur darauf, daß sie ausgeführt würden. Das Frankfurter Parlament habe leider gezeigt, daß es kein demokratisches sei, es habe durch die Mißhandlung Brentano's bewiesen, daß es nichts verdiene, als die Entrüstung aller edlen deutschen Herzen und diese Entrüstung müsse der Ausschuß aussprechen, weil er als ein demokratisches Institut Deutschlands solchen unwürdigen Thaten mit Gleichgültigkeit nicht zusehen dürfe, ohne an der Demokratie Verräther zu werden. Auf die Worte der Adresse komme es übrigens weniger an, als darauf, daß sie selbst abgehe. Was die Zuständigkeit des Ausschusses betreffe, so könne darüber kein Zweifel sein. Der Ausschuß sei ein Kind der Revolution, hervorgegangen aus dem 26. Mai, wo er allein ein obrigkeitliches Ansehen zu erringen gewußt. Der Ausschuß müsse eine permanente Revolution bleiben, so lange er bestehe; er habe Minister gestürzt und neue erhoben, er müsse auf der Warte der Freiheit stehen und von dieser Warte herab sähe er auch dem Schauspiel in Frankfurt zu. (Ungeheurer, nicht enden wollender Beifall im Saale und von den Galerien.) Lichtenstern spricht gegen die Adresse, weil man gegen eine oberste Behörde, als welche man das Frankfurter Parlament zu betrachten habe, nicht auftreten könne. Freund: Die Frage sei wichtig; es sei zwar eine Einfältigkeit zu sagen, der Ausschuß lasse sich vom demokratischen Vereine ins Schlepptau nehmen, allein der Ausschuß könne sich seines Erachtens doch nicht als Partei hinstellen und müsse qua Ausschuß die Adresse vermeiden. Wenn der Wiener Ausschuß eine Adresse erlasse, so bedeute dies etwas mehr, als die Adressen bloßer Vereine, denn es ständen 50,000 bewaffnete Nationalgarden hinter dieser Wiener Adresse, vor welcher das Frankfurter Parlament doch einigen Respekt haben müsse und auf welche sich diejenigen, welche ihn zu sprengen Luft trügen, wohl berufen könnten. Willner, Abgesandter der akademischen Legion: Bei dem Erstreben der Freiheit komme es auf Verstand und Herz an, nicht blos auf den Verstand, wie ein Vorgänger gemeint. Auch die Kamarilla habe Verstand und das größte Unglück Deutschlands sei es eben, daß die Frankfurter lauter herzlose Theoretiker seien, lederne Pergamente. Durch eine kräftige Einsprache aller demokratischen Körper Deutschlands werde dessen Einheit keineswegs geschwächt, sondern nur verwirklicht; das Frankfurter Parlament aber stelle diese Einheit durchaus nicht dar. Wien stehe über Frankfurt, denn es bewahre die Demokratie, während Frankfurt sie mit Füßen trete; auf etwas Anderes komme es dabei nicht an; Wien müsse daher sein Augenmerk auf Frankfurt richten, ihm die ernste Miene zeigen. Nur die Linke befördere die Einheit Deutschlands; die Rechte gewähren lassen, würde auch Deutschlands Oesterreich erdrosseln machen, wie Brentano. (Ungeheurer, viele Minuten dauernder Beifall.) Ob Wien nicht Verwahrung einlegen würde, wenn in seinem Reichstag Deputirte geprügelt würden? (Ungeheurer Beifall.) — Das ganze Volk von Wien würde diese Adresse unterschreiben; der Ausschuß habe bei seiner Gründung auf das Recht, Adressen zu entsenden, niemals verzichtet. Die heute vorgelegte Adresse enthalte eine Perfidie, weil in der Ueberschrift das Wort äußerste vor Linke weggelassen sei. Wenn dieser Tag des Ausschusses Ende bestimmen sollte, so ende er mit Ruhm, denn er nehme dann ein demokratisches Ende. (Ungeheurer Beifall.) Eine Deputation der Mariahilfer Nationalgarde (Vorstadt) betritt den Saal und es entsteht, da auch draußen große Menschenmassen die Straßen sperren, eine gewaltige Aufregung. Der Ausschuß will die Deputation anfangs nicht hören, gibt dann aber nach. Sie ist vom 8ten Bezirke und sagt: Obgleich die Republik unser Ideal ist, können wir jetzt doch noch keine wollen, aber das Frankfurter Parlament hat unsere Errungenschaften verrathen. Wir müssen es tadeln, zurechtweisen, indem wir Diejenigen anerkennen, die sich Deutschlands Freiheit würdig bezeigen. Es muß also jedenfalls eine Adresse an die Linke erlassen werden, nicht aber an die äußerste Linke, weil wir vorläufig noch nicht mit den Fäusten zu reden gedenken. Keine Republik mit der Faust, bis nichts anderes mehr übrig bleibt. (Großer Beifall.) Sylvester: Das Wort äußerste müsse dabei bleiben. Auch eine Behörde könne Adressen erlassen und dies dürfe hier nicht als Auflehnung ausgelegt werden. Nach der Reihe treten noch mehrere Redner pro und contra auf, bis zuletzt abgestimmt und der Beschluß, eine Adresse an die Frankfurter äußerste Linke zu senden nur mit der Modifikation aufrecht erhalten wird, das Wort äußerste zu vermeiden. Die Adresse wird den 230 Kompagnieen der Nationalgarde zur Unterschrift vorgelegt und ein großer Theil des Reichstags wird sie ebenfalls unterzeichnen. — Die Kamarilla ist über diese Vorgänge in Verzweiflung und sucht nun den Spießbürger aufzuhetzen. In der heutigen Morgensitzung kam der Fortbestand des Ausschusses zur stürmischen Berathung. Auf Anstiften der Kamarilla ward der Arbeitslohn um 5 Cr. herabgesetzt; die Arbeiter dringen von allen Seiten in die Stadt. Der Sicherheitsausschuß, ohne dessen Bewilligung ein solcher Beschluß nicht zur Ausführung gebracht werden konnte, nimmt sich ihrer an, sieht aber in seiner Uebergehung eine Verletzung seiner Stellung. Er erklärt sich in Permanenz. Eine Deputation wird abgesendet und überbringt nach kurzer Zeit folgenden Entscheid Dobblhoff's: „Der Minister des Innern hat heute auf die an ihn gestellte Frage über die Stellung und Mission des Vereinigten Ausschusses der abgesendeten Deputation eröffnet: daß seiner Ansicht nach der Vereinigte Ausschuß weder in seiner bisherigen Stellung noch in seiner ihm übertragenen Aufgabe irgend welche Modification erlitten habe, er müsse daher an die Bürgerpflicht des Ausschusses die Forderung stellen, daß derselbe seine Aufgabe so wie bisher auch fortan und namentlich in der bestehenden jetzigen schwierigen Lage mit der Aufopferung erfülle, wie er es bisher gethan hat.“ Dobblhoff mochte einsehen, daß auch er falle, wenn er den Ausschuß fallen lasse. Ich theile Ihnen zum Schluß die oben besprochene Adresse mit; sie lautet: „An die Vorfechter deutscher Freiheit, an die Deputirten der Linken im Frankfurter-Parlamente! „Die Demokraten Wiens, entrüstet über die mannichfachen Anfeindungen und terroristischen Angriffe, welche die Vertreter der wirklichen und wahren Volksfreiheit von Seite der dinastischen Partei in der Nationalversammlung sowohl als außer derselben zu erleiden hatten, und noch haben, — und in der Ueberzeugung, daß die von der äußersten Linken in Frankfurt vertretenen und standhaft verfochtenen Principien die einzige mögliche Grundlage für Deutschlands Freiheit und Einheit seien, fühlen sich gedrungen diesen edlen, wahren Volksvertretern öffentlich vor ganz Deutschland den Ausdruck ihrer wärmsten Sympathieen hierdurch mit aller Entschiedenheit freier Männer auszudrücken.“ Wien am 16. August 1848. 61 Wien, 21. Aug. 27. Sitzung des Reichstags. Anfang 9 1/4 Uhr. Vorsitz: Strobach. Tagesordnung: Ablesung des Protokolls der vorhergehenden Sitzung; Berichte des Petitionsausschusses; Verhandlung über den Antrag Kudlich's u. s. w. Petranowich interpellirt den Minister des Innern, ob nicht-ungarische Truppen an dem Kampfe wider die Kroaten Theil nähmen, wie es verlaute, und ob das Ministerium solche Truppen nicht zurückzuziehen gedenke. Dobblhoff: Es sei ihm nicht bekannt, daß in Syrmien deutsche Regimenter stehen; wegen Rückberufung deutscher Offiziere in der ungarischen Armee sei aber das Nöthige bereits eingeleitet. Ein Abgeorneter: Nach einem Vertrage beziehen Preußen und Rußland jährlich ein halb Million Centner Salz zu dem Preise von 3 Fl. 40 Kr., während der Oestreicher 6 Fl. 48 Kr. dafür bezahlen müsse. Er frage darum an, wie lange dieser Vertrag noch dauere, ob das Ministerium dies auffallende Mißverhältniß nicht sofort ändern wolle und ob es die gesättigten der Weichsel in gedeckten Kanälen zufließenden Salinen nicht freizugeben gesonnen sei. Finanzminister Kraus: Er müsse wegen des Vertrags erst die Akten nachsehen; es würde eine Verminderung des Salzpreises bald eingeführt werden, damit werde die Frage über Freigebung des Salzwassers erledigt werden. Bei der nun folgenden Berichterstattung des Petitionsausschusses nimmt eine Eingabe die Aufmerksamkeit der Versammlung hoch in Anspruch, in welcher mehrere Einwohner von Prag und Umgebung den Minister Doblhoff und das Gesammtministerium in Anklagestand versetzen, indem sie es des Hochverraths für schuldig erklären. (Allgemeine Aufregung. Ruf: Noch einmal lesen.) Es geschieht. Die Gründe der Anklage sind: Doblhoff habe das Ministerium ohne Rücksicht auf die Provinzen gebildet, weil er Schwarzer darin aufgenommen, weil er ohne Genehmigung einen Unterstaatssekretär ernannt, weil er sich um die Gunst der Journale bewerbe, weil er den Grafen Leo Thun abgesetzt und die Stelle eines niederöstreichischen Regierungspräsidenten noch nicht besetzt habe, weil es den Grafen Rothkirch zum Gouverneur in Böhmen ernannt und die Güter Metternichs zu Gunsten des Staats noch nicht sequestrirt habe. Diese Petition wird ad acta gelegt. In einer andern Eingabe bitten die Maschinenarbeiter, ein abgesondertes Korps der Nationalgarde bilden zu dürfen. Der Petitionsausschuß trägt auf Verweisung an den Minister des Innern an. Auf den Antrag Brauners weist die Versammlung dieselbe dem Konstitutionsausschusse zu. Pillersdorff sucht als Berichterstatter der Finanzkommission den in einer frühern Sitzung gegebenen Bericht des Finanzausschusses zu begründen. Er will, da die Nothwendigkeit es erheische, daß dem Minister Kraus bewilligt werde, einstweilen 6 Millionen bei der Bank zu leihen; er will ferner die Errichtung eines permanenten Finanzausschusses, um die Vorarbeiten für das künftig zu befolgende System zu liefern. Schuselka: Er spreche für den Antrag, weil Roth kein Gebot kenne.(!) Doch sei weder der Bericht des Finanzministers, noch der der Kommission den Zeitbedürfnissen entsprechend, weil beide sich im alten Systeme bewegten und keiner einen energischen, sozialen Gedanken enthielten. Aber wenn die Nothwendigkeit gebiete, müßten alle Rücksichten schweigen, obwohl der Reichstag sich mit Bewilligung eines Kredits nicht überrumpeln lassen solle u. s. w. Die Rede ist wie die aller Stellenjäger, die den Mund voller Völkerbeglückung haben, die entgegengesetzten Thaten aber genehmigen und damit die große Masse der dummen Schafe für sich zu ködern meinen. Gobbi (Triest) will den Anspruch, daß der Reichstag die Staatsschuld für unantastbar erkläre und die Bank ehestens in die Lage versetzt werde, ihre Noten wieder einzulösen. Der 7. Punkt im Berichte des Ausschusses sei unbillig und ungerecht, da nur Karl Albert die Millionen zu zahlen habe, die der Krieg gekostet, nicht die Lombardei. Die Schuld des Landes reiche nur bis zum Eintritte Karl Alberts und müsse von da an auf ihn gewälzt werden, weil Karl Albert nur mit despotischen Gelüsten in die Lombardei getreten und dadurch, und weil er verrätherische Vorspiegelungen gemacht, es verhindert habe, daß Italien sich der Wiener Revolution angeschlossen u. s. w. Bilieski findet es sonderbar, daß die Kommission sich für Benutzung der Bank ausspreche, nachdem sie vor wenigen Tagen sich erst dagegen erklärt habe; er spreche sich für eine Spezial-Hypothek auf die Staats- und geistlichen Güter aus, weil Karl Alberts Belastung mit den Kriegskosten nicht viel und namentlich nicht alsogleich etwas einbringen würde, die italienischen Provinzen aber mit dieser Last nicht besteuert werden dürften. Faschonk: Man müsse schon von Frankreich, nicht vom wucherischen Albion gelernt haben den Menschenwerth zu achten; er will kein Geld, er will Boden, Produkte und Personen als Münze. Er theile die Meinung, daß die Gefahr eines Staatsbankerotts bevorstehe, es sei aber auch bisher nur eine Finanzwirthschaft, und keine Finanzwissenschaft betrieben worden und bei der letzten handle es sich vor Allem, wie man die Menschen von ihren Abgaben befreie. Daß der Ausschuß Ersatz von Italien verlange, müsse er als eine Barbarei ansehen und es stimme schlecht mit der Angabe überein, Oesterreich werde Befreier Italiens sein. Den Staatskredit benützen, erscheine ihm lächerlich, wenn man damit wieder die Bank oder die Stockjoberei Einzelner meine Es freue ihn zwar, daß man den Kredit nur in dem Vertrauen auf die Nation Oesterreichs suche, aber Vertrauen fordere Thaten. Er ist gegen die Pläne des Ausschusses und will andere entwickeln. Der Präsident entzieht ihm unter dem Vorgeben das Wort, es handle sich heute nur um den Antrag der Kommission. Bressel: Wenn die Versammlung heute schon die Staatsschuld anerkenne, so seien Italien und Ungarn, weil sie hier nicht vertreten, davon entbunden Dies gehe also nicht. Aber die Versammlung müsse auf Mittel denken, augenblicklich Geld zu schaffen; es handle sich vorläufig noch gar nicht um ein neues Finanzsystem, nicht um Regelung des Staatshaushalts; es handle sich davon, den Staatshaushalt nicht in's Stocken gerathen zu lassen. 61 Wien, 22. August. Die Hauptstadt ist noch einmal vor einem blutigen Geschick bewahrt worden, sie hat noch einmal einen großen demokratischen Sieg errungen und diesen Sieg verdankt sie der Besonnenheit, dem tüchtigen Freisinn ihrer revolutionären Bürger, vor allem dem Ausschuß der Bürger, Nationalgarden und Studenten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Volksfreiheit. Ich habe einen großen Theil der Nacht und des heutigen Morgens im Ausschusse zugebracht und die Ueberzeugung gewonnen, daß Wiens Freiheit geschirmt ist. Während die Frankfurter Gesinnungsritter sich bei Ihnen mit dem Königthum in einem Dombau-Essen festlich verbrüdert und die Fabrik- und

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 87. Köln, 27. August 1848, S. 0446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz087_1848/2>, abgerufen am 28.04.2024.