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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 129. Köln, 29. Oktober 1848. Zweite Ausgabe.

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den Auftrag erhalten, der Deputation kund zu geben, daß nunmehr alle Anträge und Vorschläge in Beziehung auf die Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Wien an den Ober-Befehlshaber der Armee, Fürsten Windischgrätz gerichtet werden müssen, welcher in dieser Hinsicht mit den nöthigen Vollmachten versehen ist. (Bedeutendes Zischen).

Uebrigens darf ich hoffen, daß durch die Kundmachung vom 19. d. Mts. den billigen Wünschen der Wiener Bürger in allen wesentlichen Punkten entsprochen worden ist. (Zischen)

Ollmütz, den 20. Oktober 1848.

Der Minister-Präsident:

Wessenberg.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.

Wir mußten durch diese Nachricht um so schmerzlicher betroffen werden; als wir gerade auf diese Deputation große Hoffnungen gesetzt hatten, indem Männer aus dem angesehensten Bürgerstande, die sich bei keiner Unruhe noch betheiligt hatten (allerdings gute Empfehlung), sich in der Deputation befunden haben. - Wir erfahren dadurch zum zweiten Male, daß Fürst Windischgrätz auf den Schauplatz getreten ist. Zuerst theilte uns Auersperg mit, daß Windischgrätz seit dem 16. Oct. bekanntlich Oberbefehlshaber der Truppen geworden. Offiziel ist uns darüber keine Nachricht zugekommen. Die Ernennung muß sich also auf das Manifest vom 16. Oct. stützen, welches die öffentlichen Blätter heute enthalten (Zischen) und welches Windischgrätz eine unbegränzte Vollmacht giebt. Da wir Volks- und keine Kabinetspolitik treiben (Bravo), so dürfen wir kein Hehl daraus machen, daß wir das Manifest vom 16ten kennen, daß wir erfahren, daß es im Lager verbreitet worden ist und die Offiziere sich wundern, daß es in Wien nicht bekannt gemacht worden ist. (Das hat wahrscheinlich Krauß im Einverständnisse mit Wessenberg verhindert; das Manifest ist ja bloß zur Aufstachelung der Soldatenmeute.) Wir können das Manifest als offiziell nicht anerkennen und müssen daher auch die Sendung des Windischgrätz offiziell nicht ignoriren. Wir haben indessen überlegt, ob wir uns an ihn nicht mit der Frage wenden sollen, worauf er sein Mandat gründe. Die Majorität des Ausschusses hat sich dagegen ausgesprochen, weil die Würde des Reichstags es nicht erlaube, den Windischgrätz aufzusuchen. Wir haben dies aber dem Gemeinderathe überlassen können, weil ihm die Mission des Windischgrätz offiziell kundgegeben worden ist. - Wir haben den Minister Krauß in die Berathung gezogen, und von ihm gehört, er wisse nichts von einer Vollmacht des Windischgrätz, wolle aber bei Wessenberg anfragen. Uebrigens habe die Vollmacht auf dem konstitutionellen Wege nur von dem ganzen Ministerium ausgehen können. - Der Ausschuß habe gefragt, welche friedlichen Maßregeln das Ministerium erfolglos bereits ergriffen habe, um schon jetzt zu militärischen schreiten zu dürfen? Alle friedlichen Maßregeln hätten aber erst erschöpft werden müssen, bevor man zu diesem Aeußersten hätte greifen dürfen. Der Ausschuß sei von der Nothwendigkeit der Maßregel um so weniger überzeugt, als der Reichstag fortwährend die friedliche Ausgleichung versucht habe. - Wir müssen durch das Ministerium und so es nöthig ist, auch noch durch den Reichstag in Olmütz begreiflich machen (schöne Aussicht!), daß erst die friedlichen Maßregeln genommen werden müssen, weil Se. Majestät' der Kaiser sich fortwährend ja auf seine konstitutionelle Eigenschaft beruft. (Ab.)

Das Protokoll wird verlesen. Die Galerien entfernen sich; ich auch.

Kundmachung.

Mitbürger! Ein Plakat, gezeichnet "Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall" ist heute an den Straßenecken auf kurze Zeit gesehen worden. Der hohe Reichstag, getreu seiner Aufgabe: das konstitutionelle Wohl der Völker zu vertreten, hat das Mandat des Fürsten Windischgrätz mit dem angedrohten Belagerungszustande und dem daran sich knüpfenden Standrechte für ungesetzlich, folglich für ungültig erklärt Wir müssen erwarten, ob der Ausspruch der, aus unserer freien Wahl hervorgegangenen Vertreter und Gesetzgeber von dem Minister Herrn Wessenberg zu Ollmütz und von dem Herrn Fürsten Windischgrätz respektirt werden wird.

Mitbürger! Noch ist der Kampf nicht unvermeidlich, noch ist eine friedliche Lösung der Dinge möglich; aber das Wohl unserer schönen Stadt, die Zukunft seiner Bewohner vom absterbenden Greise bis zum bewußtlosen Kinde, unsere Freiheiten erfordern doppelte Wachsamkeit, verdoppelten Eifer.

Jetzt erst trete ich in den Mittelpunkt meines Auftrages: die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigungszustand zu setzen. Mitbürger! Es werden die größten und umfassendsten Maßregeln genommen werden. Jedes Zaudern, jede Halbheit fällt hinweg. Sie wäre unser offenbares Verderben. Was nur meine aufrichtige Friedensliebe Versöhnliches an die Hand gab, ist von allen unsern Körperschaften versucht worden. Blickt auf das Beispiel der heldenmüthigen Bewohner von Budapest! Männer, Frauen, Kinder, aller Alter und Geschlechter, haben gezeigt, wie man zwischen Morgen und Abend Wälle baut.

Haupt-Quartier Schwarzenberg-Palais, am 22. Oktober 1848.

Messenhauser, prov. Ober-Commandant.

102 Wien, 23. Okt.

Reichstagssitzung vom 22. Okt. 4 1/2 Uhr. Präsid. Smolka zeigt an, daß der Berichterstatter des permanenten Ausschusses eine wichtige Mittheilung zu machen habe und fordert denselben auf.

Schuselka: Der Ausschuß hat durch den Gemeinderath die Mittheilung erhalten, daß der Fürst zu Windischgrätz ihm 1000 Exemplare eines Manifestes zur Veröffentlichung zugesendet habe, durch welches Wien und dessen Umgebung in Belagerungszustand erklärt und das Standrecht verkündet wird. (Zischen.) Das Manifest lautet:

An die Bewohner Wiens!

Von seiner Majestät dem Kaiser beauftragt, und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetzlosen Zustande (Zischen) ohne Zeitverlust ein Ziel zu setzen, rechne ich auf den aufrichtigsten und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner.

Bewohner Wiens! Eure Stadt ist befleckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faktion (Zischen). Euer Leben, Euer Eigenthum ist preisgegeben der Willkür einer handvoll Verbrecher (Zischen). Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen.

Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die Militärautorität gestellt, und gegen die Uebertreter meiner Verfügungen das Standrecht verkündigt (Zischen).

Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Sorge sein. Dagegen aber werden die Widerspenstigen der ganzen Strenge der Militärgesetze verfallen.

Lundenburg, den 20. Oktober 1848.

Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall. (Zischen)

Auf Ansuchen des Gemeinderaths, wie er sich in Beziehung auf die von Windischgrätz gemachte Anforderung zu verhalten habe, hat der Ausschuß nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den konstitutionell-gesetzlichen Boden auch jetzt noch festzuhalten. Danach aber dürfe der Belagerungszustand nicht willkürlich, sondern nur im gesetzlichen Wege verfügt werden. Dieser Weg sei unbeachtet geblieben, obwohl das kais. Manifest vom 19. Okt. verheiße, daß alle konstitutionelle Freiheiten unangetastet bleiben und die Verhandlungen des Reichstags ungestört stattfinden sollen. Der Belagerungszustand stehe also mit diesem Manifeste in Widerspruch. - Militärische Maßregeln dürfen nur dann genommen werden, wenn alle friedlichen vorher erschöpft worden sind und selbst dann darf mit dem äußersten nicht begonnen werden. An dem Sitze des Reichstags kann der Belagerungszustand nur in dem Felle erklärt werden, wenn die Reichsversammlung selbst denselben beschlossen hat. Dazu hat der Reichstag in casu concreto aber keine Veranlassung gefunden. - Der Minister Kraus hat uns erklärt, daß ihm von dem Belagerungszustande offiziell (!) nichts bekannt sei. (Je crois bicn) Hiernach hat der Ausschuß folgendes beantragt:

In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet sein sollten, nur den ordentlichen konstitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf;

in Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstags und des Gemeinderaths die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird;

in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete:

erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für ungesetzlich.

Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windischgrätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu setzen.

Für diesen Antrag erhoben sich mit Ausnahme von zwei Abgeordneten alle andere. (Rauschendes Bravo der Galerien, das Volk scheint dadurch mit dem Reichstag etwas versöhnt worden zu sein.)

Sitzung des Reichstags vom 23. Oktbr. Eröffnet durch Präsident Smolka um 10 3/4 Uhr.

Präsident verliest zwei Schreiben der Abgeordneten Ambrosch und Löhner, worin dieselben anzeigen, daß sie krank geworden seien und deshalb der Sitzung nicht beiwohnen könnten. Ebenso verliest er ein Schreiben des Exministers Bach, worin derselbe die Frechheit hat, der Versammlung anzuzeigen, daß er als Abgeordneter nächstens wieder zu erscheinen beabsichtige. Das Schreiben ist, wenn ich richtig verstanden habe, aus Ostran, 17. Okt. datirt. (Erstaunen.)

Die eingegangenen Petitionen werden rubrikmäßig vorgelesen. Es befindet sich darunter eine anonyme der Geistlichen in Oberöstreich (die freisinnigste Provinz) um Aufhebung des Cölibats. Hierauf wird das Protokoll der gestrigen Morgensitzung vorgelesen und nun beginnt der unvermeidliche

Schuselka als Berichterstatter des permanenten Ausschusses: Wir haben abermals Geldbeiträge erhalten. Von Seite der Journalisten sind uns 123 fl. zugekommen; die Gemeinde Mölk hat 187, andere Gemeinden haben 79 fl. eingesendet. Wir haben die eingegangenen Summen an die Nationalgarde und akademische Legion vertheilt. (Warum nicht auch unter die mobile Garde?) Darauf verliest er eine Proklamation aus Insbruck an die Tyroler, die, da sie ein plumpes Machwerk der ultramontanen Jesuitenpartei ist, von der Versammlung unter Heiterkeit und Zischen angehört wird. Ihr Zweck geht dahin, den Landtag Tirols nach Insbruck einzuberufen. Unterzeichnet ist Benz, k. k. Vicepräsident.

Schuselka: Der Ausschuß hat sich nur insofern mit dieser Proklamation beschäftigt, als dieselbe aus eigener Machtvollkommenheit und ohne Dazwischenkunft des Ministeriums für Tyrol einen Landtag einberuft und hat demnach beschlossen, das Ministerium aufzufordern, diese Einberufung für unzuläßig zu erklären.

Gleispach, ein steiermarkischer Graf und Busenfreund Stadions, jetzt dessen Remplacant und Spion: Es ist noch nicht konstatirt, ob nicht Tyrol wie Steiermark, das Recht hat, Landtage aus eigener Machtvollkommenheit einzuberufen und es liegt also keine Veranlassung vor, Tyrol dies Recht hier zu nehmen. (Befremden,)

Prato: Ich trete dem Antrag des Ausschusses bei. Der Landtag zu Insbruck war von Anfang an ungesetzlich, weil erst nach Regelung der Differenzen zwischen dem deutschen und italienischen Tyrol ein solcher Landtag berufen werden durfte.

Turko: Die Einberufung eines Landtags wurde im Juni vom Ministerium bewilligt; die Italiener haben jedoch gleich anfangs wider diesen Landtag protestirt und kein Italiener ist nach Inspruck gegangen, weil der Landtag ganz nach dem alten System aus Grafen, Pfaffen u. s. w. zusammengesetzt worden war. (Bravo.) Das Volk sollte darin nicht repräsentirt werden, nur die Bureaukratie, der Adel und die Pfaffen sollten Beschlüsse fassen. Die Italiener, welche die Hälfte von Tyrols Bevölkerung ausmachen, haben in Inspruck nicht zu tagen; ihre Interessen und ihre Sympathien sind von denen Insprucks verschieden. Wir sind von Nordtyrol aus allzeit geknechtet worden und werden keiner Freiheit theilhaftig werden, solange wir mit Nordtyrol zusammen bleiben müssen. Wenn von Tyrol die Rede ist, so möge die Versammlung immer zwischen Nord- und Südtyrol unterscheiden. Die Abgeordneten aus Nordtyrol haben diese Versammlung pflichtwidrig nach dem 6. Oktober verlassen. (Allgemeiner, nachhaltiger Beifall.)

Maffei redet in demselben Sinne, nur weniger gewandt wie Turko.

Pillersdorff: Ich trete dem Antrag des Ausschusses vollkommen bei. (Bravo.) Der Landtag in Tyrol kann nur durch den Kaiser berufen werden, und seine dermalige Einberufung erscheint demnach illegal.

Borrosch: Solange dieser Reichstag tagt, ist jede andere unter was immer für Vorwänden berufene oder fortgesetzte Provinziallandtagssitzung ein Verrath an der Völkerfreiheit. - Es geht uns darum auch gar nichts an, ob der Landtag von Tyrol ein Recht hat, sich selbst zu berufen oder nicht. Wer da behauptet, wie es die vorgelesene Proklamation thut, der Reichstag tage unter der Anarchie, ist entweder ein Dummkopf, der unsere Verhältnisse weder kennt noch begreift, oder er ist ein Verräther. (Bedeutend anhaltendes Bravo und Applaudiren.)

Pillersdorff berichtigt einige Beschuldigungen Borrosch's in Betreff seiner Wirksamkeit als Minister bei Einberufung der Provinziallandtage und angeblicher Hintanhaltung der Wahlen zum Reichstage, indem er behauptet, wider die Einberufung der Provinziallandtage als Minister protestirt zu haben. Damals sei durchaus nichts geschehen, was den Provinziallandtagen Geltung habe verschaffen können. (Bravo.)

Schuselka tadelt, sonst der Ansicht Borrosch's beistimmend dessen Ausdruck "Verrath am Vaterlande", indem man höchstens nur von einer Auflehnung wider die Einberufung des Reichstags sprechen könne.

198 Abgeordnete sind anwesend; der Antrag des Ausschusses wird angenommen.

Das Protokoll der gestrigen Abendsitzung wird vorgetragen und angenommen.

Schuselka: Als Gegenstück zur Insprucker Proklamation ist eine in italienischer Sprache abgefaßte Adresse der italinischen Kreise Tyrols, Trient und Roveredo eingelaufen. Dieselbe ist vom 15. Oct., mit 40 Unterschriften bedeckt und wird, da sie durchaus konstitutionell-demokratisch gehalten ist, unter bedeutendem Beifalle vorgetragen.

Präsident- Der Abgeordnete Podlewski hat folgenden Antrag eingereicht: Da seit 5 Tagen keine Post aus Galizien eingetroffen ist, so wolle der Reichstag die Minister Krauß und Wessenberg (!) auffordern, den Feldmarschall Windischgrätz zu ersuchen, die gestörte Postverbindung ungesäumt wieder frei zu geben und das Briefgeheimniß zu achten. (Bravo.)

Umlauft will den Ausdruck "strengstens zu untersagen."

Goldmark: Unser Beschluß ist nur dem Krauß, nicht auch dem Minister Wessenberg, dem die Versammlung kein Vertrauen mehr schenken kann, zuzustellen.

Borrosch: Goldmark's Bemerkung ist antikonstitutionell; nicht diese Kammer ernennt Minister, oder erkennt sie an, sondern nur die Krone. So lange dieselbe einen Minister behält, hat kein einzelner Abgeordneter das Recht, dawider aufzutreten. Dies ist unser Boden. Der Kaiser allein wird das von uns beantragte volksthümliche Ministerium ernennen. Man wird uns im Angesichte Europa's nicht die Schmach anthun, durch physische Gewalt uns entgegenzutreten. (!!) Nur wenn die Kammer einen vom Ministerium eingebrachten Gesetzvorschlag verwirft, hat sie demselben ihr Mißtrauen zu erkennen zugeben. Ich beantrage daher nur energische Erklärung und strenge Untersuchung des Falls ohne alle persönliche Bezeichnungen.

Goldmark sucht seinen Antrag abermals zu rechtfertigen.

Schuselka: Ich kann mich dem Antrage Goldmark's nur anschließen. Es handelt sich lediglich darum, auf dem kürzesten Wege zum Ziele zu gelangen. Die Sendungen des Ministers Krauß werden von dem Militär noch respektirt. (Sehr verdächtig.) Die konstitutionellen Sophismen Borrosch's führen hier zu nichts; übrigens muß es jedem Abgeordneten frei stehen, hier zu reden, was er will, und es war überflüssig, ihm deßhalb eine staatsrechtliche Lektion zu geben.

Pillersdorf: Wir werden besser thun, uns im Allgemeinen an das Ministerium zu wenden, ohne einen Minister zu nennen. Demungeachtet erscheint mir Goldmark's Mißtrauensvotum vollständig begründet (Erstaunen und ungemeiner Beifall. Pillersdorf ist persönlich mit Wessenberg befreundet.), weil nicht leicht ein Minister den Monarchen so blosgestellt hat, als es Wessenberg gethan. (Wiederholter ungeheurer Beifall.)

Borkowski: Ich bin der Ansicht Borrosch's, weil die Versammlung in ihrem Beschlusse von gestern Abend (verliest die Stelle) den Minister Wessenberg erst wieder anerkannt hat.

Zimmer: Mag sein, allein wir bezeichnen darin gleichzeitig aber auch die von Wessenberg getroffene Maßregel als eine ungesetzliche, ja wir werden denselben deßhalb in Anklagestand versetzen.

Fedorowicz: Durch das Ausbleiben jeder Nachricht von uns müssen unsere Familien über unser Schicksal in der größten Angst und Besorgniß schweben. Es ist zweifelhaft, ob die hiesige Post oder aber das Militär unsere Briefe zurückhält und das Briefgeheimniß nicht achtet. Ich stelle daher das Amendement, das Ministerium aufzufordern, Schritte gleichzeitig bei den Civil- und Militärbehörden zu thun.

Der Antrag Borrosch's wird angenommen; ebenso ein Zusatz Pillersdorf's, "das in Wien befindliche Ministerium" u. s. w. - Tagesordnung: Gesetz über die Sicherheit der Abgeordneten.

Schuselka: Ich bin gegen die Berathung des Gesetzes, weil es nichts nutzt, wenn die eine oder die andere Gewalt siegt. Wir wollen mit unserer Person alle Verantwortlichkeit tragen, und ich beantrage daher, daß das Gesetz von der Tagesordnung gestrichen werde.

Pillersdorff: Lassen wir uns durch die Verhältnisse nicht beirren, die Tagesordnung zu berathen. Die Versammlung hat durch ihr Benehmen zur Genüge bewiesen, daß sie sich nicht von der Furcht beherrschen läßt.(?)

Goldmark: Dies ist auch meine Ansicht, nur muß ich wünschen, daß die Berathung sehr schleunig geschehe, damit wir unsern Beschluß alsbald nach Olmütz senden und dessen Sanktionirung einholen können. Auf diese Weise werden wir den dortigen Herrn am besten auf den Zahn fühlen.

Borrosch: Weil uns in diesem Augenblicke die Reaktion stärker bedroht als die Anarchie, so ist es Ehrensache, das Gesetz jetzt nicht zu berathen. (Humoristisch-bitter.) Eine Erprobung, ob wir die Sanktion erlangen, ist eine uns selbst zugefügte Schmach. Solange ich hier stehe, muß ich unbedingt glauben können, daß unsere Beschlüsse sanktionirt werden müssen. (Beifall.)

Wienkowski für Pillersdorff: Wir haben uns vor Allem den Truppen gegenüber zu schirmen.

Schuselka: Das Mandat des Volks muß unser einziger Schutz sein, es ist daher kleinlich, ein Schutzgesetz zu erlassen; in diesem Augenblick, wo ein gesetzlicher Zustand schon besteht, sieht es aus, wie Furcht. Ich erwarte von einem solchen Gesetz keinen praktischen Erfolg, und das Gefühl politischer Naivetät darf uns nicht leiten. (Schuselka und die Versammlung stehen zwischen zwei Feuer, Windischgrätz und die Popularität; sie stürzen sich doch lieber wieder in die letzte.)

Goldmark: Ich bin immer aufrichtig in der Politik gewesen, habe niemals Furcht gezeigt, mein Blut rollt rascher als das meines Herrn Kollegen u. s. w.

Brestl: Das Gesetz bleibe auf der Tagesordnung, wir müssen uns von den äußern Ereignissen gar nicht bestimmen lassen; wir bedürfen namentlich dem Volk gegenüber kein Gesetz, müssen aber Vorsorge treffen, daß die Abgeordneten, welche in den Reichstag zurückkehren wollen, dies mit Sicherheit können.

Kavalkabo: Es ist mir gleichgültig, ob das Gesetz jetzt diskutirt wird; ich habe jedoch die Ueberzeugung, daß jetzt nicht der Augenblick da ist, dasselbe zu berathen.

Das Gesetz wird von der Tagesordnung gestrichen.

Schuselka: Bis auf ruhigere Zeiten.

Borrosch: Bis auf's Unbestimmte. (Heiterkeit.)

Umlauft: Ich beantrage über diese Zusätze die Tagesordnung. Angenommen. Schluß 1 Uhr.

121 Wien, 23. Okt.

Gestern trafen etwas über 100 Tyroler Scharfschützen hier ein und verhießen einen bedeutenden Nachzug, angeblich 60 Kompagnien, jede zu 200 Mann. Wenn sie nur schon da wären! Ich hörte einen dieser reich mit Bändern geschmückten Leute sagen, sie hätten dem Kaiser bei seiner ersten Flucht aus Wien wohl geglaubt, diesmal aber hätten sie den Braten gerochen. - Das standrechtliche Belagerungs-Manifest des Wendischkrätze ist von unbekannten Händen in einigen Exemplaren gestern Abend an wenig Stellen angeheftet gewesen, sogleich indessen abgerissen worden. Dadurch ist es dem großen Publikum unbekannt geblieben, bis es durch die Verhandlung im Reichstage kund wurde und allgemeine Indignation hervorbrachte. Heute erschienen davon aus der Offizin von Lell einige angeblich zum ewigen Angedenken gemachte Nachdrücke. Windischgrätz wird bei etwaiger Uebergabe der Stadt natürlich nicht verfehlen, die allgemeine Publikation des Manifest's auf die durch seine Handlanger geschehene Anheftung desselben zu unterstellen. Wie in diesem Falle die Rache dieses Wütherich's sein wird, das bedarf keiner Worte, um so weniger, als nach dessen Behauptung der eigentliche Mensch erst mit dem Baron beginnt und sämmtliche Barone aus der Stadt entflohen sind.

Der heutige Tag war ein sehr kriegerischer. Seit 10 Uhr am Morgen bis jetzt (6 Uhr) donnern die Kanonen und das Kleingewehrfeuer an der Nußdorfer und Taborlinie. Die Vorstädte Rossau und Lichtenthal sind dadurch in Alarm versetzt worden, keineswegs aber der übrige Theil der Stadt. Dadurch wird die

den Auftrag erhalten, der Deputation kund zu geben, daß nunmehr alle Anträge und Vorschläge in Beziehung auf die Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Wien an den Ober-Befehlshaber der Armee, Fürsten Windischgrätz gerichtet werden müssen, welcher in dieser Hinsicht mit den nöthigen Vollmachten versehen ist. (Bedeutendes Zischen).

Uebrigens darf ich hoffen, daß durch die Kundmachung vom 19. d. Mts. den billigen Wünschen der Wiener Bürger in allen wesentlichen Punkten entsprochen worden ist. (Zischen)

Ollmütz, den 20. Oktober 1848.

Der Minister-Präsident:

Wessenberg.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.

Wir mußten durch diese Nachricht um so schmerzlicher betroffen werden; als wir gerade auf diese Deputation große Hoffnungen gesetzt hatten, indem Männer aus dem angesehensten Bürgerstande, die sich bei keiner Unruhe noch betheiligt hatten (allerdings gute Empfehlung), sich in der Deputation befunden haben. ‒ Wir erfahren dadurch zum zweiten Male, daß Fürst Windischgrätz auf den Schauplatz getreten ist. Zuerst theilte uns Auersperg mit, daß Windischgrätz seit dem 16. Oct. bekanntlich Oberbefehlshaber der Truppen geworden. Offiziel ist uns darüber keine Nachricht zugekommen. Die Ernennung muß sich also auf das Manifest vom 16. Oct. stützen, welches die öffentlichen Blätter heute enthalten (Zischen) und welches Windischgrätz eine unbegränzte Vollmacht giebt. Da wir Volks- und keine Kabinetspolitik treiben (Bravo), so dürfen wir kein Hehl daraus machen, daß wir das Manifest vom 16ten kennen, daß wir erfahren, daß es im Lager verbreitet worden ist und die Offiziere sich wundern, daß es in Wien nicht bekannt gemacht worden ist. (Das hat wahrscheinlich Krauß im Einverständnisse mit Wessenberg verhindert; das Manifest ist ja bloß zur Aufstachelung der Soldatenmeute.) Wir können das Manifest als offiziell nicht anerkennen und müssen daher auch die Sendung des Windischgrätz offiziell nicht ignoriren. Wir haben indessen überlegt, ob wir uns an ihn nicht mit der Frage wenden sollen, worauf er sein Mandat gründe. Die Majorität des Ausschusses hat sich dagegen ausgesprochen, weil die Würde des Reichstags es nicht erlaube, den Windischgrätz aufzusuchen. Wir haben dies aber dem Gemeinderathe überlassen können, weil ihm die Mission des Windischgrätz offiziell kundgegeben worden ist. ‒ Wir haben den Minister Krauß in die Berathung gezogen, und von ihm gehört, er wisse nichts von einer Vollmacht des Windischgrätz, wolle aber bei Wessenberg anfragen. Uebrigens habe die Vollmacht auf dem konstitutionellen Wege nur von dem ganzen Ministerium ausgehen können. ‒ Der Ausschuß habe gefragt, welche friedlichen Maßregeln das Ministerium erfolglos bereits ergriffen habe, um schon jetzt zu militärischen schreiten zu dürfen? Alle friedlichen Maßregeln hätten aber erst erschöpft werden müssen, bevor man zu diesem Aeußersten hätte greifen dürfen. Der Ausschuß sei von der Nothwendigkeit der Maßregel um so weniger überzeugt, als der Reichstag fortwährend die friedliche Ausgleichung versucht habe. ‒ Wir müssen durch das Ministerium und so es nöthig ist, auch noch durch den Reichstag in Olmütz begreiflich machen (schöne Aussicht!), daß erst die friedlichen Maßregeln genommen werden müssen, weil Se. Majestät' der Kaiser sich fortwährend ja auf seine konstitutionelle Eigenschaft beruft. (Ab.)

Das Protokoll wird verlesen. Die Galerien entfernen sich; ich auch.

Kundmachung.

Mitbürger! Ein Plakat, gezeichnet „Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall“ ist heute an den Straßenecken auf kurze Zeit gesehen worden. Der hohe Reichstag, getreu seiner Aufgabe: das konstitutionelle Wohl der Völker zu vertreten, hat das Mandat des Fürsten Windischgrätz mit dem angedrohten Belagerungszustande und dem daran sich knüpfenden Standrechte für ungesetzlich, folglich für ungültig erklärt Wir müssen erwarten, ob der Ausspruch der, aus unserer freien Wahl hervorgegangenen Vertreter und Gesetzgeber von dem Minister Herrn Wessenberg zu Ollmütz und von dem Herrn Fürsten Windischgrätz respektirt werden wird.

Mitbürger! Noch ist der Kampf nicht unvermeidlich, noch ist eine friedliche Lösung der Dinge möglich; aber das Wohl unserer schönen Stadt, die Zukunft seiner Bewohner vom absterbenden Greise bis zum bewußtlosen Kinde, unsere Freiheiten erfordern doppelte Wachsamkeit, verdoppelten Eifer.

Jetzt erst trete ich in den Mittelpunkt meines Auftrages: die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigungszustand zu setzen. Mitbürger! Es werden die größten und umfassendsten Maßregeln genommen werden. Jedes Zaudern, jede Halbheit fällt hinweg. Sie wäre unser offenbares Verderben. Was nur meine aufrichtige Friedensliebe Versöhnliches an die Hand gab, ist von allen unsern Körperschaften versucht worden. Blickt auf das Beispiel der heldenmüthigen Bewohner von Budapest! Männer, Frauen, Kinder, aller Alter und Geschlechter, haben gezeigt, wie man zwischen Morgen und Abend Wälle baut.

Haupt-Quartier Schwarzenberg-Palais, am 22. Oktober 1848.

Messenhauser, prov. Ober-Commandant.

102 Wien, 23. Okt.

Reichstagssitzung vom 22. Okt. 4 1/2 Uhr. Präsid. Smolka zeigt an, daß der Berichterstatter des permanenten Ausschusses eine wichtige Mittheilung zu machen habe und fordert denselben auf.

Schuselka: Der Ausschuß hat durch den Gemeinderath die Mittheilung erhalten, daß der Fürst zu Windischgrätz ihm 1000 Exemplare eines Manifestes zur Veröffentlichung zugesendet habe, durch welches Wien und dessen Umgebung in Belagerungszustand erklärt und das Standrecht verkündet wird. (Zischen.) Das Manifest lautet:

An die Bewohner Wiens!

Von seiner Majestät dem Kaiser beauftragt, und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetzlosen Zustande (Zischen) ohne Zeitverlust ein Ziel zu setzen, rechne ich auf den aufrichtigsten und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner.

Bewohner Wiens! Eure Stadt ist befleckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faktion (Zischen). Euer Leben, Euer Eigenthum ist preisgegeben der Willkür einer handvoll Verbrecher (Zischen). Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen.

Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die Militärautorität gestellt, und gegen die Uebertreter meiner Verfügungen das Standrecht verkündigt (Zischen).

Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Sorge sein. Dagegen aber werden die Widerspenstigen der ganzen Strenge der Militärgesetze verfallen.

Lundenburg, den 20. Oktober 1848.

Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall. (Zischen)

Auf Ansuchen des Gemeinderaths, wie er sich in Beziehung auf die von Windischgrätz gemachte Anforderung zu verhalten habe, hat der Ausschuß nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den konstitutionell-gesetzlichen Boden auch jetzt noch festzuhalten. Danach aber dürfe der Belagerungszustand nicht willkürlich, sondern nur im gesetzlichen Wege verfügt werden. Dieser Weg sei unbeachtet geblieben, obwohl das kais. Manifest vom 19. Okt. verheiße, daß alle konstitutionelle Freiheiten unangetastet bleiben und die Verhandlungen des Reichstags ungestört stattfinden sollen. Der Belagerungszustand stehe also mit diesem Manifeste in Widerspruch. ‒ Militärische Maßregeln dürfen nur dann genommen werden, wenn alle friedlichen vorher erschöpft worden sind und selbst dann darf mit dem äußersten nicht begonnen werden. An dem Sitze des Reichstags kann der Belagerungszustand nur in dem Felle erklärt werden, wenn die Reichsversammlung selbst denselben beschlossen hat. Dazu hat der Reichstag in casu concreto aber keine Veranlassung gefunden. ‒ Der Minister Kraus hat uns erklärt, daß ihm von dem Belagerungszustande offiziell (!) nichts bekannt sei. (Je crois bicn) Hiernach hat der Ausschuß folgendes beantragt:

In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet sein sollten, nur den ordentlichen konstitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf;

in Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstags und des Gemeinderaths die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird;

in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete:

erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für ungesetzlich.

Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windischgrätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu setzen.

Für diesen Antrag erhoben sich mit Ausnahme von zwei Abgeordneten alle andere. (Rauschendes Bravo der Galerien, das Volk scheint dadurch mit dem Reichstag etwas versöhnt worden zu sein.)

Sitzung des Reichstags vom 23. Oktbr. Eröffnet durch Präsident Smolka um 10 3/4 Uhr.

Präsident verliest zwei Schreiben der Abgeordneten Ambrosch und Löhner, worin dieselben anzeigen, daß sie krank geworden seien und deshalb der Sitzung nicht beiwohnen könnten. Ebenso verliest er ein Schreiben des Exministers Bach, worin derselbe die Frechheit hat, der Versammlung anzuzeigen, daß er als Abgeordneter nächstens wieder zu erscheinen beabsichtige. Das Schreiben ist, wenn ich richtig verstanden habe, aus Ostran, 17. Okt. datirt. (Erstaunen.)

Die eingegangenen Petitionen werden rubrikmäßig vorgelesen. Es befindet sich darunter eine anonyme der Geistlichen in Oberöstreich (die freisinnigste Provinz) um Aufhebung des Cölibats. Hierauf wird das Protokoll der gestrigen Morgensitzung vorgelesen und nun beginnt der unvermeidliche

Schuselka als Berichterstatter des permanenten Ausschusses: Wir haben abermals Geldbeiträge erhalten. Von Seite der Journalisten sind uns 123 fl. zugekommen; die Gemeinde Mölk hat 187, andere Gemeinden haben 79 fl. eingesendet. Wir haben die eingegangenen Summen an die Nationalgarde und akademische Legion vertheilt. (Warum nicht auch unter die mobile Garde?) Darauf verliest er eine Proklamation aus Insbruck an die Tyroler, die, da sie ein plumpes Machwerk der ultramontanen Jesuitenpartei ist, von der Versammlung unter Heiterkeit und Zischen angehört wird. Ihr Zweck geht dahin, den Landtag Tirols nach Insbruck einzuberufen. Unterzeichnet ist Benz, k. k. Vicepräsident.

Schuselka: Der Ausschuß hat sich nur insofern mit dieser Proklamation beschäftigt, als dieselbe aus eigener Machtvollkommenheit und ohne Dazwischenkunft des Ministeriums für Tyrol einen Landtag einberuft und hat demnach beschlossen, das Ministerium aufzufordern, diese Einberufung für unzuläßig zu erklären.

Gleispach, ein steiermarkischer Graf und Busenfreund Stadions, jetzt dessen Remplacant und Spion: Es ist noch nicht konstatirt, ob nicht Tyrol wie Steiermark, das Recht hat, Landtage aus eigener Machtvollkommenheit einzuberufen und es liegt also keine Veranlassung vor, Tyrol dies Recht hier zu nehmen. (Befremden,)

Prato: Ich trete dem Antrag des Ausschusses bei. Der Landtag zu Insbruck war von Anfang an ungesetzlich, weil erst nach Regelung der Differenzen zwischen dem deutschen und italienischen Tyrol ein solcher Landtag berufen werden durfte.

Turko: Die Einberufung eines Landtags wurde im Juni vom Ministerium bewilligt; die Italiener haben jedoch gleich anfangs wider diesen Landtag protestirt und kein Italiener ist nach Inspruck gegangen, weil der Landtag ganz nach dem alten System aus Grafen, Pfaffen u. s. w. zusammengesetzt worden war. (Bravo.) Das Volk sollte darin nicht repräsentirt werden, nur die Bureaukratie, der Adel und die Pfaffen sollten Beschlüsse fassen. Die Italiener, welche die Hälfte von Tyrols Bevölkerung ausmachen, haben in Inspruck nicht zu tagen; ihre Interessen und ihre Sympathien sind von denen Insprucks verschieden. Wir sind von Nordtyrol aus allzeit geknechtet worden und werden keiner Freiheit theilhaftig werden, solange wir mit Nordtyrol zusammen bleiben müssen. Wenn von Tyrol die Rede ist, so möge die Versammlung immer zwischen Nord- und Südtyrol unterscheiden. Die Abgeordneten aus Nordtyrol haben diese Versammlung pflichtwidrig nach dem 6. Oktober verlassen. (Allgemeiner, nachhaltiger Beifall.)

Maffei redet in demselben Sinne, nur weniger gewandt wie Turko.

Pillersdorff: Ich trete dem Antrag des Ausschusses vollkommen bei. (Bravo.) Der Landtag in Tyrol kann nur durch den Kaiser berufen werden, und seine dermalige Einberufung erscheint demnach illegal.

Borrosch: Solange dieser Reichstag tagt, ist jede andere unter was immer für Vorwänden berufene oder fortgesetzte Provinziallandtagssitzung ein Verrath an der Völkerfreiheit. ‒ Es geht uns darum auch gar nichts an, ob der Landtag von Tyrol ein Recht hat, sich selbst zu berufen oder nicht. Wer da behauptet, wie es die vorgelesene Proklamation thut, der Reichstag tage unter der Anarchie, ist entweder ein Dummkopf, der unsere Verhältnisse weder kennt noch begreift, oder er ist ein Verräther. (Bedeutend anhaltendes Bravo und Applaudiren.)

Pillersdorff berichtigt einige Beschuldigungen Borrosch's in Betreff seiner Wirksamkeit als Minister bei Einberufung der Provinziallandtage und angeblicher Hintanhaltung der Wahlen zum Reichstage, indem er behauptet, wider die Einberufung der Provinziallandtage als Minister protestirt zu haben. Damals sei durchaus nichts geschehen, was den Provinziallandtagen Geltung habe verschaffen können. (Bravo.)

Schuselka tadelt, sonst der Ansicht Borrosch's beistimmend dessen Ausdruck „Verrath am Vaterlande“, indem man höchstens nur von einer Auflehnung wider die Einberufung des Reichstags sprechen könne.

198 Abgeordnete sind anwesend; der Antrag des Ausschusses wird angenommen.

Das Protokoll der gestrigen Abendsitzung wird vorgetragen und angenommen.

Schuselka: Als Gegenstück zur Insprucker Proklamation ist eine in italienischer Sprache abgefaßte Adresse der italinischen Kreise Tyrols, Trient und Roveredo eingelaufen. Dieselbe ist vom 15. Oct., mit 40 Unterschriften bedeckt und wird, da sie durchaus konstitutionell-demokratisch gehalten ist, unter bedeutendem Beifalle vorgetragen.

Präsident- Der Abgeordnete Podlewski hat folgenden Antrag eingereicht: Da seit 5 Tagen keine Post aus Galizien eingetroffen ist, so wolle der Reichstag die Minister Krauß und Wessenberg (!) auffordern, den Feldmarschall Windischgrätz zu ersuchen, die gestörte Postverbindung ungesäumt wieder frei zu geben und das Briefgeheimniß zu achten. (Bravo.)

Umlauft will den Ausdruck „strengstens zu untersagen.“

Goldmark: Unser Beschluß ist nur dem Krauß, nicht auch dem Minister Wessenberg, dem die Versammlung kein Vertrauen mehr schenken kann, zuzustellen.

Borrosch: Goldmark's Bemerkung ist antikonstitutionell; nicht diese Kammer ernennt Minister, oder erkennt sie an, sondern nur die Krone. So lange dieselbe einen Minister behält, hat kein einzelner Abgeordneter das Recht, dawider aufzutreten. Dies ist unser Boden. Der Kaiser allein wird das von uns beantragte volksthümliche Ministerium ernennen. Man wird uns im Angesichte Europa's nicht die Schmach anthun, durch physische Gewalt uns entgegenzutreten. (!!) Nur wenn die Kammer einen vom Ministerium eingebrachten Gesetzvorschlag verwirft, hat sie demselben ihr Mißtrauen zu erkennen zugeben. Ich beantrage daher nur energische Erklärung und strenge Untersuchung des Falls ohne alle persönliche Bezeichnungen.

Goldmark sucht seinen Antrag abermals zu rechtfertigen.

Schuselka: Ich kann mich dem Antrage Goldmark's nur anschließen. Es handelt sich lediglich darum, auf dem kürzesten Wege zum Ziele zu gelangen. Die Sendungen des Ministers Krauß werden von dem Militär noch respektirt. (Sehr verdächtig.) Die konstitutionellen Sophismen Borrosch's führen hier zu nichts; übrigens muß es jedem Abgeordneten frei stehen, hier zu reden, was er will, und es war überflüssig, ihm deßhalb eine staatsrechtliche Lektion zu geben.

Pillersdorf: Wir werden besser thun, uns im Allgemeinen an das Ministerium zu wenden, ohne einen Minister zu nennen. Demungeachtet erscheint mir Goldmark's Mißtrauensvotum vollständig begründet (Erstaunen und ungemeiner Beifall. Pillersdorf ist persönlich mit Wessenberg befreundet.), weil nicht leicht ein Minister den Monarchen so blosgestellt hat, als es Wessenberg gethan. (Wiederholter ungeheurer Beifall.)

Borkowski: Ich bin der Ansicht Borrosch's, weil die Versammlung in ihrem Beschlusse von gestern Abend (verliest die Stelle) den Minister Wessenberg erst wieder anerkannt hat.

Zimmer: Mag sein, allein wir bezeichnen darin gleichzeitig aber auch die von Wessenberg getroffene Maßregel als eine ungesetzliche, ja wir werden denselben deßhalb in Anklagestand versetzen.

Fedorowicz: Durch das Ausbleiben jeder Nachricht von uns müssen unsere Familien über unser Schicksal in der größten Angst und Besorgniß schweben. Es ist zweifelhaft, ob die hiesige Post oder aber das Militär unsere Briefe zurückhält und das Briefgeheimniß nicht achtet. Ich stelle daher das Amendement, das Ministerium aufzufordern, Schritte gleichzeitig bei den Civil- und Militärbehörden zu thun.

Der Antrag Borrosch's wird angenommen; ebenso ein Zusatz Pillersdorf's, „das in Wien befindliche Ministerium“ u. s. w. ‒ Tagesordnung: Gesetz über die Sicherheit der Abgeordneten.

Schuselka: Ich bin gegen die Berathung des Gesetzes, weil es nichts nutzt, wenn die eine oder die andere Gewalt siegt. Wir wollen mit unserer Person alle Verantwortlichkeit tragen, und ich beantrage daher, daß das Gesetz von der Tagesordnung gestrichen werde.

Pillersdorff: Lassen wir uns durch die Verhältnisse nicht beirren, die Tagesordnung zu berathen. Die Versammlung hat durch ihr Benehmen zur Genüge bewiesen, daß sie sich nicht von der Furcht beherrschen läßt.(?)

Goldmark: Dies ist auch meine Ansicht, nur muß ich wünschen, daß die Berathung sehr schleunig geschehe, damit wir unsern Beschluß alsbald nach Olmütz senden und dessen Sanktionirung einholen können. Auf diese Weise werden wir den dortigen Herrn am besten auf den Zahn fühlen.

Borrosch: Weil uns in diesem Augenblicke die Reaktion stärker bedroht als die Anarchie, so ist es Ehrensache, das Gesetz jetzt nicht zu berathen. (Humoristisch-bitter.) Eine Erprobung, ob wir die Sanktion erlangen, ist eine uns selbst zugefügte Schmach. Solange ich hier stehe, muß ich unbedingt glauben können, daß unsere Beschlüsse sanktionirt werden müssen. (Beifall.)

Wienkowski für Pillersdorff: Wir haben uns vor Allem den Truppen gegenüber zu schirmen.

Schuselka: Das Mandat des Volks muß unser einziger Schutz sein, es ist daher kleinlich, ein Schutzgesetz zu erlassen; in diesem Augenblick, wo ein gesetzlicher Zustand schon besteht, sieht es aus, wie Furcht. Ich erwarte von einem solchen Gesetz keinen praktischen Erfolg, und das Gefühl politischer Naivetät darf uns nicht leiten. (Schuselka und die Versammlung stehen zwischen zwei Feuer, Windischgrätz und die Popularität; sie stürzen sich doch lieber wieder in die letzte.)

Goldmark: Ich bin immer aufrichtig in der Politik gewesen, habe niemals Furcht gezeigt, mein Blut rollt rascher als das meines Herrn Kollegen u. s. w.

Brestl: Das Gesetz bleibe auf der Tagesordnung, wir müssen uns von den äußern Ereignissen gar nicht bestimmen lassen; wir bedürfen namentlich dem Volk gegenüber kein Gesetz, müssen aber Vorsorge treffen, daß die Abgeordneten, welche in den Reichstag zurückkehren wollen, dies mit Sicherheit können.

Kavalkabo: Es ist mir gleichgültig, ob das Gesetz jetzt diskutirt wird; ich habe jedoch die Ueberzeugung, daß jetzt nicht der Augenblick da ist, dasselbe zu berathen.

Das Gesetz wird von der Tagesordnung gestrichen.

Schuselka: Bis auf ruhigere Zeiten.

Borrosch: Bis auf's Unbestimmte. (Heiterkeit.)

Umlauft: Ich beantrage über diese Zusätze die Tagesordnung. Angenommen. Schluß 1 Uhr.

121 Wien, 23. Okt.

Gestern trafen etwas über 100 Tyroler Scharfschützen hier ein und verhießen einen bedeutenden Nachzug, angeblich 60 Kompagnien, jede zu 200 Mann. Wenn sie nur schon da wären! Ich hörte einen dieser reich mit Bändern geschmückten Leute sagen, sie hätten dem Kaiser bei seiner ersten Flucht aus Wien wohl geglaubt, diesmal aber hätten sie den Braten gerochen. ‒ Das standrechtliche Belagerungs-Manifest des Wendischkrätze ist von unbekannten Händen in einigen Exemplaren gestern Abend an wenig Stellen angeheftet gewesen, sogleich indessen abgerissen worden. Dadurch ist es dem großen Publikum unbekannt geblieben, bis es durch die Verhandlung im Reichstage kund wurde und allgemeine Indignation hervorbrachte. Heute erschienen davon aus der Offizin von Lell einige angeblich zum ewigen Angedenken gemachte Nachdrücke. Windischgrätz wird bei etwaiger Uebergabe der Stadt natürlich nicht verfehlen, die allgemeine Publikation des Manifest's auf die durch seine Handlanger geschehene Anheftung desselben zu unterstellen. Wie in diesem Falle die Rache dieses Wütherich's sein wird, das bedarf keiner Worte, um so weniger, als nach dessen Behauptung der eigentliche Mensch erst mit dem Baron beginnt und sämmtliche Barone aus der Stadt entflohen sind.

Der heutige Tag war ein sehr kriegerischer. Seit 10 Uhr am Morgen bis jetzt (6 Uhr) donnern die Kanonen und das Kleingewehrfeuer an der Nußdorfer und Taborlinie. Die Vorstädte Rossau und Lichtenthal sind dadurch in Alarm versetzt worden, keineswegs aber der übrige Theil der Stadt. Dadurch wird die

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          <p><pb facs="#f0002" n="0654"/>
den Auftrag erhalten, der Deputation kund zu geben, daß nunmehr alle Anträge und Vorschläge in Beziehung auf die Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Wien an den Ober-Befehlshaber der Armee, Fürsten Windischgrätz gerichtet werden müssen, welcher in dieser Hinsicht mit den nöthigen Vollmachten versehen ist. (Bedeutendes Zischen).</p>
          <p>Uebrigens darf ich hoffen, daß durch die Kundmachung vom 19. d. Mts. den billigen Wünschen der Wiener Bürger in allen wesentlichen Punkten entsprochen worden ist. (Zischen)</p>
          <p>Ollmütz, den 20. Oktober 1848.</p>
          <p>Der Minister-Präsident:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Wessenberg.</hi> </p>
          <p>Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.</p>
          <p>Wir mußten durch diese Nachricht um so schmerzlicher betroffen werden; als wir gerade auf diese Deputation große Hoffnungen gesetzt hatten, indem Männer aus dem angesehensten Bürgerstande, die sich bei keiner Unruhe noch betheiligt hatten (allerdings gute Empfehlung), sich in der Deputation befunden haben. &#x2012; Wir erfahren dadurch zum zweiten Male, daß Fürst Windischgrätz auf den Schauplatz getreten ist. Zuerst theilte uns Auersperg mit, daß Windischgrätz seit dem 16. Oct. bekanntlich Oberbefehlshaber der Truppen geworden. Offiziel ist uns darüber keine Nachricht zugekommen. Die Ernennung muß sich also auf das Manifest vom 16. Oct. stützen, welches die öffentlichen Blätter heute enthalten (Zischen) und welches Windischgrätz eine unbegränzte Vollmacht giebt. Da wir Volks- und keine Kabinetspolitik treiben (Bravo), so dürfen wir kein Hehl daraus machen, daß wir das Manifest vom 16ten kennen, daß wir erfahren, daß es im Lager verbreitet worden ist und die Offiziere sich wundern, daß es in Wien nicht bekannt gemacht worden ist. (Das hat wahrscheinlich Krauß im Einverständnisse mit Wessenberg verhindert; das Manifest ist ja bloß zur Aufstachelung der Soldatenmeute.) Wir können das Manifest als offiziell nicht anerkennen und müssen daher auch die Sendung des Windischgrätz offiziell nicht ignoriren. Wir haben indessen überlegt, ob wir uns an ihn nicht mit der Frage wenden sollen, worauf er sein Mandat gründe. Die Majorität des Ausschusses hat sich dagegen ausgesprochen, weil die Würde des Reichstags es nicht erlaube, den Windischgrätz aufzusuchen. Wir haben dies aber dem Gemeinderathe überlassen können, weil ihm die Mission des Windischgrätz offiziell kundgegeben worden ist. &#x2012; Wir haben den Minister Krauß in die Berathung gezogen, und von ihm gehört, er wisse nichts von einer Vollmacht des Windischgrätz, wolle aber bei Wessenberg anfragen. Uebrigens habe die Vollmacht auf dem konstitutionellen Wege nur von dem ganzen Ministerium ausgehen können. &#x2012; Der Ausschuß habe gefragt, welche friedlichen Maßregeln das Ministerium <hi rendition="#g">erfolglos</hi> bereits ergriffen habe, um schon jetzt zu militärischen schreiten zu dürfen? Alle friedlichen Maßregeln hätten aber erst erschöpft werden müssen, bevor man zu diesem Aeußersten hätte greifen dürfen. Der Ausschuß sei von der Nothwendigkeit der Maßregel um so weniger überzeugt, als der Reichstag fortwährend die friedliche Ausgleichung versucht habe. &#x2012; Wir müssen durch das Ministerium und so es nöthig ist, auch noch durch den Reichstag in Olmütz begreiflich machen (schöne Aussicht!), daß erst die friedlichen Maßregeln genommen werden müssen, weil Se. Majestät' der Kaiser sich fortwährend ja auf seine konstitutionelle Eigenschaft beruft. (Ab.)</p>
          <p>Das Protokoll wird verlesen. Die Galerien entfernen sich; ich auch.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar129_002" type="jArticle">
          <head>Kundmachung.</head>
          <p>Mitbürger! Ein Plakat, gezeichnet &#x201E;Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall&#x201C; ist heute an den Straßenecken auf kurze Zeit gesehen worden. Der hohe Reichstag, getreu seiner Aufgabe: das konstitutionelle Wohl der Völker zu vertreten, hat das Mandat des Fürsten Windischgrätz mit dem angedrohten Belagerungszustande und dem daran sich knüpfenden Standrechte für ungesetzlich, folglich für ungültig erklärt Wir müssen erwarten, ob der Ausspruch der, aus unserer freien Wahl hervorgegangenen Vertreter und Gesetzgeber von dem Minister Herrn Wessenberg zu Ollmütz und von dem Herrn Fürsten Windischgrätz respektirt werden wird.</p>
          <p>Mitbürger! Noch ist der Kampf nicht unvermeidlich, noch ist eine friedliche Lösung der Dinge möglich; aber das Wohl unserer schönen Stadt, die Zukunft seiner Bewohner vom absterbenden Greise bis zum bewußtlosen Kinde, unsere Freiheiten erfordern doppelte Wachsamkeit, verdoppelten Eifer.</p>
          <p>Jetzt erst trete ich in den Mittelpunkt meines Auftrages: die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigungszustand zu setzen. Mitbürger! Es werden die größten und umfassendsten Maßregeln genommen werden. Jedes Zaudern, jede Halbheit fällt hinweg. Sie wäre unser offenbares Verderben. Was nur meine aufrichtige Friedensliebe Versöhnliches an die Hand gab, ist von allen unsern Körperschaften versucht worden. Blickt auf das Beispiel der heldenmüthigen Bewohner von Budapest! Männer, Frauen, Kinder, aller Alter und Geschlechter, haben gezeigt, wie man zwischen Morgen und Abend Wälle baut.</p>
          <p>Haupt-Quartier Schwarzenberg-Palais, am 22. Oktober 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Messenhauser,</hi> prov. Ober-Commandant.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 23. Okt.</head>
          <p>Reichstagssitzung vom 22. Okt. 4 1/2 Uhr. Präsid. <hi rendition="#g">Smolka</hi> zeigt an, daß der Berichterstatter des permanenten Ausschusses eine wichtige Mittheilung zu machen habe und fordert denselben auf.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Der Ausschuß hat durch den Gemeinderath die Mittheilung erhalten, daß der Fürst zu Windischgrätz ihm 1000 Exemplare eines Manifestes zur Veröffentlichung zugesendet habe, durch welches Wien und dessen Umgebung in Belagerungszustand erklärt und das Standrecht verkündet wird. (Zischen.) Das Manifest lautet:</p>
          <p>An die Bewohner Wiens!</p>
          <p>Von seiner Majestät dem Kaiser beauftragt, und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetzlosen Zustande (Zischen) ohne Zeitverlust ein Ziel zu setzen, rechne ich auf den aufrichtigsten und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner.</p>
          <p>Bewohner Wiens! Eure Stadt ist befleckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faktion (Zischen). Euer Leben, Euer Eigenthum ist preisgegeben der Willkür einer handvoll Verbrecher (Zischen). Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen.</p>
          <p>Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die Militärautorität gestellt, und gegen die Uebertreter meiner Verfügungen das Standrecht verkündigt (Zischen).</p>
          <p>Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Sorge sein. Dagegen aber werden die Widerspenstigen der ganzen Strenge der Militärgesetze verfallen.</p>
          <p>Lundenburg, den 20. Oktober 1848.</p>
          <p>Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall. (Zischen)</p>
          <p>Auf Ansuchen des Gemeinderaths, wie er sich in Beziehung auf die von Windischgrätz gemachte Anforderung zu verhalten habe, hat der Ausschuß nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den konstitutionell-gesetzlichen Boden auch jetzt noch festzuhalten. Danach aber dürfe der Belagerungszustand nicht willkürlich, sondern nur im gesetzlichen Wege verfügt werden. Dieser Weg sei unbeachtet geblieben, obwohl das kais. Manifest vom 19. Okt. verheiße, daß alle konstitutionelle Freiheiten unangetastet bleiben und die Verhandlungen des Reichstags ungestört stattfinden sollen. Der Belagerungszustand stehe also mit diesem Manifeste in Widerspruch. &#x2012; Militärische Maßregeln dürfen nur dann genommen werden, wenn alle friedlichen vorher erschöpft worden sind und selbst dann darf mit dem äußersten nicht begonnen werden. An dem Sitze des Reichstags kann der Belagerungszustand nur in dem Felle erklärt werden, wenn die Reichsversammlung selbst denselben beschlossen hat. Dazu hat der Reichstag in casu concreto aber keine Veranlassung gefunden. &#x2012; Der Minister Kraus hat uns erklärt, daß ihm von dem Belagerungszustande <hi rendition="#g">offiziell (!)</hi> nichts bekannt sei. (Je crois bicn) Hiernach hat der Ausschuß folgendes beantragt:</p>
          <p>In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet sein sollten, nur den ordentlichen konstitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf;</p>
          <p>in Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstags und des Gemeinderaths die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird;</p>
          <p>in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete:</p>
          <p>erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für <hi rendition="#g">ungesetzlich.</hi> </p>
          <p>Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windischgrätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu setzen.</p>
          <p>Für diesen Antrag erhoben sich mit Ausnahme von zwei Abgeordneten alle andere. (Rauschendes Bravo der Galerien, das Volk scheint dadurch mit dem Reichstag etwas versöhnt worden zu sein.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Sitzung des Reichstags</hi> vom 23. Oktbr. Eröffnet durch Präsident Smolka um 10 3/4 Uhr.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> verliest zwei Schreiben der Abgeordneten Ambrosch und Löhner, worin dieselben anzeigen, daß sie krank geworden seien und deshalb der Sitzung nicht beiwohnen könnten. Ebenso verliest er ein Schreiben des Exministers Bach, worin derselbe die Frechheit hat, der Versammlung anzuzeigen, daß er als Abgeordneter nächstens wieder zu erscheinen beabsichtige. Das Schreiben ist, wenn ich richtig verstanden habe, aus Ostran, 17. Okt. datirt. (Erstaunen.)</p>
          <p>Die eingegangenen Petitionen werden rubrikmäßig vorgelesen. Es befindet sich darunter eine anonyme der Geistlichen in Oberöstreich (die freisinnigste Provinz) um Aufhebung des Cölibats. Hierauf wird das Protokoll der gestrigen Morgensitzung vorgelesen und nun beginnt der unvermeidliche</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> als Berichterstatter des permanenten Ausschusses: Wir haben abermals Geldbeiträge erhalten. Von Seite der Journalisten sind uns 123 fl. zugekommen; die Gemeinde Mölk hat 187, andere Gemeinden haben 79 fl. eingesendet. Wir haben die eingegangenen Summen an die Nationalgarde und akademische Legion vertheilt. (Warum nicht auch unter die mobile Garde?) Darauf verliest er eine Proklamation aus Insbruck an die Tyroler, die, da sie ein plumpes Machwerk der ultramontanen Jesuitenpartei ist, von der Versammlung unter Heiterkeit und Zischen angehört wird. Ihr Zweck geht dahin, den Landtag Tirols nach Insbruck einzuberufen. Unterzeichnet ist Benz, k. k. Vicepräsident.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Der Ausschuß hat sich nur insofern mit dieser Proklamation beschäftigt, als dieselbe aus eigener Machtvollkommenheit und ohne Dazwischenkunft des Ministeriums für Tyrol einen Landtag einberuft und hat demnach beschlossen, das Ministerium aufzufordern, diese Einberufung für unzuläßig zu erklären.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gleispach,</hi> ein steiermarkischer Graf und Busenfreund Stadions, jetzt dessen Remplacant und Spion: Es ist noch nicht konstatirt, ob nicht Tyrol wie Steiermark, das Recht hat, Landtage aus eigener Machtvollkommenheit einzuberufen und es liegt also keine Veranlassung vor, Tyrol dies Recht hier zu nehmen. (Befremden,)</p>
          <p><hi rendition="#g">Prato:</hi> Ich trete dem Antrag des Ausschusses bei. Der Landtag zu Insbruck war von Anfang an ungesetzlich, weil erst nach Regelung der Differenzen zwischen dem deutschen und italienischen Tyrol ein solcher Landtag berufen werden durfte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Turko:</hi> Die Einberufung eines Landtags wurde im Juni vom Ministerium bewilligt; die Italiener haben jedoch gleich anfangs wider diesen Landtag protestirt und kein Italiener ist nach Inspruck gegangen, weil der Landtag ganz nach dem alten System aus Grafen, Pfaffen u. s. w. zusammengesetzt worden war. (Bravo.) Das Volk sollte darin nicht repräsentirt werden, nur die Bureaukratie, der Adel und die Pfaffen sollten Beschlüsse fassen. Die Italiener, welche die Hälfte von Tyrols Bevölkerung ausmachen, haben in Inspruck nicht zu tagen; ihre Interessen und ihre Sympathien sind von denen Insprucks verschieden. Wir sind von Nordtyrol aus allzeit geknechtet worden und werden keiner Freiheit theilhaftig werden, solange wir mit Nordtyrol zusammen bleiben müssen. Wenn von Tyrol die Rede ist, so möge die Versammlung immer zwischen Nord- und Südtyrol unterscheiden. Die Abgeordneten aus Nordtyrol haben diese Versammlung pflichtwidrig nach dem 6. Oktober verlassen. (Allgemeiner, nachhaltiger Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Maffei</hi> redet in demselben Sinne, nur weniger gewandt wie Turko.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorff:</hi> Ich trete dem Antrag des Ausschusses vollkommen bei. (Bravo.) Der Landtag in Tyrol kann nur durch den Kaiser berufen werden, und seine dermalige Einberufung erscheint demnach illegal.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Solange dieser Reichstag tagt, ist jede andere unter was immer für Vorwänden berufene oder fortgesetzte Provinziallandtagssitzung ein Verrath an der Völkerfreiheit. &#x2012; Es geht uns darum auch gar nichts an, ob der Landtag von Tyrol ein Recht hat, sich selbst zu berufen oder nicht. Wer da behauptet, wie es die vorgelesene Proklamation thut, der Reichstag tage unter der Anarchie, ist entweder ein Dummkopf, der unsere Verhältnisse weder kennt noch begreift, oder er ist ein Verräther. (Bedeutend anhaltendes Bravo und Applaudiren.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorff</hi> berichtigt einige Beschuldigungen Borrosch's in Betreff seiner Wirksamkeit als Minister bei Einberufung der Provinziallandtage und angeblicher Hintanhaltung der Wahlen zum Reichstage, indem er behauptet, wider die Einberufung der Provinziallandtage als Minister protestirt zu haben. Damals sei durchaus nichts geschehen, was den Provinziallandtagen Geltung habe verschaffen können. (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> tadelt, sonst der Ansicht Borrosch's beistimmend dessen Ausdruck &#x201E;Verrath am Vaterlande&#x201C;, indem man höchstens nur von einer Auflehnung wider die Einberufung des Reichstags sprechen könne.</p>
          <p>198 Abgeordnete sind anwesend; der Antrag des Ausschusses wird angenommen.</p>
          <p>Das Protokoll der gestrigen Abendsitzung wird vorgetragen und angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Als Gegenstück zur Insprucker Proklamation ist eine in italienischer Sprache abgefaßte Adresse der italinischen Kreise Tyrols, Trient und Roveredo eingelaufen. Dieselbe ist vom 15. Oct., mit 40 Unterschriften bedeckt und wird, da sie durchaus konstitutionell-demokratisch gehalten ist, unter bedeutendem Beifalle vorgetragen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident-</hi> Der Abgeordnete Podlewski hat folgenden Antrag eingereicht: Da seit 5 Tagen keine Post aus Galizien eingetroffen ist, so wolle der Reichstag die Minister Krauß und Wessenberg (!) auffordern, den Feldmarschall Windischgrätz zu ersuchen, die gestörte Postverbindung ungesäumt wieder frei zu geben und das Briefgeheimniß zu achten. (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft</hi> will den Ausdruck &#x201E;strengstens zu untersagen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark:</hi> Unser Beschluß ist nur dem Krauß, nicht auch dem Minister Wessenberg, dem die Versammlung kein Vertrauen mehr schenken kann, zuzustellen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Goldmark's Bemerkung ist antikonstitutionell; nicht diese Kammer ernennt Minister, oder erkennt sie an, sondern nur die Krone. So lange dieselbe einen Minister behält, hat kein einzelner Abgeordneter das Recht, dawider aufzutreten. Dies ist unser Boden. Der Kaiser allein wird das von uns beantragte volksthümliche Ministerium ernennen. Man wird uns im Angesichte Europa's nicht die Schmach anthun, durch physische Gewalt uns entgegenzutreten. (!!) Nur wenn die Kammer einen vom Ministerium eingebrachten Gesetzvorschlag verwirft, hat sie demselben ihr Mißtrauen zu erkennen zugeben. Ich beantrage daher nur energische Erklärung und strenge Untersuchung des Falls ohne alle persönliche Bezeichnungen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> sucht seinen Antrag abermals zu rechtfertigen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Ich kann mich dem Antrage Goldmark's nur anschließen. Es handelt sich lediglich darum, auf dem kürzesten Wege zum Ziele zu gelangen. Die Sendungen des Ministers Krauß werden von dem Militär noch respektirt. (Sehr verdächtig.) Die konstitutionellen Sophismen Borrosch's führen hier zu nichts; übrigens muß es jedem Abgeordneten frei stehen, hier zu reden, was er will, und es war überflüssig, ihm deßhalb eine staatsrechtliche Lektion zu geben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorf:</hi> Wir werden besser thun, uns im Allgemeinen an das Ministerium zu wenden, ohne einen Minister zu nennen. Demungeachtet erscheint mir Goldmark's Mißtrauensvotum vollständig begründet (Erstaunen und ungemeiner Beifall. Pillersdorf ist persönlich mit Wessenberg befreundet.), weil nicht leicht ein Minister den Monarchen so blosgestellt hat, als es Wessenberg gethan. (Wiederholter ungeheurer Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Borkowski:</hi> Ich bin der Ansicht Borrosch's, weil die Versammlung in ihrem Beschlusse von gestern Abend (verliest die Stelle) den Minister Wessenberg erst wieder anerkannt hat.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zimmer:</hi> Mag sein, allein wir bezeichnen darin gleichzeitig aber auch die von Wessenberg getroffene Maßregel als eine ungesetzliche, ja wir werden denselben deßhalb in Anklagestand versetzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fedorowicz:</hi> Durch das Ausbleiben jeder Nachricht von uns müssen unsere Familien über unser Schicksal in der größten Angst und Besorgniß schweben. Es ist zweifelhaft, ob die hiesige Post oder aber das Militär unsere Briefe zurückhält und das Briefgeheimniß nicht achtet. Ich stelle daher das Amendement, das Ministerium aufzufordern, Schritte gleichzeitig bei den Civil- und Militärbehörden zu thun.</p>
          <p>Der Antrag Borrosch's wird angenommen; ebenso ein Zusatz Pillersdorf's, &#x201E;das in Wien befindliche Ministerium&#x201C; u. s. w. &#x2012; Tagesordnung: Gesetz über die Sicherheit der Abgeordneten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Ich bin gegen die Berathung des Gesetzes, weil es nichts nutzt, wenn die eine oder die andere Gewalt siegt. Wir wollen mit unserer Person alle Verantwortlichkeit tragen, und ich beantrage daher, daß das Gesetz von der Tagesordnung gestrichen werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorff:</hi> Lassen wir uns durch die Verhältnisse nicht beirren, die Tagesordnung zu berathen. Die Versammlung hat durch ihr Benehmen zur Genüge bewiesen, daß sie sich nicht von der Furcht beherrschen läßt.(?)</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark:</hi> Dies ist auch meine Ansicht, nur muß ich wünschen, daß die Berathung sehr schleunig geschehe, damit wir unsern Beschluß alsbald nach Olmütz senden und dessen Sanktionirung einholen können. Auf diese Weise werden wir den dortigen Herrn am besten auf den Zahn fühlen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Weil uns in diesem Augenblicke die Reaktion stärker bedroht als die Anarchie, so ist es Ehrensache, das Gesetz jetzt nicht zu berathen. (Humoristisch-bitter.) Eine Erprobung, ob wir die Sanktion erlangen, ist eine uns selbst zugefügte Schmach. Solange ich hier stehe, muß ich unbedingt glauben können, daß unsere Beschlüsse sanktionirt werden müssen. (Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Wienkowski</hi> für Pillersdorff: Wir haben uns vor Allem den Truppen gegenüber zu schirmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Das Mandat des Volks muß unser einziger Schutz sein, es ist daher kleinlich, ein Schutzgesetz zu erlassen; in diesem Augenblick, wo ein gesetzlicher Zustand schon besteht, sieht es aus, wie Furcht. Ich erwarte von einem solchen Gesetz keinen praktischen Erfolg, und das Gefühl politischer Naivetät darf uns nicht leiten. (Schuselka und die Versammlung stehen zwischen zwei Feuer, Windischgrätz und die Popularität; sie stürzen sich doch lieber wieder in die letzte.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark:</hi> Ich bin immer aufrichtig in der Politik gewesen, habe niemals Furcht gezeigt, mein Blut rollt rascher als das meines Herrn Kollegen u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brestl:</hi> Das Gesetz bleibe auf der Tagesordnung, wir müssen uns von den äußern Ereignissen gar nicht bestimmen lassen; wir bedürfen namentlich dem Volk gegenüber kein Gesetz, müssen aber Vorsorge treffen, daß die Abgeordneten, welche in den Reichstag zurückkehren wollen, dies mit Sicherheit können.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kavalkabo:</hi> Es ist mir gleichgültig, ob das Gesetz jetzt diskutirt wird; ich habe jedoch die Ueberzeugung, daß jetzt nicht der Augenblick da ist, dasselbe zu berathen.</p>
          <p>Das Gesetz wird von der Tagesordnung gestrichen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Bis auf ruhigere Zeiten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Bis auf's Unbestimmte. (Heiterkeit.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft:</hi> Ich beantrage über diese Zusätze die Tagesordnung. Angenommen. Schluß 1 Uhr.</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 23. Okt.</head>
          <p>Gestern trafen etwas über 100 Tyroler Scharfschützen hier ein und verhießen einen bedeutenden Nachzug, angeblich 60 Kompagnien, jede zu 200 Mann. Wenn sie nur schon da wären! Ich hörte einen dieser reich mit Bändern geschmückten Leute sagen, sie hätten dem Kaiser bei seiner ersten Flucht aus Wien wohl geglaubt, diesmal aber hätten sie den Braten gerochen. &#x2012; Das standrechtliche Belagerungs-Manifest des Wendischkrätze ist von unbekannten Händen in einigen Exemplaren gestern Abend an wenig Stellen angeheftet gewesen, sogleich indessen abgerissen worden. Dadurch ist es dem großen Publikum unbekannt geblieben, bis es durch die Verhandlung im Reichstage kund wurde und allgemeine Indignation hervorbrachte. Heute erschienen davon aus der Offizin von Lell einige angeblich zum ewigen Angedenken gemachte Nachdrücke. Windischgrätz wird bei etwaiger Uebergabe der Stadt natürlich nicht verfehlen, die allgemeine Publikation des Manifest's auf die durch seine Handlanger geschehene Anheftung desselben zu unterstellen. Wie in diesem Falle die Rache dieses Wütherich's sein wird, das bedarf keiner Worte, um so weniger, als nach dessen Behauptung der eigentliche Mensch erst mit dem Baron beginnt und sämmtliche Barone aus der Stadt entflohen sind.</p>
          <p>Der heutige Tag war ein sehr kriegerischer. Seit 10 Uhr am Morgen bis jetzt (6 Uhr) donnern die Kanonen und das Kleingewehrfeuer an der Nußdorfer und Taborlinie. Die Vorstädte Rossau und Lichtenthal sind dadurch in Alarm versetzt worden, keineswegs aber der übrige Theil der Stadt. Dadurch wird die
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[0654/0002] den Auftrag erhalten, der Deputation kund zu geben, daß nunmehr alle Anträge und Vorschläge in Beziehung auf die Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Wien an den Ober-Befehlshaber der Armee, Fürsten Windischgrätz gerichtet werden müssen, welcher in dieser Hinsicht mit den nöthigen Vollmachten versehen ist. (Bedeutendes Zischen). Uebrigens darf ich hoffen, daß durch die Kundmachung vom 19. d. Mts. den billigen Wünschen der Wiener Bürger in allen wesentlichen Punkten entsprochen worden ist. (Zischen) Ollmütz, den 20. Oktober 1848. Der Minister-Präsident: Wessenberg. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien. Wir mußten durch diese Nachricht um so schmerzlicher betroffen werden; als wir gerade auf diese Deputation große Hoffnungen gesetzt hatten, indem Männer aus dem angesehensten Bürgerstande, die sich bei keiner Unruhe noch betheiligt hatten (allerdings gute Empfehlung), sich in der Deputation befunden haben. ‒ Wir erfahren dadurch zum zweiten Male, daß Fürst Windischgrätz auf den Schauplatz getreten ist. Zuerst theilte uns Auersperg mit, daß Windischgrätz seit dem 16. Oct. bekanntlich Oberbefehlshaber der Truppen geworden. Offiziel ist uns darüber keine Nachricht zugekommen. Die Ernennung muß sich also auf das Manifest vom 16. Oct. stützen, welches die öffentlichen Blätter heute enthalten (Zischen) und welches Windischgrätz eine unbegränzte Vollmacht giebt. Da wir Volks- und keine Kabinetspolitik treiben (Bravo), so dürfen wir kein Hehl daraus machen, daß wir das Manifest vom 16ten kennen, daß wir erfahren, daß es im Lager verbreitet worden ist und die Offiziere sich wundern, daß es in Wien nicht bekannt gemacht worden ist. (Das hat wahrscheinlich Krauß im Einverständnisse mit Wessenberg verhindert; das Manifest ist ja bloß zur Aufstachelung der Soldatenmeute.) Wir können das Manifest als offiziell nicht anerkennen und müssen daher auch die Sendung des Windischgrätz offiziell nicht ignoriren. Wir haben indessen überlegt, ob wir uns an ihn nicht mit der Frage wenden sollen, worauf er sein Mandat gründe. Die Majorität des Ausschusses hat sich dagegen ausgesprochen, weil die Würde des Reichstags es nicht erlaube, den Windischgrätz aufzusuchen. Wir haben dies aber dem Gemeinderathe überlassen können, weil ihm die Mission des Windischgrätz offiziell kundgegeben worden ist. ‒ Wir haben den Minister Krauß in die Berathung gezogen, und von ihm gehört, er wisse nichts von einer Vollmacht des Windischgrätz, wolle aber bei Wessenberg anfragen. Uebrigens habe die Vollmacht auf dem konstitutionellen Wege nur von dem ganzen Ministerium ausgehen können. ‒ Der Ausschuß habe gefragt, welche friedlichen Maßregeln das Ministerium erfolglos bereits ergriffen habe, um schon jetzt zu militärischen schreiten zu dürfen? Alle friedlichen Maßregeln hätten aber erst erschöpft werden müssen, bevor man zu diesem Aeußersten hätte greifen dürfen. Der Ausschuß sei von der Nothwendigkeit der Maßregel um so weniger überzeugt, als der Reichstag fortwährend die friedliche Ausgleichung versucht habe. ‒ Wir müssen durch das Ministerium und so es nöthig ist, auch noch durch den Reichstag in Olmütz begreiflich machen (schöne Aussicht!), daß erst die friedlichen Maßregeln genommen werden müssen, weil Se. Majestät' der Kaiser sich fortwährend ja auf seine konstitutionelle Eigenschaft beruft. (Ab.) Das Protokoll wird verlesen. Die Galerien entfernen sich; ich auch. Kundmachung.Mitbürger! Ein Plakat, gezeichnet „Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall“ ist heute an den Straßenecken auf kurze Zeit gesehen worden. Der hohe Reichstag, getreu seiner Aufgabe: das konstitutionelle Wohl der Völker zu vertreten, hat das Mandat des Fürsten Windischgrätz mit dem angedrohten Belagerungszustande und dem daran sich knüpfenden Standrechte für ungesetzlich, folglich für ungültig erklärt Wir müssen erwarten, ob der Ausspruch der, aus unserer freien Wahl hervorgegangenen Vertreter und Gesetzgeber von dem Minister Herrn Wessenberg zu Ollmütz und von dem Herrn Fürsten Windischgrätz respektirt werden wird. Mitbürger! Noch ist der Kampf nicht unvermeidlich, noch ist eine friedliche Lösung der Dinge möglich; aber das Wohl unserer schönen Stadt, die Zukunft seiner Bewohner vom absterbenden Greise bis zum bewußtlosen Kinde, unsere Freiheiten erfordern doppelte Wachsamkeit, verdoppelten Eifer. Jetzt erst trete ich in den Mittelpunkt meines Auftrages: die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigungszustand zu setzen. Mitbürger! Es werden die größten und umfassendsten Maßregeln genommen werden. Jedes Zaudern, jede Halbheit fällt hinweg. Sie wäre unser offenbares Verderben. Was nur meine aufrichtige Friedensliebe Versöhnliches an die Hand gab, ist von allen unsern Körperschaften versucht worden. Blickt auf das Beispiel der heldenmüthigen Bewohner von Budapest! Männer, Frauen, Kinder, aller Alter und Geschlechter, haben gezeigt, wie man zwischen Morgen und Abend Wälle baut. Haupt-Quartier Schwarzenberg-Palais, am 22. Oktober 1848. Messenhauser, prov. Ober-Commandant. 102 Wien, 23. Okt. Reichstagssitzung vom 22. Okt. 4 1/2 Uhr. Präsid. Smolka zeigt an, daß der Berichterstatter des permanenten Ausschusses eine wichtige Mittheilung zu machen habe und fordert denselben auf. Schuselka: Der Ausschuß hat durch den Gemeinderath die Mittheilung erhalten, daß der Fürst zu Windischgrätz ihm 1000 Exemplare eines Manifestes zur Veröffentlichung zugesendet habe, durch welches Wien und dessen Umgebung in Belagerungszustand erklärt und das Standrecht verkündet wird. (Zischen.) Das Manifest lautet: An die Bewohner Wiens! Von seiner Majestät dem Kaiser beauftragt, und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetzlosen Zustande (Zischen) ohne Zeitverlust ein Ziel zu setzen, rechne ich auf den aufrichtigsten und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner. Bewohner Wiens! Eure Stadt ist befleckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faktion (Zischen). Euer Leben, Euer Eigenthum ist preisgegeben der Willkür einer handvoll Verbrecher (Zischen). Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die Militärautorität gestellt, und gegen die Uebertreter meiner Verfügungen das Standrecht verkündigt (Zischen). Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Sorge sein. Dagegen aber werden die Widerspenstigen der ganzen Strenge der Militärgesetze verfallen. Lundenburg, den 20. Oktober 1848. Fürst zu Windischgrätz, Feldmarschall. (Zischen) Auf Ansuchen des Gemeinderaths, wie er sich in Beziehung auf die von Windischgrätz gemachte Anforderung zu verhalten habe, hat der Ausschuß nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den konstitutionell-gesetzlichen Boden auch jetzt noch festzuhalten. Danach aber dürfe der Belagerungszustand nicht willkürlich, sondern nur im gesetzlichen Wege verfügt werden. Dieser Weg sei unbeachtet geblieben, obwohl das kais. Manifest vom 19. Okt. verheiße, daß alle konstitutionelle Freiheiten unangetastet bleiben und die Verhandlungen des Reichstags ungestört stattfinden sollen. Der Belagerungszustand stehe also mit diesem Manifeste in Widerspruch. ‒ Militärische Maßregeln dürfen nur dann genommen werden, wenn alle friedlichen vorher erschöpft worden sind und selbst dann darf mit dem äußersten nicht begonnen werden. An dem Sitze des Reichstags kann der Belagerungszustand nur in dem Felle erklärt werden, wenn die Reichsversammlung selbst denselben beschlossen hat. Dazu hat der Reichstag in casu concreto aber keine Veranlassung gefunden. ‒ Der Minister Kraus hat uns erklärt, daß ihm von dem Belagerungszustande offiziell (!) nichts bekannt sei. (Je crois bicn) Hiernach hat der Ausschuß folgendes beantragt: In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet sein sollten, nur den ordentlichen konstitutionellen Behörden zukommt, und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf; in Betracht, daß nach wiederholtem Ausspruche des Reichstags und des Gemeinderaths die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird; in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, so wie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistete: erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und Standrechtes für ungesetzlich. Von diesem Beschlusse ist Minister Wessenberg und Feldmarschall Fürst Windischgrätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu setzen. Für diesen Antrag erhoben sich mit Ausnahme von zwei Abgeordneten alle andere. (Rauschendes Bravo der Galerien, das Volk scheint dadurch mit dem Reichstag etwas versöhnt worden zu sein.) Sitzung des Reichstags vom 23. Oktbr. Eröffnet durch Präsident Smolka um 10 3/4 Uhr. Präsident verliest zwei Schreiben der Abgeordneten Ambrosch und Löhner, worin dieselben anzeigen, daß sie krank geworden seien und deshalb der Sitzung nicht beiwohnen könnten. Ebenso verliest er ein Schreiben des Exministers Bach, worin derselbe die Frechheit hat, der Versammlung anzuzeigen, daß er als Abgeordneter nächstens wieder zu erscheinen beabsichtige. Das Schreiben ist, wenn ich richtig verstanden habe, aus Ostran, 17. Okt. datirt. (Erstaunen.) Die eingegangenen Petitionen werden rubrikmäßig vorgelesen. Es befindet sich darunter eine anonyme der Geistlichen in Oberöstreich (die freisinnigste Provinz) um Aufhebung des Cölibats. Hierauf wird das Protokoll der gestrigen Morgensitzung vorgelesen und nun beginnt der unvermeidliche Schuselka als Berichterstatter des permanenten Ausschusses: Wir haben abermals Geldbeiträge erhalten. Von Seite der Journalisten sind uns 123 fl. zugekommen; die Gemeinde Mölk hat 187, andere Gemeinden haben 79 fl. eingesendet. Wir haben die eingegangenen Summen an die Nationalgarde und akademische Legion vertheilt. (Warum nicht auch unter die mobile Garde?) Darauf verliest er eine Proklamation aus Insbruck an die Tyroler, die, da sie ein plumpes Machwerk der ultramontanen Jesuitenpartei ist, von der Versammlung unter Heiterkeit und Zischen angehört wird. Ihr Zweck geht dahin, den Landtag Tirols nach Insbruck einzuberufen. Unterzeichnet ist Benz, k. k. Vicepräsident. Schuselka: Der Ausschuß hat sich nur insofern mit dieser Proklamation beschäftigt, als dieselbe aus eigener Machtvollkommenheit und ohne Dazwischenkunft des Ministeriums für Tyrol einen Landtag einberuft und hat demnach beschlossen, das Ministerium aufzufordern, diese Einberufung für unzuläßig zu erklären. Gleispach, ein steiermarkischer Graf und Busenfreund Stadions, jetzt dessen Remplacant und Spion: Es ist noch nicht konstatirt, ob nicht Tyrol wie Steiermark, das Recht hat, Landtage aus eigener Machtvollkommenheit einzuberufen und es liegt also keine Veranlassung vor, Tyrol dies Recht hier zu nehmen. (Befremden,) Prato: Ich trete dem Antrag des Ausschusses bei. Der Landtag zu Insbruck war von Anfang an ungesetzlich, weil erst nach Regelung der Differenzen zwischen dem deutschen und italienischen Tyrol ein solcher Landtag berufen werden durfte. Turko: Die Einberufung eines Landtags wurde im Juni vom Ministerium bewilligt; die Italiener haben jedoch gleich anfangs wider diesen Landtag protestirt und kein Italiener ist nach Inspruck gegangen, weil der Landtag ganz nach dem alten System aus Grafen, Pfaffen u. s. w. zusammengesetzt worden war. (Bravo.) Das Volk sollte darin nicht repräsentirt werden, nur die Bureaukratie, der Adel und die Pfaffen sollten Beschlüsse fassen. Die Italiener, welche die Hälfte von Tyrols Bevölkerung ausmachen, haben in Inspruck nicht zu tagen; ihre Interessen und ihre Sympathien sind von denen Insprucks verschieden. Wir sind von Nordtyrol aus allzeit geknechtet worden und werden keiner Freiheit theilhaftig werden, solange wir mit Nordtyrol zusammen bleiben müssen. Wenn von Tyrol die Rede ist, so möge die Versammlung immer zwischen Nord- und Südtyrol unterscheiden. Die Abgeordneten aus Nordtyrol haben diese Versammlung pflichtwidrig nach dem 6. Oktober verlassen. (Allgemeiner, nachhaltiger Beifall.) Maffei redet in demselben Sinne, nur weniger gewandt wie Turko. Pillersdorff: Ich trete dem Antrag des Ausschusses vollkommen bei. (Bravo.) Der Landtag in Tyrol kann nur durch den Kaiser berufen werden, und seine dermalige Einberufung erscheint demnach illegal. Borrosch: Solange dieser Reichstag tagt, ist jede andere unter was immer für Vorwänden berufene oder fortgesetzte Provinziallandtagssitzung ein Verrath an der Völkerfreiheit. ‒ Es geht uns darum auch gar nichts an, ob der Landtag von Tyrol ein Recht hat, sich selbst zu berufen oder nicht. Wer da behauptet, wie es die vorgelesene Proklamation thut, der Reichstag tage unter der Anarchie, ist entweder ein Dummkopf, der unsere Verhältnisse weder kennt noch begreift, oder er ist ein Verräther. (Bedeutend anhaltendes Bravo und Applaudiren.) Pillersdorff berichtigt einige Beschuldigungen Borrosch's in Betreff seiner Wirksamkeit als Minister bei Einberufung der Provinziallandtage und angeblicher Hintanhaltung der Wahlen zum Reichstage, indem er behauptet, wider die Einberufung der Provinziallandtage als Minister protestirt zu haben. Damals sei durchaus nichts geschehen, was den Provinziallandtagen Geltung habe verschaffen können. (Bravo.) Schuselka tadelt, sonst der Ansicht Borrosch's beistimmend dessen Ausdruck „Verrath am Vaterlande“, indem man höchstens nur von einer Auflehnung wider die Einberufung des Reichstags sprechen könne. 198 Abgeordnete sind anwesend; der Antrag des Ausschusses wird angenommen. Das Protokoll der gestrigen Abendsitzung wird vorgetragen und angenommen. Schuselka: Als Gegenstück zur Insprucker Proklamation ist eine in italienischer Sprache abgefaßte Adresse der italinischen Kreise Tyrols, Trient und Roveredo eingelaufen. Dieselbe ist vom 15. Oct., mit 40 Unterschriften bedeckt und wird, da sie durchaus konstitutionell-demokratisch gehalten ist, unter bedeutendem Beifalle vorgetragen. Präsident- Der Abgeordnete Podlewski hat folgenden Antrag eingereicht: Da seit 5 Tagen keine Post aus Galizien eingetroffen ist, so wolle der Reichstag die Minister Krauß und Wessenberg (!) auffordern, den Feldmarschall Windischgrätz zu ersuchen, die gestörte Postverbindung ungesäumt wieder frei zu geben und das Briefgeheimniß zu achten. (Bravo.) Umlauft will den Ausdruck „strengstens zu untersagen.“ Goldmark: Unser Beschluß ist nur dem Krauß, nicht auch dem Minister Wessenberg, dem die Versammlung kein Vertrauen mehr schenken kann, zuzustellen. Borrosch: Goldmark's Bemerkung ist antikonstitutionell; nicht diese Kammer ernennt Minister, oder erkennt sie an, sondern nur die Krone. So lange dieselbe einen Minister behält, hat kein einzelner Abgeordneter das Recht, dawider aufzutreten. Dies ist unser Boden. Der Kaiser allein wird das von uns beantragte volksthümliche Ministerium ernennen. Man wird uns im Angesichte Europa's nicht die Schmach anthun, durch physische Gewalt uns entgegenzutreten. (!!) Nur wenn die Kammer einen vom Ministerium eingebrachten Gesetzvorschlag verwirft, hat sie demselben ihr Mißtrauen zu erkennen zugeben. Ich beantrage daher nur energische Erklärung und strenge Untersuchung des Falls ohne alle persönliche Bezeichnungen. Goldmark sucht seinen Antrag abermals zu rechtfertigen. Schuselka: Ich kann mich dem Antrage Goldmark's nur anschließen. Es handelt sich lediglich darum, auf dem kürzesten Wege zum Ziele zu gelangen. Die Sendungen des Ministers Krauß werden von dem Militär noch respektirt. (Sehr verdächtig.) Die konstitutionellen Sophismen Borrosch's führen hier zu nichts; übrigens muß es jedem Abgeordneten frei stehen, hier zu reden, was er will, und es war überflüssig, ihm deßhalb eine staatsrechtliche Lektion zu geben. Pillersdorf: Wir werden besser thun, uns im Allgemeinen an das Ministerium zu wenden, ohne einen Minister zu nennen. Demungeachtet erscheint mir Goldmark's Mißtrauensvotum vollständig begründet (Erstaunen und ungemeiner Beifall. Pillersdorf ist persönlich mit Wessenberg befreundet.), weil nicht leicht ein Minister den Monarchen so blosgestellt hat, als es Wessenberg gethan. (Wiederholter ungeheurer Beifall.) Borkowski: Ich bin der Ansicht Borrosch's, weil die Versammlung in ihrem Beschlusse von gestern Abend (verliest die Stelle) den Minister Wessenberg erst wieder anerkannt hat. Zimmer: Mag sein, allein wir bezeichnen darin gleichzeitig aber auch die von Wessenberg getroffene Maßregel als eine ungesetzliche, ja wir werden denselben deßhalb in Anklagestand versetzen. Fedorowicz: Durch das Ausbleiben jeder Nachricht von uns müssen unsere Familien über unser Schicksal in der größten Angst und Besorgniß schweben. Es ist zweifelhaft, ob die hiesige Post oder aber das Militär unsere Briefe zurückhält und das Briefgeheimniß nicht achtet. Ich stelle daher das Amendement, das Ministerium aufzufordern, Schritte gleichzeitig bei den Civil- und Militärbehörden zu thun. Der Antrag Borrosch's wird angenommen; ebenso ein Zusatz Pillersdorf's, „das in Wien befindliche Ministerium“ u. s. w. ‒ Tagesordnung: Gesetz über die Sicherheit der Abgeordneten. Schuselka: Ich bin gegen die Berathung des Gesetzes, weil es nichts nutzt, wenn die eine oder die andere Gewalt siegt. Wir wollen mit unserer Person alle Verantwortlichkeit tragen, und ich beantrage daher, daß das Gesetz von der Tagesordnung gestrichen werde. Pillersdorff: Lassen wir uns durch die Verhältnisse nicht beirren, die Tagesordnung zu berathen. Die Versammlung hat durch ihr Benehmen zur Genüge bewiesen, daß sie sich nicht von der Furcht beherrschen läßt.(?) Goldmark: Dies ist auch meine Ansicht, nur muß ich wünschen, daß die Berathung sehr schleunig geschehe, damit wir unsern Beschluß alsbald nach Olmütz senden und dessen Sanktionirung einholen können. Auf diese Weise werden wir den dortigen Herrn am besten auf den Zahn fühlen. Borrosch: Weil uns in diesem Augenblicke die Reaktion stärker bedroht als die Anarchie, so ist es Ehrensache, das Gesetz jetzt nicht zu berathen. (Humoristisch-bitter.) Eine Erprobung, ob wir die Sanktion erlangen, ist eine uns selbst zugefügte Schmach. Solange ich hier stehe, muß ich unbedingt glauben können, daß unsere Beschlüsse sanktionirt werden müssen. (Beifall.) Wienkowski für Pillersdorff: Wir haben uns vor Allem den Truppen gegenüber zu schirmen. Schuselka: Das Mandat des Volks muß unser einziger Schutz sein, es ist daher kleinlich, ein Schutzgesetz zu erlassen; in diesem Augenblick, wo ein gesetzlicher Zustand schon besteht, sieht es aus, wie Furcht. Ich erwarte von einem solchen Gesetz keinen praktischen Erfolg, und das Gefühl politischer Naivetät darf uns nicht leiten. (Schuselka und die Versammlung stehen zwischen zwei Feuer, Windischgrätz und die Popularität; sie stürzen sich doch lieber wieder in die letzte.) Goldmark: Ich bin immer aufrichtig in der Politik gewesen, habe niemals Furcht gezeigt, mein Blut rollt rascher als das meines Herrn Kollegen u. s. w. Brestl: Das Gesetz bleibe auf der Tagesordnung, wir müssen uns von den äußern Ereignissen gar nicht bestimmen lassen; wir bedürfen namentlich dem Volk gegenüber kein Gesetz, müssen aber Vorsorge treffen, daß die Abgeordneten, welche in den Reichstag zurückkehren wollen, dies mit Sicherheit können. Kavalkabo: Es ist mir gleichgültig, ob das Gesetz jetzt diskutirt wird; ich habe jedoch die Ueberzeugung, daß jetzt nicht der Augenblick da ist, dasselbe zu berathen. Das Gesetz wird von der Tagesordnung gestrichen. Schuselka: Bis auf ruhigere Zeiten. Borrosch: Bis auf's Unbestimmte. (Heiterkeit.) Umlauft: Ich beantrage über diese Zusätze die Tagesordnung. Angenommen. Schluß 1 Uhr. 121 Wien, 23. Okt. Gestern trafen etwas über 100 Tyroler Scharfschützen hier ein und verhießen einen bedeutenden Nachzug, angeblich 60 Kompagnien, jede zu 200 Mann. Wenn sie nur schon da wären! Ich hörte einen dieser reich mit Bändern geschmückten Leute sagen, sie hätten dem Kaiser bei seiner ersten Flucht aus Wien wohl geglaubt, diesmal aber hätten sie den Braten gerochen. ‒ Das standrechtliche Belagerungs-Manifest des Wendischkrätze ist von unbekannten Händen in einigen Exemplaren gestern Abend an wenig Stellen angeheftet gewesen, sogleich indessen abgerissen worden. Dadurch ist es dem großen Publikum unbekannt geblieben, bis es durch die Verhandlung im Reichstage kund wurde und allgemeine Indignation hervorbrachte. Heute erschienen davon aus der Offizin von Lell einige angeblich zum ewigen Angedenken gemachte Nachdrücke. Windischgrätz wird bei etwaiger Uebergabe der Stadt natürlich nicht verfehlen, die allgemeine Publikation des Manifest's auf die durch seine Handlanger geschehene Anheftung desselben zu unterstellen. Wie in diesem Falle die Rache dieses Wütherich's sein wird, das bedarf keiner Worte, um so weniger, als nach dessen Behauptung der eigentliche Mensch erst mit dem Baron beginnt und sämmtliche Barone aus der Stadt entflohen sind. Der heutige Tag war ein sehr kriegerischer. Seit 10 Uhr am Morgen bis jetzt (6 Uhr) donnern die Kanonen und das Kleingewehrfeuer an der Nußdorfer und Taborlinie. Die Vorstädte Rossau und Lichtenthal sind dadurch in Alarm versetzt worden, keineswegs aber der übrige Theil der Stadt. Dadurch wird die

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 129. Köln, 29. Oktober 1848. Zweite Ausgabe, S. 0654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz129ii_1848/2>, abgerufen am 27.04.2024.