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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 32. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] ziert. Sadeler sagt auf seinem Prospekt von Prag
( 1606 ) von diesem Lusthause: "Jm hintern Theile
des Gartens, gegen Aufgang, ist Kaiser Ferdi-
nand 's
künstliches Lusthaus, daraus man nicht
allein die ganze Stadt, sondern auch des Flusses
Moldau Krümmen und die umliegende Landschaft
weit und breit übersehen kann. Es hat zween Umb-
gänge und Gewölbe übereinander; der untere Umb-
gang ist rings herumb mit runden, in gleicher Ab-
theilung stehenden Säulen eingefangen, nach der
rechten Architekturkunst; der obere ist unter freiem
Himmel, hat ein steinern Geländer und Cedern-
Boden, der in so langen Jahren nicht gefaulet; und
seynd die Kapitäl überall mit eingehauenem, aus
alten Historiis und Poeten genommenen Laub = und
Bildwerk artlich gezieret."

Vor dem Lusthause, dessen Abbildung mit seinen
interessanten Umgebungen wir unsern Lesern heute
vorlegen, steht im Schloßgarten das metallene
Becken eines Springbrunnens von besonderes schö-
nem Guß; da jedoch jenes Gebäude der Artillerie
zu einem Geschütz = Depositorium eingeräumt, und
daher durch eine Mauer von dem hintern Theil
des Lustgartens abgeschieden worden ist, so kann
man jetzt nur durch eine Gitterthüre aus demsel-
ben die schönen Bildner=Verzierungen des Lusthauses
betrachten.

Jn diesem Garten wurden die ersten Tulpen
gepflanzt, welche der kaiserliche Gesandte in der
Türkei, Hr. A. von Busbeck, von dort mitgebracht,
und die von hier aus erst in die Gärten anderer
deutscher Staaten übergingen. Kaiser Rudolph II.
verschönerte den Lustgarten noch mehr, da er die
auserlesensten Bäume und Blumen aus allen Welt-
gegenden verschreiben, und den Garten mit vielen
Bildsäulen ausschmücken ließ, die jedoch -- bis auf
einen Herkules von Pendel -- in der Belage-
rung von 1757 sammt dem großen Ballhause zu
Grunde gerichtet worden sind. Auch eine Mena-
gerie wurde im kaiserlichen Schloßgarten angelegt,
und Löwen und andere fremde Thiere und Vögel
in eigens dazu angelegten Behältnissen gepflegt. Jn
spätern Jahren, wo der Kaiser wenig mehr öffent-
lich erschien, und den größten Theil seiner Zeit in
dem Lustgarten zubrachte, bestachen die Fremden,
welche den Monarchen zu sehen wünschten, die Gärt-
nergesellen, um in ihren Gewändern sich dem Kai-
ser nähern zu können.

An das erwähnte Lusthaus stößt der hoch und
frei liegende Volksgarten, der in den letztern Jah-
ren, wie durch den Schlag einer Zauberruthe aus
dem Nichts hervorgegangen ist. Man hat in der
neuesten Zeit oft und vielmals behauptet, daß sich
Prag in den letzten Jahrzehenden bis zur Unkennt-
lichkeit verändert habe. Von keinem Theile der
Stadt ist dies so buchstäblich wahr, als von der
Strecke zwischen dem Beginn des Bruska=Hohlweges
bis zum Karlsthore, auf welchem Raume sich gegen-
wärtig der Volksgarten und die neue herrliche
Bergstraße nach dem Baumgarten ausbreitet. Der
Genuß dieses reizenden Spazierortes wurde sonst
durch den mühseligen Weg über die steile Erhöhung
einer Felsschlucht zwischen zwei sich bröckelnden und
den Einsturz drohenden Felswänden verbittert, in
welcher der Fußgänger sich zugleich mit den glän-
zenden Kutschen der Vornehmen und Reichen, mit
dem einfachen Fiaker, wie mit dem schwerbeladenen
Güterwagen -- in der letztern Zeit nicht ohne Ge-
[Spaltenumbruch] fahr -- hinaufbewegen mußte. Hatte man endlich den
höchsten Punkt erreicht, so erblickte man bis zum Thore
zur Rechten nur die kahlen Wälle mit kargem Gras
bewachsen, zur Linken einen alten verfallenen Schoppen,
und ein langes Gemäuer, das sich, nur von einzelnen
Baumgipfeln überragt, bis zum Artillerie=Depot aus-
dehnte, und erst beim Austritt aus dem Karlsthore
eröffnete sich die anmuthige Gegend, gleichsam die
Reize des Baumgartens im Voraus verkündend.

Unser energisch und rastlos wirkender Landes-
chef, der Oberstburggraf in Böhmen, Graf Karl
von Chotek, von welchem der Berichterstatter eines
ausländischen Blattes vor einigen Jahren mit vollem
Rechte sagte, er habe das Wort: "Unmöglichkeit"
aus seinem Wörterbuche ausgestrichen, warf seinen
Blick auf diesen Stadttheil -- nachdem er nicht allein
in dem engen Raume weniger Jahre die schönsten
Früchte seines Waltens zu Tage gefördert, mittelst
des durch ihn ins Leben getretenen Armen=Jnstituts,
der Verwandlung des Neujahrs = Ceremoniells in
eine Handlung der Wohlthätigkeit, durch andere
mildthätige Vereine und die Errichtung der Kinder-
Bewahranstalten die Noth der Dürftigen gelindert,
durch Straßen= und Brückenban im Lande, die Ge-
werbsausstellungen und Preisvertheilungen den böh-
mischen Gewerbsfleiß ermuntert und den Flor des
Landes gefördert, Künste und Wissenschaften beschützt,
die Wälle in freundliche Spaziergänge verwandelt,
und in der furchtbaren Cholerazeit, wie ein sorgsa-
mer Vater, unermüdet zur Milderung der zugesand-
ten Landplage gewirkt und sich der schönsten Erfolge
all seiner Bestrebungen erfreut hatte -- und in
kurzer Zeit war eine wahrhaft wunderbare Ver-
wandlung vollendet.

Zuvörderst wurde ein Theil des Hirschgrabens
erkauft und eine terassirte Straße angelegt, die
sich kühn die Höhe hinanschlingt, und bereits dem
Schauer mannigfaltige Ansichten der Stadt darbie-
tet; aber schon im folgenden Jahre sank jene Mauer
nieder, der weite Raum hinter derselben wurde mit
den jenseitigen Wällen bis zum Karlsthore verbun-
den, bequeme Gänge und die ganze Strecke, den
Hohlweg mit eingerechnet, mit Bäumen und Ge-
sträuchen besetzt, die beiderseitigen Anlagen durch
eine kühn und mahlerisch über den Hohlweg gewor-
fene Brücke verbunden, und so der Volksgarten
Prags begründet, welcher den Namen des Volks-
freundes,
dem er seine Entstehung verdankt,
künftigen Geschlechteru[unleserliches Material] überbringt, die ihn mit er-
neuter Freude und Dank preisend nennen werden.

Dieser Volksgarten bietet nunmehr auf der
rechten Seite ( den dazu benutzten Stadtwällen ) die
Aussicht auf die schönen Umgebungen des Baum-
gartens, von dem linken Theile sieht man die
alterthümliche Königstadt Böhmens mit ihrer Legion
von Thürmen, wie auf einer Landkarte vor den
Blicken ausgebreitet, welche dem Beschauer ein dop-
peltes Jnteresse einflößt, durch das imposante Bild,
das sich ihm entfaltet, wie durch die historischen
Erinnerungen, die sich an dieselbe ketten, besonders
aber merkwürdig durch die vielfältigen Umstaltungen,
die sie in der neuesten Zeit empfing. Jm Vorder-
grunde des Bildes erblicken wir noch die bekannte
Daliborka, einem der 4 Thürme, welche feind-
liche Angriffe, Feuerbrünste und Sturmwinde von
jenen 24 mächtigen Thürmen übrig gelassen, die
ehemals die böhmische Königsburg zierten und be-
schützten. Die Rotunde Daliborka bildete einst
[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] ziert. Sadeler sagt auf seinem Prospekt von Prag
( 1606 ) von diesem Lusthause: „Jm hintern Theile
des Gartens, gegen Aufgang, ist Kaiser Ferdi-
nand 's
künstliches Lusthaus, daraus man nicht
allein die ganze Stadt, sondern auch des Flusses
Moldau Krümmen und die umliegende Landschaft
weit und breit übersehen kann. Es hat zween Umb-
gänge und Gewölbe übereinander; der untere Umb-
gang ist rings herumb mit runden, in gleicher Ab-
theilung stehenden Säulen eingefangen, nach der
rechten Architekturkunst; der obere ist unter freiem
Himmel, hat ein steinern Geländer und Cedern-
Boden, der in so langen Jahren nicht gefaulet; und
seynd die Kapitäl überall mit eingehauenem, aus
alten Historiis und Poeten genommenen Laub = und
Bildwerk artlich gezieret.“

Vor dem Lusthause, dessen Abbildung mit seinen
interessanten Umgebungen wir unsern Lesern heute
vorlegen, steht im Schloßgarten das metallene
Becken eines Springbrunnens von besonderes schö-
nem Guß; da jedoch jenes Gebäude der Artillerie
zu einem Geschütz = Depositorium eingeräumt, und
daher durch eine Mauer von dem hintern Theil
des Lustgartens abgeschieden worden ist, so kann
man jetzt nur durch eine Gitterthüre aus demsel-
ben die schönen Bildner=Verzierungen des Lusthauses
betrachten.

Jn diesem Garten wurden die ersten Tulpen
gepflanzt, welche der kaiserliche Gesandte in der
Türkei, Hr. A. von Busbeck, von dort mitgebracht,
und die von hier aus erst in die Gärten anderer
deutscher Staaten übergingen. Kaiser Rudolph II.
verschönerte den Lustgarten noch mehr, da er die
auserlesensten Bäume und Blumen aus allen Welt-
gegenden verschreiben, und den Garten mit vielen
Bildsäulen ausschmücken ließ, die jedoch — bis auf
einen Herkules von Pendel — in der Belage-
rung von 1757 sammt dem großen Ballhause zu
Grunde gerichtet worden sind. Auch eine Mena-
gerie wurde im kaiserlichen Schloßgarten angelegt,
und Löwen und andere fremde Thiere und Vögel
in eigens dazu angelegten Behältnissen gepflegt. Jn
spätern Jahren, wo der Kaiser wenig mehr öffent-
lich erschien, und den größten Theil seiner Zeit in
dem Lustgarten zubrachte, bestachen die Fremden,
welche den Monarchen zu sehen wünschten, die Gärt-
nergesellen, um in ihren Gewändern sich dem Kai-
ser nähern zu können.

An das erwähnte Lusthaus stößt der hoch und
frei liegende Volksgarten, der in den letztern Jah-
ren, wie durch den Schlag einer Zauberruthe aus
dem Nichts hervorgegangen ist. Man hat in der
neuesten Zeit oft und vielmals behauptet, daß sich
Prag in den letzten Jahrzehenden bis zur Unkennt-
lichkeit verändert habe. Von keinem Theile der
Stadt ist dies so buchstäblich wahr, als von der
Strecke zwischen dem Beginn des Bruska=Hohlweges
bis zum Karlsthore, auf welchem Raume sich gegen-
wärtig der Volksgarten und die neue herrliche
Bergstraße nach dem Baumgarten ausbreitet. Der
Genuß dieses reizenden Spazierortes wurde sonst
durch den mühseligen Weg über die steile Erhöhung
einer Felsschlucht zwischen zwei sich bröckelnden und
den Einsturz drohenden Felswänden verbittert, in
welcher der Fußgänger sich zugleich mit den glän-
zenden Kutschen der Vornehmen und Reichen, mit
dem einfachen Fiaker, wie mit dem schwerbeladenen
Güterwagen — in der letztern Zeit nicht ohne Ge-
[Spaltenumbruch] fahr — hinaufbewegen mußte. Hatte man endlich den
höchsten Punkt erreicht, so erblickte man bis zum Thore
zur Rechten nur die kahlen Wälle mit kargem Gras
bewachsen, zur Linken einen alten verfallenen Schoppen,
und ein langes Gemäuer, das sich, nur von einzelnen
Baumgipfeln überragt, bis zum Artillerie=Depot aus-
dehnte, und erst beim Austritt aus dem Karlsthore
eröffnete sich die anmuthige Gegend, gleichsam die
Reize des Baumgartens im Voraus verkündend.

Unser energisch und rastlos wirkender Landes-
chef, der Oberstburggraf in Böhmen, Graf Karl
von Chotek, von welchem der Berichterstatter eines
ausländischen Blattes vor einigen Jahren mit vollem
Rechte sagte, er habe das Wort: „Unmöglichkeit“
aus seinem Wörterbuche ausgestrichen, warf seinen
Blick auf diesen Stadttheil — nachdem er nicht allein
in dem engen Raume weniger Jahre die schönsten
Früchte seines Waltens zu Tage gefördert, mittelst
des durch ihn ins Leben getretenen Armen=Jnstituts,
der Verwandlung des Neujahrs = Ceremoniells in
eine Handlung der Wohlthätigkeit, durch andere
mildthätige Vereine und die Errichtung der Kinder-
Bewahranstalten die Noth der Dürftigen gelindert,
durch Straßen= und Brückenban im Lande, die Ge-
werbsausstellungen und Preisvertheilungen den böh-
mischen Gewerbsfleiß ermuntert und den Flor des
Landes gefördert, Künste und Wissenschaften beschützt,
die Wälle in freundliche Spaziergänge verwandelt,
und in der furchtbaren Cholerazeit, wie ein sorgsa-
mer Vater, unermüdet zur Milderung der zugesand-
ten Landplage gewirkt und sich der schönsten Erfolge
all seiner Bestrebungen erfreut hatte — und in
kurzer Zeit war eine wahrhaft wunderbare Ver-
wandlung vollendet.

Zuvörderst wurde ein Theil des Hirschgrabens
erkauft und eine terassirte Straße angelegt, die
sich kühn die Höhe hinanschlingt, und bereits dem
Schauer mannigfaltige Ansichten der Stadt darbie-
tet; aber schon im folgenden Jahre sank jene Mauer
nieder, der weite Raum hinter derselben wurde mit
den jenseitigen Wällen bis zum Karlsthore verbun-
den, bequeme Gänge und die ganze Strecke, den
Hohlweg mit eingerechnet, mit Bäumen und Ge-
sträuchen besetzt, die beiderseitigen Anlagen durch
eine kühn und mahlerisch über den Hohlweg gewor-
fene Brücke verbunden, und so der Volksgarten
Prags begründet, welcher den Namen des Volks-
freundes,
dem er seine Entstehung verdankt,
künftigen Geschlechteru[unleserliches Material] überbringt, die ihn mit er-
neuter Freude und Dank preisend nennen werden.

Dieser Volksgarten bietet nunmehr auf der
rechten Seite ( den dazu benutzten Stadtwällen ) die
Aussicht auf die schönen Umgebungen des Baum-
gartens, von dem linken Theile sieht man die
alterthümliche Königstadt Böhmens mit ihrer Legion
von Thürmen, wie auf einer Landkarte vor den
Blicken ausgebreitet, welche dem Beschauer ein dop-
peltes Jnteresse einflößt, durch das imposante Bild,
das sich ihm entfaltet, wie durch die historischen
Erinnerungen, die sich an dieselbe ketten, besonders
aber merkwürdig durch die vielfältigen Umstaltungen,
die sie in der neuesten Zeit empfing. Jm Vorder-
grunde des Bildes erblicken wir noch die bekannte
Daliborka, einem der 4 Thürme, welche feind-
liche Angriffe, Feuerbrünste und Sturmwinde von
jenen 24 mächtigen Thürmen übrig gelassen, die
ehemals die böhmische Königsburg zierten und be-
schützten. Die Rotunde Daliborka bildete einst
[Ende Spaltensatz]

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Zuvörderst wurde ein Theil des Hirschgrabens erkauft und eine terassirte Straße angelegt, die sich kühn die Höhe hinanschlingt, und bereits dem Schauer mannigfaltige Ansichten der Stadt darbie- tet; aber schon im folgenden Jahre sank jene Mauer nieder, der weite Raum hinter derselben wurde mit den jenseitigen Wällen bis zum Karlsthore verbun- den, bequeme Gänge und die ganze Strecke, den Hohlweg mit eingerechnet, mit Bäumen und Ge- sträuchen besetzt, die beiderseitigen Anlagen durch eine kühn und mahlerisch über den Hohlweg gewor- fene Brücke verbunden, und so der Volksgarten Prags begründet, welcher den Namen des Volks- freundes, dem er seine Entstehung verdankt, künftigen Geschlechteru_ überbringt, die ihn mit er- neuter Freude und Dank preisend nennen werden. Dieser Volksgarten bietet nunmehr auf der rechten Seite ( den dazu benutzten Stadtwällen ) die Aussicht auf die schönen Umgebungen des Baum- gartens, von dem linken Theile sieht man die alterthümliche Königstadt Böhmens mit ihrer Legion von Thürmen, wie auf einer Landkarte vor den Blicken ausgebreitet, welche dem Beschauer ein dop- peltes Jnteresse einflößt, durch das imposante Bild, das sich ihm entfaltet, wie durch die historischen Erinnerungen, die sich an dieselbe ketten, besonders aber merkwürdig durch die vielfältigen Umstaltungen, die sie in der neuesten Zeit empfing. Jm Vorder- grunde des Bildes erblicken wir noch die bekannte Daliborka, einem der 4 Thürme, welche feind- liche Angriffe, Feuerbrünste und Sturmwinde von jenen 24 mächtigen Thürmen übrig gelassen, die ehemals die böhmische Königsburg zierten und be- schützten. Die Rotunde Daliborka bildete einst

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 32. Prag, 1834, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama32_1834/6>, abgerufen am 01.06.2024.