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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung, Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 15. Leipzig (Sachsen), 15. April 1843

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[Beginn Spaltensatz] bleichen in der Sonne kastanienbraunes in blondes zu
verwandeln. Für das schönste Haar wird das aschfar-
bige gehalten, das man nur bei nördlichen Völkern an-
trifft und lothweise zu hohen Preisen verkauft, wenn
es an den Spitzen nicht ins Gelbe oder Röthliche fällt.
Auch das schwarze, das einem warmen Klima eigen ist,
wird, wenn es glänzend und, wie man sagt, pech-
schwarz ist, sehr gesucht und gut bezahlt, weil es sich
selten in der gehörigen Länge findet. Das gewöhnlichste
ist das braune. Es ist das Erzeugniß eines gemäßig-
ten Klimas und unterscheidet sich in eine dunkle und
eine helle Farbe, wovon die letztere oft ins Gelbe oder
Blonde und ins Röthliche, die erstere aber ins Schwarze
übergeht. Das rothe Haar färbt man gewöhnlich mit
Wismuth, wodurch es eine schöne aschgraue oder dun-
kelgraue Farbe annimmt.

Das starke oder harte Haar wird im Allgemeinen
dem feinen und weichen vorgezogen, doch darf es nicht
zu stark und grob sein, weil es sich dann nicht gut
kräuselt und lockt. Ein von Natur krauses Haar ist
theurer, weil es sich nach der künstlichen Behandlung
in jeder Witterung besser in seiner Form erhält. Bei
dem glatten und schlichten Haare bestimmen die Farbe
und die Länge die Preise. Jn Wien bezahlte man
noch vor wenig Jahren die schönsten Sorten aus-
ländischen Haars mit 20--60 Gulden das Pfund,
während inländisches nur mit 2--3 Gulden bezahlt
wurde. Sonst stand das brabanter Haar über jedem
andern, weil es seiner Derbheit wegen den Perücken-
machern unentbehrlich war, und jetzt noch geht vie-
les nach Wien und Jtalien. -- Das Aufkaufen aus
der ersten Hand geschieht in den meisten Gegenden
durch Juden oder kleine Krämer, die im Sommer, wo
das Haar am längsten ist, im Lande herumziehen, wie
im nördlichen Deutschland, in Thüringen, an der Elbe,
an der Weser, am Niederrhein, in Flandern, in Bra-
bant, und was sie zusammenkaufen, dann an die Haar-
händler in größern Städten absetzen.

Während der Handel mit Menschenhaar überall ge-
sunken ist, hat er sich in Frankreich, vorzüglich in den
letzten 15 Jahren, auf eine außerordentliche Höhe geho-
ben. Verschiedene große Häuser haben sich daselbst dem
alleinigen Betriebe dieses Handels gewidmet.

Sie beschäftigen in verschiedenen über die einzelnen
Provinzen zerstreuten Etablissements eine große Menge
Leute, welche alle Jahre in den Monaten April und Mai,
mit allerlei Waaren beladen, durch die ihnen angewiese-
nen Districte wandern und die Frauen und Mädchen
bereden, schöne Tücher und andere Putzsachen gegen
ihre langen vollen Zöpfe einzutauschen. Sie heißen
Haarschneider und finden sich auf allen Messen, Märk-
ten und Plätzen ein, wo viele Menschen zusämmenkom-
men, und manches Mädchen kehrt von solchen Plätzen,
mit künstlichem Putzkram beladen, aber des werthvollern
natürlichen Schmuckes ihrer Locken beraubt, in ihr Dorf
zurück, wo zum Glück für sie der verlorene Schmuck
von Wenigen bemerkt, der gewonnene aber von Allen be-
neidet wird.

Diese Haarschneider wandern nicht aufs Gerathewohl
von Dorf zu Dorf, um die in das Depot ihres Prin-
cipals zu liefernde Quantität Haare zusammenzubringen;
sie führen Buch und Rechnung über die Dörfer, aus
denen sie ihren jährlichen Bedarf ziehen, und erscheinen
in keinem Dorfe zwei Mal des Jahres, da in jedem
nur eine Ernte möglich ist.

Jede Gegend liefert jährlich das Haar nicht nur in
bestimmter Quantität, sondern auch in bestimmter Qua-
[Spaltenumbruch] lität, die den Haarschneidern nicht minder bekannt ist,
und die oft schon in Entfernungen von wenigen Meilen
so verschieden ist, daß das Pfund mit 3--4 Groschen
mehr oder weniger bezahlt wird. Wenn ein Haarschnei-
der die ihm zugewiesenen Ortschaften bereist, sendet er
das gewonnene Haar seinem Principal, der es nun an-
dern Arbeitern übergibt, um es nach Länge und Güte
sortiren und flechten zu lassen. Wenn das geschehen
ist, wird es nach Paris, Bordeaux, Marseille, Lyon,
oder auf die Messen zu Caen, Guibrain, Beaucaire
versandt, wo die Fremden ihre Einkäufe zu machen
pflegen. Dasjenige, das zur Verwendung zu Perücken
bestimmt ist, wird eigenen Handwerkern übergeben, die
es reinigen, kräuseln und für den beabsichtigren Zweck
zubereiten müssen.

Der ursprüngliche Preis des Haars, wie es von
den Dorfmädchen gekauft wird, beträgt 2 Gulden für das
Pfund; sortirt und geflochten, wie es in die Hände der
eben genannten Handwerker kommt, kostet das Pfund
4 Gulden, und wenn es durch die Hände der letztern
gegangen ist, 10--30 Gulden. Zu diesem Preise kau-
fen es die Haarflechter, durch deren Geschicklichkeit der
Preis abermals gesteigert wird und eine außerordentliche
Höhe erreichen kann. So wird eine Perücke, welche drei
Unzen Haar enthält, also ursprünglich etwa 8 Groschen
kostet, oft zu dem Preise von 10 Gulden verkauft.

Die Menge des Haars, welches in Frankreich jähr-
lich durch die Haarschneider gewonnen wird, beläuft sich
auf 200,000 Pfund. Ein pariser Haus, das im We-
sten vier Haarschneidereien besitzt, verkauft allein jährlich
für mehr als 100,000 Thlr.



Der Hund des Königs.

Der König Ferdinand von Neapel hatte einen Lieb-
lingshund, einen kleinen Pudel, der bei ihm schlief
und von seiner Schüssel Maccaroni bekam, die der
König selbst für sein Leben gern aß. Was diesen Hund
besonders in Gnade gesetzt hatte, war der Glaube, daß
er die Witterung von Verschwörungen haben sollte und
jeden Hochverräther sogleich entdecken könne, in jener
Zeit der Verschwörungen eine vortreffliche Eigenschaft.

Eines Tages war ein Bettelmönch aus Calabrien
in den königlichen Palast gekommen, der ein Gesuch
an den Monarchen hatte. Man wies ihn daher an ei-
nen Platz, wo der König vorüberzugehen pflegte, und
sagte ihm: "Wenn Jhr einen kleinen Pudel erblicken
werdet, so ist der Mann, der gleich darauf erscheinen
wird, der König selbst." Der Mönch harrte geduldig;
da er aber sein letztes Nachtquartier sehr zeitig verlassen
hatte, so kam ihn der Hunger an und er nahm daher
ein Stück Brot und Käse aus seinem Schnappsacke
und fing an mit großem Appetit zu essen. Plötzlich
kommt der Hund gelaufen; der Mönch schiebt sogleich
sein Frühstück in die weiten Ärmel seiner Kutte, wischt
sich Mund und Bart und setzt sich in eine ehrerbietige
Haltung. Der König war auch gleich hinter dem Pu-
del da, dieser aber guckt den Mönch an, läuft unruhig
um ihn her und springt ihm dann mit lautem Ge-
bell nach dem Ärmel. Das ist ein Hochverräther, nicht
anders, denkt das Gefolge; der König will ihn
selbst verhören und befiehlt, daß man den verkappten
Franziskaner sogleich durchsuche. Es geschieht -- allein
Alles, was man bei ihm findet, ist eine Brotrinde und
ein Stückchen Käse, nach welchem der Hund gierig
schnappt. Das Räthsel war hiermit gelöst und der Hoch-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] bleichen in der Sonne kastanienbraunes in blondes zu
verwandeln. Für das schönste Haar wird das aschfar-
bige gehalten, das man nur bei nördlichen Völkern an-
trifft und lothweise zu hohen Preisen verkauft, wenn
es an den Spitzen nicht ins Gelbe oder Röthliche fällt.
Auch das schwarze, das einem warmen Klima eigen ist,
wird, wenn es glänzend und, wie man sagt, pech-
schwarz ist, sehr gesucht und gut bezahlt, weil es sich
selten in der gehörigen Länge findet. Das gewöhnlichste
ist das braune. Es ist das Erzeugniß eines gemäßig-
ten Klimas und unterscheidet sich in eine dunkle und
eine helle Farbe, wovon die letztere oft ins Gelbe oder
Blonde und ins Röthliche, die erstere aber ins Schwarze
übergeht. Das rothe Haar färbt man gewöhnlich mit
Wismuth, wodurch es eine schöne aschgraue oder dun-
kelgraue Farbe annimmt.

Das starke oder harte Haar wird im Allgemeinen
dem feinen und weichen vorgezogen, doch darf es nicht
zu stark und grob sein, weil es sich dann nicht gut
kräuselt und lockt. Ein von Natur krauses Haar ist
theurer, weil es sich nach der künstlichen Behandlung
in jeder Witterung besser in seiner Form erhält. Bei
dem glatten und schlichten Haare bestimmen die Farbe
und die Länge die Preise. Jn Wien bezahlte man
noch vor wenig Jahren die schönsten Sorten aus-
ländischen Haars mit 20—60 Gulden das Pfund,
während inländisches nur mit 2—3 Gulden bezahlt
wurde. Sonst stand das brabanter Haar über jedem
andern, weil es seiner Derbheit wegen den Perücken-
machern unentbehrlich war, und jetzt noch geht vie-
les nach Wien und Jtalien. — Das Aufkaufen aus
der ersten Hand geschieht in den meisten Gegenden
durch Juden oder kleine Krämer, die im Sommer, wo
das Haar am längsten ist, im Lande herumziehen, wie
im nördlichen Deutschland, in Thüringen, an der Elbe,
an der Weser, am Niederrhein, in Flandern, in Bra-
bant, und was sie zusammenkaufen, dann an die Haar-
händler in größern Städten absetzen.

Während der Handel mit Menschenhaar überall ge-
sunken ist, hat er sich in Frankreich, vorzüglich in den
letzten 15 Jahren, auf eine außerordentliche Höhe geho-
ben. Verschiedene große Häuser haben sich daselbst dem
alleinigen Betriebe dieses Handels gewidmet.

Sie beschäftigen in verschiedenen über die einzelnen
Provinzen zerstreuten Etablissements eine große Menge
Leute, welche alle Jahre in den Monaten April und Mai,
mit allerlei Waaren beladen, durch die ihnen angewiese-
nen Districte wandern und die Frauen und Mädchen
bereden, schöne Tücher und andere Putzsachen gegen
ihre langen vollen Zöpfe einzutauschen. Sie heißen
Haarschneider und finden sich auf allen Messen, Märk-
ten und Plätzen ein, wo viele Menschen zusämmenkom-
men, und manches Mädchen kehrt von solchen Plätzen,
mit künstlichem Putzkram beladen, aber des werthvollern
natürlichen Schmuckes ihrer Locken beraubt, in ihr Dorf
zurück, wo zum Glück für sie der verlorene Schmuck
von Wenigen bemerkt, der gewonnene aber von Allen be-
neidet wird.

Diese Haarschneider wandern nicht aufs Gerathewohl
von Dorf zu Dorf, um die in das Depot ihres Prin-
cipals zu liefernde Quantität Haare zusammenzubringen;
sie führen Buch und Rechnung über die Dörfer, aus
denen sie ihren jährlichen Bedarf ziehen, und erscheinen
in keinem Dorfe zwei Mal des Jahres, da in jedem
nur eine Ernte möglich ist.

Jede Gegend liefert jährlich das Haar nicht nur in
bestimmter Quantität, sondern auch in bestimmter Qua-
[Spaltenumbruch] lität, die den Haarschneidern nicht minder bekannt ist,
und die oft schon in Entfernungen von wenigen Meilen
so verschieden ist, daß das Pfund mit 3—4 Groschen
mehr oder weniger bezahlt wird. Wenn ein Haarschnei-
der die ihm zugewiesenen Ortschaften bereist, sendet er
das gewonnene Haar seinem Principal, der es nun an-
dern Arbeitern übergibt, um es nach Länge und Güte
sortiren und flechten zu lassen. Wenn das geschehen
ist, wird es nach Paris, Bordeaux, Marseille, Lyon,
oder auf die Messen zu Caen, Guibrain, Beaucaire
versandt, wo die Fremden ihre Einkäufe zu machen
pflegen. Dasjenige, das zur Verwendung zu Perücken
bestimmt ist, wird eigenen Handwerkern übergeben, die
es reinigen, kräuseln und für den beabsichtigren Zweck
zubereiten müssen.

Der ursprüngliche Preis des Haars, wie es von
den Dorfmädchen gekauft wird, beträgt 2 Gulden für das
Pfund; sortirt und geflochten, wie es in die Hände der
eben genannten Handwerker kommt, kostet das Pfund
4 Gulden, und wenn es durch die Hände der letztern
gegangen ist, 10—30 Gulden. Zu diesem Preise kau-
fen es die Haarflechter, durch deren Geschicklichkeit der
Preis abermals gesteigert wird und eine außerordentliche
Höhe erreichen kann. So wird eine Perücke, welche drei
Unzen Haar enthält, also ursprünglich etwa 8 Groschen
kostet, oft zu dem Preise von 10 Gulden verkauft.

Die Menge des Haars, welches in Frankreich jähr-
lich durch die Haarschneider gewonnen wird, beläuft sich
auf 200,000 Pfund. Ein pariser Haus, das im We-
sten vier Haarschneidereien besitzt, verkauft allein jährlich
für mehr als 100,000 Thlr.



Der Hund des Königs.

Der König Ferdinand von Neapel hatte einen Lieb-
lingshund, einen kleinen Pudel, der bei ihm schlief
und von seiner Schüssel Maccaroni bekam, die der
König selbst für sein Leben gern aß. Was diesen Hund
besonders in Gnade gesetzt hatte, war der Glaube, daß
er die Witterung von Verschwörungen haben sollte und
jeden Hochverräther sogleich entdecken könne, in jener
Zeit der Verschwörungen eine vortreffliche Eigenschaft.

Eines Tages war ein Bettelmönch aus Calabrien
in den königlichen Palast gekommen, der ein Gesuch
an den Monarchen hatte. Man wies ihn daher an ei-
nen Platz, wo der König vorüberzugehen pflegte, und
sagte ihm: „Wenn Jhr einen kleinen Pudel erblicken
werdet, so ist der Mann, der gleich darauf erscheinen
wird, der König selbst.“ Der Mönch harrte geduldig;
da er aber sein letztes Nachtquartier sehr zeitig verlassen
hatte, so kam ihn der Hunger an und er nahm daher
ein Stück Brot und Käse aus seinem Schnappsacke
und fing an mit großem Appetit zu essen. Plötzlich
kommt der Hund gelaufen; der Mönch schiebt sogleich
sein Frühstück in die weiten Ärmel seiner Kutte, wischt
sich Mund und Bart und setzt sich in eine ehrerbietige
Haltung. Der König war auch gleich hinter dem Pu-
del da, dieser aber guckt den Mönch an, läuft unruhig
um ihn her und springt ihm dann mit lautem Ge-
bell nach dem Ärmel. Das ist ein Hochverräther, nicht
anders, denkt das Gefolge; der König will ihn
selbst verhören und befiehlt, daß man den verkappten
Franziskaner sogleich durchsuche. Es geschieht — allein
Alles, was man bei ihm findet, ist eine Brotrinde und
ein Stückchen Käse, nach welchem der Hund gierig
schnappt. Das Räthsel war hiermit gelöst und der Hoch-
[Ende Spaltensatz]

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Es geschieht — allein Alles, was man bei ihm findet, ist eine Brotrinde und ein Stückchen Käse, nach welchem der Hund gierig schnappt. Das Räthsel war hiermit gelöst und der Hoch-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung, Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 15. Leipzig (Sachsen), 15. April 1843, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig015_1843/5>, abgerufen am 15.06.2024.