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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843.

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[Beginn Spaltensatz] nung ein und begeben sich unter Musik und lauten
Freudenäußerungen zur Braut, wo sie die dort harrenden
Gäste jauchzend empfangen. Nachdem dort die Braut-
führer die in einem besondern Gemache versteckte Braut
ausgelöst und herbeigeführt haben, bewegt sich, nach Ver-
theilung des Rosmarins an sämmtliche Gäste und der
Segnung der Braut von Seite ihrer Ältern, der Hoch-
zeitszug in folgender Ordnung in die Kirche. Die Mu-
sikanten gehen an der Spitze, ihnen nach die zwei Braut-
führer unter lautem Aufjauchzen und Tanzen, die zwei
Beistände, der Bräutigam, die zwei Kranzjungfern, die
Braut in ihrer Mitte, und am Schlusse die übrigen
Gäste. Diese Anordnung wagt man nie zu überschrei-
ten, dagegen herrscht bei der Rückkehr aus der Kirche
kein Ordnungszwang. Wenn die Gäste zum Hause der
Braut gelangen, findet ein Gebrauch statt, der unstrei-
tig von der Angrenzung an die Donau den Ursprung
herleitet. Dies ist die sogenannte Überfuhr über die
Schwelle der Küchenthür, an welcher die Köchin mit
dem Ruder in der Hand bei einer mit Wasser gefüllten
Mulde steht, um das Charons=Geschäft gegen Bezah-
lung zu übernehmen. Die Braut, für welche der Braut-
führer das Fahrtgeld entrichtet, eröffnet die Überfuhr
und wird in der Küche von der Schwiegermutter mit
einem Laib Brot und Salz empfangen. Nach geschehe-
nem Handkusse wird ihr Beides gereicht, als Sinnbild,
daß sich das neue Ehepaar wie Brot und Salz verei-
nigen möge. Während die Gäste der Braut folgen,
tanzen die Brautführer vor dem Hause und stoßen, wenn
auf sie die Reihe folgt, die Mulde weg

Nun beginnt der Schmaus, das Hauptstück in den
slawischen Hochzeitssitten. Nach Anordnung des Haus-
vaters sitzt der Bräutigam in der Mitte zwischen den
beiden Beiständen oben an, neben diesem die Brautmut-
ter, und in ihrer Mitte die Kranzjungfern mit der
Braut; die übrigen Gäste vertheilt der Zufall und per-
sönliche Zuneigung. Die Brautführer fungiren als Auf-
wärter, soweit es zulässig unter Tanz und Gesang.
Wenn schon der Braten aufgetragen ist, trinken die
Brautführer folgendermaßen die Gesundheiten: Auf die
Gesundheit der zwei Brautstände, der Braut und des
Bräutigams, unsers Hausvaters, der sämmtlichen Gäste
und unserer Musikanten! und legen nach Verabredung
der Musikanten den Letztern einen Zwanziger ein, um
dadurch die übrigen Gäste anzufeuern. Die gefüllten
Gläser machen jetzt die Runde durch alle Gäste, von
den Beiständen angefangen, wobei Jeder nach seiner
Art Gesundheit trinkt und den Musikanten auf einem
dazu bestimmten Teller sein Geldopfer darbringt. Dar-
auf geht auch die Köchin mit verbundener Hand, als
ob diese abgebrüht wäre, den Kochlöffel als ihr Symbol
herumtragend, in Begleitung eines Brautführers, als
Supplicantin von Gast zu Gast, und wenn endlich auch
die Brautführer dem Magen ihren Tribut gezollt, be-
ginnt der Tanz.

Der ältere Brautführer eröffnet ihn mit der Braut,
gibt sie dann dem jüngern und aus seiner Hand geht
sie an den Beistand und Bräutigam und endlich nach
Belieben an die übrigen Gäste über, von denen sie einige
nach allen Seiten beleuchten, ob sie nicht etwas schief
gewachsen sei. Als Tänze kommen der deutsche, unga-
rische und Poltertanz am meisten vor. Nach Beendi-
gung derselben wird mitten ins Zimmer ein Sessel ge-
stellt, die Braut darauf gesetzt und ihr eine Haube auf-
gesetzt oder ein Tuch um den Kopf geschlungen, als Zei-
chen, daß sie jetzt eine Frau ist. Nach dieser Ceremo-
nie beginnt der Tanz, der Gesang und das Trinken von
neuem und erst der Tagesanbruch macht dem tollen Trei-
[Spaltenumbruch] ben ein Ende. Nach dem Frühstücke gehen die Be-
gleitungen an. Diese Ehre widerfährt zuerst den Bei-
ständen und endlich jedem Gaste, der etwas zum Be-
sten gibt. Damit ist aber die Feier noch nicht geschlos-
sen; denn nach der Rückkehr folgt die Fortsetzung nur in
einem kleinen Kreise und geht oft auf den nächsten Tag
über, wenn Keller und Küche noch nicht erschöpft sind



Schiffbruch des "Donners."

Am 3. April 1843 bemerkte die Handelsbrigg "le Fu-
ret " in der Nähe der canarischen Jnseln ein fast völlig
unter Wasser gesetztes Schiff ohne Masten. Nur der
Vordertheil ragte ein wenig aus dem Wasser. Um den
Stumpf des Fockmastes war ein zerfetztes Zelt und dar-
unter waren acht Männer oder vielmehr acht Skelette,
welche jeden Augenblick eine neue Welle über ihre von
langen Leiden abgehagerten Körper gehen sahen. Dieses
schwimmende Wrack hätte beinahe einen Schiffbruch der
Brigg veranlaßt, dem sie nur durch eine schnelle und
geschickte Wendung entging. Das Wetter erlaubte nicht,
ohne Gefahr dem Wrack zu nahen, an welches sich die
acht Menschengerippe mit der Kraft der Verzweiflung
festhielten. Das Meer ging hohl. Bei Erblickung der
Brigg hoben die acht Unglücklichen, welche, so zu sagen,
über den Wogen schwebten und an den Maststumpf,
der allein aus dem Wasser hervorragte, gelehnt waren,
ihre Arme zum Himmel und schrieen, ihre letzten Kräfte
anstrengend: Ein Boot! Rettet uns! Von den acht
Leuten, welche die Mannschaft der Brigg ausmachten,
lagen sechs am Fieber krank und konnten ihre Hängemat-
ten nicht verlassen, aber das hielt den Capitain nicht
ab, einen Versuch zur Rettung der Unglücklichen zu
machen; er ließ sogleich ein Boot aussetzen und war so
glücklich, die sämmtlichen Schiffbrüchigen an Bord der
Brigg zu bringen.

Seit 46 Tagen befanden diese sich in der schreckli-
chen Lage, welcher sie jetzt glücklich entrissen wurden.
Jhr Schiff, "der Donner" genannt, war mit einer La-
dung Breter von Portland in den Vereinigten Staaten
nach Madeira abgegangen, am 16. Februar aber von
einem wüthenden Sturme überfallen und in den schreck-
lichen Zustand versetzt worden, in welchem es die Brigg
traf. Durch ein unerwartetes Glück war ein Theil des
Vordertheils ihres Schiffs über dem Wasser geblieben,
doch so, daß sie weder vorwärts noch rückwärts konnten
und mit dem Unterkörper größtentheils im Wasser stehen
mußten. Die ersten zwei Tage blieben sie ohne alle
Nahrung, da gesellte sich zu ihren Leiden die furchtbare
Qual des Hungers. Jn dieser Noth tauchte einer in den
untern Schiffsraum und brachte glücklich zwei Fäßchen
Pökelfleisch heraus. Zu dieser Nahrung fügten die Un-
glücklichen die Fische, welche sie mittels eines gebogenen
Nagels fingen. Um ihren Durst zu löschen, sammelten
sie das Regenwasser, so gut es ging. Wenn sie schla-
fen wollten, banden sie sich vor allen Dingen an den
Maststumpf fest, um nicht von dem Wasser, in welchem
sie dann mit dem größern Theile des Körpers lagen und
das auch von Zeit zu Zeit über ihre Köpfe wegschlug,
ins Meer gerissen zu werden. So lebten sie, Rettung
nur durch ein Wunder erwartend, 46 Tage.

Einige Tage vor dem Erscheinen der Brigg erhellte
ein Hoffnungsstrahl einen Augenblick ihr trauriges Da-
sein, indem sich am Horizonte zwei Schiffe zeigten. Sie
streckten ihre Hände nach ihnen, befestigten einen Flag-
genfetzen an eine Stange, um sich den fernen Schiffen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] nung ein und begeben sich unter Musik und lauten
Freudenäußerungen zur Braut, wo sie die dort harrenden
Gäste jauchzend empfangen. Nachdem dort die Braut-
führer die in einem besondern Gemache versteckte Braut
ausgelöst und herbeigeführt haben, bewegt sich, nach Ver-
theilung des Rosmarins an sämmtliche Gäste und der
Segnung der Braut von Seite ihrer Ältern, der Hoch-
zeitszug in folgender Ordnung in die Kirche. Die Mu-
sikanten gehen an der Spitze, ihnen nach die zwei Braut-
führer unter lautem Aufjauchzen und Tanzen, die zwei
Beistände, der Bräutigam, die zwei Kranzjungfern, die
Braut in ihrer Mitte, und am Schlusse die übrigen
Gäste. Diese Anordnung wagt man nie zu überschrei-
ten, dagegen herrscht bei der Rückkehr aus der Kirche
kein Ordnungszwang. Wenn die Gäste zum Hause der
Braut gelangen, findet ein Gebrauch statt, der unstrei-
tig von der Angrenzung an die Donau den Ursprung
herleitet. Dies ist die sogenannte Überfuhr über die
Schwelle der Küchenthür, an welcher die Köchin mit
dem Ruder in der Hand bei einer mit Wasser gefüllten
Mulde steht, um das Charons=Geschäft gegen Bezah-
lung zu übernehmen. Die Braut, für welche der Braut-
führer das Fahrtgeld entrichtet, eröffnet die Überfuhr
und wird in der Küche von der Schwiegermutter mit
einem Laib Brot und Salz empfangen. Nach geschehe-
nem Handkusse wird ihr Beides gereicht, als Sinnbild,
daß sich das neue Ehepaar wie Brot und Salz verei-
nigen möge. Während die Gäste der Braut folgen,
tanzen die Brautführer vor dem Hause und stoßen, wenn
auf sie die Reihe folgt, die Mulde weg

Nun beginnt der Schmaus, das Hauptstück in den
slawischen Hochzeitssitten. Nach Anordnung des Haus-
vaters sitzt der Bräutigam in der Mitte zwischen den
beiden Beiständen oben an, neben diesem die Brautmut-
ter, und in ihrer Mitte die Kranzjungfern mit der
Braut; die übrigen Gäste vertheilt der Zufall und per-
sönliche Zuneigung. Die Brautführer fungiren als Auf-
wärter, soweit es zulässig unter Tanz und Gesang.
Wenn schon der Braten aufgetragen ist, trinken die
Brautführer folgendermaßen die Gesundheiten: Auf die
Gesundheit der zwei Brautstände, der Braut und des
Bräutigams, unsers Hausvaters, der sämmtlichen Gäste
und unserer Musikanten! und legen nach Verabredung
der Musikanten den Letztern einen Zwanziger ein, um
dadurch die übrigen Gäste anzufeuern. Die gefüllten
Gläser machen jetzt die Runde durch alle Gäste, von
den Beiständen angefangen, wobei Jeder nach seiner
Art Gesundheit trinkt und den Musikanten auf einem
dazu bestimmten Teller sein Geldopfer darbringt. Dar-
auf geht auch die Köchin mit verbundener Hand, als
ob diese abgebrüht wäre, den Kochlöffel als ihr Symbol
herumtragend, in Begleitung eines Brautführers, als
Supplicantin von Gast zu Gast, und wenn endlich auch
die Brautführer dem Magen ihren Tribut gezollt, be-
ginnt der Tanz.

Der ältere Brautführer eröffnet ihn mit der Braut,
gibt sie dann dem jüngern und aus seiner Hand geht
sie an den Beistand und Bräutigam und endlich nach
Belieben an die übrigen Gäste über, von denen sie einige
nach allen Seiten beleuchten, ob sie nicht etwas schief
gewachsen sei. Als Tänze kommen der deutsche, unga-
rische und Poltertanz am meisten vor. Nach Beendi-
gung derselben wird mitten ins Zimmer ein Sessel ge-
stellt, die Braut darauf gesetzt und ihr eine Haube auf-
gesetzt oder ein Tuch um den Kopf geschlungen, als Zei-
chen, daß sie jetzt eine Frau ist. Nach dieser Ceremo-
nie beginnt der Tanz, der Gesang und das Trinken von
neuem und erst der Tagesanbruch macht dem tollen Trei-
[Spaltenumbruch] ben ein Ende. Nach dem Frühstücke gehen die Be-
gleitungen an. Diese Ehre widerfährt zuerst den Bei-
ständen und endlich jedem Gaste, der etwas zum Be-
sten gibt. Damit ist aber die Feier noch nicht geschlos-
sen; denn nach der Rückkehr folgt die Fortsetzung nur in
einem kleinen Kreise und geht oft auf den nächsten Tag
über, wenn Keller und Küche noch nicht erschöpft sind



Schiffbruch des „Donners.“

Am 3. April 1843 bemerkte die Handelsbrigg „le Fu-
ret “ in der Nähe der canarischen Jnseln ein fast völlig
unter Wasser gesetztes Schiff ohne Masten. Nur der
Vordertheil ragte ein wenig aus dem Wasser. Um den
Stumpf des Fockmastes war ein zerfetztes Zelt und dar-
unter waren acht Männer oder vielmehr acht Skelette,
welche jeden Augenblick eine neue Welle über ihre von
langen Leiden abgehagerten Körper gehen sahen. Dieses
schwimmende Wrack hätte beinahe einen Schiffbruch der
Brigg veranlaßt, dem sie nur durch eine schnelle und
geschickte Wendung entging. Das Wetter erlaubte nicht,
ohne Gefahr dem Wrack zu nahen, an welches sich die
acht Menschengerippe mit der Kraft der Verzweiflung
festhielten. Das Meer ging hohl. Bei Erblickung der
Brigg hoben die acht Unglücklichen, welche, so zu sagen,
über den Wogen schwebten und an den Maststumpf,
der allein aus dem Wasser hervorragte, gelehnt waren,
ihre Arme zum Himmel und schrieen, ihre letzten Kräfte
anstrengend: Ein Boot! Rettet uns! Von den acht
Leuten, welche die Mannschaft der Brigg ausmachten,
lagen sechs am Fieber krank und konnten ihre Hängemat-
ten nicht verlassen, aber das hielt den Capitain nicht
ab, einen Versuch zur Rettung der Unglücklichen zu
machen; er ließ sogleich ein Boot aussetzen und war so
glücklich, die sämmtlichen Schiffbrüchigen an Bord der
Brigg zu bringen.

Seit 46 Tagen befanden diese sich in der schreckli-
chen Lage, welcher sie jetzt glücklich entrissen wurden.
Jhr Schiff, „der Donner“ genannt, war mit einer La-
dung Breter von Portland in den Vereinigten Staaten
nach Madeira abgegangen, am 16. Februar aber von
einem wüthenden Sturme überfallen und in den schreck-
lichen Zustand versetzt worden, in welchem es die Brigg
traf. Durch ein unerwartetes Glück war ein Theil des
Vordertheils ihres Schiffs über dem Wasser geblieben,
doch so, daß sie weder vorwärts noch rückwärts konnten
und mit dem Unterkörper größtentheils im Wasser stehen
mußten. Die ersten zwei Tage blieben sie ohne alle
Nahrung, da gesellte sich zu ihren Leiden die furchtbare
Qual des Hungers. Jn dieser Noth tauchte einer in den
untern Schiffsraum und brachte glücklich zwei Fäßchen
Pökelfleisch heraus. Zu dieser Nahrung fügten die Un-
glücklichen die Fische, welche sie mittels eines gebogenen
Nagels fingen. Um ihren Durst zu löschen, sammelten
sie das Regenwasser, so gut es ging. Wenn sie schla-
fen wollten, banden sie sich vor allen Dingen an den
Maststumpf fest, um nicht von dem Wasser, in welchem
sie dann mit dem größern Theile des Körpers lagen und
das auch von Zeit zu Zeit über ihre Köpfe wegschlug,
ins Meer gerissen zu werden. So lebten sie, Rettung
nur durch ein Wunder erwartend, 46 Tage.

Einige Tage vor dem Erscheinen der Brigg erhellte
ein Hoffnungsstrahl einen Augenblick ihr trauriges Da-
sein, indem sich am Horizonte zwei Schiffe zeigten. Sie
streckten ihre Hände nach ihnen, befestigten einen Flag-
genfetzen an eine Stange, um sich den fernen Schiffen
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Dies ist die sogenannte Überfuhr über die Schwelle der Küchenthür, an welcher die Köchin mit dem Ruder in der Hand bei einer mit Wasser gefüllten Mulde steht, um das Charons=Geschäft gegen Bezah- lung zu übernehmen. Die Braut, für welche der Braut- führer das Fahrtgeld entrichtet, eröffnet die Überfuhr und wird in der Küche von der Schwiegermutter mit einem Laib Brot und Salz empfangen. Nach geschehe- nem Handkusse wird ihr Beides gereicht, als Sinnbild, daß sich das neue Ehepaar wie Brot und Salz verei- nigen möge. Während die Gäste der Braut folgen, tanzen die Brautführer vor dem Hause und stoßen, wenn auf sie die Reihe folgt, die Mulde weg Nun beginnt der Schmaus, das Hauptstück in den slawischen Hochzeitssitten. Nach Anordnung des Haus- vaters sitzt der Bräutigam in der Mitte zwischen den beiden Beiständen oben an, neben diesem die Brautmut- ter, und in ihrer Mitte die Kranzjungfern mit der Braut; die übrigen Gäste vertheilt der Zufall und per- sönliche Zuneigung. Die Brautführer fungiren als Auf- wärter, soweit es zulässig unter Tanz und Gesang. Wenn schon der Braten aufgetragen ist, trinken die Brautführer folgendermaßen die Gesundheiten: Auf die Gesundheit der zwei Brautstände, der Braut und des Bräutigams, unsers Hausvaters, der sämmtlichen Gäste und unserer Musikanten! und legen nach Verabredung der Musikanten den Letztern einen Zwanziger ein, um dadurch die übrigen Gäste anzufeuern. Die gefüllten Gläser machen jetzt die Runde durch alle Gäste, von den Beiständen angefangen, wobei Jeder nach seiner Art Gesundheit trinkt und den Musikanten auf einem dazu bestimmten Teller sein Geldopfer darbringt. Dar- auf geht auch die Köchin mit verbundener Hand, als ob diese abgebrüht wäre, den Kochlöffel als ihr Symbol herumtragend, in Begleitung eines Brautführers, als Supplicantin von Gast zu Gast, und wenn endlich auch die Brautführer dem Magen ihren Tribut gezollt, be- ginnt der Tanz. 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Damit ist aber die Feier noch nicht geschlos- sen; denn nach der Rückkehr folgt die Fortsetzung nur in einem kleinen Kreise und geht oft auf den nächsten Tag über, wenn Keller und Küche noch nicht erschöpft sind Schiffbruch des „Donners.“ Am 3. April 1843 bemerkte die Handelsbrigg „le Fu- ret “ in der Nähe der canarischen Jnseln ein fast völlig unter Wasser gesetztes Schiff ohne Masten. Nur der Vordertheil ragte ein wenig aus dem Wasser. Um den Stumpf des Fockmastes war ein zerfetztes Zelt und dar- unter waren acht Männer oder vielmehr acht Skelette, welche jeden Augenblick eine neue Welle über ihre von langen Leiden abgehagerten Körper gehen sahen. Dieses schwimmende Wrack hätte beinahe einen Schiffbruch der Brigg veranlaßt, dem sie nur durch eine schnelle und geschickte Wendung entging. Das Wetter erlaubte nicht, ohne Gefahr dem Wrack zu nahen, an welches sich die acht Menschengerippe mit der Kraft der Verzweiflung festhielten. Das Meer ging hohl. Bei Erblickung der Brigg hoben die acht Unglücklichen, welche, so zu sagen, über den Wogen schwebten und an den Maststumpf, der allein aus dem Wasser hervorragte, gelehnt waren, ihre Arme zum Himmel und schrieen, ihre letzten Kräfte anstrengend: Ein Boot! Rettet uns! Von den acht Leuten, welche die Mannschaft der Brigg ausmachten, lagen sechs am Fieber krank und konnten ihre Hängemat- ten nicht verlassen, aber das hielt den Capitain nicht ab, einen Versuch zur Rettung der Unglücklichen zu machen; er ließ sogleich ein Boot aussetzen und war so glücklich, die sämmtlichen Schiffbrüchigen an Bord der Brigg zu bringen. Seit 46 Tagen befanden diese sich in der schreckli- chen Lage, welcher sie jetzt glücklich entrissen wurden. Jhr Schiff, „der Donner“ genannt, war mit einer La- dung Breter von Portland in den Vereinigten Staaten nach Madeira abgegangen, am 16. Februar aber von einem wüthenden Sturme überfallen und in den schreck- lichen Zustand versetzt worden, in welchem es die Brigg traf. Durch ein unerwartetes Glück war ein Theil des Vordertheils ihres Schiffs über dem Wasser geblieben, doch so, daß sie weder vorwärts noch rückwärts konnten und mit dem Unterkörper größtentheils im Wasser stehen mußten. Die ersten zwei Tage blieben sie ohne alle Nahrung, da gesellte sich zu ihren Leiden die furchtbare Qual des Hungers. Jn dieser Noth tauchte einer in den untern Schiffsraum und brachte glücklich zwei Fäßchen Pökelfleisch heraus. Zu dieser Nahrung fügten die Un- glücklichen die Fische, welche sie mittels eines gebogenen Nagels fingen. Um ihren Durst zu löschen, sammelten sie das Regenwasser, so gut es ging. Wenn sie schla- fen wollten, banden sie sich vor allen Dingen an den Maststumpf fest, um nicht von dem Wasser, in welchem sie dann mit dem größern Theile des Körpers lagen und das auch von Zeit zu Zeit über ihre Köpfe wegschlug, ins Meer gerissen zu werden. So lebten sie, Rettung nur durch ein Wunder erwartend, 46 Tage. Einige Tage vor dem Erscheinen der Brigg erhellte ein Hoffnungsstrahl einen Augenblick ihr trauriges Da- sein, indem sich am Horizonte zwei Schiffe zeigten. Sie streckten ihre Hände nach ihnen, befestigten einen Flag- genfetzen an eine Stange, um sich den fernen Schiffen

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 24. Leipzig (Sachsen), 17. Juni 1843, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig024_1843/3>, abgerufen am 15.06.2024.