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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 36. Leipzig (Sachsen), 9. September 1843.

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[Beginn Spaltensatz] als das Schmerz= und Wuthgebrüll des unglücklichen
Thieres. Da machte Don Montes mit Leichtigkeit und
Grazie einen Seitensprung und setzte dem vorbeistürzen-
den Thiere sein kurzes starkes Schwert in die Weichen,
ohne es jedoch zu tödten. Die Zuschauer erkannten die
Absicht des Kämpfers, dem entzückenden Schauspiele noch
nicht ein Ende zu machen, und belohnten ihn durch
ein tausendfältiges Bravo! Dabei glühten ihre Ge-
sichter von einer höllischen Freude. Die verzerrten, blut-
dürstigen Mienen des Pöbels, die geballten Fäuste, die
lechzenden Mäuler selbst der zahnlosen Greise erfüllten mich
mit Grauen. Die zartesten Frauen aber waren entzückt
und warfen sich, händeklatschend und bravorufend, lebens-
gefährlich über die Brüstung. Jn ihren Zügen war nichts
als Wonne und Wollust. Jetzt war die Zeit gekommen,
das Höchste zu leisten, was bei dergleichen Schauspielen
vorkommen kann. Als der Stier jetzt mit verdoppelter
Wuth seinen Anlauf auf seinen Feind nahm, hielt ihm
dieser sein kurzes Schwert mit der Rechten entgegen und
seinen Hut in der Linken in der Luft schwenkend, setzte
er seinen linken Fuß zwischen die Hörner des Stieres und
schwang sich, als dieser den Kopf zu heben begann, mit
einem Satze über ihn weg. War der Jubel bei der er-
sten Verwundung schon groß gewesen, so erhob er sich
jetzt zu einem Enthusiasmus, der nicht beschrieben werden
kann. Hierauf neckte er noch einige Zeit das vor Wuth
schäumende Thier. Da jedoch das Höchste geschehen war,
was man in einem solchen Kampfe sehen kann, so beeilte
er sich, das Schauspiel zu endigen. Er stieß nämlich bei
dem nächsten Anlaufe des Stiers demselben sein Schwert
so geschickt in die Brust, daß es augenblicklich todt zur
Erde fiel.



Hydraulischer Mörtel.

Der Schwede Pasch hat nach vieljährigen Versuchen
einen Stoff aufgefunden, welcher, dem Kalk beigemischt,
demselben alle Eigenschaften des hydraulischen Mörtels gibt.
Dieser Stoff ist der Alaunschiefer. Nach den verschieden-
artig angestellten Versuchen trocknet der so bereitete Mör-
tel äußerst schnell und nimmt die höchste Festigkeit und
Undurchdringlichkeit an. Für das Wasserbauwesen wie
überhaupt für die bürgerliche Baukunst ist diese Ent-
deckung von höchstem Vortheil, indem nicht allein bei der
nässesten Witterung gebaut werden, sondern auch die Neu-
bauten gleich trocknen und nie feucht werden können.
Das Verhältniß des Zusatzes von Alaunschiefer zum Kalk
ist ein Drittel bis ein Halb. Die Wohlfeilheit dieses
Schiefers macht seine Anwendung um so empfehlens-
werther.



Ort und Zeit des Vertrags von Verdun.

Nie ist einem großen Vater ein minder fähiger Sohn
auf dem Throne gefolgt, als Karl dem Großen Ludwig
der Fromme, der mehr zum Mönch als zum Herrscher
paßte. Bei dem besten Willen hatte Alles, was er un-
ternahm, den entgegengesetzten Erfolg, denn ihm fehlte
alle feste Haltung, seine Güte war Schwäche. Jn Aqui-
tanien erzogen, hatte er keine Ahnung davon, wie die
deutsche Roheit, die nordfranzösische Wildheit, die italie-
nische Ausgelassenheit behandelt werden mußte, um der
Einheit seines Reichs nicht zu schaden. Wie alle schwa-
chen Menschen, war er im höchsten Grade mistrauisch.
[Spaltenumbruch] Deshalb mußten die alten erfahrenen Räthe seines Va-
ters weniger tauglichen Männern Platz machen. Die
Halbbrüder des neuen Kaisers, Hugo, Theodorich und
Drogo blieben ohne Erbe und Amt und der von Karl
zum abhängigen Könige von Jtalien bestimmte Sohn
Pipin's, Bernhard, wurde in Aachen hingehalten.

Das Unglücklichste für Ludwig aber war die Thei-
lung des Reichs unter seine drei Söhne, welche ihm die
Jrmengard geboren hatte: Lothar, Pipin und Ludwig.
Durch diesen unbedachtsamen Schritt war der Keim zu
fortdauernden unvermeidlichen Unruhen gelegt. Wenn
die Schwäche des Vaters die Söhne schon an und für
sich zu Aufständen gegen ihn reizte, so wurde dieser Reiz
noch größer, als sie, nach einer zweiten Vermählung ih-
res Vaters, durch einen nicht erwarteten Bruder in ihren
Besitzungen bedroht wurden. Ludwig der Fromme zeigte
nämlich auf eine sehr unbedachtsame Weise das Bestre-
ben, seinen noch unversorgten Sohn Karl, den ihm seine
zweite Gemahlin Judith geboren, auf Kosten der ver-
sorgten Brüder auszustatten. Jm J. 833 vereinigten
sich endlich alle drei Brüder, um mit bewaffneter Hand
ihr Recht gegen den Vater zu vertheidigen. Auf dem
Rothfelde zu Kolmar standen sich am 24. Juni Vater
und Söhne feindlich gegenüber. Während fruchtloser Un-
terhandlungen gingen Kleriker und Laien zu den Söh-
nen über und Ludwig mußte sich ihnen auf Gnade und
Ungnade ergeben. Das Rothfeld wurde nun zwar um-
getauft und Lügenfeld genannt, aber Ludwig war damit
nicht geholfen, auch nicht einmal, als sich Alles wieder
zu seinem Besten wandte, indem Pipin und Ludwig der
Deutsche die Demüthigung des Vaters nicht lange ertra-
gen konnten und bald seine Befreiung aus Lothar's Hän-
den wieder bewirkten; denn der schwache Vater ließ sich
von dem listigen Lothar wider seine Befreier dermaßen
einnehmen, daß er beschloß, das Reich zwischen Lothar
und Karl zu theilen. Glücklicherweise starb Pipin zu ge-
legener Zeit, aber Ludwig der Deutsche rüstete sich gegen
den undankbaren Vater, wurde jedoch mit überlegener
Macht nach Baiern zurückgedrängt; doch kaum war das
geschehen, so starb der Kaiser am 20. Juni 840 auf
einer Rheininsel bei Mainz. Jetzt spielte Lothar den
Kaiser und Oberherrn in der ganzen Monarchie, ohne
auf irgend ein Recht Ludwig's und Karl's Rücksicht zu
nehmen. Diese ergriffen daher die Waffen und bei Fon-
tenay in Burgund kam es am 25. Juni 841 zu einer
Schlacht, in welcher Lothar aufs Haupt geschlagen
wurde. Der Besiegte gab jedoch die Hoffnung nicht auf,
die ganze Monarchie seines Großvaters unter seine Herr-
schaft zu bringen. Er erweckte Ludwig in den Sachsen
einen gewaltigen Feind und beschäftigte Karl den Kahlen
durch Pipin's Sohn, Pipin, in Aquitanien. Unterdessen
suchte er sich selbst zu einem Hauptschlage in die nöthige
Verfassung zu setzen. Aber Ludwig und Karl kamen
ihm zuvor, indem sie sich zu gegenseitiger Hülfe eidlich
verpflichteten und ihre Truppen zusammenrücken ließen.
Der Schwur von Ludwig's Seite geschah in französi-
scher, der Schwur von Karl's Seite in deutscher Sprache,
damit Jeder vom gegenseitigen Heere verstanden würde,
denn die Sprachen hatten sich bereits geschieden: im
Osten war die deutsche, im Westen die römische Sprache
herrschend geblieben. Der Schwur lautete, ins Neu-
deutsche wörtlich übersetzt: "Aus Liebe gegen Gott und
wegen des christlichen Volks und unserer beiderseitigen
Erhaltung von diesem Tage an und fernerhin, so lange
mir Gott Wissen und Vermögen verleiht, so halte ich
aufrecht diesen meinen Bruder, sowie ein Bruder mit
Recht seinen Bruder aufrecht erhalten soll, und damit er
mir ebenso thue, und mit Lothar will ich keinen Ver-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] als das Schmerz= und Wuthgebrüll des unglücklichen
Thieres. Da machte Don Montes mit Leichtigkeit und
Grazie einen Seitensprung und setzte dem vorbeistürzen-
den Thiere sein kurzes starkes Schwert in die Weichen,
ohne es jedoch zu tödten. Die Zuschauer erkannten die
Absicht des Kämpfers, dem entzückenden Schauspiele noch
nicht ein Ende zu machen, und belohnten ihn durch
ein tausendfältiges Bravo! Dabei glühten ihre Ge-
sichter von einer höllischen Freude. Die verzerrten, blut-
dürstigen Mienen des Pöbels, die geballten Fäuste, die
lechzenden Mäuler selbst der zahnlosen Greise erfüllten mich
mit Grauen. Die zartesten Frauen aber waren entzückt
und warfen sich, händeklatschend und bravorufend, lebens-
gefährlich über die Brüstung. Jn ihren Zügen war nichts
als Wonne und Wollust. Jetzt war die Zeit gekommen,
das Höchste zu leisten, was bei dergleichen Schauspielen
vorkommen kann. Als der Stier jetzt mit verdoppelter
Wuth seinen Anlauf auf seinen Feind nahm, hielt ihm
dieser sein kurzes Schwert mit der Rechten entgegen und
seinen Hut in der Linken in der Luft schwenkend, setzte
er seinen linken Fuß zwischen die Hörner des Stieres und
schwang sich, als dieser den Kopf zu heben begann, mit
einem Satze über ihn weg. War der Jubel bei der er-
sten Verwundung schon groß gewesen, so erhob er sich
jetzt zu einem Enthusiasmus, der nicht beschrieben werden
kann. Hierauf neckte er noch einige Zeit das vor Wuth
schäumende Thier. Da jedoch das Höchste geschehen war,
was man in einem solchen Kampfe sehen kann, so beeilte
er sich, das Schauspiel zu endigen. Er stieß nämlich bei
dem nächsten Anlaufe des Stiers demselben sein Schwert
so geschickt in die Brust, daß es augenblicklich todt zur
Erde fiel.



Hydraulischer Mörtel.

Der Schwede Pasch hat nach vieljährigen Versuchen
einen Stoff aufgefunden, welcher, dem Kalk beigemischt,
demselben alle Eigenschaften des hydraulischen Mörtels gibt.
Dieser Stoff ist der Alaunschiefer. Nach den verschieden-
artig angestellten Versuchen trocknet der so bereitete Mör-
tel äußerst schnell und nimmt die höchste Festigkeit und
Undurchdringlichkeit an. Für das Wasserbauwesen wie
überhaupt für die bürgerliche Baukunst ist diese Ent-
deckung von höchstem Vortheil, indem nicht allein bei der
nässesten Witterung gebaut werden, sondern auch die Neu-
bauten gleich trocknen und nie feucht werden können.
Das Verhältniß des Zusatzes von Alaunschiefer zum Kalk
ist ein Drittel bis ein Halb. Die Wohlfeilheit dieses
Schiefers macht seine Anwendung um so empfehlens-
werther.



Ort und Zeit des Vertrags von Verdun.

Nie ist einem großen Vater ein minder fähiger Sohn
auf dem Throne gefolgt, als Karl dem Großen Ludwig
der Fromme, der mehr zum Mönch als zum Herrscher
paßte. Bei dem besten Willen hatte Alles, was er un-
ternahm, den entgegengesetzten Erfolg, denn ihm fehlte
alle feste Haltung, seine Güte war Schwäche. Jn Aqui-
tanien erzogen, hatte er keine Ahnung davon, wie die
deutsche Roheit, die nordfranzösische Wildheit, die italie-
nische Ausgelassenheit behandelt werden mußte, um der
Einheit seines Reichs nicht zu schaden. Wie alle schwa-
chen Menschen, war er im höchsten Grade mistrauisch.
[Spaltenumbruch] Deshalb mußten die alten erfahrenen Räthe seines Va-
ters weniger tauglichen Männern Platz machen. Die
Halbbrüder des neuen Kaisers, Hugo, Theodorich und
Drogo blieben ohne Erbe und Amt und der von Karl
zum abhängigen Könige von Jtalien bestimmte Sohn
Pipin's, Bernhard, wurde in Aachen hingehalten.

Das Unglücklichste für Ludwig aber war die Thei-
lung des Reichs unter seine drei Söhne, welche ihm die
Jrmengard geboren hatte: Lothar, Pipin und Ludwig.
Durch diesen unbedachtsamen Schritt war der Keim zu
fortdauernden unvermeidlichen Unruhen gelegt. Wenn
die Schwäche des Vaters die Söhne schon an und für
sich zu Aufständen gegen ihn reizte, so wurde dieser Reiz
noch größer, als sie, nach einer zweiten Vermählung ih-
res Vaters, durch einen nicht erwarteten Bruder in ihren
Besitzungen bedroht wurden. Ludwig der Fromme zeigte
nämlich auf eine sehr unbedachtsame Weise das Bestre-
ben, seinen noch unversorgten Sohn Karl, den ihm seine
zweite Gemahlin Judith geboren, auf Kosten der ver-
sorgten Brüder auszustatten. Jm J. 833 vereinigten
sich endlich alle drei Brüder, um mit bewaffneter Hand
ihr Recht gegen den Vater zu vertheidigen. Auf dem
Rothfelde zu Kolmar standen sich am 24. Juni Vater
und Söhne feindlich gegenüber. Während fruchtloser Un-
terhandlungen gingen Kleriker und Laien zu den Söh-
nen über und Ludwig mußte sich ihnen auf Gnade und
Ungnade ergeben. Das Rothfeld wurde nun zwar um-
getauft und Lügenfeld genannt, aber Ludwig war damit
nicht geholfen, auch nicht einmal, als sich Alles wieder
zu seinem Besten wandte, indem Pipin und Ludwig der
Deutsche die Demüthigung des Vaters nicht lange ertra-
gen konnten und bald seine Befreiung aus Lothar's Hän-
den wieder bewirkten; denn der schwache Vater ließ sich
von dem listigen Lothar wider seine Befreier dermaßen
einnehmen, daß er beschloß, das Reich zwischen Lothar
und Karl zu theilen. Glücklicherweise starb Pipin zu ge-
legener Zeit, aber Ludwig der Deutsche rüstete sich gegen
den undankbaren Vater, wurde jedoch mit überlegener
Macht nach Baiern zurückgedrängt; doch kaum war das
geschehen, so starb der Kaiser am 20. Juni 840 auf
einer Rheininsel bei Mainz. Jetzt spielte Lothar den
Kaiser und Oberherrn in der ganzen Monarchie, ohne
auf irgend ein Recht Ludwig's und Karl's Rücksicht zu
nehmen. Diese ergriffen daher die Waffen und bei Fon-
tenay in Burgund kam es am 25. Juni 841 zu einer
Schlacht, in welcher Lothar aufs Haupt geschlagen
wurde. Der Besiegte gab jedoch die Hoffnung nicht auf,
die ganze Monarchie seines Großvaters unter seine Herr-
schaft zu bringen. Er erweckte Ludwig in den Sachsen
einen gewaltigen Feind und beschäftigte Karl den Kahlen
durch Pipin's Sohn, Pipin, in Aquitanien. Unterdessen
suchte er sich selbst zu einem Hauptschlage in die nöthige
Verfassung zu setzen. Aber Ludwig und Karl kamen
ihm zuvor, indem sie sich zu gegenseitiger Hülfe eidlich
verpflichteten und ihre Truppen zusammenrücken ließen.
Der Schwur von Ludwig's Seite geschah in französi-
scher, der Schwur von Karl's Seite in deutscher Sprache,
damit Jeder vom gegenseitigen Heere verstanden würde,
denn die Sprachen hatten sich bereits geschieden: im
Osten war die deutsche, im Westen die römische Sprache
herrschend geblieben. Der Schwur lautete, ins Neu-
deutsche wörtlich übersetzt: „Aus Liebe gegen Gott und
wegen des christlichen Volks und unserer beiderseitigen
Erhaltung von diesem Tage an und fernerhin, so lange
mir Gott Wissen und Vermögen verleiht, so halte ich
aufrecht diesen meinen Bruder, sowie ein Bruder mit
Recht seinen Bruder aufrecht erhalten soll, und damit er
mir ebenso thue, und mit Lothar will ich keinen Ver-
[Ende Spaltensatz]

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[285/0005] 285 als das Schmerz= und Wuthgebrüll des unglücklichen Thieres. Da machte Don Montes mit Leichtigkeit und Grazie einen Seitensprung und setzte dem vorbeistürzen- den Thiere sein kurzes starkes Schwert in die Weichen, ohne es jedoch zu tödten. Die Zuschauer erkannten die Absicht des Kämpfers, dem entzückenden Schauspiele noch nicht ein Ende zu machen, und belohnten ihn durch ein tausendfältiges Bravo! Dabei glühten ihre Ge- sichter von einer höllischen Freude. Die verzerrten, blut- dürstigen Mienen des Pöbels, die geballten Fäuste, die lechzenden Mäuler selbst der zahnlosen Greise erfüllten mich mit Grauen. Die zartesten Frauen aber waren entzückt und warfen sich, händeklatschend und bravorufend, lebens- gefährlich über die Brüstung. Jn ihren Zügen war nichts als Wonne und Wollust. Jetzt war die Zeit gekommen, das Höchste zu leisten, was bei dergleichen Schauspielen vorkommen kann. 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Das Rothfeld wurde nun zwar um- getauft und Lügenfeld genannt, aber Ludwig war damit nicht geholfen, auch nicht einmal, als sich Alles wieder zu seinem Besten wandte, indem Pipin und Ludwig der Deutsche die Demüthigung des Vaters nicht lange ertra- gen konnten und bald seine Befreiung aus Lothar's Hän- den wieder bewirkten; denn der schwache Vater ließ sich von dem listigen Lothar wider seine Befreier dermaßen einnehmen, daß er beschloß, das Reich zwischen Lothar und Karl zu theilen. Glücklicherweise starb Pipin zu ge- legener Zeit, aber Ludwig der Deutsche rüstete sich gegen den undankbaren Vater, wurde jedoch mit überlegener Macht nach Baiern zurückgedrängt; doch kaum war das geschehen, so starb der Kaiser am 20. Juni 840 auf einer Rheininsel bei Mainz. Jetzt spielte Lothar den Kaiser und Oberherrn in der ganzen Monarchie, ohne auf irgend ein Recht Ludwig's und Karl's Rücksicht zu nehmen. Diese ergriffen daher die Waffen und bei Fon- tenay in Burgund kam es am 25. Juni 841 zu einer Schlacht, in welcher Lothar aufs Haupt geschlagen wurde. Der Besiegte gab jedoch die Hoffnung nicht auf, die ganze Monarchie seines Großvaters unter seine Herr- schaft zu bringen. Er erweckte Ludwig in den Sachsen einen gewaltigen Feind und beschäftigte Karl den Kahlen durch Pipin's Sohn, Pipin, in Aquitanien. Unterdessen suchte er sich selbst zu einem Hauptschlage in die nöthige Verfassung zu setzen. Aber Ludwig und Karl kamen ihm zuvor, indem sie sich zu gegenseitiger Hülfe eidlich verpflichteten und ihre Truppen zusammenrücken ließen. Der Schwur von Ludwig's Seite geschah in französi- scher, der Schwur von Karl's Seite in deutscher Sprache, damit Jeder vom gegenseitigen Heere verstanden würde, denn die Sprachen hatten sich bereits geschieden: im Osten war die deutsche, im Westen die römische Sprache herrschend geblieben. Der Schwur lautete, ins Neu- deutsche wörtlich übersetzt: „Aus Liebe gegen Gott und wegen des christlichen Volks und unserer beiderseitigen Erhaltung von diesem Tage an und fernerhin, so lange mir Gott Wissen und Vermögen verleiht, so halte ich aufrecht diesen meinen Bruder, sowie ein Bruder mit Recht seinen Bruder aufrecht erhalten soll, und damit er mir ebenso thue, und mit Lothar will ich keinen Ver-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Neue Folge, Erster Jahrgang, Nr. 36. Leipzig (Sachsen), 9. September 1843, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig036_1843/5>, abgerufen am 01.06.2024.