Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Hierauf tritt er einen Schritt vor und macht sich
fertig. Der Jaguar läßt die Frau fahren und stürzt
sich auf den Gaucho los, doch mitten im Sprunge
von der Kugel getroffen, fällt er auf den Boden
zurück.

Todt, ruft der Gaucho aus, todt! Er schadet
Niemand mehr. Helft der Mutter!

Hierauf ging er ruhig fort, ohne sich viel um das
Lob und den Dank seiner Begleiter zu bekümmern.



Eine Reise nach dem Schneethale in
Tschekiang
. *)

Unsere Gesellschaft verließ Ningpo gegen Mittag mit
der ersten Flut und segelte rasch in einigen der hier
zu Lande gebräuchlichen Boote, die wir zur Reise ge-
miethet hatten, den Fluß hinauf. Die Gegend, durch
die wir kamen und welche das Thal von Ningpo ge-
nannt werden kann, ist vollkommen flach und bietet
wenig Merkwürdiges dar, ist aber außerordentlich
fruchtbar und erzeugt reiche Ernten von Reis, welcher
den Einwohnern als Hauptnahrungsmittel dient. Das
Land ist dicht besäet mit kleinen Städten, Dörfern
und Pachthöfen und unglaublich stark bevölkert. Da
unsere Bootsleute die Nacht hindurch fuhren, befanden
wir uns bei Tagesanbruch am Fuße der Berge, welche
die Ebene in Südwesten begrenzen und im District
von Funghwa liegen. Auf einem dieser Berge steht
eine Pagode, welche viele Meilen weit sichtbar ist und
von welcher die sich zu den Füßen derselben ausdeh-
nende Landschaft einen herrlichen Anblick gewährt. Wir
machten unsere Boote am Ufer fest, stiegen ans Land
und schlugen den nächsten Weg nach dem Berge ein,
auf welchem die Pagode steht. Als wir den Gipfel
des Bergs erreicht hatten, der sich ungefähr 1000 Fuß
über die Meeresfläche zu erheben schien, wurden wir
durch eine jener prachtvollen Aussichten belohnt, die
vielleicht in den fruchtbaren Districten Chinas einen
überraschendern Eindruck hervorbringen als in irgend
einem andern Lande. Unter uns und weithin gegen
Nordosten lag die flache Ebene, durch die wir in der
Nacht gekommen waren. Die Stadt Ningpo befand
sich im Mittelpunkte und sie schien von allen Seiten
durch Hügel und Gebirge eingeschlossen, deren Höhe
zwischen 1000 und 3000 Fuß wechselte, während in
größerer Entfernung gegen Osten das Meer von China
mit den über seine Oberfläche zerstreuten Jnseln des
Archipelagus von Tschusan hervorschimmerte.

Nachdem wir die Pagode besichtigt, drangen wir
mit unsern Booten nach einem Orte, Ta=fu=tu ge-
nannt, vor, der einige Meilen weiter den Fluß hinauf
liegt, so weit derselbe für Boote fahrbar ist. Wir
blieben die Nacht über hier und trafen Anstalten zu
einer Landreise nach dem Schneegebirge, die wir am
folgenden Tage anzutreten gedachten.

Zeitig am nächsten Morgen, während das Früh-
stück zubereitet wurde, besuchten wir einen niedlichen
kleinen Tempel, den Siau=Wang=Miau. Er hat eine
malerische Lage auf einem Hügel, mit üppigen Wal-
dungen im Hintergrunde und einem Flusse, der in
mannichfachen Windungen vorbeiströmt, aber als Ge-
[Spaltenumbruch] bäude ist er vorzüglich wegen eines mit großer Sorg-
falt gearbeiteten steinernen Altars berühmt, des schön-
sten der Art, den ich in China getroffen habe. Jch
war eben damit beschäftigt, dieses Meisterstück der chine-
sischen Kunst zu untersuchen, als ein alter Mann von
achtbarem Ansehen athemlos zum Tempel hereingelaufen
kam; er stellte sich uns als Herr A=Tschang vor und
sagte uns daß er ein Mandarin oder niederer Regie-
rungsbeamter sei, der einen Posten beim Tempel be-
kleide. Schon beim ersten Anblick überzeugten wir
uns, daß wir es mit keinem gewöhnlichen Charakter
zu thun hätten. Er war höchst redselig, höflich und
verbindlich; er führte uns durch das ganze Gebäude,
erklärte das künstliche Schnitzwerk des Altars und die
verschiedenen Gemälde, mit welchen die Wände bedeckt
waren. Da wir indeß noch eine lange Reise vor uns
hatten, so blieb uns wenig Zeit übrig und wir waren
daher genöthigt, von unserm artigen Freunde eiligen
Abschied zu nehmen, wobei er uns einen Besuch auf
unsern Booten zusagte, ehe wir unsern Abstecher nach
den Fällen antreten würden.

Wir hatten eben unser Frühstück beendigt, als sich
der alte Herr zu unserm Erstaunen meldete, völlig an-
gekleidet und augenscheinlich zur Reise gerüstet. "Ah!"
sagte er, ich versprach, Sie noch zu besuchen, ehe Sie
abreisten, und ich habe mich nun entschlossen, mit Jh-
nen zu gehen und [unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]Jhnen als Wegweiser zu dienen."
Da er ein höchst unterhaltender Mensch zu sein schien
und uns außerdem in unserm Verkehr mit den Kuh-
lis und Sänftenträgern von großem Nutzen sein konnte,
willigten wir gern ein, daß er sich unserer Gesellschaft
anschloß. Auch hatten wir keine Ursache, es zu be-
reuen, denn er war als Führer unschätzbar und ge-
währte uns reichlichen Stoff zur Erheiterung. Endlich
waren die Kuhlis gemiethet und mit den zur Gebirgs-
reise nothwendigen Gegenständen beladen worden, wor-
auf wir unsere Boote nach dem einige Meilen weiter
nach Westen, an einem andern Arme des Flusses ge-
legenen Orte, Ning=kang=dschi, abfertigten.

Von Ta=fu=tu nach dem Schneethale beträgt die
Entfernung etwa neun oder zehn Meilen. Unter An-
führung unsers Freundes, des Mandarins, und umge-
ben von Hunderten der Eingeborenen beider Geschlech-
ter traten wir unsere Reise an. Der Weg, der nur
ein schmaler Fußsteig ist, führte uns von Zeit zu Zeit
an die Ufer des Stroms, der hier ganz eng, seicht
und an einigen Stellen sehr reißend war. Obgleich
nicht mehr für Boote schiffbar, wird er doch von den
fleißigen Bewohnern zu mehren andern Zwecken benutzt.
Kleine, aus zusammengebundenen Bambusstämmen
verfertigte Flöße fuhren in allen Richtungen umher
und brachten die Producte des Berglandes nach Ta-
fu=tu, wo man sie in Boote verladet und so weiter
nach den Städten des Niederlandes zum Verkauf trans-
portirt. Wir sahen große Quantitäten Thee in Kör-
ben, flüssigen Jndigo, Papier, Matten, Holz und an-
dere Producte der Gebirge auf diese Art den Fluß
hinunterführen. Fische schienen in diesem Strome in
großen Massen vorhanden zu sein, und da das Meer
jetzt zu weit entfernt war, als daß er die Einwirkung
der Flut und Ebbe empfinden konnte, so blieb das
Wasser klar wie Krystall und meine alten Freunde,
die Fischer=Seeraben, waren beschäftigt, große Fische
für ihre Herren und kleine für sich einzufangen.

Die Gegend, durch welche wir kamen, war zwar
an vielen Stellen durch die Ablagerungen der Wald-
ströme äußerst sandig, im Allgemeinen aber reich und
fruchtbar. Auf dem Wege hatte man an bestimmten
[Ende Spaltensatz]

*) Nach einem Schreiben des Botanikers Fortune.
[Beginn Spaltensatz]

Hierauf tritt er einen Schritt vor und macht sich
fertig. Der Jaguar läßt die Frau fahren und stürzt
sich auf den Gaucho los, doch mitten im Sprunge
von der Kugel getroffen, fällt er auf den Boden
zurück.

Todt, ruft der Gaucho aus, todt! Er schadet
Niemand mehr. Helft der Mutter!

Hierauf ging er ruhig fort, ohne sich viel um das
Lob und den Dank seiner Begleiter zu bekümmern.



Eine Reise nach dem Schneethale in
Tschekiang
. *)

Unsere Gesellschaft verließ Ningpo gegen Mittag mit
der ersten Flut und segelte rasch in einigen der hier
zu Lande gebräuchlichen Boote, die wir zur Reise ge-
miethet hatten, den Fluß hinauf. Die Gegend, durch
die wir kamen und welche das Thal von Ningpo ge-
nannt werden kann, ist vollkommen flach und bietet
wenig Merkwürdiges dar, ist aber außerordentlich
fruchtbar und erzeugt reiche Ernten von Reis, welcher
den Einwohnern als Hauptnahrungsmittel dient. Das
Land ist dicht besäet mit kleinen Städten, Dörfern
und Pachthöfen und unglaublich stark bevölkert. Da
unsere Bootsleute die Nacht hindurch fuhren, befanden
wir uns bei Tagesanbruch am Fuße der Berge, welche
die Ebene in Südwesten begrenzen und im District
von Funghwa liegen. Auf einem dieser Berge steht
eine Pagode, welche viele Meilen weit sichtbar ist und
von welcher die sich zu den Füßen derselben ausdeh-
nende Landschaft einen herrlichen Anblick gewährt. Wir
machten unsere Boote am Ufer fest, stiegen ans Land
und schlugen den nächsten Weg nach dem Berge ein,
auf welchem die Pagode steht. Als wir den Gipfel
des Bergs erreicht hatten, der sich ungefähr 1000 Fuß
über die Meeresfläche zu erheben schien, wurden wir
durch eine jener prachtvollen Aussichten belohnt, die
vielleicht in den fruchtbaren Districten Chinas einen
überraschendern Eindruck hervorbringen als in irgend
einem andern Lande. Unter uns und weithin gegen
Nordosten lag die flache Ebene, durch die wir in der
Nacht gekommen waren. Die Stadt Ningpo befand
sich im Mittelpunkte und sie schien von allen Seiten
durch Hügel und Gebirge eingeschlossen, deren Höhe
zwischen 1000 und 3000 Fuß wechselte, während in
größerer Entfernung gegen Osten das Meer von China
mit den über seine Oberfläche zerstreuten Jnseln des
Archipelagus von Tschusan hervorschimmerte.

Nachdem wir die Pagode besichtigt, drangen wir
mit unsern Booten nach einem Orte, Ta=fu=tu ge-
nannt, vor, der einige Meilen weiter den Fluß hinauf
liegt, so weit derselbe für Boote fahrbar ist. Wir
blieben die Nacht über hier und trafen Anstalten zu
einer Landreise nach dem Schneegebirge, die wir am
folgenden Tage anzutreten gedachten.

Zeitig am nächsten Morgen, während das Früh-
stück zubereitet wurde, besuchten wir einen niedlichen
kleinen Tempel, den Siau=Wang=Miau. Er hat eine
malerische Lage auf einem Hügel, mit üppigen Wal-
dungen im Hintergrunde und einem Flusse, der in
mannichfachen Windungen vorbeiströmt, aber als Ge-
[Spaltenumbruch] bäude ist er vorzüglich wegen eines mit großer Sorg-
falt gearbeiteten steinernen Altars berühmt, des schön-
sten der Art, den ich in China getroffen habe. Jch
war eben damit beschäftigt, dieses Meisterstück der chine-
sischen Kunst zu untersuchen, als ein alter Mann von
achtbarem Ansehen athemlos zum Tempel hereingelaufen
kam; er stellte sich uns als Herr A=Tschang vor und
sagte uns daß er ein Mandarin oder niederer Regie-
rungsbeamter sei, der einen Posten beim Tempel be-
kleide. Schon beim ersten Anblick überzeugten wir
uns, daß wir es mit keinem gewöhnlichen Charakter
zu thun hätten. Er war höchst redselig, höflich und
verbindlich; er führte uns durch das ganze Gebäude,
erklärte das künstliche Schnitzwerk des Altars und die
verschiedenen Gemälde, mit welchen die Wände bedeckt
waren. Da wir indeß noch eine lange Reise vor uns
hatten, so blieb uns wenig Zeit übrig und wir waren
daher genöthigt, von unserm artigen Freunde eiligen
Abschied zu nehmen, wobei er uns einen Besuch auf
unsern Booten zusagte, ehe wir unsern Abstecher nach
den Fällen antreten würden.

Wir hatten eben unser Frühstück beendigt, als sich
der alte Herr zu unserm Erstaunen meldete, völlig an-
gekleidet und augenscheinlich zur Reise gerüstet. „Ah!“
sagte er, ich versprach, Sie noch zu besuchen, ehe Sie
abreisten, und ich habe mich nun entschlossen, mit Jh-
nen zu gehen und [unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]Jhnen als Wegweiser zu dienen.“
Da er ein höchst unterhaltender Mensch zu sein schien
und uns außerdem in unserm Verkehr mit den Kuh-
lis und Sänftenträgern von großem Nutzen sein konnte,
willigten wir gern ein, daß er sich unserer Gesellschaft
anschloß. Auch hatten wir keine Ursache, es zu be-
reuen, denn er war als Führer unschätzbar und ge-
währte uns reichlichen Stoff zur Erheiterung. Endlich
waren die Kuhlis gemiethet und mit den zur Gebirgs-
reise nothwendigen Gegenständen beladen worden, wor-
auf wir unsere Boote nach dem einige Meilen weiter
nach Westen, an einem andern Arme des Flusses ge-
legenen Orte, Ning=kang=dschi, abfertigten.

Von Ta=fu=tu nach dem Schneethale beträgt die
Entfernung etwa neun oder zehn Meilen. Unter An-
führung unsers Freundes, des Mandarins, und umge-
ben von Hunderten der Eingeborenen beider Geschlech-
ter traten wir unsere Reise an. Der Weg, der nur
ein schmaler Fußsteig ist, führte uns von Zeit zu Zeit
an die Ufer des Stroms, der hier ganz eng, seicht
und an einigen Stellen sehr reißend war. Obgleich
nicht mehr für Boote schiffbar, wird er doch von den
fleißigen Bewohnern zu mehren andern Zwecken benutzt.
Kleine, aus zusammengebundenen Bambusstämmen
verfertigte Flöße fuhren in allen Richtungen umher
und brachten die Producte des Berglandes nach Ta-
fu=tu, wo man sie in Boote verladet und so weiter
nach den Städten des Niederlandes zum Verkauf trans-
portirt. Wir sahen große Quantitäten Thee in Kör-
ben, flüssigen Jndigo, Papier, Matten, Holz und an-
dere Producte der Gebirge auf diese Art den Fluß
hinunterführen. Fische schienen in diesem Strome in
großen Massen vorhanden zu sein, und da das Meer
jetzt zu weit entfernt war, als daß er die Einwirkung
der Flut und Ebbe empfinden konnte, so blieb das
Wasser klar wie Krystall und meine alten Freunde,
die Fischer=Seeraben, waren beschäftigt, große Fische
für ihre Herren und kleine für sich einzufangen.

Die Gegend, durch welche wir kamen, war zwar
an vielen Stellen durch die Ablagerungen der Wald-
ströme äußerst sandig, im Allgemeinen aber reich und
fruchtbar. Auf dem Wege hatte man an bestimmten
[Ende Spaltensatz]

*) Nach einem Schreiben des Botanikers Fortune.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <pb facs="#f0006" n="246"/>
        <fw type="pageNum" place="top">246</fw>
        <cb type="start"/>
        <p>Hierauf tritt er einen Schritt vor und macht sich<lb/>
fertig. Der Jaguar läßt die Frau fahren und stürzt<lb/>
sich auf den Gaucho los, doch mitten im Sprunge<lb/>
von der Kugel getroffen, fällt er auf den Boden<lb/>
zurück.</p><lb/>
        <p>Todt, ruft der Gaucho aus, todt! Er schadet<lb/>
Niemand mehr. Helft der Mutter!</p><lb/>
        <p>Hierauf ging er ruhig fort, ohne sich viel um das<lb/>
Lob und den Dank seiner Begleiter zu bekümmern.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Eine Reise nach dem Schneethale in<lb/>
Tschekiang</hi>. <note place="foot" n="*)">Nach einem Schreiben des Botanikers Fortune.</note></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nsere Gesellschaft verließ Ningpo gegen Mittag mit<lb/>
der ersten Flut und segelte rasch in einigen der hier<lb/>
zu Lande gebräuchlichen Boote, die wir zur Reise ge-<lb/>
miethet hatten, den Fluß hinauf. Die Gegend, durch<lb/>
die wir kamen und welche das Thal von Ningpo ge-<lb/>
nannt werden kann, ist vollkommen flach und bietet<lb/>
wenig Merkwürdiges dar, ist aber außerordentlich<lb/>
fruchtbar und erzeugt reiche Ernten von Reis, welcher<lb/>
den Einwohnern als Hauptnahrungsmittel dient. Das<lb/>
Land ist dicht besäet mit kleinen Städten, Dörfern<lb/>
und Pachthöfen und unglaublich stark bevölkert. Da<lb/>
unsere Bootsleute die Nacht hindurch fuhren, befanden<lb/>
wir uns bei Tagesanbruch am Fuße der Berge, welche<lb/>
die Ebene in Südwesten begrenzen und im District<lb/>
von Funghwa liegen. Auf einem dieser Berge steht<lb/>
eine Pagode, welche viele Meilen weit sichtbar ist und<lb/>
von welcher die sich zu den Füßen derselben ausdeh-<lb/>
nende Landschaft einen herrlichen Anblick gewährt. Wir<lb/>
machten unsere Boote am Ufer fest, stiegen ans Land<lb/>
und schlugen den nächsten Weg nach dem Berge ein,<lb/>
auf welchem die Pagode steht. Als wir den Gipfel<lb/>
des Bergs erreicht hatten, der sich ungefähr 1000 Fuß<lb/>
über die Meeresfläche zu erheben schien, wurden wir<lb/>
durch eine jener prachtvollen Aussichten belohnt, die<lb/>
vielleicht in den fruchtbaren Districten Chinas einen<lb/>
überraschendern Eindruck hervorbringen als in irgend<lb/>
einem andern Lande. Unter uns und weithin gegen<lb/>
Nordosten lag die flache Ebene, durch die wir in der<lb/>
Nacht gekommen waren. Die Stadt Ningpo befand<lb/>
sich im Mittelpunkte und sie schien von allen Seiten<lb/>
durch Hügel und Gebirge eingeschlossen, deren Höhe<lb/>
zwischen 1000 und 3000 Fuß wechselte, während in<lb/>
größerer Entfernung gegen Osten das Meer von China<lb/>
mit den über seine Oberfläche zerstreuten Jnseln des<lb/>
Archipelagus von Tschusan hervorschimmerte.</p><lb/>
        <p>Nachdem wir die Pagode besichtigt, drangen wir<lb/>
mit unsern Booten nach einem Orte, Ta=fu=tu ge-<lb/>
nannt, vor, der einige Meilen weiter den Fluß hinauf<lb/>
liegt, so weit derselbe für Boote fahrbar ist. Wir<lb/>
blieben die Nacht über hier und trafen Anstalten zu<lb/>
einer Landreise nach dem Schneegebirge, die wir am<lb/>
folgenden Tage anzutreten gedachten.</p><lb/>
        <p>Zeitig am nächsten Morgen, während das Früh-<lb/>
stück zubereitet wurde, besuchten wir einen niedlichen<lb/>
kleinen Tempel, den Siau=Wang=Miau. Er hat eine<lb/>
malerische Lage auf einem Hügel, mit üppigen Wal-<lb/>
dungen im Hintergrunde und einem Flusse, der in<lb/>
mannichfachen Windungen vorbeiströmt, aber als Ge-<lb/><cb n="2"/>
bäude ist er vorzüglich wegen eines mit großer Sorg-<lb/>
falt gearbeiteten steinernen Altars berühmt, des schön-<lb/>
sten der Art, den ich in China getroffen habe. Jch<lb/>
war eben damit beschäftigt, dieses Meisterstück der chine-<lb/>
sischen Kunst zu untersuchen, als ein alter Mann von<lb/>
achtbarem Ansehen athemlos zum Tempel hereingelaufen<lb/>
kam; er stellte sich uns als Herr A=Tschang vor und<lb/>
sagte uns daß er ein Mandarin oder niederer Regie-<lb/>
rungsbeamter sei, der einen Posten beim Tempel be-<lb/>
kleide. Schon beim ersten Anblick überzeugten wir<lb/>
uns, daß wir es mit keinem gewöhnlichen Charakter<lb/>
zu thun hätten. Er war höchst redselig, höflich und<lb/>
verbindlich; er führte uns durch das ganze Gebäude,<lb/>
erklärte das künstliche Schnitzwerk des Altars und die<lb/>
verschiedenen Gemälde, mit welchen die Wände bedeckt<lb/>
waren. Da wir indeß noch eine lange Reise vor uns<lb/>
hatten, so blieb uns wenig Zeit übrig und wir waren<lb/>
daher genöthigt, von unserm artigen Freunde eiligen<lb/>
Abschied zu nehmen, wobei er uns einen Besuch auf<lb/>
unsern Booten zusagte, ehe wir unsern Abstecher nach<lb/>
den Fällen antreten würden.</p><lb/>
        <p>Wir hatten eben unser Frühstück beendigt, als sich<lb/>
der alte Herr zu unserm Erstaunen meldete, völlig an-<lb/>
gekleidet und augenscheinlich zur Reise gerüstet. &#x201E;Ah!&#x201C;<lb/>
sagte er, ich versprach, Sie noch zu besuchen, ehe Sie<lb/>
abreisten, und ich habe mich nun entschlossen, mit Jh-<lb/>
nen zu gehen und <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="5"/>Jhnen als Wegweiser zu dienen.&#x201C;<lb/>
Da er ein höchst unterhaltender Mensch zu sein schien<lb/>
und uns außerdem in unserm Verkehr mit den Kuh-<lb/>
lis und Sänftenträgern von großem Nutzen sein konnte,<lb/>
willigten wir gern ein, daß er sich unserer Gesellschaft<lb/>
anschloß. Auch hatten wir keine Ursache, es zu be-<lb/>
reuen, denn er war als Führer unschätzbar und ge-<lb/>
währte uns reichlichen Stoff zur Erheiterung. Endlich<lb/>
waren die Kuhlis gemiethet und mit den zur Gebirgs-<lb/>
reise nothwendigen Gegenständen beladen worden, wor-<lb/>
auf wir unsere Boote nach dem einige Meilen weiter<lb/>
nach Westen, an einem andern Arme des Flusses ge-<lb/>
legenen Orte, Ning=kang=dschi, abfertigten.</p><lb/>
        <p>Von Ta=fu=tu nach dem Schneethale beträgt die<lb/>
Entfernung etwa neun oder zehn Meilen. Unter An-<lb/>
führung unsers Freundes, des Mandarins, und umge-<lb/>
ben von Hunderten der Eingeborenen beider Geschlech-<lb/>
ter traten wir unsere Reise an. Der Weg, der nur<lb/>
ein schmaler Fußsteig ist, führte uns von Zeit zu Zeit<lb/>
an die Ufer des Stroms, der hier ganz eng, seicht<lb/>
und an einigen Stellen sehr reißend war. Obgleich<lb/>
nicht mehr für Boote schiffbar, wird er doch von den<lb/>
fleißigen Bewohnern zu mehren andern Zwecken benutzt.<lb/>
Kleine, aus zusammengebundenen Bambusstämmen<lb/>
verfertigte Flöße fuhren in allen Richtungen umher<lb/>
und brachten die Producte des Berglandes nach Ta-<lb/>
fu=tu, wo man sie in Boote verladet und so weiter<lb/>
nach den Städten des Niederlandes zum Verkauf trans-<lb/>
portirt. Wir sahen große Quantitäten Thee in Kör-<lb/>
ben, flüssigen Jndigo, Papier, Matten, Holz und an-<lb/>
dere Producte der Gebirge auf diese Art den Fluß<lb/>
hinunterführen. Fische schienen in diesem Strome in<lb/>
großen Massen vorhanden zu sein, und da das Meer<lb/>
jetzt zu weit entfernt war, als daß er die Einwirkung<lb/>
der Flut und Ebbe empfinden konnte, so blieb das<lb/>
Wasser klar wie Krystall und meine alten Freunde,<lb/>
die Fischer=Seeraben, waren beschäftigt, große Fische<lb/>
für ihre Herren und kleine für sich einzufangen.</p><lb/>
        <p>Die Gegend, durch welche wir kamen, war zwar<lb/>
an vielen Stellen durch die Ablagerungen der Wald-<lb/>
ströme äußerst sandig, im Allgemeinen aber reich und<lb/>
fruchtbar. Auf dem Wege hatte man an bestimmten<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0006] 246 Hierauf tritt er einen Schritt vor und macht sich fertig. Der Jaguar läßt die Frau fahren und stürzt sich auf den Gaucho los, doch mitten im Sprunge von der Kugel getroffen, fällt er auf den Boden zurück. Todt, ruft der Gaucho aus, todt! Er schadet Niemand mehr. Helft der Mutter! Hierauf ging er ruhig fort, ohne sich viel um das Lob und den Dank seiner Begleiter zu bekümmern. Eine Reise nach dem Schneethale in Tschekiang. *) Unsere Gesellschaft verließ Ningpo gegen Mittag mit der ersten Flut und segelte rasch in einigen der hier zu Lande gebräuchlichen Boote, die wir zur Reise ge- miethet hatten, den Fluß hinauf. Die Gegend, durch die wir kamen und welche das Thal von Ningpo ge- nannt werden kann, ist vollkommen flach und bietet wenig Merkwürdiges dar, ist aber außerordentlich fruchtbar und erzeugt reiche Ernten von Reis, welcher den Einwohnern als Hauptnahrungsmittel dient. Das Land ist dicht besäet mit kleinen Städten, Dörfern und Pachthöfen und unglaublich stark bevölkert. Da unsere Bootsleute die Nacht hindurch fuhren, befanden wir uns bei Tagesanbruch am Fuße der Berge, welche die Ebene in Südwesten begrenzen und im District von Funghwa liegen. Auf einem dieser Berge steht eine Pagode, welche viele Meilen weit sichtbar ist und von welcher die sich zu den Füßen derselben ausdeh- nende Landschaft einen herrlichen Anblick gewährt. Wir machten unsere Boote am Ufer fest, stiegen ans Land und schlugen den nächsten Weg nach dem Berge ein, auf welchem die Pagode steht. Als wir den Gipfel des Bergs erreicht hatten, der sich ungefähr 1000 Fuß über die Meeresfläche zu erheben schien, wurden wir durch eine jener prachtvollen Aussichten belohnt, die vielleicht in den fruchtbaren Districten Chinas einen überraschendern Eindruck hervorbringen als in irgend einem andern Lande. Unter uns und weithin gegen Nordosten lag die flache Ebene, durch die wir in der Nacht gekommen waren. Die Stadt Ningpo befand sich im Mittelpunkte und sie schien von allen Seiten durch Hügel und Gebirge eingeschlossen, deren Höhe zwischen 1000 und 3000 Fuß wechselte, während in größerer Entfernung gegen Osten das Meer von China mit den über seine Oberfläche zerstreuten Jnseln des Archipelagus von Tschusan hervorschimmerte. Nachdem wir die Pagode besichtigt, drangen wir mit unsern Booten nach einem Orte, Ta=fu=tu ge- nannt, vor, der einige Meilen weiter den Fluß hinauf liegt, so weit derselbe für Boote fahrbar ist. Wir blieben die Nacht über hier und trafen Anstalten zu einer Landreise nach dem Schneegebirge, die wir am folgenden Tage anzutreten gedachten. Zeitig am nächsten Morgen, während das Früh- stück zubereitet wurde, besuchten wir einen niedlichen kleinen Tempel, den Siau=Wang=Miau. Er hat eine malerische Lage auf einem Hügel, mit üppigen Wal- dungen im Hintergrunde und einem Flusse, der in mannichfachen Windungen vorbeiströmt, aber als Ge- bäude ist er vorzüglich wegen eines mit großer Sorg- falt gearbeiteten steinernen Altars berühmt, des schön- sten der Art, den ich in China getroffen habe. Jch war eben damit beschäftigt, dieses Meisterstück der chine- sischen Kunst zu untersuchen, als ein alter Mann von achtbarem Ansehen athemlos zum Tempel hereingelaufen kam; er stellte sich uns als Herr A=Tschang vor und sagte uns daß er ein Mandarin oder niederer Regie- rungsbeamter sei, der einen Posten beim Tempel be- kleide. Schon beim ersten Anblick überzeugten wir uns, daß wir es mit keinem gewöhnlichen Charakter zu thun hätten. Er war höchst redselig, höflich und verbindlich; er führte uns durch das ganze Gebäude, erklärte das künstliche Schnitzwerk des Altars und die verschiedenen Gemälde, mit welchen die Wände bedeckt waren. Da wir indeß noch eine lange Reise vor uns hatten, so blieb uns wenig Zeit übrig und wir waren daher genöthigt, von unserm artigen Freunde eiligen Abschied zu nehmen, wobei er uns einen Besuch auf unsern Booten zusagte, ehe wir unsern Abstecher nach den Fällen antreten würden. Wir hatten eben unser Frühstück beendigt, als sich der alte Herr zu unserm Erstaunen meldete, völlig an- gekleidet und augenscheinlich zur Reise gerüstet. „Ah!“ sagte er, ich versprach, Sie noch zu besuchen, ehe Sie abreisten, und ich habe mich nun entschlossen, mit Jh- nen zu gehen und _____Jhnen als Wegweiser zu dienen.“ Da er ein höchst unterhaltender Mensch zu sein schien und uns außerdem in unserm Verkehr mit den Kuh- lis und Sänftenträgern von großem Nutzen sein konnte, willigten wir gern ein, daß er sich unserer Gesellschaft anschloß. Auch hatten wir keine Ursache, es zu be- reuen, denn er war als Führer unschätzbar und ge- währte uns reichlichen Stoff zur Erheiterung. Endlich waren die Kuhlis gemiethet und mit den zur Gebirgs- reise nothwendigen Gegenständen beladen worden, wor- auf wir unsere Boote nach dem einige Meilen weiter nach Westen, an einem andern Arme des Flusses ge- legenen Orte, Ning=kang=dschi, abfertigten. Von Ta=fu=tu nach dem Schneethale beträgt die Entfernung etwa neun oder zehn Meilen. Unter An- führung unsers Freundes, des Mandarins, und umge- ben von Hunderten der Eingeborenen beider Geschlech- ter traten wir unsere Reise an. Der Weg, der nur ein schmaler Fußsteig ist, führte uns von Zeit zu Zeit an die Ufer des Stroms, der hier ganz eng, seicht und an einigen Stellen sehr reißend war. Obgleich nicht mehr für Boote schiffbar, wird er doch von den fleißigen Bewohnern zu mehren andern Zwecken benutzt. Kleine, aus zusammengebundenen Bambusstämmen verfertigte Flöße fuhren in allen Richtungen umher und brachten die Producte des Berglandes nach Ta- fu=tu, wo man sie in Boote verladet und so weiter nach den Städten des Niederlandes zum Verkauf trans- portirt. Wir sahen große Quantitäten Thee in Kör- ben, flüssigen Jndigo, Papier, Matten, Holz und an- dere Producte der Gebirge auf diese Art den Fluß hinunterführen. Fische schienen in diesem Strome in großen Massen vorhanden zu sein, und da das Meer jetzt zu weit entfernt war, als daß er die Einwirkung der Flut und Ebbe empfinden konnte, so blieb das Wasser klar wie Krystall und meine alten Freunde, die Fischer=Seeraben, waren beschäftigt, große Fische für ihre Herren und kleine für sich einzufangen. Die Gegend, durch welche wir kamen, war zwar an vielen Stellen durch die Ablagerungen der Wald- ströme äußerst sandig, im Allgemeinen aber reich und fruchtbar. Auf dem Wege hatte man an bestimmten *) Nach einem Schreiben des Botanikers Fortune.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig083_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig083_1854/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 83. Leipzig (Sachsen), 27. Juli 1854, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig083_1854/6>, abgerufen am 01.06.2024.