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Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 84. Leipzig (Sachsen), 3. August 1854.

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[Beginn Spaltensatz] Mutter versuchte zwar noch einmal einzureden, wie
sie nie im Stande sein würde, die große unverdiente
Güte Zillmer's nur irgend einmal wieder zu vergelten;
aber dieser that gar nicht, als wenn er sie verstanden
habe, sondern er nahm mit einem derben Händedruck
freundlich Abschied, indem er sprach: "Adieu, liebe
Frau Wirker! Wir haben heute Eile, weil wir noch
ein Geschäftchen in Gang bringen müssen."

Daß Karl auf die Jdee mit der Gärtnerei gefallen
war, freute den Schöppen besonders deshalb, weil die-
ser nun wenigstens guten Grund hatte, den noch un-
verdorbenen Knaben von einzelnen Bauerhäusern für
immer zurückzuhalten, in welchen er nicht eben viel
Nachahmungswerthes erlernen konnte.

Karl erhielt in Zillmer's Garten sechs hübsche
Beete zur Selbstbewirthschaftung angewiesen. Mit
kindlich frohem Danke verließ er seinen Wohlthäter
und eilte nach Hause, um seiner Mutter den Plan zu
verdeutlichen, nach welchem er seine Beete zu bebauen
gedachte.

Am nächsten Tage war Karl kaum aus der Schule
nach Hause gekommen, da trieb ihn sein Gärtnereifer
in Zillmer's Garten. Welche Augen machte er, als
er gewahrte, daß seine Beete schon gut umgegraben
und bis zur Saat fertig gemacht worden waren!

Das hat Herr Zillmer gethan! sprach Karl vor
sich hin. Der liebe, gute Mann! Ein wahrer Vater
für mich! Möge Gott ihm seine Liebe segnen!

Zillmer hatte es allerdings durch seinen Knecht
thun lassen. Er stellte sich, als er Karl kommen sah,
in seine Gartenlaube, um zu beobachten, welches Ge-
sicht sein Pflegling, wie er ihn oft nannte, beim An-
blick der zugerichteten Beete machen werde. Mit Rüh-
rung hörte er, was der hocherfreute, doch auch be-
schämte Knabe sprach und wischte sich eine Thräne
aus dem Auge, indem er überlegte, wie wenig doch
dazu gehöre, um einem Armen eine recht innige Freude
zu bereiten. Endlich näherte er sich Karl und rief:
"Nun, ist's recht so, kleiner Gärtner? Jch bin selbst
in meiner Jugend täglich im Garten beschäftigt gewe-
sen und hoffe, daß mein Traugott dir die Arbeit nach
meiner Angabe gewiß gut ausgeführt hat."

O, Herr Zillmer, antwortete Karl, so schön hätte
ich's nicht gebracht! Aber daß ich es nicht selbst ge-
macht habe, wird meine Mutter nicht gern sehen; sie
wird glauben, daß ich mich nicht habe sputen wollen
und wahrlich, ich spute mich gern, auch wenn sie nicht
ruft: Spute dich!

Jn diesem Jahre konntest du noch nicht anhaltend
graben, sprach Zillmer; aber nächstes Jahr, wenn du
älter und stärker geworden bist, magst du das Ge-
schäft ganz allein besorgen. Danke mir aber jetzt nicht,
mein Sohn, sondern beweise mir deinen Dank durch
die That und zwar durch Fleiß, Ehrlichkeit und An-
ständigkeit, insbesondere aber durch treue Anhänglich-
keit an deine gute Mutter, die es werth ist, daß du
ihr Alles an den Augen absiehst, um ihre einzige
Freude zu sein und zu bleiben.

Ja, Herr Zillmer, rief Karl, das will ich, so
lange Gott im Himmel mir Kraft und Gesundheit
schenkt. Vielleicht kann ich, wenn ich noch einige
Jahre vorgeschritten bin, es dahin bringen, wohin ich
es gern haben möchte.

Nun, fragte Zillmer, was ist denn dein Ziel, das
du zu erstreben gedenkst?

Ein leidliches Auskommen für mich, antwortete
Karl, bei welchem meine Mutter nicht zu darben
braucht! Und das möchte ich unter Gottes Schutz
[Spaltenumbruch] und dem Beistande guter Menschen, wie Sie sind, durch
meine eigene Thätigkeit erreichen; denn meine gute
Mutter predigt mir täglich ein: "Hilf dir selbst, dann
hilft dir Gott, dann sendet er dir Engel in Menschen-
gestalt als Beistand; darum spute dich!"

Deine liebe Mutter hat vollkommen Recht, ant-
wortete Zillmer. Ein selbstverdienter Groschen ist mehr
werth als ein geschenkter Thaler; darum habe ich ihr
auch beistimmen müssen, als sie mir die Gründe sagte,
warum sie dich noch bei sich behalten wollte. Doch,
mein Sohn, Zeit ist Geld; laß uns an die Arbeit ge-
hen, um deine Beete einzurichten! Jch werde dir
heute bei dem Säen beistehen, dann magst du in spä-
tern Tagen Alles selbst besorgen.

Karl eilte nach Hause, holte seine Sämereien und
war schnell wieder da. Jetzt wurde ausgepackt und
gesäet, wobei Zillmer den Lehrer machte; hier Kohl-
rabi, Welsch= und Blumenkohl, da Rothkraut, Ma-
joran und Mangold, dort Kohl, Salat und wie die
Gemüsesorten alle hießen, die im Freien gebaut wer-
den konnten. Nun kamen die Sommerblumen daran.
Auf den Düten, in welchen sich der Same befand,
standen Namen, welche Karl in seinem Leben weder
gelesen noch gehört hatte. Auf Anrathen Zillmer's
schnitt er kleine Bretchen, schrieb den Namen der Blu-
men mit Bleistift auf dieselben und steckte sie da in
die Erde, wo er den Samen gesät hatte. Es dunkelte
schon, als die letzten Körnlein der Erde anvertraut
wurden und Karl rief: "Nun, das walt' Gott!"

Walt' Gott, mein Sohn, walt' Gott! fügte Zill-
mer hinzu. Fange nur Alles mit Gott an, dann wird
er die Werke deiner Hand segnen. Gott hilft, wenn
wir das Unsere thun. Aber Eins noch haben wir zu
besorgen. Weil nämlich noch Nachtfröste kommen, so
wollen wir unsere Saat recht hübsch mit Stroh be-
decken und morgen werde ich dich etwas lehren, wie du
dir die Sache erleichtern kannst.

Karl drückte, als er nach Hause gehen wollte, sei-
nem väterlichen Freunde mit Wärme die Hand und
sprach: "Herr Zillmer! Meine Mutter sagt immer, Sie
wären für uns ein Bote vom lieben Gott. Jch lerne
immer mehr einsehen, was sie damit sagen will. Werde
ich größer, dann -- --"

Still, mein Sohn, unterbrach ihn Zillmer, still
davon! Jch danke unserm himmlischen Vater, daß er
mich in den Stand gesetzt hat, für euch ein wenig
mitsorgen zu können; danke du ihm auch, daß er dich
bisher wohl gerathen ließ und bitte ihn, dir auch fer-
ner seinen schützenden Engel zu senden. Gute Nacht,
Karl, grüße deine Mutter und schlaft Beide wohl!"

Ehe es sich der Knabe versah, war sein Wohlthä-
ter über den Hof hinweg nach seinem Hause geeilt.
Karl schloß noch die Gartenthür und ging dann zu
seiner Mutter, um ihr die dankbare Freude über Zill-
mer 's Güte und seine Hoffnungen auf die Zukunft zu
schildern.

Am folgenden Tage nach den Unterrichtsstunden
half Karl in Zillmer's Wirthschaft Einiges mit ver-
richten, dann führte der Schöppe ihn in seine Scheune,
um ihn das Fertigen der Strohdecken zu lehren.
Bindfaden und Stroh war genug vorhanden, daher
konnte die Arbeit sogleich beginnen. Karl begriff die
wenigen Handgriffe bei der Arbeit sehr bald und kam
an dem Tage wirklich mit einer Decke zu Ende. Jn
den Freistunden der folgenden Tage setzte er die Be-
schäftigung fort, sodaß seine Saatbeete bald alle be-
quem mit den auf Stangen liegenden Decken verwahrt
werden konnten.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Mutter versuchte zwar noch einmal einzureden, wie
sie nie im Stande sein würde, die große unverdiente
Güte Zillmer's nur irgend einmal wieder zu vergelten;
aber dieser that gar nicht, als wenn er sie verstanden
habe, sondern er nahm mit einem derben Händedruck
freundlich Abschied, indem er sprach: „Adieu, liebe
Frau Wirker! Wir haben heute Eile, weil wir noch
ein Geschäftchen in Gang bringen müssen.“

Daß Karl auf die Jdee mit der Gärtnerei gefallen
war, freute den Schöppen besonders deshalb, weil die-
ser nun wenigstens guten Grund hatte, den noch un-
verdorbenen Knaben von einzelnen Bauerhäusern für
immer zurückzuhalten, in welchen er nicht eben viel
Nachahmungswerthes erlernen konnte.

Karl erhielt in Zillmer's Garten sechs hübsche
Beete zur Selbstbewirthschaftung angewiesen. Mit
kindlich frohem Danke verließ er seinen Wohlthäter
und eilte nach Hause, um seiner Mutter den Plan zu
verdeutlichen, nach welchem er seine Beete zu bebauen
gedachte.

Am nächsten Tage war Karl kaum aus der Schule
nach Hause gekommen, da trieb ihn sein Gärtnereifer
in Zillmer's Garten. Welche Augen machte er, als
er gewahrte, daß seine Beete schon gut umgegraben
und bis zur Saat fertig gemacht worden waren!

Das hat Herr Zillmer gethan! sprach Karl vor
sich hin. Der liebe, gute Mann! Ein wahrer Vater
für mich! Möge Gott ihm seine Liebe segnen!

Zillmer hatte es allerdings durch seinen Knecht
thun lassen. Er stellte sich, als er Karl kommen sah,
in seine Gartenlaube, um zu beobachten, welches Ge-
sicht sein Pflegling, wie er ihn oft nannte, beim An-
blick der zugerichteten Beete machen werde. Mit Rüh-
rung hörte er, was der hocherfreute, doch auch be-
schämte Knabe sprach und wischte sich eine Thräne
aus dem Auge, indem er überlegte, wie wenig doch
dazu gehöre, um einem Armen eine recht innige Freude
zu bereiten. Endlich näherte er sich Karl und rief:
„Nun, ist's recht so, kleiner Gärtner? Jch bin selbst
in meiner Jugend täglich im Garten beschäftigt gewe-
sen und hoffe, daß mein Traugott dir die Arbeit nach
meiner Angabe gewiß gut ausgeführt hat.“

O, Herr Zillmer, antwortete Karl, so schön hätte
ich's nicht gebracht! Aber daß ich es nicht selbst ge-
macht habe, wird meine Mutter nicht gern sehen; sie
wird glauben, daß ich mich nicht habe sputen wollen
und wahrlich, ich spute mich gern, auch wenn sie nicht
ruft: Spute dich!

Jn diesem Jahre konntest du noch nicht anhaltend
graben, sprach Zillmer; aber nächstes Jahr, wenn du
älter und stärker geworden bist, magst du das Ge-
schäft ganz allein besorgen. Danke mir aber jetzt nicht,
mein Sohn, sondern beweise mir deinen Dank durch
die That und zwar durch Fleiß, Ehrlichkeit und An-
ständigkeit, insbesondere aber durch treue Anhänglich-
keit an deine gute Mutter, die es werth ist, daß du
ihr Alles an den Augen absiehst, um ihre einzige
Freude zu sein und zu bleiben.

Ja, Herr Zillmer, rief Karl, das will ich, so
lange Gott im Himmel mir Kraft und Gesundheit
schenkt. Vielleicht kann ich, wenn ich noch einige
Jahre vorgeschritten bin, es dahin bringen, wohin ich
es gern haben möchte.

Nun, fragte Zillmer, was ist denn dein Ziel, das
du zu erstreben gedenkst?

Ein leidliches Auskommen für mich, antwortete
Karl, bei welchem meine Mutter nicht zu darben
braucht! Und das möchte ich unter Gottes Schutz
[Spaltenumbruch] und dem Beistande guter Menschen, wie Sie sind, durch
meine eigene Thätigkeit erreichen; denn meine gute
Mutter predigt mir täglich ein: „Hilf dir selbst, dann
hilft dir Gott, dann sendet er dir Engel in Menschen-
gestalt als Beistand; darum spute dich!“

Deine liebe Mutter hat vollkommen Recht, ant-
wortete Zillmer. Ein selbstverdienter Groschen ist mehr
werth als ein geschenkter Thaler; darum habe ich ihr
auch beistimmen müssen, als sie mir die Gründe sagte,
warum sie dich noch bei sich behalten wollte. Doch,
mein Sohn, Zeit ist Geld; laß uns an die Arbeit ge-
hen, um deine Beete einzurichten! Jch werde dir
heute bei dem Säen beistehen, dann magst du in spä-
tern Tagen Alles selbst besorgen.

Karl eilte nach Hause, holte seine Sämereien und
war schnell wieder da. Jetzt wurde ausgepackt und
gesäet, wobei Zillmer den Lehrer machte; hier Kohl-
rabi, Welsch= und Blumenkohl, da Rothkraut, Ma-
joran und Mangold, dort Kohl, Salat und wie die
Gemüsesorten alle hießen, die im Freien gebaut wer-
den konnten. Nun kamen die Sommerblumen daran.
Auf den Düten, in welchen sich der Same befand,
standen Namen, welche Karl in seinem Leben weder
gelesen noch gehört hatte. Auf Anrathen Zillmer's
schnitt er kleine Bretchen, schrieb den Namen der Blu-
men mit Bleistift auf dieselben und steckte sie da in
die Erde, wo er den Samen gesät hatte. Es dunkelte
schon, als die letzten Körnlein der Erde anvertraut
wurden und Karl rief: „Nun, das walt' Gott!“

Walt' Gott, mein Sohn, walt' Gott! fügte Zill-
mer hinzu. Fange nur Alles mit Gott an, dann wird
er die Werke deiner Hand segnen. Gott hilft, wenn
wir das Unsere thun. Aber Eins noch haben wir zu
besorgen. Weil nämlich noch Nachtfröste kommen, so
wollen wir unsere Saat recht hübsch mit Stroh be-
decken und morgen werde ich dich etwas lehren, wie du
dir die Sache erleichtern kannst.

Karl drückte, als er nach Hause gehen wollte, sei-
nem väterlichen Freunde mit Wärme die Hand und
sprach: „Herr Zillmer! Meine Mutter sagt immer, Sie
wären für uns ein Bote vom lieben Gott. Jch lerne
immer mehr einsehen, was sie damit sagen will. Werde
ich größer, dann — —“

Still, mein Sohn, unterbrach ihn Zillmer, still
davon! Jch danke unserm himmlischen Vater, daß er
mich in den Stand gesetzt hat, für euch ein wenig
mitsorgen zu können; danke du ihm auch, daß er dich
bisher wohl gerathen ließ und bitte ihn, dir auch fer-
ner seinen schützenden Engel zu senden. Gute Nacht,
Karl, grüße deine Mutter und schlaft Beide wohl!“

Ehe es sich der Knabe versah, war sein Wohlthä-
ter über den Hof hinweg nach seinem Hause geeilt.
Karl schloß noch die Gartenthür und ging dann zu
seiner Mutter, um ihr die dankbare Freude über Zill-
mer 's Güte und seine Hoffnungen auf die Zukunft zu
schildern.

Am folgenden Tage nach den Unterrichtsstunden
half Karl in Zillmer's Wirthschaft Einiges mit ver-
richten, dann führte der Schöppe ihn in seine Scheune,
um ihn das Fertigen der Strohdecken zu lehren.
Bindfaden und Stroh war genug vorhanden, daher
konnte die Arbeit sogleich beginnen. Karl begriff die
wenigen Handgriffe bei der Arbeit sehr bald und kam
an dem Tage wirklich mit einer Decke zu Ende. Jn
den Freistunden der folgenden Tage setzte er die Be-
schäftigung fort, sodaß seine Saatbeete bald alle be-
quem mit den auf Stangen liegenden Decken verwahrt
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[Ende Spaltensatz]
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Fange nur Alles mit Gott an, dann wird er die Werke deiner Hand segnen. Gott hilft, wenn wir das Unsere thun. Aber Eins noch haben wir zu besorgen. Weil nämlich noch Nachtfröste kommen, so wollen wir unsere Saat recht hübsch mit Stroh be- decken und morgen werde ich dich etwas lehren, wie du dir die Sache erleichtern kannst. Karl drückte, als er nach Hause gehen wollte, sei- nem väterlichen Freunde mit Wärme die Hand und sprach: „Herr Zillmer! Meine Mutter sagt immer, Sie wären für uns ein Bote vom lieben Gott. Jch lerne immer mehr einsehen, was sie damit sagen will. Werde ich größer, dann — —“ Still, mein Sohn, unterbrach ihn Zillmer, still davon! Jch danke unserm himmlischen Vater, daß er mich in den Stand gesetzt hat, für euch ein wenig mitsorgen zu können; danke du ihm auch, daß er dich bisher wohl gerathen ließ und bitte ihn, dir auch fer- ner seinen schützenden Engel zu senden. Gute Nacht, Karl, grüße deine Mutter und schlaft Beide wohl!“ Ehe es sich der Knabe versah, war sein Wohlthä- ter über den Hof hinweg nach seinem Hause geeilt. Karl schloß noch die Gartenthür und ging dann zu seiner Mutter, um ihr die dankbare Freude über Zill- mer 's Güte und seine Hoffnungen auf die Zukunft zu schildern. Am folgenden Tage nach den Unterrichtsstunden half Karl in Zillmer's Wirthschaft Einiges mit ver- richten, dann führte der Schöppe ihn in seine Scheune, um ihn das Fertigen der Strohdecken zu lehren. Bindfaden und Stroh war genug vorhanden, daher konnte die Arbeit sogleich beginnen. Karl begriff die wenigen Handgriffe bei der Arbeit sehr bald und kam an dem Tage wirklich mit einer Decke zu Ende. Jn den Freistunden der folgenden Tage setzte er die Be- schäftigung fort, sodaß seine Saatbeete bald alle be- quem mit den auf Stangen liegenden Decken verwahrt werden konnten.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

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Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 84. Leipzig (Sachsen), 3. August 1854, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig084_1854/2>, abgerufen am 01.06.2024.