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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854.

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[Beginn Spaltensatz] Groschen ein. Auch wurden von den Blumenpflanzen
einige gepflegt, um für nächstes Jahr sogleich den Sa-
men zu erzielen.

Als der Herbst kam, hatte sich Karl im Verein
mit seiner Mutter nicht blos Kenntniß von den Pflan-
zen und ihrer Abwartung gesammelt, sondern auch
durch Samenstauden schon wieder für die Bedürfnisse
des nächsten Frühlings gesorgt, um sein Geschäft von
neuem zu beginnen. Ein besonderes Vergnügen für
ihn waren die schönen Thaler, welche er durch eigene
Thätigkeit erworben hatte. Er überließ das Geld sei-
ner Mutter und bat sie um die Erlaubniß, zum Weih-
nachtsheiligabend Herrn Zillmer fünf Thaler als Pacht-
geld überbringen zu dürfen, was er denn auch that,
als das Fest erschien. Er hatte sich eine ähnliche List
ausgesonnen, wie sie Zillmer gebrauchte, um ihn und
seine Mutter ins Haus aufzunehmeu. Als nämlich die
Christnacht erschienen war, wurden Frau Wirker und
Karl von Zillmer mit zur Christbescherung eingeladen,
von welcher sie nicht leer ausgingen, da ihr Wohlthä-
ter vorgab, er stehe bei ihnen in Schuld wegen der
über den Garten so gewissenhaft geführten Aufsicht und
den Dank sprach er noch obendrein aus, damit Frau
Wirker ja nicht auf einen Gedanken fallen könne, als
werde sie lästig oder als komme sie tiefer in Schuld
bei Zillmer.

Die Christgeschenke waren sämmtlich vertheilt, da
trat Karl seinem edlen Pfleger näher und begann seine
klug ersonnene Rede also: "Herr Zillmer! Sie haben
mir schon unzählige Wohlthaten erwiesen. Aber doch
komme ich heute, nachdem Sie mich beschenkt haben,
mit einer Bitte um eine große Gefälligkeit. Jch hoffe,
Sie werden mir deshalb nicht zürnen!"

Weshalb die Umwege, Karl? rief Zillmer. Heraus
mit der Sprache! Jch versichere dich, daß ich deine
Bitte erfüllen werde, wenn ich kann; übrigens kenne
ich dich schon, du foderst nichts Unrechtes!

Sie waren so gut, setzte Karl nun fort, mir Beete
aus Jhrem Garten zur Benutzung zu überlassen. Jch
habe dadurch mit meinem Mütterchen einen hübschen
Thaler Geld verdient, wofür wir uns Manches an-
schaffen konnten, was wir im Hause nothwendig brauch-
ten. Fünf blanke Thaler sind nun übriggeblieben --
er hielt sie zwischen den Fingern -- und ich ersuche
Sie, diese fünf Thaler als Pachtgeld für die Beete
und als Entschädigung für den mir gekauften Samen
anzunehmen. Was ich zum nächsten Jahre kaufen
muß, dazu habe ich noch Geld in meiner Sparbüchse!

Zillmer lachte laut auf, strich Karl, indem er das
Geld annahm, die Backen und sprach: "Bist ein ge-
wissenhafter Mensch! Hast aber auch Recht: Ordnung
will sein im Leben, wenn wir bestehen sollen; Waare
gegen Geld und Geld gegen Waare! Es freut mich,
daß du unerinnert deiner Pflicht nachgekommen bist
und nun sollst du auch im nächsten Jahre von mir
doppelt soviel Beete in Pacht bekommen.

Zillmer stellte sich dabei so ganz ernst und strich
mit so großer Sicherheit das Geld ein, daß Mutter
und Sohn wirklich froh waren, die fünf Thaler ihm
angeboten zu haben, da er nach ihrer Ansicht jeden-
falls eine kleine Entschädigung erwartet hatte. Hätten
sie freilich in das Herz ihres Wohlthäters sehen kön-
nen, so würde ihre Meinung sich sofort geändert ha-
ben. Zillmer ging nämlich gleich nach den Feiertagen
in die Stadt und legte die fünf Thaler in der dorti-
gen Sparkasse nieder, wogegen er ein Buch erhielt,
auf welchem mit großen Buchstaben "Karl Wirker"
als Eigenthümer bezeichnet war.

[Spaltenumbruch]

Es kann dem Jungen, dachte Zillmer, zu seiner
Zeit auch etwas nützen, wenn er einige Thaler zu ir-
gend einem Anfange hat und darum mag er immer
im nächsten Jahre wieder Pachtgeld zahlen!

Der kommende Winter wurde bei Karl vorzüglich
zu seiner geistigen Ausbildung und zur Handreichung
in Zillmer's Oekonomie verwendet. Mit dem nächsten
Frühjahre begann Karl sein Pflanzengeschäft auf 10
Beeten in vergrößertem Maßstabe und sein Reinertrag
wurde bedeutender, daher er Herrn Zillmer acht Tha-
ler Pacht zahlen konnte, welche ebenfalls in die Spar-
kasse wanderten. So erweiterte sich der Geschäftskreis
Karl's alljährlich, bis er aus der Schule entlassen
wurde. Ueber 30 Thaler lagen in der Sparkasse.

Zu seinem Confirmationstage wurde Karl von sei-
nem treuen Pfleger mit einem neuen Anzuge beschenkt
und als er mit seiner Mutter in feierlicher Stimmung
aus der Kirche nach Hause kam, überreichte ihm der
vorausgegangene Zillmer unter den väterlichsten Ermah-
nungen das Sparkassenbuch nebst den im Laufe der
Zeit erwachsenen Zinsen als einen Anfang zu seinem
künftigen Berufe.

Heiße Thränen des Dankes flossen in dieser frohen
Stunde; doch die Freude eines treuen Mutterherzens
über ein wohlgerathenes Kind in Stunden heiliger
Weihe läßt sich nicht mit Worten ausdrücken.

Bald nach der Confirmation sprachen Zillmer und
Frau Wirker mit Karl über die Wahl seines künftigen
Berufs. Dieser war schon einig mit sich. Er hatte
bei seinem Wohlthäter die Landwirthschaft schon ziem-
lich genau kennen lernen und hing ihr mit großem Ei-
fer an. Sein Plan war, noch einige Zeit Gärtne-
rei zu treiben, sich etwas zu verdienen und dann ein
kleines Landgütchen zu pachten, um als Ökonom zu
leben. Seine Mutter kannte seinen Plan schon und
sie sowol als auch Zillmer stimmten vollkommen mit
demselben überein.

Jn seinem 15. Jahre benutzte Karl noch Zillmer's
Garten. Darauf aber fand er Gelegenheit, die größere
Hälfte des im Dorfe befindlichen Rittergutsgartens
billig zu erpachten und nun konnte er die Pflanzen-
zucht um desto eifriger und mit größerm Erfolge betreiben.

Karl war endlich 20 Jahre alt geworden. Das
Glück brachte ihm bei der Militärstellung ein Freiloos.
Durch Mühe und Sparsamkeit hatte er sich schon ein
kleines Sümmchen Geld erworben, womit er etwas an-
fangen konnte, aber er wurde durch Zillmer stets zur
Vorsicht angehalten und seine Mutter rief ihm zwar
immer noch zu: "Spute dich!" jedoch sie warnte auch
oft in Hinblick auf mögliche Unglücksfälle: Geh' nur
in der Welt recht vorsichtig zu Werke! Daher kam
es, daß Karl nicht gleich zu neuen Unternehmungen
griff, sondern lieber sein Gärtnergeschäft noch einige
Jahre forttrieb.

Karl hatte schon das 24. Lebensjahr überschritten,
als er sich verheirathete. Von den fünf Töchtern sei-
nes edlen Pflegers Zillmer hatte er die älteste, Johanna
mit Namen, näher kennen gelernt. Sie war ein fleißiges,
geschicktes, [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]seelengutes Mädchen. Zillmer konnte sei-
nen Kindern zwar keinen großen Reichthum mitgeben,
aber sie war trefflich erzogen, zu jeder Art Arbeit an-
gehalten und darum bei allen guten Nachbarn des
Dorfs wohlgelitten. Dies erkennend, wünschte sich
Karl kein anderes Mädchen zur Frau als die achtbare
Johanna.

Zillmer gab ihm seine Tochter sehr gern, denn er
wußte, daß sie keinen bessern Mann bekommen konnte
als Karl.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Groschen ein. Auch wurden von den Blumenpflanzen
einige gepflegt, um für nächstes Jahr sogleich den Sa-
men zu erzielen.

Als der Herbst kam, hatte sich Karl im Verein
mit seiner Mutter nicht blos Kenntniß von den Pflan-
zen und ihrer Abwartung gesammelt, sondern auch
durch Samenstauden schon wieder für die Bedürfnisse
des nächsten Frühlings gesorgt, um sein Geschäft von
neuem zu beginnen. Ein besonderes Vergnügen für
ihn waren die schönen Thaler, welche er durch eigene
Thätigkeit erworben hatte. Er überließ das Geld sei-
ner Mutter und bat sie um die Erlaubniß, zum Weih-
nachtsheiligabend Herrn Zillmer fünf Thaler als Pacht-
geld überbringen zu dürfen, was er denn auch that,
als das Fest erschien. Er hatte sich eine ähnliche List
ausgesonnen, wie sie Zillmer gebrauchte, um ihn und
seine Mutter ins Haus aufzunehmeu. Als nämlich die
Christnacht erschienen war, wurden Frau Wirker und
Karl von Zillmer mit zur Christbescherung eingeladen,
von welcher sie nicht leer ausgingen, da ihr Wohlthä-
ter vorgab, er stehe bei ihnen in Schuld wegen der
über den Garten so gewissenhaft geführten Aufsicht und
den Dank sprach er noch obendrein aus, damit Frau
Wirker ja nicht auf einen Gedanken fallen könne, als
werde sie lästig oder als komme sie tiefer in Schuld
bei Zillmer.

Die Christgeschenke waren sämmtlich vertheilt, da
trat Karl seinem edlen Pfleger näher und begann seine
klug ersonnene Rede also: „Herr Zillmer! Sie haben
mir schon unzählige Wohlthaten erwiesen. Aber doch
komme ich heute, nachdem Sie mich beschenkt haben,
mit einer Bitte um eine große Gefälligkeit. Jch hoffe,
Sie werden mir deshalb nicht zürnen!“

Weshalb die Umwege, Karl? rief Zillmer. Heraus
mit der Sprache! Jch versichere dich, daß ich deine
Bitte erfüllen werde, wenn ich kann; übrigens kenne
ich dich schon, du foderst nichts Unrechtes!

Sie waren so gut, setzte Karl nun fort, mir Beete
aus Jhrem Garten zur Benutzung zu überlassen. Jch
habe dadurch mit meinem Mütterchen einen hübschen
Thaler Geld verdient, wofür wir uns Manches an-
schaffen konnten, was wir im Hause nothwendig brauch-
ten. Fünf blanke Thaler sind nun übriggeblieben —
er hielt sie zwischen den Fingern — und ich ersuche
Sie, diese fünf Thaler als Pachtgeld für die Beete
und als Entschädigung für den mir gekauften Samen
anzunehmen. Was ich zum nächsten Jahre kaufen
muß, dazu habe ich noch Geld in meiner Sparbüchse!

Zillmer lachte laut auf, strich Karl, indem er das
Geld annahm, die Backen und sprach: „Bist ein ge-
wissenhafter Mensch! Hast aber auch Recht: Ordnung
will sein im Leben, wenn wir bestehen sollen; Waare
gegen Geld und Geld gegen Waare! Es freut mich,
daß du unerinnert deiner Pflicht nachgekommen bist
und nun sollst du auch im nächsten Jahre von mir
doppelt soviel Beete in Pacht bekommen.

Zillmer stellte sich dabei so ganz ernst und strich
mit so großer Sicherheit das Geld ein, daß Mutter
und Sohn wirklich froh waren, die fünf Thaler ihm
angeboten zu haben, da er nach ihrer Ansicht jeden-
falls eine kleine Entschädigung erwartet hatte. Hätten
sie freilich in das Herz ihres Wohlthäters sehen kön-
nen, so würde ihre Meinung sich sofort geändert ha-
ben. Zillmer ging nämlich gleich nach den Feiertagen
in die Stadt und legte die fünf Thaler in der dorti-
gen Sparkasse nieder, wogegen er ein Buch erhielt,
auf welchem mit großen Buchstaben „Karl Wirker“
als Eigenthümer bezeichnet war.

[Spaltenumbruch]

Es kann dem Jungen, dachte Zillmer, zu seiner
Zeit auch etwas nützen, wenn er einige Thaler zu ir-
gend einem Anfange hat und darum mag er immer
im nächsten Jahre wieder Pachtgeld zahlen!

Der kommende Winter wurde bei Karl vorzüglich
zu seiner geistigen Ausbildung und zur Handreichung
in Zillmer's Oekonomie verwendet. Mit dem nächsten
Frühjahre begann Karl sein Pflanzengeschäft auf 10
Beeten in vergrößertem Maßstabe und sein Reinertrag
wurde bedeutender, daher er Herrn Zillmer acht Tha-
ler Pacht zahlen konnte, welche ebenfalls in die Spar-
kasse wanderten. So erweiterte sich der Geschäftskreis
Karl's alljährlich, bis er aus der Schule entlassen
wurde. Ueber 30 Thaler lagen in der Sparkasse.

Zu seinem Confirmationstage wurde Karl von sei-
nem treuen Pfleger mit einem neuen Anzuge beschenkt
und als er mit seiner Mutter in feierlicher Stimmung
aus der Kirche nach Hause kam, überreichte ihm der
vorausgegangene Zillmer unter den väterlichsten Ermah-
nungen das Sparkassenbuch nebst den im Laufe der
Zeit erwachsenen Zinsen als einen Anfang zu seinem
künftigen Berufe.

Heiße Thränen des Dankes flossen in dieser frohen
Stunde; doch die Freude eines treuen Mutterherzens
über ein wohlgerathenes Kind in Stunden heiliger
Weihe läßt sich nicht mit Worten ausdrücken.

Bald nach der Confirmation sprachen Zillmer und
Frau Wirker mit Karl über die Wahl seines künftigen
Berufs. Dieser war schon einig mit sich. Er hatte
bei seinem Wohlthäter die Landwirthschaft schon ziem-
lich genau kennen lernen und hing ihr mit großem Ei-
fer an. Sein Plan war, noch einige Zeit Gärtne-
rei zu treiben, sich etwas zu verdienen und dann ein
kleines Landgütchen zu pachten, um als Ökonom zu
leben. Seine Mutter kannte seinen Plan schon und
sie sowol als auch Zillmer stimmten vollkommen mit
demselben überein.

Jn seinem 15. Jahre benutzte Karl noch Zillmer's
Garten. Darauf aber fand er Gelegenheit, die größere
Hälfte des im Dorfe befindlichen Rittergutsgartens
billig zu erpachten und nun konnte er die Pflanzen-
zucht um desto eifriger und mit größerm Erfolge betreiben.

Karl war endlich 20 Jahre alt geworden. Das
Glück brachte ihm bei der Militärstellung ein Freiloos.
Durch Mühe und Sparsamkeit hatte er sich schon ein
kleines Sümmchen Geld erworben, womit er etwas an-
fangen konnte, aber er wurde durch Zillmer stets zur
Vorsicht angehalten und seine Mutter rief ihm zwar
immer noch zu: „Spute dich!“ jedoch sie warnte auch
oft in Hinblick auf mögliche Unglücksfälle: Geh' nur
in der Welt recht vorsichtig zu Werke! Daher kam
es, daß Karl nicht gleich zu neuen Unternehmungen
griff, sondern lieber sein Gärtnergeschäft noch einige
Jahre forttrieb.

Karl hatte schon das 24. Lebensjahr überschritten,
als er sich verheirathete. Von den fünf Töchtern sei-
nes edlen Pflegers Zillmer hatte er die älteste, Johanna
mit Namen, näher kennen gelernt. Sie war ein fleißiges,
geschicktes, [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]seelengutes Mädchen. Zillmer konnte sei-
nen Kindern zwar keinen großen Reichthum mitgeben,
aber sie war trefflich erzogen, zu jeder Art Arbeit an-
gehalten und darum bei allen guten Nachbarn des
Dorfs wohlgelitten. Dies erkennend, wünschte sich
Karl kein anderes Mädchen zur Frau als die achtbare
Johanna.

Zillmer gab ihm seine Tochter sehr gern, denn er
wußte, daß sie keinen bessern Mann bekommen konnte
als Karl.

[Ende Spaltensatz]
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Bald nach der Confirmation sprachen Zillmer und Frau Wirker mit Karl über die Wahl seines künftigen Berufs. Dieser war schon einig mit sich. Er hatte bei seinem Wohlthäter die Landwirthschaft schon ziem- lich genau kennen lernen und hing ihr mit großem Ei- fer an. Sein Plan war, noch einige Zeit Gärtne- rei zu treiben, sich etwas zu verdienen und dann ein kleines Landgütchen zu pachten, um als Ökonom zu leben. Seine Mutter kannte seinen Plan schon und sie sowol als auch Zillmer stimmten vollkommen mit demselben überein. Jn seinem 15. Jahre benutzte Karl noch Zillmer's Garten. Darauf aber fand er Gelegenheit, die größere Hälfte des im Dorfe befindlichen Rittergutsgartens billig zu erpachten und nun konnte er die Pflanzen- zucht um desto eifriger und mit größerm Erfolge betreiben. Karl war endlich 20 Jahre alt geworden. Das Glück brachte ihm bei der Militärstellung ein Freiloos. 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Dies erkennend, wünschte sich Karl kein anderes Mädchen zur Frau als die achtbare Johanna. Zillmer gab ihm seine Tochter sehr gern, denn er wußte, daß sie keinen bessern Mann bekommen konnte als Karl.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 85. Leipzig (Sachsen), 10. August 1854, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig085_1854/2>, abgerufen am 14.06.2024.