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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 86. Leipzig (Sachsen), 17. August.

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[Beginn Spaltensatz] gut -- haltet Frieden untereinander, -- ich fühl's --
der Todesengel sputet sich, -- euch Allen mein Segen
-- mein Dank -- meine Liebe! -- Wir seh'n -- uns
wieder! -- Habt -- gute Nacht! -- Dank, Segen
-- Lebt wohl!"

Bei den letzten Worten sank das müde Haupt der
Frau Wirker in das Kissen zurück. Sie war verschie-
den, sanft, wie sie im Leben war. Karl drückte ihr
die Augen zu.

Selten sind so herbe, so bittere Thränen der Weh-
muth geweint worden, als am Sterbebette und Grabe
der ehrenwerthen Frau Wirker von ihren Kindern ver-
gossen wurden. Es dauerte lange, ehe man sich an
ihre Abwesenheit gewöhnte, denn sie bildete ein eng-
knüpfendes Band in ihrer Familie.

Aber die Zeit lindert Alles und mit ihrem Ver-
laufe nahm auch aufs neue die Heiterkeit unter den
Nachgelassenen wieder Platz. Jn Karl's Hause blieb
die Liebe und der Friede heimisch und allgewaltig re-
gierte fortan der Zuruf: "Spute dich!"

Das Grab der Frau Wirker wurde von Karl und
den Seinen im schönsten Blumenschmucke erhalten, um
das Andenken der frommen, seligen Mutter zu ehren
und kein Sonntag verging, an welchem nicht Karl oder
Johanna mit ihren Kindern einige Minuten auf dem
Friedhofe verweilten.

Mit jedem Jahre, das verlief, hatte Karl die
Freude, einen Theil seiner Schulden abstoßen zu kön-
nen. Als er im 40. Lebensjahre stand, besaß er sein
Gut frei und konnte schon einige Capitalien ausleihen,
die er sich durch Sparsamkeit und Fleiß erworben
hatte. Sein Besitzthum war ihm lieb geworden. Mehre
Grundstücke kaufte er nach und nach noch an und
einige male schon boten ihm Liebhaber für sein Gut
fast das Doppelte der Summe, welche er einst beim
Ankaufe gezahlt hatte.

Karl wies stets die Kaufsanerbietungen zurück,
denn er wollte auf der Scholle bleiben, auf welcher
ihn Gott so reich gesegnet hatte.

Wieder drei Jahre gingen ins Land. Karl hatte
neben seiner Landwirthschaft sich auch mit Getreide-
handel abgegeben und war darum nicht nur mit den
Bauern seiner Umgegend persönlich genau bekannt, son-
dern er hatte auch in einem weitern Umkreise eine
recht leidliche Kenntniß von den guten und schlechten
Gütern. Nun kannte er auch in einem entferntliegen-
den Gebirgsdorfe, wo er oft Hafer kaufte, einen höchst
liederlichen Bauer, der allgemein "der Pole" genannt
wurde, weil es bei ihm wirklich recht polnisch herging.
Seine Felder und Wiesen waren im höchsten Grade
vernachlässigt und die Waldungen befanden sich in dem
erbärmlichsten Zustande. Viele Grundstücke hatte "der
Pole" versumpfen lassen; manche Ernten kamen auf
dem Felde um und mit dem Viehbestande, der nach
Verhältniß des Grundbesitzes ein doppelter sein konnte,
sah es traurig aus.

Gerade diese polnische Wirthschaft interessirte den
speculativen Karl außerordentlich. So oft er in das
Gebirgsdorf kam, so oft erkundigte er sich auch nach
dem Polen; zuletzt machte er sich selbst mit diesem ge-
nauer bekannt und ließ sich von ihm alle seine Äcker,
Wiesen und Waldungen zeigen, wobei der liederliche
Bauer ohne Umstände mittheilte, daß er kein Glück in
der Wirthschaft habe und dieselbe seit 30 Jahren fürch-
terlich heruntergekommen sei, er aber nicht dafürkönne.
Wie alle Sünder sich zu entschuldigen suchen, so schob
auch der "Pole" seine nach und nach eingetretene Ver-
armung nicht auf seine Faulheit, Nachlässigkeit und
[Spaltenumbruch] Unwissenheit, sondern auf das Unglück, das ihn ver-
folge, und auf Knechte und Mägde, die nie ihre
Sache gemacht hätten.

Karl wußte lange, woran es gefehlt haben mochte:
der Pole hatte sich nicht gesputet. Derselbe saß aber
so tief in Schulden, daß für ihn keine Rettung mehr
möglich war. Verschiedene Bauern sprachen schon ganz
offen davon, daß des Polen Gut nächstens verkauft
werden müsse, aber in seinem Zustande durchaus nicht
zum Gesammtankaufe passe, da jeder Bauer sich auf
demselben ruiniren werde.

Wie man vermuthet hatte, so geschah es nach einem
halben Jahre. Des Polen Besitzung wurde zur öffent-
lichen Versteigerung angeschlagen. So mancher Bauer
war zum Auctionstermine erschienen, doch mehr aus
Neugierde als aus Kauflust. Auch Karl Wirker fand
sich zur angesetzten Stunde ein.

Die Auction begann. Mit den Aufgeboten ging
es sehr langsam; man hatte kaum die Hälfte der
Summe erreicht, welche früher für das Gut bezahlt
wurde. Karl schwieg so lange, bis es zum letzten Ge-
bote kam. Als aber Niemand mehr bieten wollte und
der Gerichtsdirector mit den Worten: "Zum Dritten
und....." den Hammer hob, um zuzuschlagen, da
kam aus dem Winkel der Stube noch eine Stimme,
welche rief: "Noch zehn Thaler!"

Karl war es, welcher noch einmal bot. Seine
Stimme war bei dem Termine das erste mal gehört
worden. Alle Bauern drehten sich nach ihm um, glotz-
ten ihn mit großen Augen an und glaubten kaum,
daß dieser Fremdling die Jdee haben konnte, das lie-
derliche Gut, wie sie es nannten, anzukaufen. Jndem
die Bauern sich noch mit Karl, den Einige nur zu-
weilen als Getreidemäkler gesehen hatten, beschäftig-
ten, vergaßen sie, der Auction ihre Aufmerksamkeit zu
schenken und ehe sie es sich versahen, fiel mit den
Worten: "3560 Thaler -- zum Dritten und -- Letz-
ten!" der Hammer des Gerichtsdirectors.

Wer hat's? Wer hat's? fragte man nun, wie er-
schrocken, von allen Seiten.

Der Mäkler hier! Der Fremde! sprach ein Bauer
halblaut zu dem andern.

Wird's auch weit bringen auf dem Polengute!
sprach der Erbrichter und fügte hinzu: "'s war hoch
genug mit 3000 Thalern bezahlt! Schlechte Felder,
schlechte Wiesen, ausgeholzte Wälder, dürres Vieh und
kein Körnlein auf dem Boden, kein ganzer Strick in
der Wirthschaft; ich möchte das Gut nicht haben!"

Jn ähnlicher Weise sprachen sich auch andere
Bauern aus. Karl merkte dies recht wohl, that aber
nicht, als wenn er ihre Worte und Mienen verstände.
Er blieb in der Nähe des Gerichtsdirectors, um abzu-
warten, bis dieser das Auctionsprotokoll ihm zur Un-
terschrift vorlegen werde. Dies geschah. Karl unter-
schrieb, versprach in kurzer Zeit Zahlung, hoffte mit
einigen Hunderten Hypothekschulden seinen neuen Besitz
belasten zu können und eilte nach Hause, wo er seiner
Johanna und dem alten Schwiegervater über Alles
nähere Auskunft brachte. Der alte Zillmer wußte
schon vorher von Karl's Absicht und war mit derselben
vollkommen einverstanden.

Das bisher besessene Gütchen brauchte Karl gar
nicht zum Verkauf auszubieten, denn kaum war be-
kannt geworden, daß er wegziehen wolle, so erschienen
Käufer in Menge, um sehr annehmbare Gebote zu
thun. Selbst Nachbarn aus dem Dorfe waren unter
ihnen, die den Glauben hatten, es ruhe auf dem klei-
nen Gute ein besonderer Segen, durch welchen Karl
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] gut — haltet Frieden untereinander, — ich fühl's —
der Todesengel sputet sich, — euch Allen mein Segen
— mein Dank — meine Liebe! — Wir seh'n — uns
wieder! — Habt — gute Nacht! — Dank, Segen
— Lebt wohl!“

Bei den letzten Worten sank das müde Haupt der
Frau Wirker in das Kissen zurück. Sie war verschie-
den, sanft, wie sie im Leben war. Karl drückte ihr
die Augen zu.

Selten sind so herbe, so bittere Thränen der Weh-
muth geweint worden, als am Sterbebette und Grabe
der ehrenwerthen Frau Wirker von ihren Kindern ver-
gossen wurden. Es dauerte lange, ehe man sich an
ihre Abwesenheit gewöhnte, denn sie bildete ein eng-
knüpfendes Band in ihrer Familie.

Aber die Zeit lindert Alles und mit ihrem Ver-
laufe nahm auch aufs neue die Heiterkeit unter den
Nachgelassenen wieder Platz. Jn Karl's Hause blieb
die Liebe und der Friede heimisch und allgewaltig re-
gierte fortan der Zuruf: „Spute dich!“

Das Grab der Frau Wirker wurde von Karl und
den Seinen im schönsten Blumenschmucke erhalten, um
das Andenken der frommen, seligen Mutter zu ehren
und kein Sonntag verging, an welchem nicht Karl oder
Johanna mit ihren Kindern einige Minuten auf dem
Friedhofe verweilten.

Mit jedem Jahre, das verlief, hatte Karl die
Freude, einen Theil seiner Schulden abstoßen zu kön-
nen. Als er im 40. Lebensjahre stand, besaß er sein
Gut frei und konnte schon einige Capitalien ausleihen,
die er sich durch Sparsamkeit und Fleiß erworben
hatte. Sein Besitzthum war ihm lieb geworden. Mehre
Grundstücke kaufte er nach und nach noch an und
einige male schon boten ihm Liebhaber für sein Gut
fast das Doppelte der Summe, welche er einst beim
Ankaufe gezahlt hatte.

Karl wies stets die Kaufsanerbietungen zurück,
denn er wollte auf der Scholle bleiben, auf welcher
ihn Gott so reich gesegnet hatte.

Wieder drei Jahre gingen ins Land. Karl hatte
neben seiner Landwirthschaft sich auch mit Getreide-
handel abgegeben und war darum nicht nur mit den
Bauern seiner Umgegend persönlich genau bekannt, son-
dern er hatte auch in einem weitern Umkreise eine
recht leidliche Kenntniß von den guten und schlechten
Gütern. Nun kannte er auch in einem entferntliegen-
den Gebirgsdorfe, wo er oft Hafer kaufte, einen höchst
liederlichen Bauer, der allgemein „der Pole“ genannt
wurde, weil es bei ihm wirklich recht polnisch herging.
Seine Felder und Wiesen waren im höchsten Grade
vernachlässigt und die Waldungen befanden sich in dem
erbärmlichsten Zustande. Viele Grundstücke hatte „der
Pole“ versumpfen lassen; manche Ernten kamen auf
dem Felde um und mit dem Viehbestande, der nach
Verhältniß des Grundbesitzes ein doppelter sein konnte,
sah es traurig aus.

Gerade diese polnische Wirthschaft interessirte den
speculativen Karl außerordentlich. So oft er in das
Gebirgsdorf kam, so oft erkundigte er sich auch nach
dem Polen; zuletzt machte er sich selbst mit diesem ge-
nauer bekannt und ließ sich von ihm alle seine Äcker,
Wiesen und Waldungen zeigen, wobei der liederliche
Bauer ohne Umstände mittheilte, daß er kein Glück in
der Wirthschaft habe und dieselbe seit 30 Jahren fürch-
terlich heruntergekommen sei, er aber nicht dafürkönne.
Wie alle Sünder sich zu entschuldigen suchen, so schob
auch der „Pole“ seine nach und nach eingetretene Ver-
armung nicht auf seine Faulheit, Nachlässigkeit und
[Spaltenumbruch] Unwissenheit, sondern auf das Unglück, das ihn ver-
folge, und auf Knechte und Mägde, die nie ihre
Sache gemacht hätten.

Karl wußte lange, woran es gefehlt haben mochte:
der Pole hatte sich nicht gesputet. Derselbe saß aber
so tief in Schulden, daß für ihn keine Rettung mehr
möglich war. Verschiedene Bauern sprachen schon ganz
offen davon, daß des Polen Gut nächstens verkauft
werden müsse, aber in seinem Zustande durchaus nicht
zum Gesammtankaufe passe, da jeder Bauer sich auf
demselben ruiniren werde.

Wie man vermuthet hatte, so geschah es nach einem
halben Jahre. Des Polen Besitzung wurde zur öffent-
lichen Versteigerung angeschlagen. So mancher Bauer
war zum Auctionstermine erschienen, doch mehr aus
Neugierde als aus Kauflust. Auch Karl Wirker fand
sich zur angesetzten Stunde ein.

Die Auction begann. Mit den Aufgeboten ging
es sehr langsam; man hatte kaum die Hälfte der
Summe erreicht, welche früher für das Gut bezahlt
wurde. Karl schwieg so lange, bis es zum letzten Ge-
bote kam. Als aber Niemand mehr bieten wollte und
der Gerichtsdirector mit den Worten: „Zum Dritten
und.....“ den Hammer hob, um zuzuschlagen, da
kam aus dem Winkel der Stube noch eine Stimme,
welche rief: „Noch zehn Thaler!“

Karl war es, welcher noch einmal bot. Seine
Stimme war bei dem Termine das erste mal gehört
worden. Alle Bauern drehten sich nach ihm um, glotz-
ten ihn mit großen Augen an und glaubten kaum,
daß dieser Fremdling die Jdee haben konnte, das lie-
derliche Gut, wie sie es nannten, anzukaufen. Jndem
die Bauern sich noch mit Karl, den Einige nur zu-
weilen als Getreidemäkler gesehen hatten, beschäftig-
ten, vergaßen sie, der Auction ihre Aufmerksamkeit zu
schenken und ehe sie es sich versahen, fiel mit den
Worten: „3560 Thaler — zum Dritten und — Letz-
ten!“ der Hammer des Gerichtsdirectors.

Wer hat's? Wer hat's? fragte man nun, wie er-
schrocken, von allen Seiten.

Der Mäkler hier! Der Fremde! sprach ein Bauer
halblaut zu dem andern.

Wird's auch weit bringen auf dem Polengute!
sprach der Erbrichter und fügte hinzu: „'s war hoch
genug mit 3000 Thalern bezahlt! Schlechte Felder,
schlechte Wiesen, ausgeholzte Wälder, dürres Vieh und
kein Körnlein auf dem Boden, kein ganzer Strick in
der Wirthschaft; ich möchte das Gut nicht haben!“

Jn ähnlicher Weise sprachen sich auch andere
Bauern aus. Karl merkte dies recht wohl, that aber
nicht, als wenn er ihre Worte und Mienen verstände.
Er blieb in der Nähe des Gerichtsdirectors, um abzu-
warten, bis dieser das Auctionsprotokoll ihm zur Un-
terschrift vorlegen werde. Dies geschah. Karl unter-
schrieb, versprach in kurzer Zeit Zahlung, hoffte mit
einigen Hunderten Hypothekschulden seinen neuen Besitz
belasten zu können und eilte nach Hause, wo er seiner
Johanna und dem alten Schwiegervater über Alles
nähere Auskunft brachte. Der alte Zillmer wußte
schon vorher von Karl's Absicht und war mit derselben
vollkommen einverstanden.

Das bisher besessene Gütchen brauchte Karl gar
nicht zum Verkauf auszubieten, denn kaum war be-
kannt geworden, daß er wegziehen wolle, so erschienen
Käufer in Menge, um sehr annehmbare Gebote zu
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[Ende Spaltensatz]

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Schlechte Felder, schlechte Wiesen, ausgeholzte Wälder, dürres Vieh und kein Körnlein auf dem Boden, kein ganzer Strick in der Wirthschaft; ich möchte das Gut nicht haben!“ Jn ähnlicher Weise sprachen sich auch andere Bauern aus. Karl merkte dies recht wohl, that aber nicht, als wenn er ihre Worte und Mienen verstände. Er blieb in der Nähe des Gerichtsdirectors, um abzu- warten, bis dieser das Auctionsprotokoll ihm zur Un- terschrift vorlegen werde. Dies geschah. Karl unter- schrieb, versprach in kurzer Zeit Zahlung, hoffte mit einigen Hunderten Hypothekschulden seinen neuen Besitz belasten zu können und eilte nach Hause, wo er seiner Johanna und dem alten Schwiegervater über Alles nähere Auskunft brachte. Der alte Zillmer wußte schon vorher von Karl's Absicht und war mit derselben vollkommen einverstanden. Das bisher besessene Gütchen brauchte Karl gar nicht zum Verkauf auszubieten, denn kaum war be- kannt geworden, daß er wegziehen wolle, so erschienen Käufer in Menge, um sehr annehmbare Gebote zu thun. Selbst Nachbarn aus dem Dorfe waren unter ihnen, die den Glauben hatten, es ruhe auf dem klei- nen Gute ein besonderer Segen, durch welchen Karl

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 86. Leipzig (Sachsen), 17. August, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig086_1854/3>, abgerufen am 15.06.2024.