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Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854.

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[Beginn Spaltensatz] bleichen Gesicht desselben den Ausgang der Loosung.
Eiligst suchte er nun den Vorsitzenden auf und hatte
die Freude, seine Bitte, an Stelle des soeben ausge-
loosten Freundes eintreten zu dürfen, von dem freund-
lichen Manne gewährt zu sehen. Joseph wurde geru-
fen, empfing seinen Freischein und Albert's Name
ward in die Rekrutenliste eingetragen. Jnnig bewegt
schieden die Beiden voneinander, nachdem Joseph sich
vergeblich bemüht hatte, den wackern Albert noch in
den letzten Augenblicken von seinem hochherzigen Ent-
schlusse abzubringen.

Auf Käthchen's Herz machte die Botschaft des
heimkehrenden Joseph, daß Albert für ihn eingetreten
sei, einen unerwarteten Eindruck. Sie weinte viel und
mit täglich mehr und mehr wachsender Kälte behan-
delte sie fortan ihren Bräutigam. Dieser, ohnehin
leicht zur Eifersucht geneigt, mußte natürlich glauben,
daß Käthchen sich im Stillen noch immer Hoffnung
auf den Besitz Albert's gemacht habe und überschüt-
tete daher das Mädchen eines Tages mit den bitter-
sten Vorwürfen über ihr Benehmen. Dadurch aber
wurde die Sache nur noch schlimmer, denn nunmehr
hielt Käthchen nicht länger mit der Aeußerung ihres
Wunsches zurück, das bräutliche Verhältniß zwischen
ihnen Beiden gelöst zu sehen, und nach mehren frucht-
los gebliebenen Versuchen, die Hocherzürnte wieder zu
versöhnen, gab Joseph endlich die Hoffnung auf ihren
Besitz auf und meldete sich, schnell entschlossen, zum
freiwilligen Eintritt in die Armee.

Albert hatte sich inzwischen sowol durch seine stau-
nenswerthe Fertigkeit im Schießen als auch durch seine
Gewandtheit in allen körperlichen Übungen, im Exer-
ciren, Klettern und Springen die Zufriedenheit seiner
Vorgesetzten in hohem Grade erworben und sollte bin-
nen kurzem, vollkommen dienstfähig, zu dem großen
Heere mit abgehen, welches Kaiser Franz in Böhmen
zusammenzog. Da erbat er sich zuvor noch einen Tag
Urlaub und trat als stattlicher Jäger vor Käthchen,
die ganz in Entzücken über ihn gerieth. Joseph war
nicht mehr anwesend in Lobenhain und er hätte um
so leichteres Spiel gehabt, da Käthchen mit Jenem
doch förmlich gebrochen hatte. Bei seiner edeln Den-
kungsart war er aber nur um so zurückhaltender ge-
gen das Mädchen, ja er ließ es sich aufs eifrigste an-
gelegen sein, sie mit dem entfernten Freunde wieder
zu versöhnen. Es währte lange, ehe Käthchen Ver-
zeihung zusagte; er aber versprach ihr dagegen, wenn
Gott nicht anders über ihn beschlossen haben sollte,
einst wiederzukehren und sie als Brautführer zum Al-
tare zu geleiten. Dann nahm er Abschied von den
Freundinnen und trat am nächsten Morgen seinen
Marsch zum Bataillon an, das nur wenige Stunden
entfernt stand.

Als einer der tüchtigsten und zuverlässigsten Sol-
daten bekannt, ward Albert sogleich auf einen wichti-
gen Vorposten geschickt, und in dem lebhaften Tirail-
leurgefecht, welches noch an demselben Tage zwischen
den östreichischen und den feindlichen Vorpostenketten
entstand, zeichnete er sich unter den Augen des Feld-
marschalls Fürsten von Schwarzenberg so ehrenvoll
aus, daß dieser ihm gleich auf dem Schlachtfelde das
Theresienkreuz umhing und ihn in seinem Rapport
dringend zum Avancement empfahl. Diese seltene
Auszeichnung steigerte den Muth des Braven bis zur
Begeisterung und sein sehnlichster Wunsch war eine
Schlacht, zu der es denn auch nicht lange nachher
wirklich kommen sollte.

Der Morgen des 30. August, des unvergeßlichen
[Spaltenumbruch] Tages der Schlacht bei Kulm, brach an und zum er-
sten male nach langer Regenzeit, die alle Operationen
bisher erschwert hatte, lächelte die Sonne freundlich
auf das verbündete Heer nieder, dessen Kriegsglück mit
ihr zugleich wieder erwachen zu wollen schien. Schon
kündete dumpfer Kanonendonner den siegreichen An-
griff des v. Kleist'schen Corps jenseits Nollendorf an,
als die gesammte Armee im Sturmschritt gegen die
französische Linie vorrückte. Graf Colloredo, zu dessen
Truppen auch die leichte Brigade "Graf Erbach" ge-
hörte, bei welcher Albert stand, erhielt den Befehl,
den linken Flügel des Feindes zu umgehen, und unter
dem heftigsten Tirailleurfeuer entledigte sich der be-
währte General auf das ruhmvollste dieses schwierigen
Auftrags. Nun aber galt es, eine feindliche Redoute
wegzunehmen, die von den steilen Höhen bei Neudorf
herab das weite Schlachtfeld beherrschte. Schon wa-
ren die Tapfern glücklich bis zum Fuße der Anhöhe
vorgedrungen, allein sie selbst zu erklimmen erschien bei
dem wirksamen Feuer des Feindes auf diesem Punkte
im ersten Augenblicke als ein Ding der Unmöglichkeit.
Da hieß es, wie immer bei solchen Gelegenheiten im
östreichischen Heere: "Freiwillige vor!" und -- un-
ser Albert war der Erste, welcher heraustrat. Bald
sammelte sich ein Häuflein kühner Wagehälse um
ihn, welche Alle dem gewissen Tode entgegenzugehen
schienen.

Vorwärts! tönte der Ruf des Führers, und gleich
den Gemsen kletterten die Verwegenen empor. Albert
war immer voran und feuerte die Andern zur Nach-
eiferung an, von denen gar Mancher, den tödtlichen
Kugeln des Feindes erliegend, wieder hinabstürzte in
die grausige Tiefe. Von Felsenwand zu Felsenwand
emporklimmend, erreichten die Überlebenden, den ge-
zogenen Hirschfänger in der Hand und mit überge-
hängter Büchse endlich ihr Ziel und trieben den über-
raschten Feind, der solcher Kühnheit gegenüber nicht
Stand zu halten vermochte und eiligst seine Verschan-
zungen verließ, vor sich her. Da erhielten die Flie-
henden plötzlich von der andern Seite her unerwarte-
ten Succurs, indem eine Abtheilung französischer Rei-
ter ihnen entgegensprengte und die Feiglinge zum Ste-
hen brachte. Dann aber stürzten sie mit verhängtem
Zügel auf Albert und seine todesmuthigen Kameraden
zu und diese, im Eifer der Verfolgung die drohende
Gefahr zu spät erkennend, erlagen nur zu bald den
wüthenden Streichen der racheschnaubenden Dragoner.
Auch Albert befand sich, schwer verwundet, unter den
Gefallenen. Zwei Säbel blitzten über ihm, er em-
pfand eine dumpfe Erschütterung im Kopfe, sank mit
umdüsterten Blicken zu Boden und verlor das Be-
wußtsein.

Ziemlich spät am Nachmittage erwachte er erst wie-
der aus seinem Todesschlummer und erblickte sich un-
ter den Händen eines Wundarztes, der durch den The-
resienorden an seiner Brust auf ihn aufmerksam ge-
worden war und sorgfältig seine Wunde untersuchte.
Mit schwacher Stimme bat er um einen Trunk Wasser
und hielt dann standhaft den Verband aus, der äu-
ßerst schmerzhaft war, da Haare und Blut sich in der
Wunde miteinander verklebt hatten und erst gelöst wer-
den mußten. Endlich war die Operation vollbracht,
der Kreuzverband angelegt und -- Albert abermals
seinem Schicksale überlassen.

Da begannen Fieberschauer den Unglücklichen zu
durchschüttern und wunderbare Phantasien und Träume
stiegen vor seiner Seele auf. Jetzt erinnerte er sich
auch wie im Traume, was er Käthchen beim Schei-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] bleichen Gesicht desselben den Ausgang der Loosung.
Eiligst suchte er nun den Vorsitzenden auf und hatte
die Freude, seine Bitte, an Stelle des soeben ausge-
loosten Freundes eintreten zu dürfen, von dem freund-
lichen Manne gewährt zu sehen. Joseph wurde geru-
fen, empfing seinen Freischein und Albert's Name
ward in die Rekrutenliste eingetragen. Jnnig bewegt
schieden die Beiden voneinander, nachdem Joseph sich
vergeblich bemüht hatte, den wackern Albert noch in
den letzten Augenblicken von seinem hochherzigen Ent-
schlusse abzubringen.

Auf Käthchen's Herz machte die Botschaft des
heimkehrenden Joseph, daß Albert für ihn eingetreten
sei, einen unerwarteten Eindruck. Sie weinte viel und
mit täglich mehr und mehr wachsender Kälte behan-
delte sie fortan ihren Bräutigam. Dieser, ohnehin
leicht zur Eifersucht geneigt, mußte natürlich glauben,
daß Käthchen sich im Stillen noch immer Hoffnung
auf den Besitz Albert's gemacht habe und überschüt-
tete daher das Mädchen eines Tages mit den bitter-
sten Vorwürfen über ihr Benehmen. Dadurch aber
wurde die Sache nur noch schlimmer, denn nunmehr
hielt Käthchen nicht länger mit der Aeußerung ihres
Wunsches zurück, das bräutliche Verhältniß zwischen
ihnen Beiden gelöst zu sehen, und nach mehren frucht-
los gebliebenen Versuchen, die Hocherzürnte wieder zu
versöhnen, gab Joseph endlich die Hoffnung auf ihren
Besitz auf und meldete sich, schnell entschlossen, zum
freiwilligen Eintritt in die Armee.

Albert hatte sich inzwischen sowol durch seine stau-
nenswerthe Fertigkeit im Schießen als auch durch seine
Gewandtheit in allen körperlichen Übungen, im Exer-
ciren, Klettern und Springen die Zufriedenheit seiner
Vorgesetzten in hohem Grade erworben und sollte bin-
nen kurzem, vollkommen dienstfähig, zu dem großen
Heere mit abgehen, welches Kaiser Franz in Böhmen
zusammenzog. Da erbat er sich zuvor noch einen Tag
Urlaub und trat als stattlicher Jäger vor Käthchen,
die ganz in Entzücken über ihn gerieth. Joseph war
nicht mehr anwesend in Lobenhain und er hätte um
so leichteres Spiel gehabt, da Käthchen mit Jenem
doch förmlich gebrochen hatte. Bei seiner edeln Den-
kungsart war er aber nur um so zurückhaltender ge-
gen das Mädchen, ja er ließ es sich aufs eifrigste an-
gelegen sein, sie mit dem entfernten Freunde wieder
zu versöhnen. Es währte lange, ehe Käthchen Ver-
zeihung zusagte; er aber versprach ihr dagegen, wenn
Gott nicht anders über ihn beschlossen haben sollte,
einst wiederzukehren und sie als Brautführer zum Al-
tare zu geleiten. Dann nahm er Abschied von den
Freundinnen und trat am nächsten Morgen seinen
Marsch zum Bataillon an, das nur wenige Stunden
entfernt stand.

Als einer der tüchtigsten und zuverlässigsten Sol-
daten bekannt, ward Albert sogleich auf einen wichti-
gen Vorposten geschickt, und in dem lebhaften Tirail-
leurgefecht, welches noch an demselben Tage zwischen
den östreichischen und den feindlichen Vorpostenketten
entstand, zeichnete er sich unter den Augen des Feld-
marschalls Fürsten von Schwarzenberg so ehrenvoll
aus, daß dieser ihm gleich auf dem Schlachtfelde das
Theresienkreuz umhing und ihn in seinem Rapport
dringend zum Avancement empfahl. Diese seltene
Auszeichnung steigerte den Muth des Braven bis zur
Begeisterung und sein sehnlichster Wunsch war eine
Schlacht, zu der es denn auch nicht lange nachher
wirklich kommen sollte.

Der Morgen des 30. August, des unvergeßlichen
[Spaltenumbruch] Tages der Schlacht bei Kulm, brach an und zum er-
sten male nach langer Regenzeit, die alle Operationen
bisher erschwert hatte, lächelte die Sonne freundlich
auf das verbündete Heer nieder, dessen Kriegsglück mit
ihr zugleich wieder erwachen zu wollen schien. Schon
kündete dumpfer Kanonendonner den siegreichen An-
griff des v. Kleist'schen Corps jenseits Nollendorf an,
als die gesammte Armee im Sturmschritt gegen die
französische Linie vorrückte. Graf Colloredo, zu dessen
Truppen auch die leichte Brigade „Graf Erbach“ ge-
hörte, bei welcher Albert stand, erhielt den Befehl,
den linken Flügel des Feindes zu umgehen, und unter
dem heftigsten Tirailleurfeuer entledigte sich der be-
währte General auf das ruhmvollste dieses schwierigen
Auftrags. Nun aber galt es, eine feindliche Redoute
wegzunehmen, die von den steilen Höhen bei Neudorf
herab das weite Schlachtfeld beherrschte. Schon wa-
ren die Tapfern glücklich bis zum Fuße der Anhöhe
vorgedrungen, allein sie selbst zu erklimmen erschien bei
dem wirksamen Feuer des Feindes auf diesem Punkte
im ersten Augenblicke als ein Ding der Unmöglichkeit.
Da hieß es, wie immer bei solchen Gelegenheiten im
östreichischen Heere: „Freiwillige vor!“ und — un-
ser Albert war der Erste, welcher heraustrat. Bald
sammelte sich ein Häuflein kühner Wagehälse um
ihn, welche Alle dem gewissen Tode entgegenzugehen
schienen.

Vorwärts! tönte der Ruf des Führers, und gleich
den Gemsen kletterten die Verwegenen empor. Albert
war immer voran und feuerte die Andern zur Nach-
eiferung an, von denen gar Mancher, den tödtlichen
Kugeln des Feindes erliegend, wieder hinabstürzte in
die grausige Tiefe. Von Felsenwand zu Felsenwand
emporklimmend, erreichten die Überlebenden, den ge-
zogenen Hirschfänger in der Hand und mit überge-
hängter Büchse endlich ihr Ziel und trieben den über-
raschten Feind, der solcher Kühnheit gegenüber nicht
Stand zu halten vermochte und eiligst seine Verschan-
zungen verließ, vor sich her. Da erhielten die Flie-
henden plötzlich von der andern Seite her unerwarte-
ten Succurs, indem eine Abtheilung französischer Rei-
ter ihnen entgegensprengte und die Feiglinge zum Ste-
hen brachte. Dann aber stürzten sie mit verhängtem
Zügel auf Albert und seine todesmuthigen Kameraden
zu und diese, im Eifer der Verfolgung die drohende
Gefahr zu spät erkennend, erlagen nur zu bald den
wüthenden Streichen der racheschnaubenden Dragoner.
Auch Albert befand sich, schwer verwundet, unter den
Gefallenen. Zwei Säbel blitzten über ihm, er em-
pfand eine dumpfe Erschütterung im Kopfe, sank mit
umdüsterten Blicken zu Boden und verlor das Be-
wußtsein.

Ziemlich spät am Nachmittage erwachte er erst wie-
der aus seinem Todesschlummer und erblickte sich un-
ter den Händen eines Wundarztes, der durch den The-
resienorden an seiner Brust auf ihn aufmerksam ge-
worden war und sorgfältig seine Wunde untersuchte.
Mit schwacher Stimme bat er um einen Trunk Wasser
und hielt dann standhaft den Verband aus, der äu-
ßerst schmerzhaft war, da Haare und Blut sich in der
Wunde miteinander verklebt hatten und erst gelöst wer-
den mußten. Endlich war die Operation vollbracht,
der Kreuzverband angelegt und — Albert abermals
seinem Schicksale überlassen.

Da begannen Fieberschauer den Unglücklichen zu
durchschüttern und wunderbare Phantasien und Träume
stiegen vor seiner Seele auf. Jetzt erinnerte er sich
auch wie im Traume, was er Käthchen beim Schei-
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Albert hatte sich inzwischen sowol durch seine stau- nenswerthe Fertigkeit im Schießen als auch durch seine Gewandtheit in allen körperlichen Übungen, im Exer- ciren, Klettern und Springen die Zufriedenheit seiner Vorgesetzten in hohem Grade erworben und sollte bin- nen kurzem, vollkommen dienstfähig, zu dem großen Heere mit abgehen, welches Kaiser Franz in Böhmen zusammenzog. Da erbat er sich zuvor noch einen Tag Urlaub und trat als stattlicher Jäger vor Käthchen, die ganz in Entzücken über ihn gerieth. Joseph war nicht mehr anwesend in Lobenhain und er hätte um so leichteres Spiel gehabt, da Käthchen mit Jenem doch förmlich gebrochen hatte. Bei seiner edeln Den- kungsart war er aber nur um so zurückhaltender ge- gen das Mädchen, ja er ließ es sich aufs eifrigste an- gelegen sein, sie mit dem entfernten Freunde wieder zu versöhnen. 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Diese seltene Auszeichnung steigerte den Muth des Braven bis zur Begeisterung und sein sehnlichster Wunsch war eine Schlacht, zu der es denn auch nicht lange nachher wirklich kommen sollte. Der Morgen des 30. August, des unvergeßlichen Tages der Schlacht bei Kulm, brach an und zum er- sten male nach langer Regenzeit, die alle Operationen bisher erschwert hatte, lächelte die Sonne freundlich auf das verbündete Heer nieder, dessen Kriegsglück mit ihr zugleich wieder erwachen zu wollen schien. Schon kündete dumpfer Kanonendonner den siegreichen An- griff des v. Kleist'schen Corps jenseits Nollendorf an, als die gesammte Armee im Sturmschritt gegen die französische Linie vorrückte. Graf Colloredo, zu dessen Truppen auch die leichte Brigade „Graf Erbach“ ge- hörte, bei welcher Albert stand, erhielt den Befehl, den linken Flügel des Feindes zu umgehen, und unter dem heftigsten Tirailleurfeuer entledigte sich der be- währte General auf das ruhmvollste dieses schwierigen Auftrags. Nun aber galt es, eine feindliche Redoute wegzunehmen, die von den steilen Höhen bei Neudorf herab das weite Schlachtfeld beherrschte. Schon wa- ren die Tapfern glücklich bis zum Fuße der Anhöhe vorgedrungen, allein sie selbst zu erklimmen erschien bei dem wirksamen Feuer des Feindes auf diesem Punkte im ersten Augenblicke als ein Ding der Unmöglichkeit. Da hieß es, wie immer bei solchen Gelegenheiten im östreichischen Heere: „Freiwillige vor!“ und — un- ser Albert war der Erste, welcher heraustrat. Bald sammelte sich ein Häuflein kühner Wagehälse um ihn, welche Alle dem gewissen Tode entgegenzugehen schienen. Vorwärts! tönte der Ruf des Führers, und gleich den Gemsen kletterten die Verwegenen empor. Albert war immer voran und feuerte die Andern zur Nach- eiferung an, von denen gar Mancher, den tödtlichen Kugeln des Feindes erliegend, wieder hinabstürzte in die grausige Tiefe. Von Felsenwand zu Felsenwand emporklimmend, erreichten die Überlebenden, den ge- zogenen Hirschfänger in der Hand und mit überge- hängter Büchse endlich ihr Ziel und trieben den über- raschten Feind, der solcher Kühnheit gegenüber nicht Stand zu halten vermochte und eiligst seine Verschan- zungen verließ, vor sich her. Da erhielten die Flie- henden plötzlich von der andern Seite her unerwarte- ten Succurs, indem eine Abtheilung französischer Rei- ter ihnen entgegensprengte und die Feiglinge zum Ste- hen brachte. Dann aber stürzten sie mit verhängtem Zügel auf Albert und seine todesmuthigen Kameraden zu und diese, im Eifer der Verfolgung die drohende Gefahr zu spät erkennend, erlagen nur zu bald den wüthenden Streichen der racheschnaubenden Dragoner. Auch Albert befand sich, schwer verwundet, unter den Gefallenen. Zwei Säbel blitzten über ihm, er em- pfand eine dumpfe Erschütterung im Kopfe, sank mit umdüsterten Blicken zu Boden und verlor das Be- wußtsein. Ziemlich spät am Nachmittage erwachte er erst wie- der aus seinem Todesschlummer und erblickte sich un- ter den Händen eines Wundarztes, der durch den The- resienorden an seiner Brust auf ihn aufmerksam ge- worden war und sorgfältig seine Wunde untersuchte. Mit schwacher Stimme bat er um einen Trunk Wasser und hielt dann standhaft den Verband aus, der äu- ßerst schmerzhaft war, da Haare und Blut sich in der Wunde miteinander verklebt hatten und erst gelöst wer- den mußten. Endlich war die Operation vollbracht, der Kreuzverband angelegt und — Albert abermals seinem Schicksale überlassen. Da begannen Fieberschauer den Unglücklichen zu durchschüttern und wunderbare Phantasien und Träume stiegen vor seiner Seele auf. Jetzt erinnerte er sich auch wie im Traume, was er Käthchen beim Schei-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854
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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Zweiter Jahrgang, Nr. 99. Leipzig (Sachsen), 23. November 1854, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig099_1854/2>, abgerufen am 14.06.2024.