Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 119. Leipzig (Sachsen), 12. April 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]
Der Schatzgräber.

Es gibt eine Naturerscheinung, welche das Geldbren-
nen heißt. Das ist aber ein Name, den der Aber-
glaube erfunden hat und der uns Zeugniß ablegt von
einer Zeit, welcher wir Gottlob! entwachsen sind. Wie
die feurigen Drachen, der Blutregen, das Nordlicht,
die Kometen u. s. w. nicht Unglückspropheten, Herolde
von Krieg, Brand und Mord, sondern ganz natürliche
Erscheinungen sind, so ist auch das Geldbrennen nicht
ein Zeichen verborgener Schätze, sondern eine entzün-
dete Luftart. Unwissende lassen sich indessen auch jetzt
noch mitunter durch ein blaues Flämmchen bethören
und um ihr Geld bringen oder machen sich zum we-
nigsten lächerlich. Folgende Geschichte, die sich vor
nicht gar langer Zeit zugetragen hat, mag als Beleg
zu dieser Behauptung dienen.

Jn einem Dorfe des bergischen Landes lebte ein
Mann, der sich durch mancherlei Eigenthümlichkeiten
auszeichnete, welche ihn zur Zielscheibe des Witzes der
muthwilligen Jugend machten. Bei den Erwachsenen
war er als Spinnstubenphilosoph bekannt. Er wußte
viel zu erzählen vom Wärwolfe, von bezauberten Katzen
und vergrabenen Schätzen.

Wie die meisten Menschen, so hatte auch unser
Philosoph große Lust, reich zu werden. Daher wa-
ren ihm die Orte besonders heilig, wo der Sage nach
ehemals Ritterburgen gestanden hatten und wo deshalb
seiner Meinung nach Schätze in Menge vergraben sein
mußten. Ein solcher Ort befand sich in der Nähe des
Dorfs auf einem Hügel, welcher der "Figen" hieß.

Eines Abends wurde der Philosoph von zwei jun-
gen Leuten besucht, denen man ihrer muthwilligen
Streiche wegen im Dorfe allgemein den Namen "Strang"
oder "Strick" beilegte. Mit geheimnißvoller Miene er-
zählten sie, daß sie in vergangener Nacht auf dem " Fi-
gen " ein blaues Flämmchen erblickt hätten. "Da liegt
Geld", sagte hastig der Philosoph. Es wurde verab-
redet, daß man um 12 Uhr mit Hacke und Spaten
hinziehen wolle und wenn sich das Flämmchen wieder
zeige, den Schatz heben wolle. Der eine der "Stricke"
hatte glücklicherweise, wie er sagte, vor einiger Zeit ein
altes Buch von seinem Urgroßvater, der ein grundge-
lehrter Mann gewesen sei, aufgefunden und aus die-
sem Werke die Zaubersprüche gelernt, mit welchen man
bei Hebung eines Schatzes den Bösen fern halte, der
gar häufig die Geldgierigen in allerlei Elend stürzt.

Es schlug 12 Uhr. Jn tiefem, geheimnißvollen
Schweigen trat das Kleeblatt seine Reise an. Schon
von weitem erblickten sie das Flämmchen, welches einer
der Muthwilligen kurz vorher aus Holz und Schwefel
angezündet hatte. Angelangt, bekam der Gefoppte die
Hacke und begab sich unter Furcht und Hoffnung an
die Arbeit. Unterdeß schaufelte der Zweite die Erde
auf die Seite und der Dritte murmelte seine Zauber-
sprüche, unter welchen das berühmte Abracadabra, Sa-
lomo 's Siegel, lös dich vom Riegel, Hocus pocus im-
peratus
u. s. w. gar oft vorkam. Den beiden Arbei-
tenden war das tiefste Stillschweigen auferlegt. Jn-
dem der Zauberlehrling fortwährend murmelte, dabei
aber die Hände frei hatte, schlug er plötzlich den
Hackenden an ein Ohr. Leise sagte hierauf der Schau-
felnde: "Hannes, ech krieg en Schlag." "Ech uoch",
entgegnete Hannes, "öwer schwigg." So ging es
noch einige mal. Unterdeß hatte der Zauberer den rich-
tigen Augenblick erspäht. Plötzlich fuhr dem Hannes
ein Unthier zwischen die Beine, hob ihn auf und trug
ihn im Galopp davon bis zu einer nahen Pfütze, wo
[Spaltenumbruch] es ihn mit einem Ruck absetzte und im Nu verschwun-
den war. Der Geängstigte raffte sich aus dem
Schmuze rasch auf und eilte, als wäre er von Hun-
den gehetzt, nach Hause, wo er sich rasch ins Bette
und unter die Decke machte. Diesmal kam er mit
dem Schrecken und einem Schnupfen davon.



Rest des Zaunkönigs.
[Abbildung]

Gar hübsch nimmt sich das Nest des Zaunkönigs aus,
das er zwar zuweilen in Buschwerk, oft aber auch in
Reisighaufen, Strohdächern u. s. w., doch immer an
düstern Orten baut. Die niedlichen Vögelchen sind
damit bei nicht ganz günstiger Witterung über zwei
Wochen lang beschäftigt. Grünes Moos enthalten alle,
die übrigen Materialien sind aber sehr verschieden. Ge-
wöhnlich besteht die äußere Lage aus dürrem Laube,
Pflanzenstengeln und feinen Halmen, dann folgt eine
sehr dicht gefilzte Lage von grünem Moos, dann als
innere Ausfütterung eine Menge von Federn, die aller-
seits glatt anliegen. Wenn das Nest in keiner Höh-
lung steht, sondern in einem Gebüsch, so ist es auch
wol ganz aus grünem Moose [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]gebaut, das so dicht
verfilzt ist, daß es zusammengeleimt scheint und selbst
von außen ganz glatt aussieht, was in der Regel bei
den andern nicht der Fall ist. Die Form des Nestes
ist völlig kugelig und rund, nur an der Seite, wo sich
das Eingangsloch befindet, etwas glatt. Die Dachung
oder Wölbung über dem etwas hoch angebrachten Ein-
gange ist besonders dicht und schön gefilzt und die Aus-
höhlung im Jnnern ansehnlich weit, niedlich gerundet
und so tief, daß man, ohne Schaden anzurichten, ge-
rade mit dem Zeigefinger auf den Grund reicht. Das
Nest des Zaunkönigs ist übrigens gewöhnlich sehr schwer
zu finden; denn in alten Zäunen, Hütten, Stämmen
u. dgl. ist es immer mit einer Menge von altem Laube
und Geniste umgeben und nur das runde, nette Ein-
gangsloch kann das Nest vielleicht verrathen.



[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
Der Schatzgräber.

Es gibt eine Naturerscheinung, welche das Geldbren-
nen heißt. Das ist aber ein Name, den der Aber-
glaube erfunden hat und der uns Zeugniß ablegt von
einer Zeit, welcher wir Gottlob! entwachsen sind. Wie
die feurigen Drachen, der Blutregen, das Nordlicht,
die Kometen u. s. w. nicht Unglückspropheten, Herolde
von Krieg, Brand und Mord, sondern ganz natürliche
Erscheinungen sind, so ist auch das Geldbrennen nicht
ein Zeichen verborgener Schätze, sondern eine entzün-
dete Luftart. Unwissende lassen sich indessen auch jetzt
noch mitunter durch ein blaues Flämmchen bethören
und um ihr Geld bringen oder machen sich zum we-
nigsten lächerlich. Folgende Geschichte, die sich vor
nicht gar langer Zeit zugetragen hat, mag als Beleg
zu dieser Behauptung dienen.

Jn einem Dorfe des bergischen Landes lebte ein
Mann, der sich durch mancherlei Eigenthümlichkeiten
auszeichnete, welche ihn zur Zielscheibe des Witzes der
muthwilligen Jugend machten. Bei den Erwachsenen
war er als Spinnstubenphilosoph bekannt. Er wußte
viel zu erzählen vom Wärwolfe, von bezauberten Katzen
und vergrabenen Schätzen.

Wie die meisten Menschen, so hatte auch unser
Philosoph große Lust, reich zu werden. Daher wa-
ren ihm die Orte besonders heilig, wo der Sage nach
ehemals Ritterburgen gestanden hatten und wo deshalb
seiner Meinung nach Schätze in Menge vergraben sein
mußten. Ein solcher Ort befand sich in der Nähe des
Dorfs auf einem Hügel, welcher der „Figen“ hieß.

Eines Abends wurde der Philosoph von zwei jun-
gen Leuten besucht, denen man ihrer muthwilligen
Streiche wegen im Dorfe allgemein den Namen „Strang“
oder „Strick“ beilegte. Mit geheimnißvoller Miene er-
zählten sie, daß sie in vergangener Nacht auf dem „ Fi-
gen “ ein blaues Flämmchen erblickt hätten. „Da liegt
Geld“, sagte hastig der Philosoph. Es wurde verab-
redet, daß man um 12 Uhr mit Hacke und Spaten
hinziehen wolle und wenn sich das Flämmchen wieder
zeige, den Schatz heben wolle. Der eine der „Stricke“
hatte glücklicherweise, wie er sagte, vor einiger Zeit ein
altes Buch von seinem Urgroßvater, der ein grundge-
lehrter Mann gewesen sei, aufgefunden und aus die-
sem Werke die Zaubersprüche gelernt, mit welchen man
bei Hebung eines Schatzes den Bösen fern halte, der
gar häufig die Geldgierigen in allerlei Elend stürzt.

Es schlug 12 Uhr. Jn tiefem, geheimnißvollen
Schweigen trat das Kleeblatt seine Reise an. Schon
von weitem erblickten sie das Flämmchen, welches einer
der Muthwilligen kurz vorher aus Holz und Schwefel
angezündet hatte. Angelangt, bekam der Gefoppte die
Hacke und begab sich unter Furcht und Hoffnung an
die Arbeit. Unterdeß schaufelte der Zweite die Erde
auf die Seite und der Dritte murmelte seine Zauber-
sprüche, unter welchen das berühmte Abracadabra, Sa-
lomo 's Siegel, lös dich vom Riegel, Hocus pocus im-
peratus
u. s. w. gar oft vorkam. Den beiden Arbei-
tenden war das tiefste Stillschweigen auferlegt. Jn-
dem der Zauberlehrling fortwährend murmelte, dabei
aber die Hände frei hatte, schlug er plötzlich den
Hackenden an ein Ohr. Leise sagte hierauf der Schau-
felnde: „Hannes, ech krieg en Schlag.“ „Ech uoch“,
entgegnete Hannes, „öwer schwigg.“ So ging es
noch einige mal. Unterdeß hatte der Zauberer den rich-
tigen Augenblick erspäht. Plötzlich fuhr dem Hannes
ein Unthier zwischen die Beine, hob ihn auf und trug
ihn im Galopp davon bis zu einer nahen Pfütze, wo
[Spaltenumbruch] es ihn mit einem Ruck absetzte und im Nu verschwun-
den war. Der Geängstigte raffte sich aus dem
Schmuze rasch auf und eilte, als wäre er von Hun-
den gehetzt, nach Hause, wo er sich rasch ins Bette
und unter die Decke machte. Diesmal kam er mit
dem Schrecken und einem Schnupfen davon.



Rest des Zaunkönigs.
[Abbildung]

Gar hübsch nimmt sich das Nest des Zaunkönigs aus,
das er zwar zuweilen in Buschwerk, oft aber auch in
Reisighaufen, Strohdächern u. s. w., doch immer an
düstern Orten baut. Die niedlichen Vögelchen sind
damit bei nicht ganz günstiger Witterung über zwei
Wochen lang beschäftigt. Grünes Moos enthalten alle,
die übrigen Materialien sind aber sehr verschieden. Ge-
wöhnlich besteht die äußere Lage aus dürrem Laube,
Pflanzenstengeln und feinen Halmen, dann folgt eine
sehr dicht gefilzte Lage von grünem Moos, dann als
innere Ausfütterung eine Menge von Federn, die aller-
seits glatt anliegen. Wenn das Nest in keiner Höh-
lung steht, sondern in einem Gebüsch, so ist es auch
wol ganz aus grünem Moose [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]gebaut, das so dicht
verfilzt ist, daß es zusammengeleimt scheint und selbst
von außen ganz glatt aussieht, was in der Regel bei
den andern nicht der Fall ist. Die Form des Nestes
ist völlig kugelig und rund, nur an der Seite, wo sich
das Eingangsloch befindet, etwas glatt. Die Dachung
oder Wölbung über dem etwas hoch angebrachten Ein-
gange ist besonders dicht und schön gefilzt und die Aus-
höhlung im Jnnern ansehnlich weit, niedlich gerundet
und so tief, daß man, ohne Schaden anzurichten, ge-
rade mit dem Zeigefinger auf den Grund reicht. Das
Nest des Zaunkönigs ist übrigens gewöhnlich sehr schwer
zu finden; denn in alten Zäunen, Hütten, Stämmen
u. dgl. ist es immer mit einer Menge von altem Laube
und Geniste umgeben und nur das runde, nette Ein-
gangsloch kann das Nest vielleicht verrathen.



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0007" n="119"/>
      <fw type="pageNum" place="top">119</fw>
      <cb type="start"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Der Schatzgräber.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s gibt eine Naturerscheinung, welche das Geldbren-<lb/>
nen heißt. Das ist aber ein Name, den der Aber-<lb/>
glaube erfunden hat und der uns Zeugniß ablegt von<lb/>
einer Zeit, welcher wir Gottlob! entwachsen sind. Wie<lb/>
die feurigen Drachen, der Blutregen, das Nordlicht,<lb/>
die Kometen u. s. w. nicht Unglückspropheten, Herolde<lb/>
von Krieg, Brand und Mord, sondern ganz natürliche<lb/>
Erscheinungen sind, so ist auch das Geldbrennen nicht<lb/>
ein Zeichen verborgener Schätze, sondern eine entzün-<lb/>
dete Luftart. Unwissende lassen sich indessen auch jetzt<lb/>
noch mitunter durch ein blaues Flämmchen bethören<lb/>
und um ihr Geld bringen oder machen sich zum we-<lb/>
nigsten lächerlich. Folgende Geschichte, die sich vor<lb/>
nicht gar langer Zeit zugetragen hat, mag als Beleg<lb/>
zu dieser Behauptung dienen.</p><lb/>
        <p>Jn einem Dorfe des bergischen Landes lebte ein<lb/>
Mann, der sich durch mancherlei Eigenthümlichkeiten<lb/>
auszeichnete, welche ihn zur Zielscheibe des Witzes der<lb/>
muthwilligen Jugend machten. Bei den Erwachsenen<lb/>
war er als Spinnstubenphilosoph bekannt. Er wußte<lb/>
viel zu erzählen vom Wärwolfe, von bezauberten Katzen<lb/>
und vergrabenen Schätzen.</p><lb/>
        <p>Wie die meisten Menschen, so hatte auch unser<lb/>
Philosoph große Lust, reich zu werden. Daher wa-<lb/>
ren ihm die Orte besonders heilig, wo der Sage nach<lb/>
ehemals Ritterburgen gestanden hatten und wo deshalb<lb/>
seiner Meinung nach Schätze in Menge vergraben sein<lb/>
mußten. Ein solcher Ort befand sich in der Nähe des<lb/>
Dorfs auf einem Hügel, welcher der &#x201E;Figen&#x201C; hieß.</p><lb/>
        <p>Eines Abends wurde der Philosoph von zwei jun-<lb/>
gen Leuten besucht, denen man ihrer muthwilligen<lb/>
Streiche wegen im Dorfe allgemein den Namen &#x201E;Strang&#x201C;<lb/>
oder &#x201E;Strick&#x201C; beilegte. Mit geheimnißvoller Miene er-<lb/>
zählten sie, daß sie in vergangener Nacht auf dem &#x201E; Fi-<lb/>
gen &#x201C; ein blaues Flämmchen erblickt hätten. &#x201E;Da liegt<lb/>
Geld&#x201C;, sagte hastig der Philosoph. Es wurde verab-<lb/>
redet, daß man um 12 Uhr mit Hacke und Spaten<lb/>
hinziehen wolle und wenn sich das Flämmchen wieder<lb/>
zeige, den Schatz heben wolle. Der eine der &#x201E;Stricke&#x201C;<lb/>
hatte glücklicherweise, wie er sagte, vor einiger Zeit ein<lb/>
altes Buch von seinem Urgroßvater, der ein grundge-<lb/>
lehrter Mann gewesen sei, aufgefunden und aus die-<lb/>
sem Werke die Zaubersprüche gelernt, mit welchen man<lb/>
bei Hebung eines Schatzes den Bösen fern halte, der<lb/>
gar häufig die Geldgierigen in allerlei Elend stürzt.</p><lb/>
        <p>Es schlug 12 Uhr. Jn tiefem, geheimnißvollen<lb/>
Schweigen trat das Kleeblatt seine Reise an. Schon<lb/>
von weitem erblickten sie das Flämmchen, welches einer<lb/>
der Muthwilligen kurz vorher aus Holz und Schwefel<lb/>
angezündet hatte. Angelangt, bekam der Gefoppte die<lb/>
Hacke und begab sich unter Furcht und Hoffnung an<lb/>
die Arbeit. Unterdeß schaufelte der Zweite die Erde<lb/>
auf die Seite und der Dritte murmelte seine Zauber-<lb/>
sprüche, unter welchen das berühmte Abracadabra, Sa-<lb/>
lomo 's Siegel, lös dich vom Riegel, <hi rendition="#aq">Hocus pocus im-<lb/>
peratus</hi> u. s. w. gar oft vorkam. Den beiden Arbei-<lb/>
tenden war das tiefste Stillschweigen auferlegt. Jn-<lb/>
dem der Zauberlehrling fortwährend murmelte, dabei<lb/>
aber die Hände frei hatte, schlug er plötzlich den<lb/>
Hackenden an ein Ohr. Leise sagte hierauf der Schau-<lb/>
felnde: &#x201E;Hannes, ech krieg en Schlag.&#x201C; &#x201E;Ech uoch&#x201C;,<lb/>
entgegnete Hannes, &#x201E;öwer schwigg.&#x201C; So ging es<lb/>
noch einige mal. Unterdeß hatte der Zauberer den rich-<lb/>
tigen Augenblick erspäht. Plötzlich fuhr dem Hannes<lb/>
ein Unthier zwischen die Beine, hob ihn auf und trug<lb/>
ihn im Galopp davon bis zu einer nahen Pfütze, wo<lb/><cb n="2"/>
es ihn mit einem Ruck absetzte und im Nu verschwun-<lb/>
den war. Der Geängstigte raffte sich aus dem<lb/>
Schmuze rasch auf und eilte, als wäre er von Hun-<lb/>
den gehetzt, nach Hause, wo er sich rasch ins Bette<lb/>
und unter die Decke machte. Diesmal kam er mit<lb/>
dem Schrecken und einem Schnupfen davon.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Rest des Zaunkönigs.</hi> </head><lb/>
        <figure/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">G</hi>ar hübsch nimmt sich das Nest des Zaunkönigs aus,<lb/>
das er zwar zuweilen in Buschwerk, oft aber auch in<lb/>
Reisighaufen, Strohdächern u. s. w., doch immer an<lb/>
düstern Orten baut. Die niedlichen Vögelchen sind<lb/>
damit bei nicht ganz günstiger Witterung über zwei<lb/>
Wochen lang beschäftigt. Grünes Moos enthalten alle,<lb/>
die übrigen Materialien sind aber sehr verschieden. Ge-<lb/>
wöhnlich besteht die äußere Lage aus dürrem Laube,<lb/>
Pflanzenstengeln und feinen Halmen, dann folgt eine<lb/>
sehr dicht gefilzte Lage von grünem Moos, dann als<lb/>
innere Ausfütterung eine Menge von Federn, die aller-<lb/>
seits glatt anliegen. Wenn das Nest in keiner Höh-<lb/>
lung steht, sondern in einem Gebüsch, so ist es auch<lb/>
wol ganz aus grünem Moose <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="6"/>gebaut, das so dicht<lb/>
verfilzt ist, daß es zusammengeleimt scheint und selbst<lb/>
von außen ganz glatt aussieht, was in der Regel bei<lb/>
den andern nicht der Fall ist. Die Form des Nestes<lb/>
ist völlig kugelig und rund, nur an der Seite, wo sich<lb/>
das Eingangsloch befindet, etwas glatt. Die Dachung<lb/>
oder Wölbung über dem etwas hoch angebrachten Ein-<lb/>
gange ist besonders dicht und schön gefilzt und die Aus-<lb/>
höhlung im Jnnern ansehnlich weit, niedlich gerundet<lb/>
und so tief, daß man, ohne Schaden anzurichten, ge-<lb/>
rade mit dem Zeigefinger auf den Grund reicht. Das<lb/>
Nest des Zaunkönigs ist übrigens gewöhnlich sehr schwer<lb/>
zu finden; denn in alten Zäunen, Hütten, Stämmen<lb/>
u. dgl. ist es immer mit einer Menge von altem Laube<lb/>
und Geniste umgeben und nur das runde, nette Ein-<lb/>
gangsloch kann das Nest vielleicht verrathen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0007] 119 Der Schatzgräber. Es gibt eine Naturerscheinung, welche das Geldbren- nen heißt. Das ist aber ein Name, den der Aber- glaube erfunden hat und der uns Zeugniß ablegt von einer Zeit, welcher wir Gottlob! entwachsen sind. Wie die feurigen Drachen, der Blutregen, das Nordlicht, die Kometen u. s. w. nicht Unglückspropheten, Herolde von Krieg, Brand und Mord, sondern ganz natürliche Erscheinungen sind, so ist auch das Geldbrennen nicht ein Zeichen verborgener Schätze, sondern eine entzün- dete Luftart. Unwissende lassen sich indessen auch jetzt noch mitunter durch ein blaues Flämmchen bethören und um ihr Geld bringen oder machen sich zum we- nigsten lächerlich. Folgende Geschichte, die sich vor nicht gar langer Zeit zugetragen hat, mag als Beleg zu dieser Behauptung dienen. Jn einem Dorfe des bergischen Landes lebte ein Mann, der sich durch mancherlei Eigenthümlichkeiten auszeichnete, welche ihn zur Zielscheibe des Witzes der muthwilligen Jugend machten. Bei den Erwachsenen war er als Spinnstubenphilosoph bekannt. Er wußte viel zu erzählen vom Wärwolfe, von bezauberten Katzen und vergrabenen Schätzen. Wie die meisten Menschen, so hatte auch unser Philosoph große Lust, reich zu werden. Daher wa- ren ihm die Orte besonders heilig, wo der Sage nach ehemals Ritterburgen gestanden hatten und wo deshalb seiner Meinung nach Schätze in Menge vergraben sein mußten. Ein solcher Ort befand sich in der Nähe des Dorfs auf einem Hügel, welcher der „Figen“ hieß. Eines Abends wurde der Philosoph von zwei jun- gen Leuten besucht, denen man ihrer muthwilligen Streiche wegen im Dorfe allgemein den Namen „Strang“ oder „Strick“ beilegte. Mit geheimnißvoller Miene er- zählten sie, daß sie in vergangener Nacht auf dem „ Fi- gen “ ein blaues Flämmchen erblickt hätten. „Da liegt Geld“, sagte hastig der Philosoph. Es wurde verab- redet, daß man um 12 Uhr mit Hacke und Spaten hinziehen wolle und wenn sich das Flämmchen wieder zeige, den Schatz heben wolle. Der eine der „Stricke“ hatte glücklicherweise, wie er sagte, vor einiger Zeit ein altes Buch von seinem Urgroßvater, der ein grundge- lehrter Mann gewesen sei, aufgefunden und aus die- sem Werke die Zaubersprüche gelernt, mit welchen man bei Hebung eines Schatzes den Bösen fern halte, der gar häufig die Geldgierigen in allerlei Elend stürzt. Es schlug 12 Uhr. Jn tiefem, geheimnißvollen Schweigen trat das Kleeblatt seine Reise an. Schon von weitem erblickten sie das Flämmchen, welches einer der Muthwilligen kurz vorher aus Holz und Schwefel angezündet hatte. Angelangt, bekam der Gefoppte die Hacke und begab sich unter Furcht und Hoffnung an die Arbeit. Unterdeß schaufelte der Zweite die Erde auf die Seite und der Dritte murmelte seine Zauber- sprüche, unter welchen das berühmte Abracadabra, Sa- lomo 's Siegel, lös dich vom Riegel, Hocus pocus im- peratus u. s. w. gar oft vorkam. Den beiden Arbei- tenden war das tiefste Stillschweigen auferlegt. Jn- dem der Zauberlehrling fortwährend murmelte, dabei aber die Hände frei hatte, schlug er plötzlich den Hackenden an ein Ohr. Leise sagte hierauf der Schau- felnde: „Hannes, ech krieg en Schlag.“ „Ech uoch“, entgegnete Hannes, „öwer schwigg.“ So ging es noch einige mal. Unterdeß hatte der Zauberer den rich- tigen Augenblick erspäht. Plötzlich fuhr dem Hannes ein Unthier zwischen die Beine, hob ihn auf und trug ihn im Galopp davon bis zu einer nahen Pfütze, wo es ihn mit einem Ruck absetzte und im Nu verschwun- den war. Der Geängstigte raffte sich aus dem Schmuze rasch auf und eilte, als wäre er von Hun- den gehetzt, nach Hause, wo er sich rasch ins Bette und unter die Decke machte. Diesmal kam er mit dem Schrecken und einem Schnupfen davon. Rest des Zaunkönigs. [Abbildung] Gar hübsch nimmt sich das Nest des Zaunkönigs aus, das er zwar zuweilen in Buschwerk, oft aber auch in Reisighaufen, Strohdächern u. s. w., doch immer an düstern Orten baut. Die niedlichen Vögelchen sind damit bei nicht ganz günstiger Witterung über zwei Wochen lang beschäftigt. Grünes Moos enthalten alle, die übrigen Materialien sind aber sehr verschieden. Ge- wöhnlich besteht die äußere Lage aus dürrem Laube, Pflanzenstengeln und feinen Halmen, dann folgt eine sehr dicht gefilzte Lage von grünem Moos, dann als innere Ausfütterung eine Menge von Federn, die aller- seits glatt anliegen. Wenn das Nest in keiner Höh- lung steht, sondern in einem Gebüsch, so ist es auch wol ganz aus grünem Moose ______gebaut, das so dicht verfilzt ist, daß es zusammengeleimt scheint und selbst von außen ganz glatt aussieht, was in der Regel bei den andern nicht der Fall ist. Die Form des Nestes ist völlig kugelig und rund, nur an der Seite, wo sich das Eingangsloch befindet, etwas glatt. Die Dachung oder Wölbung über dem etwas hoch angebrachten Ein- gange ist besonders dicht und schön gefilzt und die Aus- höhlung im Jnnern ansehnlich weit, niedlich gerundet und so tief, daß man, ohne Schaden anzurichten, ge- rade mit dem Zeigefinger auf den Grund reicht. Das Nest des Zaunkönigs ist übrigens gewöhnlich sehr schwer zu finden; denn in alten Zäunen, Hütten, Stämmen u. dgl. ist es immer mit einer Menge von altem Laube und Geniste umgeben und nur das runde, nette Ein- gangsloch kann das Nest vielleicht verrathen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig119_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig119_1855/7
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin für Belehrung und Unterhaltung. Dritte Folge, Dritter Jahrgang, Nr. 119. Leipzig (Sachsen), 12. April 1855, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig119_1855/7>, abgerufen am 01.06.2024.