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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 155. Leipzig (Sachsen), 19. März 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Kranke sogleich in ihre Wohnung, wo dieselbe bald
wieder sich wohl fühlte und dankbar für die erfahrene
Freundlichkeit von den ehrlichen, nichts Böses ahnen-
den Leuten schied. Wenige Tage darauf kam Blood
wieder, um der Frau Edwards im Namen der Seini-
gen einige Paar weißer Handschuhe zum Geschenk zu
bringen; nachdem so die erste Bekanntschaft ange-
knüpft war, wurde nichts versäumt, dieselbe durch
immer häufigere Besuche inniger zu machen, bis end-
lich der verschmitzte Schelm durch den Vorschlag ei-
ner Heirath zwischen der Tochter Edwards und einem
vorgeblichen Neffen Blood's, der gegen 1000 Thaler
jährliche sichere Einkünfte haben sollte, die guten, ehr-
lichen Leute ganz sicher machte. Die Einwilligung des
alten Edwards brauchte nicht erst erbeten zu werden;
mit Freuden willigte er in eine Verbindung, in wel-
cher er das Glück seines Kindes zu sehen glaubte, und
lud den vorgeblichen Prediger ein, nächstens mit ihm
zu Mittag zu essen, um das Vorhaben weiter bespre-
chen zu können. Blood nahm die Einladung an, über-
nahm es als Geistlicher, der Sitte gemäß das Tischge-
bet zu sprechen, wobei er in Wort und Haltung die
tiefste Andacht heuchelte und mit einem inbrünstigen
Gebete für den König und die königliche Familie schloß.
Nach Tische ließ er sich in den übrigen Zimmern, wel-
che zur Wohnung des Aufsehers gehörten, herumfüh-
ren, und da er hier ein Paar schöne Pistolen hängen
sah, wünschte er dieselben zu kaufen, vielleicht um auf diese
Weise dem alten Manne auch die letzten Mittel zur
Vertheidigung zu entziehen. Beim Weggehen bestimmte
er Tag und Stunde, wo er seinen jungen Nef-
fen einführen und der ihm bestimmten Braut vor-
stellen wollte. An diesem Tage war der alte Ed-
wards früher als gewöhnlich aufgestanden, um seinen
werthen Freund gehörig empfangen zu können, seine Toch-
ter aber hatte alle Kunst des Anzuges aufgeboten, um
ihrem Zukünftigen recht zu gefallen, als Blood mit
drei Begleitern, die alle mit Stockdegen, Dolchen und
Pistolen bewaffnet waren, ankam. Zwei von diesen seinen
Begleitern traten mit ihm ins Haus, der dritte aber
blieb an der Thüre stehen, indem er glauben ließ, es liege
ihm mehr daran, die schöne Tochter des Hauses zu se-
hen, in der That aber sollte er hier Wache halten und
seine Spießgesellen vor Überrumpelung sichern. Das
junge Mädchen, die es nicht für schicklich hielt, herun-
terzukommen, bevor sie von ihrem Vater gerufen wurde,
aber doch gern den ihr bestimmten Gemahl kennen ler-
nen wollte, schickte in dem Drange ihrer Neugierde
ihr Dienstmädchen herab, um ihr eine Beschreibung
von den Begleitern des Herrn Blood zu bringen.
Diese aber hielt, wie leicht zu erklären ist, den auf-
merksamen jungen Mann, der an der Thüre zurückge-
blieben war und unverwandt nach den Fenstern ihrer
Herrin hinaufsah, für den hoffenden Bräutigam, und
brachte eine sehr günstige Schilderung von ihm zu-
rück. Während dessen sagte Blood zu Edwards, sie
wollten nicht eher hinauf zu den Frauen gehen, bis
die seinige kommen würde, und schlug vor, während
der Zeit die Kronjuwelen seinen Freunden zu zeigen.
Kaum aber waren sie in den Saal getreten und Edwards
hatte, wie gewöhnlich, die Thüre hinter sich verschlos-
sen, als die Bösewichter dem alten Manne einen Man-
tel über den Kopf warfen und einen Knebel ihm in
den Mund drehten. Als sie so jeden Widerstand von
seiner Seite unmöglich gemacht, sagten sie ihm, sie
müßten die Krone, den Reichsapfel und das Scepter
haben; würde er ihnen diese geben oder dieselben neh-
men lassen, so wollten sie ihm das Leben schenken;
[Spaltenumbruch] sonst habe er keine Gnade zu erwarten. Hierauf
strengte sich der alte Mann aus allen Kräften an,
so laut zu rufen, daß man ihn oben hören möchte,
wofür ihn die Nichtswürdigen mit einem hölzernen
Schlegel niederschlugen unter der wiederholten Ver-
sicherung, daß sie ihm nur unter der Bedingung das
Leben schenken könnten, daß er sich ruhig verhaltet,
wo nicht, so würden sie ihn beim nächsten Versuche,
sie zu verrathen, tödten. Doch ließ sich der ehrliche Ed-
wards durch alle diese Drohungen nicht einschüchtern,
sondern versuchte nur, um so lauter zu schreien, em-
pfing aber dafür auch sogleich noch einige Schläge
auf den Kopf und einen Dolchstoß in den Unter-
leib, in Folge dessen er die Besinnung verlor, sodaß ei-
ner der Räuber ihn für todt erklärte. Edwards je-
doch war indessen wieder zu sich gekommen, hiel-
es aber unter so bewandten Umständen für das Beste,
die Räuber in ihrem Wahne zu lassen, als sei er
wirklich todt. Diese theilten nun die Beute; der eine
von ihnen, Namens Parrot, ein Seidenfärber und
früher Offizier unter Cromwell, steckte den Reichsapfel
in seine weiten Pluderhosen; Blood nahm die Krone
unter seinen Mantel, und der Dritte war eben im
Begriffe, das Scepter entzwei zu feilen, um es in
einen ledernen Beutel zu stecken, den man eigens
dazu mitgebracht hatte, als glücklicherweise der Sohn
des alten Edwards, der mit Sir John Talbot in
Flandern gewesen war, unvermuthet ankam. Zwar
fragte ihn der als Wachposten an der Thüre aufgestellte
Raubgenosse, zu wem er wolle, und versuchte ihn auf-
zuhalten; der junge Mann indeß antwortete, er gehöre
zum Hause, und eilte vor Freude, die Seinen wie-
der zu sehen, ungeduldig die Treppe hinauf. Dieser
unerwartete Zufall setzte die Räuber in die größte Be-
stürzung, und sie machten sich augenblicklich mit Krone
und Reichsapfel aus dem Staube, ließen aber das noch
unzerfeilte Scepter zurück.

Jetzt kam der gemishandelte, treue Wächter sei-
ner Schätze völlig wieder zu sich, richtete sich auf, riß
mit Anstrengung den Knebel aus dem Munde und
schrie: "Verrath, Mörder!" Seine Tochter, welche wol
einen ganz andern Ruf erwartet hatte, hörte den Schrei,
lief hinaus und wiederholte ihn. Bald wurde der
Lärm allgemein und die Veranlassung bekannt; der
junge Edwards und sein Schwager, Capitain Beck-
man, setzten den Räubern nach, welche indessen schon
durch einen Thorwärter waren aufgehalten worden; aber
Blood schoß sein Pistol auf diesen ab, der auch zu-
sammenstürzte, obgleich er nicht getroffen war, und die
Diebe setzten ungehindert ihren Weg durch die übrigen
Thore und über die Zugbrücke fort. Draußen warte-
ten ihre Pferde, auf welche sie sich warfen und im
schnellsten Galopp den Tower entlang ritten, indem sie
aus vollem Halse riefen: "Halt die Spitzbuben!" bis
endlich Capitain Beckman sie einholte. Zwar feuerte
Blood auch auf ihn ein Pistol ab, fehlte ihn aber und
ward festgenommen. Unter dem Mantel des kühnen
Diebes fand man die Krone, und obgleich er sich ge-
fangen sah, hatte er doch noch die Unverschämtheit,
sich herumzubalgen, und als seine Beute ihm end-
lich mit Gewalt genommen wurde, sagte er: "Der
Versuch war wenigstens der Mühe werth, wenn auch
nicht glücklich; es galt ja eine Krone!"

Auch Parrot wurde ergriffen; aber Hunt, Blood's
Schwiegersohn, entkam und wurde erst später aufgefun-
den und in sichern Gewahrsam gebracht. Bei dieser
Gelegenheit gingen die große Perle, der große Diamant
und einige kleinere Steine verloren, wurden jedoch spä-
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] Kranke sogleich in ihre Wohnung, wo dieselbe bald
wieder sich wohl fühlte und dankbar für die erfahrene
Freundlichkeit von den ehrlichen, nichts Böses ahnen-
den Leuten schied. Wenige Tage darauf kam Blood
wieder, um der Frau Edwards im Namen der Seini-
gen einige Paar weißer Handschuhe zum Geschenk zu
bringen; nachdem so die erste Bekanntschaft ange-
knüpft war, wurde nichts versäumt, dieselbe durch
immer häufigere Besuche inniger zu machen, bis end-
lich der verschmitzte Schelm durch den Vorschlag ei-
ner Heirath zwischen der Tochter Edwards und einem
vorgeblichen Neffen Blood's, der gegen 1000 Thaler
jährliche sichere Einkünfte haben sollte, die guten, ehr-
lichen Leute ganz sicher machte. Die Einwilligung des
alten Edwards brauchte nicht erst erbeten zu werden;
mit Freuden willigte er in eine Verbindung, in wel-
cher er das Glück seines Kindes zu sehen glaubte, und
lud den vorgeblichen Prediger ein, nächstens mit ihm
zu Mittag zu essen, um das Vorhaben weiter bespre-
chen zu können. Blood nahm die Einladung an, über-
nahm es als Geistlicher, der Sitte gemäß das Tischge-
bet zu sprechen, wobei er in Wort und Haltung die
tiefste Andacht heuchelte und mit einem inbrünstigen
Gebete für den König und die königliche Familie schloß.
Nach Tische ließ er sich in den übrigen Zimmern, wel-
che zur Wohnung des Aufsehers gehörten, herumfüh-
ren, und da er hier ein Paar schöne Pistolen hängen
sah, wünschte er dieselben zu kaufen, vielleicht um auf diese
Weise dem alten Manne auch die letzten Mittel zur
Vertheidigung zu entziehen. Beim Weggehen bestimmte
er Tag und Stunde, wo er seinen jungen Nef-
fen einführen und der ihm bestimmten Braut vor-
stellen wollte. An diesem Tage war der alte Ed-
wards früher als gewöhnlich aufgestanden, um seinen
werthen Freund gehörig empfangen zu können, seine Toch-
ter aber hatte alle Kunst des Anzuges aufgeboten, um
ihrem Zukünftigen recht zu gefallen, als Blood mit
drei Begleitern, die alle mit Stockdegen, Dolchen und
Pistolen bewaffnet waren, ankam. Zwei von diesen seinen
Begleitern traten mit ihm ins Haus, der dritte aber
blieb an der Thüre stehen, indem er glauben ließ, es liege
ihm mehr daran, die schöne Tochter des Hauses zu se-
hen, in der That aber sollte er hier Wache halten und
seine Spießgesellen vor Überrumpelung sichern. Das
junge Mädchen, die es nicht für schicklich hielt, herun-
terzukommen, bevor sie von ihrem Vater gerufen wurde,
aber doch gern den ihr bestimmten Gemahl kennen ler-
nen wollte, schickte in dem Drange ihrer Neugierde
ihr Dienstmädchen herab, um ihr eine Beschreibung
von den Begleitern des Herrn Blood zu bringen.
Diese aber hielt, wie leicht zu erklären ist, den auf-
merksamen jungen Mann, der an der Thüre zurückge-
blieben war und unverwandt nach den Fenstern ihrer
Herrin hinaufsah, für den hoffenden Bräutigam, und
brachte eine sehr günstige Schilderung von ihm zu-
rück. Während dessen sagte Blood zu Edwards, sie
wollten nicht eher hinauf zu den Frauen gehen, bis
die seinige kommen würde, und schlug vor, während
der Zeit die Kronjuwelen seinen Freunden zu zeigen.
Kaum aber waren sie in den Saal getreten und Edwards
hatte, wie gewöhnlich, die Thüre hinter sich verschlos-
sen, als die Bösewichter dem alten Manne einen Man-
tel über den Kopf warfen und einen Knebel ihm in
den Mund drehten. Als sie so jeden Widerstand von
seiner Seite unmöglich gemacht, sagten sie ihm, sie
müßten die Krone, den Reichsapfel und das Scepter
haben; würde er ihnen diese geben oder dieselben neh-
men lassen, so wollten sie ihm das Leben schenken;
[Spaltenumbruch] sonst habe er keine Gnade zu erwarten. Hierauf
strengte sich der alte Mann aus allen Kräften an,
so laut zu rufen, daß man ihn oben hören möchte,
wofür ihn die Nichtswürdigen mit einem hölzernen
Schlegel niederschlugen unter der wiederholten Ver-
sicherung, daß sie ihm nur unter der Bedingung das
Leben schenken könnten, daß er sich ruhig verhaltet,
wo nicht, so würden sie ihn beim nächsten Versuche,
sie zu verrathen, tödten. Doch ließ sich der ehrliche Ed-
wards durch alle diese Drohungen nicht einschüchtern,
sondern versuchte nur, um so lauter zu schreien, em-
pfing aber dafür auch sogleich noch einige Schläge
auf den Kopf und einen Dolchstoß in den Unter-
leib, in Folge dessen er die Besinnung verlor, sodaß ei-
ner der Räuber ihn für todt erklärte. Edwards je-
doch war indessen wieder zu sich gekommen, hiel-
es aber unter so bewandten Umständen für das Beste,
die Räuber in ihrem Wahne zu lassen, als sei er
wirklich todt. Diese theilten nun die Beute; der eine
von ihnen, Namens Parrot, ein Seidenfärber und
früher Offizier unter Cromwell, steckte den Reichsapfel
in seine weiten Pluderhosen; Blood nahm die Krone
unter seinen Mantel, und der Dritte war eben im
Begriffe, das Scepter entzwei zu feilen, um es in
einen ledernen Beutel zu stecken, den man eigens
dazu mitgebracht hatte, als glücklicherweise der Sohn
des alten Edwards, der mit Sir John Talbot in
Flandern gewesen war, unvermuthet ankam. Zwar
fragte ihn der als Wachposten an der Thüre aufgestellte
Raubgenosse, zu wem er wolle, und versuchte ihn auf-
zuhalten; der junge Mann indeß antwortete, er gehöre
zum Hause, und eilte vor Freude, die Seinen wie-
der zu sehen, ungeduldig die Treppe hinauf. Dieser
unerwartete Zufall setzte die Räuber in die größte Be-
stürzung, und sie machten sich augenblicklich mit Krone
und Reichsapfel aus dem Staube, ließen aber das noch
unzerfeilte Scepter zurück.

Jetzt kam der gemishandelte, treue Wächter sei-
ner Schätze völlig wieder zu sich, richtete sich auf, riß
mit Anstrengung den Knebel aus dem Munde und
schrie: „Verrath, Mörder!“ Seine Tochter, welche wol
einen ganz andern Ruf erwartet hatte, hörte den Schrei,
lief hinaus und wiederholte ihn. Bald wurde der
Lärm allgemein und die Veranlassung bekannt; der
junge Edwards und sein Schwager, Capitain Beck-
man, setzten den Räubern nach, welche indessen schon
durch einen Thorwärter waren aufgehalten worden; aber
Blood schoß sein Pistol auf diesen ab, der auch zu-
sammenstürzte, obgleich er nicht getroffen war, und die
Diebe setzten ungehindert ihren Weg durch die übrigen
Thore und über die Zugbrücke fort. Draußen warte-
ten ihre Pferde, auf welche sie sich warfen und im
schnellsten Galopp den Tower entlang ritten, indem sie
aus vollem Halse riefen: „Halt die Spitzbuben!“ bis
endlich Capitain Beckman sie einholte. Zwar feuerte
Blood auch auf ihn ein Pistol ab, fehlte ihn aber und
ward festgenommen. Unter dem Mantel des kühnen
Diebes fand man die Krone, und obgleich er sich ge-
fangen sah, hatte er doch noch die Unverschämtheit,
sich herumzubalgen, und als seine Beute ihm end-
lich mit Gewalt genommen wurde, sagte er: „Der
Versuch war wenigstens der Mühe werth, wenn auch
nicht glücklich; es galt ja eine Krone!“

Auch Parrot wurde ergriffen; aber Hunt, Blood's
Schwiegersohn, entkam und wurde erst später aufgefun-
den und in sichern Gewahrsam gebracht. Bei dieser
Gelegenheit gingen die große Perle, der große Diamant
und einige kleinere Steine verloren, wurden jedoch spä-
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Die Einwilligung des alten Edwards brauchte nicht erst erbeten zu werden; mit Freuden willigte er in eine Verbindung, in wel- cher er das Glück seines Kindes zu sehen glaubte, und lud den vorgeblichen Prediger ein, nächstens mit ihm zu Mittag zu essen, um das Vorhaben weiter bespre- chen zu können. Blood nahm die Einladung an, über- nahm es als Geistlicher, der Sitte gemäß das Tischge- bet zu sprechen, wobei er in Wort und Haltung die tiefste Andacht heuchelte und mit einem inbrünstigen Gebete für den König und die königliche Familie schloß. Nach Tische ließ er sich in den übrigen Zimmern, wel- che zur Wohnung des Aufsehers gehörten, herumfüh- ren, und da er hier ein Paar schöne Pistolen hängen sah, wünschte er dieselben zu kaufen, vielleicht um auf diese Weise dem alten Manne auch die letzten Mittel zur Vertheidigung zu entziehen. Beim Weggehen bestimmte er Tag und Stunde, wo er seinen jungen Nef- fen einführen und der ihm bestimmten Braut vor- stellen wollte. 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Diese theilten nun die Beute; der eine von ihnen, Namens Parrot, ein Seidenfärber und früher Offizier unter Cromwell, steckte den Reichsapfel in seine weiten Pluderhosen; Blood nahm die Krone unter seinen Mantel, und der Dritte war eben im Begriffe, das Scepter entzwei zu feilen, um es in einen ledernen Beutel zu stecken, den man eigens dazu mitgebracht hatte, als glücklicherweise der Sohn des alten Edwards, der mit Sir John Talbot in Flandern gewesen war, unvermuthet ankam. Zwar fragte ihn der als Wachposten an der Thüre aufgestellte Raubgenosse, zu wem er wolle, und versuchte ihn auf- zuhalten; der junge Mann indeß antwortete, er gehöre zum Hause, und eilte vor Freude, die Seinen wie- der zu sehen, ungeduldig die Treppe hinauf. Dieser unerwartete Zufall setzte die Räuber in die größte Be- stürzung, und sie machten sich augenblicklich mit Krone und Reichsapfel aus dem Staube, ließen aber das noch unzerfeilte Scepter zurück. Jetzt kam der gemishandelte, treue Wächter sei- ner Schätze völlig wieder zu sich, richtete sich auf, riß mit Anstrengung den Knebel aus dem Munde und schrie: „Verrath, Mörder!“ Seine Tochter, welche wol einen ganz andern Ruf erwartet hatte, hörte den Schrei, lief hinaus und wiederholte ihn. Bald wurde der Lärm allgemein und die Veranlassung bekannt; der junge Edwards und sein Schwager, Capitain Beck- man, setzten den Räubern nach, welche indessen schon durch einen Thorwärter waren aufgehalten worden; aber Blood schoß sein Pistol auf diesen ab, der auch zu- sammenstürzte, obgleich er nicht getroffen war, und die Diebe setzten ungehindert ihren Weg durch die übrigen Thore und über die Zugbrücke fort. Draußen warte- ten ihre Pferde, auf welche sie sich warfen und im schnellsten Galopp den Tower entlang ritten, indem sie aus vollem Halse riefen: „Halt die Spitzbuben!“ bis endlich Capitain Beckman sie einholte. Zwar feuerte Blood auch auf ihn ein Pistol ab, fehlte ihn aber und ward festgenommen. Unter dem Mantel des kühnen Diebes fand man die Krone, und obgleich er sich ge- fangen sah, hatte er doch noch die Unverschämtheit, sich herumzubalgen, und als seine Beute ihm end- lich mit Gewalt genommen wurde, sagte er: „Der Versuch war wenigstens der Mühe werth, wenn auch nicht glücklich; es galt ja eine Krone!“ Auch Parrot wurde ergriffen; aber Hunt, Blood's Schwiegersohn, entkam und wurde erst später aufgefun- den und in sichern Gewahrsam gebracht. Bei dieser Gelegenheit gingen die große Perle, der große Diamant und einige kleinere Steine verloren, wurden jedoch spä-

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 155. Leipzig (Sachsen), 19. März 1836, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig155_1836/3>, abgerufen am 14.06.2024.