Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 165. Leipzig (Sachsen), 28. Mai 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] die Extremitäten des Thieres sein, je nachdem es
lauft, springt, hüpft, kriecht oder schleicht. Der Bau
des Kopfs, der Hörner, des Gebisses u. s. w. muß sich
danach richten, wie es seine Nahrung erlangt, ob es
Feinde zu bekämpfen, und wie es sie zu überwälti-
gen hat. Ein aufmerksamer Blick auf den Kopf des
Ebers zeigt uns z. B. seine ganze Lebensweise und die
besondere Richtung seiner Kraft. Er lebt von Wurzeln,
die er aus der Erde wühlen muß; die Werkzeuge, mit
denen er dies verrichtet, dienen auch zu seiner Verthei-
digung. Durch die eigenthümliche Stellung der Fang-
zähne ist das Auge beim Aufwühlen der Erde geschützt;
die Bildung des Rückgrats, die merkwürdige Richtung
des hintern Schädels, um sich fest mit den starken
Muskeln zu verbinden, Alles zeigt, wie das ganze Ge-
wicht und die Kraft dieses Thieres nach vorwärts geht,
und sich in den mächtigen Fängen concentrirt. Jetzt
sieht man den Grund ein, warum der Hals so kurz
und steif ist, warum die ganze Stärke der Schultern
dem Kopfe und den mächtigen Hauern zustrebt.

Unsere Abbildung stellt den Kopf eines äthiopischen
Ebers dar. Die gewaltigen Hauer zeigen, welch ein
furchtbares Thier dies sein muß. Daneben ist das
Skelett eines deutschen Ebers abgebildet *), an dessen
kraftvollem Rückgrath man das oben Gesagte bestätigt
finden wird.



Pferderacen.
( Beschluß aus Nr. 164. )

Gehen wir nach diesen geschichtlichen Andeutungen
zu den verschiedenen Racen der englischen Pferde über.
Das gewöhnliche Reitpferd ist in den verschiedenen
Landestheilen verschieden. Man sieht dabei vorzüglich
auf regelmäßige Bildung der Schuliern und der Vorder-
füße. Die Schultern dürfen nicht zu sehr aufrecht ste-
hen, sondern müssen rückwärts abfallen. Ein Pferd,
dessen Schultern gut sind, steht in seiner natürlichen
Stellung mit den Vorderfüßen in einer senkrechten Linie
auf dem Boden, daher ein vorsichtiger Käufer es im
Stalle ansieht, ehe es aus seiner gewöhnlichen Stellung
gebracht ist. Ein gut gebauter Vorderfuß muß unter
dem Knie so stark als über dem Hufhaare sein. Das
gewöhnliche Ackerpferd, das sowol zum Reiten als zum
Ziehen gebraucht wird, muß höher als das gemeine
Reitpferd sein, wenigstens 15 Hand 2 Zoll hoch. Es
muß eine stärkere Schulter als dieses haben. Der eng-
lische Landwirth zieht jetzt rüstige Pferde den ehemaligen
schweren und plumpen vor. Die Pferdezucht wird haupt-
sächlich nur in den nördlichen Grafschaften Englands ge-
trieben, obgleich jeder Landwirth, der Gelegenheit hat,
Füllen zu erziehen, sich mit Nutzen auf diese Zucht le-
gen könnte. Diese Bemerkung gilt nicht blos für Eng-
land, sondern ist von allgemeiner Anwendbarkeit. Der
englische Landwirth beachtet übrigens zu wenig den er-
probten Grundsatz der Araber, daß bei einer guten Zucht
es vorzüglich auf die Stute ankommt.

Das englische Kutschpferd gehört schon zu der
höher veredelten Zucht und ist jetzt ganz anders als vor
50 Jahren. Das plump gebaute, dickfüßige, feiste,
schwarze Familienpferd, das eine Meile in einer Stunde
zurücklegte und nach einer Tagereise erschöpft war, sieht
man jetzt nicht mehr, und man hat dagegen schön ge-
baute Thiere, die stärker und dreimal so schnell sind.
[Spaltenumbruch] Die besten Kutschpferde kommen aus der Grafschaft
York. Aus demselben Theile Englands kommen die
schweren und hohen Zugpferde, die man von ihrer Hei-
mat Clevelandpferde nennt. Sie können mehr als 700
Pfund 12 Meilen weit in 24 Stunden ziehen und
diese Reise viermal wöchentlich machen; doch ist dieser
Stamm jetzt fast ausgestorben. Jhnen ähnlich sind die
gleichfalls jetzt seltenen Suffolkpferde, sehr starke Thiere,
mit großem Kopfe, sehr niedrigen Schultern und von
rothbrauner Farbe, aber dabei sehr behende und sicher.
Eine gute Zucht für Pferde zu demselben Gebrauche
gibt es auch im Clydethale in Schottland. Sie wer-
den im südlichen Schottland nicht nur für landwirth-
schaftliche Arbeiten, sondern selbst als Kutschpferde und
zum Reiten benutzt. Durch Stärke und stattliche Gestalt
ausgezeichnet ist noch das sogenannte schwere schwarze
Pferd, das vorzüglich in Lincolnshire gezogen wird.
Die Landwirthe, die sie ziehen, verkaufen sie gewöhnlich
zu dem Gebrauche auf den Landstraßen in der Nähe
der Hauptstadt, die kräftige Zugthiere fodern, und berei-
ten sie zu dieser Bestimmung vor, indem sie dieselben
sehr jung, oft vier nebeneinander, einen Pflug ziehen
lassen. Man sieht deren einige, welche in einem Alter
von dritthalb Jahren 17 Hand hoch sind. Die stärk-
sten Pferde dieser Gattung, die sich durch eine breite
Brust und hohe Schultern auszeichnen, werden als
Karrengäule gebraucht. Man hat sie in neuern Zei-
ten durch Kreuzung mit Pferden von flamändischer
Zucht verbessert. Eine leichter gebaute feurigere Art
von diesem Stamme wird bei der englischen Reiterei
benutzt. Jn frühern Zeiten wurden für die Reiterei
meist starke und schwere Pferde gewählt, später aber
behielt man diese nur in den Garderegimentern bei
und wählte für die übrige Reiterei leichtere und schnel-
lere Pferde, doch war man darin zum Theil zu weit
gegangen, und es zeigte sich, daß vor und in der
Schlacht bei Waterloo nur die Gardereiter den heftigen
Angriffen der französischen schweren Reiterei widerstehen
konnten.

Besondere Sorgfalt wird in England auf die Zucht
der Rennpferde ( race horses ) gewendet. Über den
Ursprung derselben ist man nicht einig. Nach einigen
stammen sie von väterlicher und mütterlicher Seite von
morgenländischen Pferden, nach andern von einheimischen,
die mit Berbern oder türkischen und arabischen Thieren
gekreuzt wurden. Mögen die Rennpferde in frühern Zei-
ten, wie man behauptet, alle von morgenländischem
Ursprunge gewesen sein, so kann man doch im Allge-
meinen annehmen, daß der jetzige Stamm im Ganzen
zwar von fremder Herkunft ist, aber durch den Ein-
fluß des Klimas und sorgfältige Pflege sich veredelt hat.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die in England gezoge-
nen Pferde dieser Art an Schönheit, Schnelligkeit und
Stärke die berühmten Renner aus der arabischen
Wüste übertroffen haben. Seit 50 Jahren hat man
in England die Stammbäume der Renner mit großer
Sorgfalt fortgeführt. Der Stammvater der besten
Rennpferde ist der Darley=Araber, der in der Wüste
bei Palmyra gezogen und von dem Engländer Darley
in Aleppo gekauft wurde. Zu seinen berühmte-
sten Nachkommen gehören der Sampson, der Eclipse
und der windschnelle Childers, von welchem man er-
zählt, daß er eine englische Meile in einer Minute lau-
fen konnte. Der Eclipse, der 1789 starb, siegte in
334 Wettrennen und verdiente seinen Eigenthümern
über 160,000 Pfund Sterling, und ein Abkömmling
des Childers, der König Herodes, siegte 497mal und
gewann gegen 200,000 Pfund. Ein anderer Stamm-
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den wilden Eber Pfennig=Magazin Nr. 122.

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] die Extremitäten des Thieres sein, je nachdem es
lauft, springt, hüpft, kriecht oder schleicht. Der Bau
des Kopfs, der Hörner, des Gebisses u. s. w. muß sich
danach richten, wie es seine Nahrung erlangt, ob es
Feinde zu bekämpfen, und wie es sie zu überwälti-
gen hat. Ein aufmerksamer Blick auf den Kopf des
Ebers zeigt uns z. B. seine ganze Lebensweise und die
besondere Richtung seiner Kraft. Er lebt von Wurzeln,
die er aus der Erde wühlen muß; die Werkzeuge, mit
denen er dies verrichtet, dienen auch zu seiner Verthei-
digung. Durch die eigenthümliche Stellung der Fang-
zähne ist das Auge beim Aufwühlen der Erde geschützt;
die Bildung des Rückgrats, die merkwürdige Richtung
des hintern Schädels, um sich fest mit den starken
Muskeln zu verbinden, Alles zeigt, wie das ganze Ge-
wicht und die Kraft dieses Thieres nach vorwärts geht,
und sich in den mächtigen Fängen concentrirt. Jetzt
sieht man den Grund ein, warum der Hals so kurz
und steif ist, warum die ganze Stärke der Schultern
dem Kopfe und den mächtigen Hauern zustrebt.

Unsere Abbildung stellt den Kopf eines äthiopischen
Ebers dar. Die gewaltigen Hauer zeigen, welch ein
furchtbares Thier dies sein muß. Daneben ist das
Skelett eines deutschen Ebers abgebildet *), an dessen
kraftvollem Rückgrath man das oben Gesagte bestätigt
finden wird.



Pferderacen.
( Beschluß aus Nr. 164. )

Gehen wir nach diesen geschichtlichen Andeutungen
zu den verschiedenen Racen der englischen Pferde über.
Das gewöhnliche Reitpferd ist in den verschiedenen
Landestheilen verschieden. Man sieht dabei vorzüglich
auf regelmäßige Bildung der Schuliern und der Vorder-
füße. Die Schultern dürfen nicht zu sehr aufrecht ste-
hen, sondern müssen rückwärts abfallen. Ein Pferd,
dessen Schultern gut sind, steht in seiner natürlichen
Stellung mit den Vorderfüßen in einer senkrechten Linie
auf dem Boden, daher ein vorsichtiger Käufer es im
Stalle ansieht, ehe es aus seiner gewöhnlichen Stellung
gebracht ist. Ein gut gebauter Vorderfuß muß unter
dem Knie so stark als über dem Hufhaare sein. Das
gewöhnliche Ackerpferd, das sowol zum Reiten als zum
Ziehen gebraucht wird, muß höher als das gemeine
Reitpferd sein, wenigstens 15 Hand 2 Zoll hoch. Es
muß eine stärkere Schulter als dieses haben. Der eng-
lische Landwirth zieht jetzt rüstige Pferde den ehemaligen
schweren und plumpen vor. Die Pferdezucht wird haupt-
sächlich nur in den nördlichen Grafschaften Englands ge-
trieben, obgleich jeder Landwirth, der Gelegenheit hat,
Füllen zu erziehen, sich mit Nutzen auf diese Zucht le-
gen könnte. Diese Bemerkung gilt nicht blos für Eng-
land, sondern ist von allgemeiner Anwendbarkeit. Der
englische Landwirth beachtet übrigens zu wenig den er-
probten Grundsatz der Araber, daß bei einer guten Zucht
es vorzüglich auf die Stute ankommt.

Das englische Kutschpferd gehört schon zu der
höher veredelten Zucht und ist jetzt ganz anders als vor
50 Jahren. Das plump gebaute, dickfüßige, feiste,
schwarze Familienpferd, das eine Meile in einer Stunde
zurücklegte und nach einer Tagereise erschöpft war, sieht
man jetzt nicht mehr, und man hat dagegen schön ge-
baute Thiere, die stärker und dreimal so schnell sind.
[Spaltenumbruch] Die besten Kutschpferde kommen aus der Grafschaft
York. Aus demselben Theile Englands kommen die
schweren und hohen Zugpferde, die man von ihrer Hei-
mat Clevelandpferde nennt. Sie können mehr als 700
Pfund 12 Meilen weit in 24 Stunden ziehen und
diese Reise viermal wöchentlich machen; doch ist dieser
Stamm jetzt fast ausgestorben. Jhnen ähnlich sind die
gleichfalls jetzt seltenen Suffolkpferde, sehr starke Thiere,
mit großem Kopfe, sehr niedrigen Schultern und von
rothbrauner Farbe, aber dabei sehr behende und sicher.
Eine gute Zucht für Pferde zu demselben Gebrauche
gibt es auch im Clydethale in Schottland. Sie wer-
den im südlichen Schottland nicht nur für landwirth-
schaftliche Arbeiten, sondern selbst als Kutschpferde und
zum Reiten benutzt. Durch Stärke und stattliche Gestalt
ausgezeichnet ist noch das sogenannte schwere schwarze
Pferd, das vorzüglich in Lincolnshire gezogen wird.
Die Landwirthe, die sie ziehen, verkaufen sie gewöhnlich
zu dem Gebrauche auf den Landstraßen in der Nähe
der Hauptstadt, die kräftige Zugthiere fodern, und berei-
ten sie zu dieser Bestimmung vor, indem sie dieselben
sehr jung, oft vier nebeneinander, einen Pflug ziehen
lassen. Man sieht deren einige, welche in einem Alter
von dritthalb Jahren 17 Hand hoch sind. Die stärk-
sten Pferde dieser Gattung, die sich durch eine breite
Brust und hohe Schultern auszeichnen, werden als
Karrengäule gebraucht. Man hat sie in neuern Zei-
ten durch Kreuzung mit Pferden von flamändischer
Zucht verbessert. Eine leichter gebaute feurigere Art
von diesem Stamme wird bei der englischen Reiterei
benutzt. Jn frühern Zeiten wurden für die Reiterei
meist starke und schwere Pferde gewählt, später aber
behielt man diese nur in den Garderegimentern bei
und wählte für die übrige Reiterei leichtere und schnel-
lere Pferde, doch war man darin zum Theil zu weit
gegangen, und es zeigte sich, daß vor und in der
Schlacht bei Waterloo nur die Gardereiter den heftigen
Angriffen der französischen schweren Reiterei widerstehen
konnten.

Besondere Sorgfalt wird in England auf die Zucht
der Rennpferde ( race horses ) gewendet. Über den
Ursprung derselben ist man nicht einig. Nach einigen
stammen sie von väterlicher und mütterlicher Seite von
morgenländischen Pferden, nach andern von einheimischen,
die mit Berbern oder türkischen und arabischen Thieren
gekreuzt wurden. Mögen die Rennpferde in frühern Zei-
ten, wie man behauptet, alle von morgenländischem
Ursprunge gewesen sein, so kann man doch im Allge-
meinen annehmen, daß der jetzige Stamm im Ganzen
zwar von fremder Herkunft ist, aber durch den Ein-
fluß des Klimas und sorgfältige Pflege sich veredelt hat.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die in England gezoge-
nen Pferde dieser Art an Schönheit, Schnelligkeit und
Stärke die berühmten Renner aus der arabischen
Wüste übertroffen haben. Seit 50 Jahren hat man
in England die Stammbäume der Renner mit großer
Sorgfalt fortgeführt. Der Stammvater der besten
Rennpferde ist der Darley=Araber, der in der Wüste
bei Palmyra gezogen und von dem Engländer Darley
in Aleppo gekauft wurde. Zu seinen berühmte-
sten Nachkommen gehören der Sampson, der Eclipse
und der windschnelle Childers, von welchem man er-
zählt, daß er eine englische Meile in einer Minute lau-
fen konnte. Der Eclipse, der 1789 starb, siegte in
334 Wettrennen und verdiente seinen Eigenthümern
über 160,000 Pfund Sterling, und ein Abkömmling
des Childers, der König Herodes, siegte 497mal und
gewann gegen 200,000 Pfund. Ein anderer Stamm-
[Ende Spaltensatz]

*) Vergl. über den wilden Eber Pfennig=Magazin Nr. 122.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="174"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/>
die Extremitäten des Thieres sein, je nachdem es<lb/>
lauft, springt, hüpft, kriecht oder schleicht. Der Bau<lb/>
des Kopfs, der Hörner, des Gebisses u. s. w. muß sich<lb/>
danach richten, wie es seine Nahrung erlangt, ob es<lb/>
Feinde zu bekämpfen, und wie es sie zu überwälti-<lb/>
gen hat. Ein aufmerksamer Blick auf den Kopf des<lb/>
Ebers zeigt uns z. B. seine ganze Lebensweise und die<lb/>
besondere Richtung seiner Kraft. Er lebt von Wurzeln,<lb/>
die er aus der Erde wühlen muß; die Werkzeuge, mit<lb/>
denen er dies verrichtet, dienen auch zu seiner Verthei-<lb/>
digung. Durch die eigenthümliche Stellung der Fang-<lb/>
zähne ist das Auge beim Aufwühlen der Erde geschützt;<lb/>
die Bildung des Rückgrats, die merkwürdige Richtung<lb/>
des hintern Schädels, um sich fest mit den starken<lb/>
Muskeln zu verbinden, Alles zeigt, wie das ganze Ge-<lb/>
wicht und die Kraft dieses Thieres nach vorwärts geht,<lb/>
und sich in den mächtigen Fängen concentrirt. Jetzt<lb/>
sieht man den Grund ein, warum der Hals so kurz<lb/>
und steif ist, warum die ganze Stärke der Schultern<lb/>
dem Kopfe und den mächtigen Hauern zustrebt.</p><lb/>
        <p>Unsere Abbildung stellt den Kopf eines äthiopischen<lb/>
Ebers dar. Die gewaltigen Hauer zeigen, welch ein<lb/>
furchtbares Thier dies sein muß. Daneben ist das<lb/>
Skelett eines deutschen Ebers abgebildet <note place="foot" n="*)">Vergl. über den wilden Eber Pfennig=Magazin Nr. 122.</note>, an dessen<lb/>
kraftvollem Rückgrath man das oben Gesagte bestätigt<lb/>
finden wird.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div xml:id="Pferde4" type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Pferderacen</hi>.</hi><lb/>
          <ref target="nn_pfennig164_1836#Pferde3">( Beschluß aus Nr. 164. )</ref>
        </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">G</hi>ehen wir nach diesen geschichtlichen Andeutungen<lb/>
zu den verschiedenen Racen der englischen Pferde über.<lb/>
Das gewöhnliche <hi rendition="#g">Reitpferd</hi> ist in den verschiedenen<lb/>
Landestheilen verschieden. Man sieht dabei vorzüglich<lb/>
auf regelmäßige Bildung der Schuliern und der Vorder-<lb/>
füße. Die Schultern dürfen nicht zu sehr aufrecht ste-<lb/>
hen, sondern müssen rückwärts abfallen. Ein Pferd,<lb/>
dessen Schultern gut sind, steht in seiner natürlichen<lb/>
Stellung mit den Vorderfüßen in einer senkrechten Linie<lb/>
auf dem Boden, daher ein vorsichtiger Käufer es im<lb/>
Stalle ansieht, ehe es aus seiner gewöhnlichen Stellung<lb/>
gebracht ist. Ein gut gebauter Vorderfuß muß unter<lb/>
dem Knie so stark als über dem Hufhaare sein. Das<lb/>
gewöhnliche Ackerpferd, das sowol zum Reiten als zum<lb/>
Ziehen gebraucht wird, muß höher als das gemeine<lb/>
Reitpferd sein, wenigstens 15 Hand 2 Zoll hoch. Es<lb/>
muß eine stärkere Schulter als dieses haben. Der eng-<lb/>
lische Landwirth zieht jetzt rüstige Pferde den ehemaligen<lb/>
schweren und plumpen vor. Die Pferdezucht wird haupt-<lb/>
sächlich nur in den nördlichen Grafschaften Englands ge-<lb/>
trieben, obgleich jeder Landwirth, der Gelegenheit hat,<lb/>
Füllen zu erziehen, sich mit Nutzen auf diese Zucht le-<lb/>
gen könnte. Diese Bemerkung gilt nicht blos für Eng-<lb/>
land, sondern ist von allgemeiner Anwendbarkeit. Der<lb/>
englische Landwirth beachtet übrigens zu wenig den er-<lb/>
probten Grundsatz der Araber, daß bei einer guten Zucht<lb/>
es vorzüglich auf die Stute ankommt.</p><lb/>
        <p>Das englische <hi rendition="#g">Kutschpferd</hi> gehört schon zu der<lb/>
höher veredelten Zucht und ist jetzt ganz anders als vor<lb/>
50 Jahren. Das plump gebaute, dickfüßige, feiste,<lb/>
schwarze Familienpferd, das eine Meile in einer Stunde<lb/>
zurücklegte und nach einer Tagereise erschöpft war, sieht<lb/>
man jetzt nicht mehr, und man hat dagegen schön ge-<lb/>
baute Thiere, die stärker und dreimal so schnell sind.<lb/><cb n="2"/>
Die besten Kutschpferde kommen aus der Grafschaft<lb/>
York. Aus demselben Theile Englands kommen die<lb/>
schweren und hohen Zugpferde, die man von ihrer Hei-<lb/>
mat Clevelandpferde nennt. Sie können mehr als 700<lb/>
Pfund 12 Meilen weit in 24 Stunden ziehen und<lb/>
diese Reise viermal wöchentlich machen; doch ist dieser<lb/>
Stamm jetzt fast ausgestorben. Jhnen ähnlich sind die<lb/>
gleichfalls jetzt seltenen Suffolkpferde, sehr starke Thiere,<lb/>
mit großem Kopfe, sehr niedrigen Schultern und von<lb/>
rothbrauner Farbe, aber dabei sehr behende und sicher.<lb/>
Eine gute Zucht für Pferde zu demselben Gebrauche<lb/>
gibt es auch im Clydethale in Schottland. Sie wer-<lb/>
den im südlichen Schottland nicht nur für landwirth-<lb/>
schaftliche Arbeiten, sondern selbst als Kutschpferde und<lb/>
zum Reiten benutzt. Durch Stärke und stattliche Gestalt<lb/>
ausgezeichnet ist noch das sogenannte schwere schwarze<lb/>
Pferd, das vorzüglich in Lincolnshire gezogen wird.<lb/>
Die Landwirthe, die sie ziehen, verkaufen sie gewöhnlich<lb/>
zu dem Gebrauche auf den Landstraßen in der Nähe<lb/>
der Hauptstadt, die kräftige Zugthiere fodern, und berei-<lb/>
ten sie zu dieser Bestimmung vor, indem sie dieselben<lb/>
sehr jung, oft vier nebeneinander, einen Pflug ziehen<lb/>
lassen. Man sieht deren einige, welche in einem Alter<lb/>
von dritthalb Jahren 17 Hand hoch sind. Die stärk-<lb/>
sten Pferde dieser Gattung, die sich durch eine breite<lb/>
Brust und hohe Schultern auszeichnen, werden als<lb/>
Karrengäule gebraucht. Man hat sie in neuern Zei-<lb/>
ten durch Kreuzung mit Pferden von flamändischer<lb/>
Zucht verbessert. Eine leichter gebaute feurigere Art<lb/>
von diesem Stamme wird bei der englischen Reiterei<lb/>
benutzt. Jn frühern Zeiten wurden für die Reiterei<lb/>
meist starke und schwere Pferde gewählt, später aber<lb/>
behielt man diese nur in den Garderegimentern bei<lb/>
und wählte für die übrige Reiterei leichtere und schnel-<lb/>
lere Pferde, doch war man darin zum Theil zu weit<lb/>
gegangen, und es zeigte sich, daß vor und in der<lb/>
Schlacht bei Waterloo nur die Gardereiter den heftigen<lb/>
Angriffen der französischen schweren Reiterei widerstehen<lb/>
konnten.</p><lb/>
        <p>Besondere Sorgfalt wird in England auf die Zucht<lb/>
der <hi rendition="#g">Rennpferde</hi> ( <hi rendition="#aq">race horses</hi> ) gewendet. Über den<lb/>
Ursprung derselben ist man nicht einig. Nach einigen<lb/>
stammen sie von väterlicher und mütterlicher Seite von<lb/>
morgenländischen Pferden, nach andern von einheimischen,<lb/>
die mit Berbern oder türkischen und arabischen Thieren<lb/>
gekreuzt wurden. Mögen die Rennpferde in frühern Zei-<lb/>
ten, wie man behauptet, alle von morgenländischem<lb/>
Ursprunge gewesen sein, so kann man doch im Allge-<lb/>
meinen annehmen, daß der jetzige Stamm im Ganzen<lb/>
zwar von fremder Herkunft ist, aber durch den Ein-<lb/>
fluß des Klimas und sorgfältige Pflege sich veredelt hat.<lb/>
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die in England gezoge-<lb/>
nen Pferde dieser Art an Schönheit, Schnelligkeit und<lb/>
Stärke die berühmten Renner aus der arabischen<lb/>
Wüste übertroffen haben. Seit 50 Jahren hat man<lb/>
in England die Stammbäume der Renner mit großer<lb/>
Sorgfalt fortgeführt. Der Stammvater der besten<lb/>
Rennpferde ist der Darley=Araber, der in der Wüste<lb/>
bei Palmyra gezogen und von dem Engländer Darley<lb/>
in Aleppo gekauft wurde. Zu seinen berühmte-<lb/>
sten Nachkommen gehören der Sampson, der Eclipse<lb/>
und der windschnelle Childers, von welchem man er-<lb/>
zählt, daß er eine englische Meile in einer Minute lau-<lb/>
fen konnte. Der Eclipse, der 1789 starb, siegte in<lb/>
334 Wettrennen und verdiente seinen Eigenthümern<lb/>
über 160,000 Pfund Sterling, und ein Abkömmling<lb/>
des Childers, der König Herodes, siegte 497mal und<lb/>
gewann gegen 200,000 Pfund. Ein anderer Stamm-<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0006] Das Pfennig=Magazin. die Extremitäten des Thieres sein, je nachdem es lauft, springt, hüpft, kriecht oder schleicht. Der Bau des Kopfs, der Hörner, des Gebisses u. s. w. muß sich danach richten, wie es seine Nahrung erlangt, ob es Feinde zu bekämpfen, und wie es sie zu überwälti- gen hat. Ein aufmerksamer Blick auf den Kopf des Ebers zeigt uns z. B. seine ganze Lebensweise und die besondere Richtung seiner Kraft. Er lebt von Wurzeln, die er aus der Erde wühlen muß; die Werkzeuge, mit denen er dies verrichtet, dienen auch zu seiner Verthei- digung. Durch die eigenthümliche Stellung der Fang- zähne ist das Auge beim Aufwühlen der Erde geschützt; die Bildung des Rückgrats, die merkwürdige Richtung des hintern Schädels, um sich fest mit den starken Muskeln zu verbinden, Alles zeigt, wie das ganze Ge- wicht und die Kraft dieses Thieres nach vorwärts geht, und sich in den mächtigen Fängen concentrirt. Jetzt sieht man den Grund ein, warum der Hals so kurz und steif ist, warum die ganze Stärke der Schultern dem Kopfe und den mächtigen Hauern zustrebt. Unsere Abbildung stellt den Kopf eines äthiopischen Ebers dar. Die gewaltigen Hauer zeigen, welch ein furchtbares Thier dies sein muß. Daneben ist das Skelett eines deutschen Ebers abgebildet *), an dessen kraftvollem Rückgrath man das oben Gesagte bestätigt finden wird. Pferderacen. ( Beschluß aus Nr. 164. ) Gehen wir nach diesen geschichtlichen Andeutungen zu den verschiedenen Racen der englischen Pferde über. Das gewöhnliche Reitpferd ist in den verschiedenen Landestheilen verschieden. Man sieht dabei vorzüglich auf regelmäßige Bildung der Schuliern und der Vorder- füße. Die Schultern dürfen nicht zu sehr aufrecht ste- hen, sondern müssen rückwärts abfallen. Ein Pferd, dessen Schultern gut sind, steht in seiner natürlichen Stellung mit den Vorderfüßen in einer senkrechten Linie auf dem Boden, daher ein vorsichtiger Käufer es im Stalle ansieht, ehe es aus seiner gewöhnlichen Stellung gebracht ist. Ein gut gebauter Vorderfuß muß unter dem Knie so stark als über dem Hufhaare sein. Das gewöhnliche Ackerpferd, das sowol zum Reiten als zum Ziehen gebraucht wird, muß höher als das gemeine Reitpferd sein, wenigstens 15 Hand 2 Zoll hoch. Es muß eine stärkere Schulter als dieses haben. Der eng- lische Landwirth zieht jetzt rüstige Pferde den ehemaligen schweren und plumpen vor. Die Pferdezucht wird haupt- sächlich nur in den nördlichen Grafschaften Englands ge- trieben, obgleich jeder Landwirth, der Gelegenheit hat, Füllen zu erziehen, sich mit Nutzen auf diese Zucht le- gen könnte. Diese Bemerkung gilt nicht blos für Eng- land, sondern ist von allgemeiner Anwendbarkeit. Der englische Landwirth beachtet übrigens zu wenig den er- probten Grundsatz der Araber, daß bei einer guten Zucht es vorzüglich auf die Stute ankommt. Das englische Kutschpferd gehört schon zu der höher veredelten Zucht und ist jetzt ganz anders als vor 50 Jahren. Das plump gebaute, dickfüßige, feiste, schwarze Familienpferd, das eine Meile in einer Stunde zurücklegte und nach einer Tagereise erschöpft war, sieht man jetzt nicht mehr, und man hat dagegen schön ge- baute Thiere, die stärker und dreimal so schnell sind. Die besten Kutschpferde kommen aus der Grafschaft York. Aus demselben Theile Englands kommen die schweren und hohen Zugpferde, die man von ihrer Hei- mat Clevelandpferde nennt. Sie können mehr als 700 Pfund 12 Meilen weit in 24 Stunden ziehen und diese Reise viermal wöchentlich machen; doch ist dieser Stamm jetzt fast ausgestorben. Jhnen ähnlich sind die gleichfalls jetzt seltenen Suffolkpferde, sehr starke Thiere, mit großem Kopfe, sehr niedrigen Schultern und von rothbrauner Farbe, aber dabei sehr behende und sicher. Eine gute Zucht für Pferde zu demselben Gebrauche gibt es auch im Clydethale in Schottland. Sie wer- den im südlichen Schottland nicht nur für landwirth- schaftliche Arbeiten, sondern selbst als Kutschpferde und zum Reiten benutzt. Durch Stärke und stattliche Gestalt ausgezeichnet ist noch das sogenannte schwere schwarze Pferd, das vorzüglich in Lincolnshire gezogen wird. Die Landwirthe, die sie ziehen, verkaufen sie gewöhnlich zu dem Gebrauche auf den Landstraßen in der Nähe der Hauptstadt, die kräftige Zugthiere fodern, und berei- ten sie zu dieser Bestimmung vor, indem sie dieselben sehr jung, oft vier nebeneinander, einen Pflug ziehen lassen. Man sieht deren einige, welche in einem Alter von dritthalb Jahren 17 Hand hoch sind. Die stärk- sten Pferde dieser Gattung, die sich durch eine breite Brust und hohe Schultern auszeichnen, werden als Karrengäule gebraucht. Man hat sie in neuern Zei- ten durch Kreuzung mit Pferden von flamändischer Zucht verbessert. Eine leichter gebaute feurigere Art von diesem Stamme wird bei der englischen Reiterei benutzt. Jn frühern Zeiten wurden für die Reiterei meist starke und schwere Pferde gewählt, später aber behielt man diese nur in den Garderegimentern bei und wählte für die übrige Reiterei leichtere und schnel- lere Pferde, doch war man darin zum Theil zu weit gegangen, und es zeigte sich, daß vor und in der Schlacht bei Waterloo nur die Gardereiter den heftigen Angriffen der französischen schweren Reiterei widerstehen konnten. Besondere Sorgfalt wird in England auf die Zucht der Rennpferde ( race horses ) gewendet. Über den Ursprung derselben ist man nicht einig. Nach einigen stammen sie von väterlicher und mütterlicher Seite von morgenländischen Pferden, nach andern von einheimischen, die mit Berbern oder türkischen und arabischen Thieren gekreuzt wurden. Mögen die Rennpferde in frühern Zei- ten, wie man behauptet, alle von morgenländischem Ursprunge gewesen sein, so kann man doch im Allge- meinen annehmen, daß der jetzige Stamm im Ganzen zwar von fremder Herkunft ist, aber durch den Ein- fluß des Klimas und sorgfältige Pflege sich veredelt hat. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die in England gezoge- nen Pferde dieser Art an Schönheit, Schnelligkeit und Stärke die berühmten Renner aus der arabischen Wüste übertroffen haben. Seit 50 Jahren hat man in England die Stammbäume der Renner mit großer Sorgfalt fortgeführt. Der Stammvater der besten Rennpferde ist der Darley=Araber, der in der Wüste bei Palmyra gezogen und von dem Engländer Darley in Aleppo gekauft wurde. Zu seinen berühmte- sten Nachkommen gehören der Sampson, der Eclipse und der windschnelle Childers, von welchem man er- zählt, daß er eine englische Meile in einer Minute lau- fen konnte. Der Eclipse, der 1789 starb, siegte in 334 Wettrennen und verdiente seinen Eigenthümern über 160,000 Pfund Sterling, und ein Abkömmling des Childers, der König Herodes, siegte 497mal und gewann gegen 200,000 Pfund. Ein anderer Stamm- *) Vergl. über den wilden Eber Pfennig=Magazin Nr. 122.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig165_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig165_1836/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 165. Leipzig (Sachsen), 28. Mai 1836, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig165_1836/6>, abgerufen am 01.06.2024.