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Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 6
[Beginn Spaltensatz] liebes Weib hätte verführen wollen, mich als einen Ketzer zu
verlassen.

-- Nun höre mich an, fuhr der Ritter fort, indem er die
harte Hand des Waffenschmieds ergriff. Die Folgen des Vor-
falls, den ich Dir soeben mitgetheilt, sind für den Augenblick
nicht zu ermessen; aber daß unsere Feinde nicht dazu schweigen
werden, daß sie eine furchtbare Rache nehmen, steht zu erwarten.
Wir müssen auf alle Fälle gerüstet sein. Deshalb bin ich nun
zu Dir gekommen.

-- O, Jhr könnt auf mich zählen!

-- Wie stark ist Dein Waffenvorrath, und welche Arten
von Waffen enthält Dein Lager?

-- Herr, der Vorrath ist jetzt sehr gering, da es mir an
Arbeitskräften fehlt. Jch habe bisher nur Gesellen in meiner
Werkstatt arbeiten lassen, die meine Glaubensansichten theilen,
und leider sind dies nur wenige.

-- Das ist schlimm! sagte der Ritter nachdenklich. Wer
weiß, wie bald wir uns vertheidigen müssen, und die ärmere
Bevölkerung besitzt keine Waffen. Man darf uns nicht unvor-
bereitet finden -- was ist zu thun?

Der junge Mann erhob sich und forderte seinen Gast auf,
ihm zu folgen. Beide traten in die Werkstatt hnaus. Hier
öffnete der Meister eine Thür, die mit einem schweren Schlosse
und großen Riegeln verschlossen war. Man stieg eine schmale
Steintreppe hinab und gelangte in den geräumigen Keller des
Hauses. Von der Decke herab hingen zwei brennende Lampen,
die in der Mitte des kühlen Raumes einen hellen Lichtkreis ver-
breiteten. Jn diesem Kreise befand sich ein eisernes Gestell, auf
dem vier Zangen von Eisen befestigt waren, die künstlich gear-
beitete Zähne zeigten, um den Gegenstand, den sie erfaßten,
desto sicherer zu halten. Daneben befanden sich noch einige an-
dere maschinenartige Vorrichtungen, als Räder, Kurbeln und
Hämmer.

-- Herr, begann der Schmied, Jhr habt mir Euer Vertrauen
geschenkt, indem Jhr mich zum Mitwisser Eures wichtigen Ge-
heimnisses gemacht, so daß ich es, zumal unter den obwaltenden
Verhältnissen, für Pflicht erachte, Euch mein Geheimniß mitzu-
theilen, das ich bisher sorgfältig jedem Auge verborgen gehalten.

Des Ritters Blicke durchschweiften den matt erhellten
Raum.

-- Mein lieber Freund, sagte er ernst, wenn Dein Keller
keine Waffen enthält, nützt die Offenbarung Deines Geheim-
nisses nichts.

-- O, Jhr werdet sehen, daß es nützt! rief mit einem
triumphirenden Lächeln der Meister. Diese Räder und Zangen
sollen uns schaffen, was fehlt. Es war schon seit langer Zeit
mein Bemühen, durch eine künstliche Vorrichtung die Menschen-
hände zu ersetzen und gute Arbeit herzustellen. Tag und Nacht
habe ich allein in diesem Keller Versuche angestellt, und seit
gestern bin ich mit meiner Erfindung zu Stande gekommen. Es
braucht nur ein kräftiger Arm sich mit mir zu vereinen, und ich
schaffe allein so viel Schwertklingen, als zwanzig Menschen in
einem Tage nicht schmieden können.

-- Wie?! rief der erstaunte Ritter.

-- Hier steht die Maschine, und ihre erste Thätigkeit soll
der Vertheidigung unseres Glaubens gewidmet sein.

Der Ritter betrachtete die einfache Vorrichtung. Der
Schmied trat zu einer Esse, fachte die Kohlen an und kam bald
mit einem glühenden Eisenstabe zurück.

-- Kann ich Dir helfen? fragte der Ritter.

-- Herr, setzt das große Rad in Bewegung!

Der Ritter Janetscheck ergriff die Kurbel und setzte das
Rad in Bewegung. Jano, der Meister, brachte die glühende
[Spaltenumbruch] Eisenstange in eine Form, eine der Zangen ergriff mit ihren
Zähnen die Spitze derselben, die Zange, von einer ungeheuern
Kraft getrieben, wich zurück, indem sie das Eisen mit sich fort-
zog, und nach wenigen Augenblicken ward eine vollendete Schwert-
klinge sichtbar. Auf ähnliche Weise wurden durch die übrigen
Zangen eiserne Griffe erzeugt; es bedurfte nur des Zusammen-
wirkens und die Waffe war fertig, wenn auch nicht schön, doch
zum Kampfe brauchbar. Des Ritters frohe Ueberraschung läßt
sich denken.

-- Jano, hast Du Eisen genug? rief er aus.

-- Dort liegt ein bedeutender Vorrath.

-- Wie viel Schwerter glaubst Du täglich fertigen zu
können?

-- Hundert ist die kleinste Zahl.

-- Gut, so beginne diesen Morgen noch und laß Deine
künstlichen Werkzeuge so lange arbeiten, als es möglich ist. Die
fertigen Stücke werde ich jeden Abend, wenn Alles zur Ruhe ist,
in mein festes Schloß holen lassen. Wackerer Freund, Deiner
Erfindung danken wir es, daß uns der Feind nicht unvorbereitet
antrifft. Ein solches Schwert in der kräftigen Faust eines
Bürgers, der für seinen Glauben kämpft, ist eine mächtige
Waffe.

Die beiden Männer verließen den Keller. Jn der Werk-
statt trat ihnen Wlaska entgegen. Die junge Frau zitterte am
ganzen Körper und Thränen rollten über ihre Wangen.

-- Mein Gott, was ist geschehen? rief der bestürzte Jano,
indem er seine Frau in die Arme schloß.

-- So eben hat man die Frau des Webers, unsers Nach-
barn, mit den beiden Kindern nach Hause gebracht. Es war ein
schrecklicher, herzbrechender Anblick! rief schluchzend die junge
Frau.

-- Nun?

-- Alle drei lagen todt auf dem Wagen -- man hat sie
aus dem Teich gezogen!

-- Großer Gott! rief erschüttert der junge Mann.

Der Ritter stand mit verschränkten Armen und starrte düster
zu Boden; plötzlich fuhr er empor, reichte dem Waffenschmiede
die Hand und sagte mit bebender Stimme:

-- Freund, gehe mit Deinen Leuten in den Keller und ar-
beite, arbeite!

Dann verließ er hastig die Werkstatt und eilte an dem
Hause des Webers vorüber, in welchem sich die laut jammern-
den Stimmen des unglücklichen Vaters und seiner beiden noch
lebenden Kinder vernehmen ließen.

Eine halbe Stunde später befand sich Jano mit seinen Ge-
sellen bei der Arbeit.



Vier Wochen sind seit jenem Tage verflossen.

Ein schwüler Augustabend hatte sich zur Erde gesenkt und
in der Stadt Harattowitz herrschte [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]vollkommene Ruhe. Die
Thüren und Fenster der Häuser waren geschlossen, still wie die
Häuser waren die Straßen, in denen nur selten eine flüchtige
Gestalt sich zeigte, und nirgends schimmerte ein Licht an dem
sonst so belebten Wohnplatze fleißiger Menschen. Man hätte
glauben mögen, der Bann, den der Papst auf das Land ge-
schleudert, übe seine trübselige Wirkung in voller Kraft aus und
entziehe ihm den Segen des Himmels. Die Bewohner fühlten
sich jedoch, bis auf einige schwachköpfige Männer und ängstliche
Frauen, durchaus nicht von dem Bannstrahle getroffen, sie gin-
gen in dem hussitischen Glauben ihren Beschäftigungen nach.

An diesem Abende waren sämmtliche Männer im Schloß-
hofe des Ritters Janetscheck versammelt, um die Mittel zum
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 6
[Beginn Spaltensatz] liebes Weib hätte verführen wollen, mich als einen Ketzer zu
verlassen.

— Nun höre mich an, fuhr der Ritter fort, indem er die
harte Hand des Waffenschmieds ergriff. Die Folgen des Vor-
falls, den ich Dir soeben mitgetheilt, sind für den Augenblick
nicht zu ermessen; aber daß unsere Feinde nicht dazu schweigen
werden, daß sie eine furchtbare Rache nehmen, steht zu erwarten.
Wir müssen auf alle Fälle gerüstet sein. Deshalb bin ich nun
zu Dir gekommen.

— O, Jhr könnt auf mich zählen!

— Wie stark ist Dein Waffenvorrath, und welche Arten
von Waffen enthält Dein Lager?

— Herr, der Vorrath ist jetzt sehr gering, da es mir an
Arbeitskräften fehlt. Jch habe bisher nur Gesellen in meiner
Werkstatt arbeiten lassen, die meine Glaubensansichten theilen,
und leider sind dies nur wenige.

— Das ist schlimm! sagte der Ritter nachdenklich. Wer
weiß, wie bald wir uns vertheidigen müssen, und die ärmere
Bevölkerung besitzt keine Waffen. Man darf uns nicht unvor-
bereitet finden — was ist zu thun?

Der junge Mann erhob sich und forderte seinen Gast auf,
ihm zu folgen. Beide traten in die Werkstatt hnaus. Hier
öffnete der Meister eine Thür, die mit einem schweren Schlosse
und großen Riegeln verschlossen war. Man stieg eine schmale
Steintreppe hinab und gelangte in den geräumigen Keller des
Hauses. Von der Decke herab hingen zwei brennende Lampen,
die in der Mitte des kühlen Raumes einen hellen Lichtkreis ver-
breiteten. Jn diesem Kreise befand sich ein eisernes Gestell, auf
dem vier Zangen von Eisen befestigt waren, die künstlich gear-
beitete Zähne zeigten, um den Gegenstand, den sie erfaßten,
desto sicherer zu halten. Daneben befanden sich noch einige an-
dere maschinenartige Vorrichtungen, als Räder, Kurbeln und
Hämmer.

— Herr, begann der Schmied, Jhr habt mir Euer Vertrauen
geschenkt, indem Jhr mich zum Mitwisser Eures wichtigen Ge-
heimnisses gemacht, so daß ich es, zumal unter den obwaltenden
Verhältnissen, für Pflicht erachte, Euch mein Geheimniß mitzu-
theilen, das ich bisher sorgfältig jedem Auge verborgen gehalten.

Des Ritters Blicke durchschweiften den matt erhellten
Raum.

— Mein lieber Freund, sagte er ernst, wenn Dein Keller
keine Waffen enthält, nützt die Offenbarung Deines Geheim-
nisses nichts.

— O, Jhr werdet sehen, daß es nützt! rief mit einem
triumphirenden Lächeln der Meister. Diese Räder und Zangen
sollen uns schaffen, was fehlt. Es war schon seit langer Zeit
mein Bemühen, durch eine künstliche Vorrichtung die Menschen-
hände zu ersetzen und gute Arbeit herzustellen. Tag und Nacht
habe ich allein in diesem Keller Versuche angestellt, und seit
gestern bin ich mit meiner Erfindung zu Stande gekommen. Es
braucht nur ein kräftiger Arm sich mit mir zu vereinen, und ich
schaffe allein so viel Schwertklingen, als zwanzig Menschen in
einem Tage nicht schmieden können.

— Wie?! rief der erstaunte Ritter.

— Hier steht die Maschine, und ihre erste Thätigkeit soll
der Vertheidigung unseres Glaubens gewidmet sein.

Der Ritter betrachtete die einfache Vorrichtung. Der
Schmied trat zu einer Esse, fachte die Kohlen an und kam bald
mit einem glühenden Eisenstabe zurück.

— Kann ich Dir helfen? fragte der Ritter.

— Herr, setzt das große Rad in Bewegung!

Der Ritter Janetscheck ergriff die Kurbel und setzte das
Rad in Bewegung. Jano, der Meister, brachte die glühende
[Spaltenumbruch] Eisenstange in eine Form, eine der Zangen ergriff mit ihren
Zähnen die Spitze derselben, die Zange, von einer ungeheuern
Kraft getrieben, wich zurück, indem sie das Eisen mit sich fort-
zog, und nach wenigen Augenblicken ward eine vollendete Schwert-
klinge sichtbar. Auf ähnliche Weise wurden durch die übrigen
Zangen eiserne Griffe erzeugt; es bedurfte nur des Zusammen-
wirkens und die Waffe war fertig, wenn auch nicht schön, doch
zum Kampfe brauchbar. Des Ritters frohe Ueberraschung läßt
sich denken.

— Jano, hast Du Eisen genug? rief er aus.

— Dort liegt ein bedeutender Vorrath.

— Wie viel Schwerter glaubst Du täglich fertigen zu
können?

— Hundert ist die kleinste Zahl.

— Gut, so beginne diesen Morgen noch und laß Deine
künstlichen Werkzeuge so lange arbeiten, als es möglich ist. Die
fertigen Stücke werde ich jeden Abend, wenn Alles zur Ruhe ist,
in mein festes Schloß holen lassen. Wackerer Freund, Deiner
Erfindung danken wir es, daß uns der Feind nicht unvorbereitet
antrifft. Ein solches Schwert in der kräftigen Faust eines
Bürgers, der für seinen Glauben kämpft, ist eine mächtige
Waffe.

Die beiden Männer verließen den Keller. Jn der Werk-
statt trat ihnen Wlaska entgegen. Die junge Frau zitterte am
ganzen Körper und Thränen rollten über ihre Wangen.

— Mein Gott, was ist geschehen? rief der bestürzte Jano,
indem er seine Frau in die Arme schloß.

— So eben hat man die Frau des Webers, unsers Nach-
barn, mit den beiden Kindern nach Hause gebracht. Es war ein
schrecklicher, herzbrechender Anblick! rief schluchzend die junge
Frau.

— Nun?

— Alle drei lagen todt auf dem Wagen — man hat sie
aus dem Teich gezogen!

— Großer Gott! rief erschüttert der junge Mann.

Der Ritter stand mit verschränkten Armen und starrte düster
zu Boden; plötzlich fuhr er empor, reichte dem Waffenschmiede
die Hand und sagte mit bebender Stimme:

— Freund, gehe mit Deinen Leuten in den Keller und ar-
beite, arbeite!

Dann verließ er hastig die Werkstatt und eilte an dem
Hause des Webers vorüber, in welchem sich die laut jammern-
den Stimmen des unglücklichen Vaters und seiner beiden noch
lebenden Kinder vernehmen ließen.

Eine halbe Stunde später befand sich Jano mit seinen Ge-
sellen bei der Arbeit.



Vier Wochen sind seit jenem Tage verflossen.

Ein schwüler Augustabend hatte sich zur Erde gesenkt und
in der Stadt Harattowitz herrschte [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]vollkommene Ruhe. Die
Thüren und Fenster der Häuser waren geschlossen, still wie die
Häuser waren die Straßen, in denen nur selten eine flüchtige
Gestalt sich zeigte, und nirgends schimmerte ein Licht an dem
sonst so belebten Wohnplatze fleißiger Menschen. Man hätte
glauben mögen, der Bann, den der Papst auf das Land ge-
schleudert, übe seine trübselige Wirkung in voller Kraft aus und
entziehe ihm den Segen des Himmels. Die Bewohner fühlten
sich jedoch, bis auf einige schwachköpfige Männer und ängstliche
Frauen, durchaus nicht von dem Bannstrahle getroffen, sie gin-
gen in dem hussitischen Glauben ihren Beschäftigungen nach.

An diesem Abende waren sämmtliche Männer im Schloß-
hofe des Ritters Janetscheck versammelt, um die Mittel zum
[Ende Spaltensatz]

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Man darf uns nicht unvor- bereitet finden — was ist zu thun? Der junge Mann erhob sich und forderte seinen Gast auf, ihm zu folgen. Beide traten in die Werkstatt hnaus. Hier öffnete der Meister eine Thür, die mit einem schweren Schlosse und großen Riegeln verschlossen war. Man stieg eine schmale Steintreppe hinab und gelangte in den geräumigen Keller des Hauses. Von der Decke herab hingen zwei brennende Lampen, die in der Mitte des kühlen Raumes einen hellen Lichtkreis ver- breiteten. Jn diesem Kreise befand sich ein eisernes Gestell, auf dem vier Zangen von Eisen befestigt waren, die künstlich gear- beitete Zähne zeigten, um den Gegenstand, den sie erfaßten, desto sicherer zu halten. Daneben befanden sich noch einige an- dere maschinenartige Vorrichtungen, als Räder, Kurbeln und Hämmer. — Herr, begann der Schmied, Jhr habt mir Euer Vertrauen geschenkt, indem Jhr mich zum Mitwisser Eures wichtigen Ge- heimnisses gemacht, so daß ich es, zumal unter den obwaltenden Verhältnissen, für Pflicht erachte, Euch mein Geheimniß mitzu- theilen, das ich bisher sorgfältig jedem Auge verborgen gehalten. Des Ritters Blicke durchschweiften den matt erhellten Raum. — Mein lieber Freund, sagte er ernst, wenn Dein Keller keine Waffen enthält, nützt die Offenbarung Deines Geheim- nisses nichts. — O, Jhr werdet sehen, daß es nützt! rief mit einem triumphirenden Lächeln der Meister. Diese Räder und Zangen sollen uns schaffen, was fehlt. Es war schon seit langer Zeit mein Bemühen, durch eine künstliche Vorrichtung die Menschen- hände zu ersetzen und gute Arbeit herzustellen. 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Jano, der Meister, brachte die glühende Eisenstange in eine Form, eine der Zangen ergriff mit ihren Zähnen die Spitze derselben, die Zange, von einer ungeheuern Kraft getrieben, wich zurück, indem sie das Eisen mit sich fort- zog, und nach wenigen Augenblicken ward eine vollendete Schwert- klinge sichtbar. Auf ähnliche Weise wurden durch die übrigen Zangen eiserne Griffe erzeugt; es bedurfte nur des Zusammen- wirkens und die Waffe war fertig, wenn auch nicht schön, doch zum Kampfe brauchbar. Des Ritters frohe Ueberraschung läßt sich denken. — Jano, hast Du Eisen genug? rief er aus. — Dort liegt ein bedeutender Vorrath. — Wie viel Schwerter glaubst Du täglich fertigen zu können? — Hundert ist die kleinste Zahl. — Gut, so beginne diesen Morgen noch und laß Deine künstlichen Werkzeuge so lange arbeiten, als es möglich ist. Die fertigen Stücke werde ich jeden Abend, wenn Alles zur Ruhe ist, in mein festes Schloß holen lassen. Wackerer Freund, Deiner Erfindung danken wir es, daß uns der Feind nicht unvorbereitet antrifft. Ein solches Schwert in der kräftigen Faust eines Bürgers, der für seinen Glauben kämpft, ist eine mächtige Waffe. Die beiden Männer verließen den Keller. Jn der Werk- statt trat ihnen Wlaska entgegen. Die junge Frau zitterte am ganzen Körper und Thränen rollten über ihre Wangen. — Mein Gott, was ist geschehen? rief der bestürzte Jano, indem er seine Frau in die Arme schloß. — So eben hat man die Frau des Webers, unsers Nach- barn, mit den beiden Kindern nach Hause gebracht. Es war ein schrecklicher, herzbrechender Anblick! rief schluchzend die junge Frau. — Nun? — Alle drei lagen todt auf dem Wagen — man hat sie aus dem Teich gezogen! — Großer Gott! rief erschüttert der junge Mann. Der Ritter stand mit verschränkten Armen und starrte düster zu Boden; plötzlich fuhr er empor, reichte dem Waffenschmiede die Hand und sagte mit bebender Stimme: — Freund, gehe mit Deinen Leuten in den Keller und ar- beite, arbeite! Dann verließ er hastig die Werkstatt und eilte an dem Hause des Webers vorüber, in welchem sich die laut jammern- den Stimmen des unglücklichen Vaters und seiner beiden noch lebenden Kinder vernehmen ließen. Eine halbe Stunde später befand sich Jano mit seinen Ge- sellen bei der Arbeit. Vier Wochen sind seit jenem Tage verflossen. Ein schwüler Augustabend hatte sich zur Erde gesenkt und in der Stadt Harattowitz herrschte ___________vollkommene Ruhe. Die Thüren und Fenster der Häuser waren geschlossen, still wie die Häuser waren die Straßen, in denen nur selten eine flüchtige Gestalt sich zeigte, und nirgends schimmerte ein Licht an dem sonst so belebten Wohnplatze fleißiger Menschen. Man hätte glauben mögen, der Bann, den der Papst auf das Land ge- schleudert, übe seine trübselige Wirkung in voller Kraft aus und entziehe ihm den Segen des Himmels. Die Bewohner fühlten sich jedoch, bis auf einige schwachköpfige Männer und ängstliche Frauen, durchaus nicht von dem Bannstrahle getroffen, sie gin- gen in dem hussitischen Glauben ihren Beschäftigungen nach. An diesem Abende waren sämmtliche Männer im Schloß- hofe des Ritters Janetscheck versammelt, um die Mittel zum

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social01_1874/6>, abgerufen am 01.06.2024.