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Social-politische Blätter. 2. Lieferung. Berlin, 3. Februar 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 32
[Beginn Spaltensatz] kann allen Kindern, der gesammten heranwachsenden Gene-
ration, reichliche Fürsorge, Ernährung und Erziehung durch
die Gesammtheit gewährleistet werden. Und ein solches
naturgemäßes, glückliches Verhältniß, in dem die Verbin-
dung der Geschlechter lediglich von persönlichen, moralischen
Gefühlen erzeugt wird, wo die Verbindung meistens eine
dauernde sein wird, aber bei unharmonischen Charakteren
gelöst werden kann -- das mag man dann nennen, wie man
es will, -- "Ehe", wie der Communist Cabet, sich ausdrückt --
"Weibergemeinschaft", wie die Bourgeoisie es schmäht.
Uns Socialisten kommt es nicht auf das Wort an, sondern
auf die Sache. Und wir wollen, Jhr Bourgeois, an
Stelle Eures Weiberschachers reine, sittliche Verhältnisse
schaffen! --

So stürmen wir denn allerdings gegen alle sechs
Bollwerke der heutigen Gesellschaft an.

Wir führen Krieg gegen das Bourgeoiseigenthum, denn
es ist eine Lüge, es ist die Ausbeutung.

Wir wollen nicht nur die politische Freiheit der Bour-
[Spaltenumbruch] geoisie; wir wollen die ganze, volle Freiheit, politisch
und social.

Wir begeistern uns nicht für ein Vaterland, das die
heutige Gesellschaft zum Träger des Nationalhasses macht.

Vom Thron, dessen sich die Bourgeoisie bemächtigt hat,
mag ihr allein die Gnadensonne scheinen.

Am Altar, worauf das goldene Kalb steht, mag sie
allein beten.

Die Ehe hat die Kapitalmacht durch Schacher entweiht;
wir wollen die Sittlichkeit wieder einführen, und schreit die
Bourgeoisie noch so sehr über Communismus und Weiber-
gemeinschaft.

Und wenn wir nun hinblicken auf diese verzweifelten
Anstrengungen hier und da, das morsche Gebäude der Ge-
sellschaft durch ebenso morsche Stützen zu befestigen, dann
müssen wir wahrlich lächeln ob der ohnmächtigen Angst.

Dann können wir aber auch mit Selbstvertrauen zu
uns sprechen: der Socialismus wird über das Alte trium-
phiren. Unser Werk wird uns gelingen!

[Ende Spaltensatz]

Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]

-- Der Eremit! riefen die Kirchensclaven mit rührender
Ehrfurcht aus -- der Freund der Armen!

-- Der Tröster der Weinenden;

-- Wie oftmals hat er auf dem Felde die Hacke Eines der
Unsrigen genommen, der ganz erschöpft war, und die Aufgabe des
Armen vollendet, um ihm die Peitschenhiebe der Aufseher zu
ersparen.

-- Eines Tages, als ich die Schafe des Bischofs hütete,
hatten sich zwei verlaufen. Der Eremit suchte aber so lange, bis
er sie mir zurückbrachte; wäre er nicht gewesen, würde ich bei
der Heimkehr schwere Schläge erhalten haben.

-- Und unsere kleinen Kinder, die selbst in dem Alter, da
man so oft lacht, so traurig sind, haben immer ein Lächeln für
den Eremiten.

-- Sobald sie ihn sehen, laufen sie ihm entgegen und hän-
gen sich an seine Kutte.

-- Er ist so arm wie wir und macht doch den Kindern
gern kleine Geschenke; er giebt ihnen Waldfrüchte, ein Stück
wilden Honigs, einen Vogel, der aus seinem Neste gefal-
len ist.

-- Liebet Euch unter einander, liebet Euch unter einander
als Brüder, Jhr Armen, sagt er unablässig zu uns. Die Liebe
macht die Frohnarbeit minder beschwerlich.

-- Hoffet, spricht er ferner; hoffet. Die Herrschaft der
Unterdrücker wird vergehen, und auch für sie wird die Stunde
der schrecklichen Strafe kommen. Dann werden die Ersten die
Letzten und die Letzten die Ersten sein.

-- Jesus, der Freund der Betrübten hat gesagt: die Ketten
der Sclaven werden zerbrochen werden. Hoffet, ihr armen
Unterdrückten, hoffet! -- Vereiniget Euch, liebet Euch, -- unter-
stützet einander. Seid Jhr uneinig, so vermögt Jhr nichts;
seid Jhr einig, so könnt Jhr Alles. Der Tag der Befreiung
ist vielleicht nicht fern mehr. Liebe, Eintracht und Geduld!
Wartet auf die Stunde der Erlösung, wie unsere Väter
hofften.

[Spaltenumbruch]

-- Ja, so sagt der Eremit stets zu uns.

-- Und meiner Worte müsset Jhr Euch heute erinnern
Brüder, entgegnete der Mönch. Jesus hat gesagt: Wehe denen,
die verstockten Herzens sind! Erbarmen dem, der bereut! Euer
Bischof kann das Uebel bereuen, das er Euch gethan hat.

-- Unverschämter Mönch, Du wagst mich anzuklagen?

-- Jch klage Dich nicht an, sondern Dein vergangenes
Leben. Büße dies ab durch die Reue, und Du wirst Erbarmen
finden..

-- Jch bereue nur Etwas.. daß ich Dich nicht sofort er-
schlagen kann.

-- Eremit, Freund, Du hörst die Rede des frommen
Mannes, Du siehest seine Reue.. Was thun wir mit ihm,
Wölfe?

-- Er muß sterben! Wer Lebende mit Todten begräbt,
muß sterben!

-- Brüder, Jhr liebt mich..

-- Wir lieben Dich, guter Eremit, so sehr wie wir den
Bischof verabscheuen.

-- Schenkt mir sein Leben.

-- Nein, nein.

-- Du hast es gesagt, Eremit: wehe denen, die verstockten
Herzens sind.

-- Siehe, wie er bereut! Sterben muß er, sterben!

Und die Wüthenden stürzten sich auf den Erälaten, der in
seinem Entsetzen jetzt den Mönch zu Hülfe rief; dieser aber hatte
schon vor der Aufforderung den Bischof mit seinem eigenen Leibe
gedeckt und sprach:

-- So tödtet mich, der Euch von ganzem Herzen liebt und
Euch, Jhr armen Leibeigenen, tröstet soviel er vermag, so tödtet
denn mich, der ich Euch mehr bedaure als tadele. Jhr Land-
streicher, die Jhr im Walde herumschwärmt -- der gerechte Haß
gegen die Unterdrückung hat Euch zum Aufruhr getrieben, und
wenn Jhr den Reichen nehmet, gebt Jhr doch wenigstens den
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 32
[Beginn Spaltensatz] kann allen Kindern, der gesammten heranwachsenden Gene-
ration, reichliche Fürsorge, Ernährung und Erziehung durch
die Gesammtheit gewährleistet werden. Und ein solches
naturgemäßes, glückliches Verhältniß, in dem die Verbin-
dung der Geschlechter lediglich von persönlichen, moralischen
Gefühlen erzeugt wird, wo die Verbindung meistens eine
dauernde sein wird, aber bei unharmonischen Charakteren
gelöst werden kann — das mag man dann nennen, wie man
es will, — „Ehe“, wie der Communist Cabet, sich ausdrückt —
„Weibergemeinschaft“, wie die Bourgeoisie es schmäht.
Uns Socialisten kommt es nicht auf das Wort an, sondern
auf die Sache. Und wir wollen, Jhr Bourgeois, an
Stelle Eures Weiberschachers reine, sittliche Verhältnisse
schaffen! —

So stürmen wir denn allerdings gegen alle sechs
Bollwerke der heutigen Gesellschaft an.

Wir führen Krieg gegen das Bourgeoiseigenthum, denn
es ist eine Lüge, es ist die Ausbeutung.

Wir wollen nicht nur die politische Freiheit der Bour-
[Spaltenumbruch] geoisie; wir wollen die ganze, volle Freiheit, politisch
und social.

Wir begeistern uns nicht für ein Vaterland, das die
heutige Gesellschaft zum Träger des Nationalhasses macht.

Vom Thron, dessen sich die Bourgeoisie bemächtigt hat,
mag ihr allein die Gnadensonne scheinen.

Am Altar, worauf das goldene Kalb steht, mag sie
allein beten.

Die Ehe hat die Kapitalmacht durch Schacher entweiht;
wir wollen die Sittlichkeit wieder einführen, und schreit die
Bourgeoisie noch so sehr über Communismus und Weiber-
gemeinschaft.

Und wenn wir nun hinblicken auf diese verzweifelten
Anstrengungen hier und da, das morsche Gebäude der Ge-
sellschaft durch ebenso morsche Stützen zu befestigen, dann
müssen wir wahrlich lächeln ob der ohnmächtigen Angst.

Dann können wir aber auch mit Selbstvertrauen zu
uns sprechen: der Socialismus wird über das Alte trium-
phiren. Unser Werk wird uns gelingen!

[Ende Spaltensatz]

Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]

— Der Eremit! riefen die Kirchensclaven mit rührender
Ehrfurcht aus — der Freund der Armen!

— Der Tröster der Weinenden;

— Wie oftmals hat er auf dem Felde die Hacke Eines der
Unsrigen genommen, der ganz erschöpft war, und die Aufgabe des
Armen vollendet, um ihm die Peitschenhiebe der Aufseher zu
ersparen.

— Eines Tages, als ich die Schafe des Bischofs hütete,
hatten sich zwei verlaufen. Der Eremit suchte aber so lange, bis
er sie mir zurückbrachte; wäre er nicht gewesen, würde ich bei
der Heimkehr schwere Schläge erhalten haben.

— Und unsere kleinen Kinder, die selbst in dem Alter, da
man so oft lacht, so traurig sind, haben immer ein Lächeln für
den Eremiten.

— Sobald sie ihn sehen, laufen sie ihm entgegen und hän-
gen sich an seine Kutte.

— Er ist so arm wie wir und macht doch den Kindern
gern kleine Geschenke; er giebt ihnen Waldfrüchte, ein Stück
wilden Honigs, einen Vogel, der aus seinem Neste gefal-
len ist.

— Liebet Euch unter einander, liebet Euch unter einander
als Brüder, Jhr Armen, sagt er unablässig zu uns. Die Liebe
macht die Frohnarbeit minder beschwerlich.

— Hoffet, spricht er ferner; hoffet. Die Herrschaft der
Unterdrücker wird vergehen, und auch für sie wird die Stunde
der schrecklichen Strafe kommen. Dann werden die Ersten die
Letzten und die Letzten die Ersten sein.

— Jesus, der Freund der Betrübten hat gesagt: die Ketten
der Sclaven werden zerbrochen werden. Hoffet, ihr armen
Unterdrückten, hoffet! — Vereiniget Euch, liebet Euch, — unter-
stützet einander. Seid Jhr uneinig, so vermögt Jhr nichts;
seid Jhr einig, so könnt Jhr Alles. Der Tag der Befreiung
ist vielleicht nicht fern mehr. Liebe, Eintracht und Geduld!
Wartet auf die Stunde der Erlösung, wie unsere Väter
hofften.

[Spaltenumbruch]

— Ja, so sagt der Eremit stets zu uns.

— Und meiner Worte müsset Jhr Euch heute erinnern
Brüder, entgegnete der Mönch. Jesus hat gesagt: Wehe denen,
die verstockten Herzens sind! Erbarmen dem, der bereut! Euer
Bischof kann das Uebel bereuen, das er Euch gethan hat.

— Unverschämter Mönch, Du wagst mich anzuklagen?

— Jch klage Dich nicht an, sondern Dein vergangenes
Leben. Büße dies ab durch die Reue, und Du wirst Erbarmen
finden..

— Jch bereue nur Etwas.. daß ich Dich nicht sofort er-
schlagen kann.

— Eremit, Freund, Du hörst die Rede des frommen
Mannes, Du siehest seine Reue.. Was thun wir mit ihm,
Wölfe?

— Er muß sterben! Wer Lebende mit Todten begräbt,
muß sterben!

— Brüder, Jhr liebt mich..

— Wir lieben Dich, guter Eremit, so sehr wie wir den
Bischof verabscheuen.

— Schenkt mir sein Leben.

— Nein, nein.

— Du hast es gesagt, Eremit: wehe denen, die verstockten
Herzens sind.

— Siehe, wie er bereut! Sterben muß er, sterben!

Und die Wüthenden stürzten sich auf den Erälaten, der in
seinem Entsetzen jetzt den Mönch zu Hülfe rief; dieser aber hatte
schon vor der Aufforderung den Bischof mit seinem eigenen Leibe
gedeckt und sprach:

— So tödtet mich, der Euch von ganzem Herzen liebt und
Euch, Jhr armen Leibeigenen, tröstet soviel er vermag, so tödtet
denn mich, der ich Euch mehr bedaure als tadele. Jhr Land-
streicher, die Jhr im Walde herumschwärmt — der gerechte Haß
gegen die Unterdrückung hat Euch zum Aufruhr getrieben, und
wenn Jhr den Reichen nehmet, gebt Jhr doch wenigstens den
[Ende Spaltensatz]

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Wir wollen nicht nur die politische Freiheit der Bour- geoisie; wir wollen die ganze, volle Freiheit, politisch und social. Wir begeistern uns nicht für ein Vaterland, das die heutige Gesellschaft zum Träger des Nationalhasses macht. Vom Thron, dessen sich die Bourgeoisie bemächtigt hat, mag ihr allein die Gnadensonne scheinen. Am Altar, worauf das goldene Kalb steht, mag sie allein beten. Die Ehe hat die Kapitalmacht durch Schacher entweiht; wir wollen die Sittlichkeit wieder einführen, und schreit die Bourgeoisie noch so sehr über Communismus und Weiber- gemeinschaft. Und wenn wir nun hinblicken auf diese verzweifelten Anstrengungen hier und da, das morsche Gebäude der Ge- sellschaft durch ebenso morsche Stützen zu befestigen, dann müssen wir wahrlich lächeln ob der ohnmächtigen Angst. Dann können wir aber auch mit Selbstvertrauen zu uns sprechen: der Socialismus wird über das Alte trium- phiren. Unser Werk wird uns gelingen! Die Landstreicher von Schleswig. ( Fortsetzung. ) — Der Eremit! riefen die Kirchensclaven mit rührender Ehrfurcht aus — der Freund der Armen! — Der Tröster der Weinenden; — Wie oftmals hat er auf dem Felde die Hacke Eines der Unsrigen genommen, der ganz erschöpft war, und die Aufgabe des Armen vollendet, um ihm die Peitschenhiebe der Aufseher zu ersparen. — Eines Tages, als ich die Schafe des Bischofs hütete, hatten sich zwei verlaufen. 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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Lieferung. Berlin, 3. Februar 1873, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social02_1873/8>, abgerufen am 01.06.2024.