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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 83
[Beginn Spaltensatz]

-- Giebt es in Deiner Burg ein noch sichereres Plätzchen,
als Deine Schatzkammer, so ist es mir auch recht. Wir wollen
zu Deiner Frau gehen..

-- Nein, nein, komm in meine Schatzkammer. Erlaube
nur, daß ich einige Befehle gebe, damit es Deinen Leuten an
nichts fehle.

Olaf zog darauf einen seiner Leute bei Seite und sagte
zu ihm:

-- Jhr, Du Ansobald und Bertefred, werdet beide wohlbe-
waffnet vor der Thür des Gemachs bleiben, in welches ich mit
diesem Kanut gehe. Haltet Euch bereit, auf meinen ersten Ruf
herbeizueilen.

-- Was fürchtest Du?

-- Die Königsfamilie hat große Neigung zu den Gütern
anderer Leute, und obgleich meine Truhen dreifach verschlossen
und mit Eisen beschlagen sind, sehe ich es doch noch lieber, wenn
Jhr hinter der Thür steht.

-- Wir werden da sein.

-- Sage auch Rigomer und Bertegram, daß sie bewaffnet
an der Thür der Weiberwohnung bleiben und unbarmherzig die
niederhauen, welche zu Ortrun vielleicht hineingehen wollen. Jch
traue dem Löwen von Rendsburg nicht, dem kühnen Spötter
der diesen Morgen das Feuer des Himmels auf uns herabge-
zogen hätte. Die beiden andern Günstlinge Kanut's kommen
mir nicht minder als Heiden vor, nicht minder lüstern als jener
wilde Löwe, und ich halte die drei für fähig zu Allem, wie ihren
königlichen Herrn. Hast Du die Bewaffneten gezählt, welche ihn
begleiten?

-- Er hat nur die Hälfte seiner Leute mitgebracht, die
andere Hälfte erhebt den Zins auf dem platten Lande. Sie sind
stolz und verachten uns, weil sie die Getreuen eines Königssohnes
sind. Sind wir nicht so gut wie sie?

-- Eben noch, setzte Bertegram hinzu, fahen sie aus, als
äßen sie nur mit den Zähnen und blickten in die Krüge hinein,
ob sie auch rein wären. Sie spotteten über unser irdenes und
zinnernes Geschirr.

-- Ja, ja, ich soll mein goldenes und silbernes herausholen,
damit sie mich bestehlen können.

-- Olaf, es könnte heute Abend wohl Blut hier fließen,
wenn die Frechen uns fortwährend necken.

-- Zum Glück sind wir so zahlreich, wie die Leute Kanut's.

-- Nun, nun, erhitzt Euch nicht, lieben Freunde. Wenn
man bei Tische zankt, zerschlägt man das Geschirr, und ich müßte
neues anschaffen.

-- Olaf, die Ehre geht über das Geschirr.

-- Gewiß, aber es ist nutzlos, Streitigkeiten zu veranlassen.
Seid nur auf Eurer Hut und sorgt dafür, daß bei den Weibern
Wache gehalten werde.

-- Es wird geschehen, was Du befiehlst.

Einige Augenblicke später waren der Prinz und der Ritter
in des Letzteren Schatzkammer allein.

-- Ritter, wie viel sind die Schätze werth, die in diesen
Truhen liegen?

-- O, sie enthalten wenig, sehr wenig. Sie sind sehr groß,
weil es immer gut ist, sich mit einem großen Kruge und mit
einer großen Truhe zu versehen. Aber sie sind fast leer, und
ich bin leider nicht im Stande, dem König den Zins jetzt zu
entrichten.

-- Um so schlimmer, Ritter. Jch wollte den Werth, den
sie enthalten, verdoppeln, verdreifachen, ja wohl gar vervierfachen.

-- Du spottest.

-- Ritter, ich komme nicht, um Zins zu fordern, ich möchte
Deine Macht und Deine Reichthümer über Deine Hoffnungen
[Spaltenumbruch] hinaus erhöhen. Jch schwöre es Dir bei der untheilbaren Drei-
einigkeit.

-- Dann glaube ich Dir, denn nach dem Wunder, das
heute geschehen ist, wirst Du es nicht wagen, mit einem so furcht-
baren Schwure zu spielen und das Feuer des Himmels auf mein
Haus herabrufen. Warum willst Du mich so reich und mächtig
machen?

-- Weil ich ein Jnteresse dabei habe. Möchtest Du, daß
Deine Besitzungen denen des Sohnes des Königs gleich kämen?

-- Das möchte ich wohl.

-- Willst Du statt dieser Deiner Angabe nach halbleeren
Truhen hundert mit Gold, edlen Steinen, Geschirr, Bechern,
Becken, Rüstungen und kostbaren Stoffen gefüllte haben!

-- Ob ich das möchte!

-- Willst Du, statt Ritter zu sein, eine ganze Provinz re-
gieren, kurz, so reich und mächtig sein, als Du nur wünschen
kannst?

-- Du schwörst bei der untheilbaren Dreieinigkeit, daß Du
im Ernste sprichst?

-- Jch schwöre es Dir.

-- Du schwörst es auch bei dem großen St. Martin, den
ich besonders verehre?

-- Jch schwöre es auch bei dem großen St. Martin, daß
meine Anträge ganz ernst gemeint sind.

-- So erkläre Dich näher.

-- Mein Vater führt jetzt Krieg mit den Niedersachsen. Jch
möchte dies benutzen, um mich an der Stelle meines Vaters zum
Könige zu machen. Mehrere Herren und Ritter der benachbarten
Orte sind bereits auf meinen Plan eingegangen. Willst Du für
oder gegen mich sein?

-- Und Deine Brüder? Werden sie Dir allein das Reich
Deines Vaters überlassen?

-- Jch werde meine Brüder ermorden lassen.

-- Durch wen?

-- Das wirst Du später erfahren.

-- Kanut, solche Dinge, siehst Du, muß man selber thun,
wenn man sicher sein will, daß sie gelingen.

-- Das sagst Du wohl, weil Du Deinen Bruder mit
eigener Hand getödtet hast.

-- Haben nicht auch unsere großen Könige immer selbst, je
nachdem sie das Bedürfniß fühlten, ihrer nächsten Verwandten
sich durch Mord entledigt? Uebrigens kann ich auch ohne Scheu
von der Ermordung meines Bruders sprechen; ich habe Absolu-
tion erhalten und dafür bezahlt.

-- Hast Du das Erbe behalten?

-- Ein Viertheil davon habe ich der Kirche und meinem
Gönner, dem Bischof Woldemar, überlassen, um den Mord zu
sühnen.

-- Du hast dabei doch immer drei Viertheile gewonnen.

-- Hätte ich durch die Ermordung meines Bruders nichts
gewonnen, so würde ich sie unterlassen haben. Jch hatte gegen
ihn selbst keinen Haß.

-- Und ich hasse meine Brüder auch nicht,.. ich will nur
alleiniger König von Dänemark sein. Antworte also, Ritter;
willst Du Dich durch einen heiligen Eid binden, für mich an der
Spitze Deiner Leute zu kämpfen, dann verpflichte ich mich durch
einen gleichen Eid, Dich zum Herrn einer Provinz nach Deiner
Wahl zu machen und Dir die Güter, die Schätze, die Leib-
eigenen des reichsten der Herren zu überlassen, die für meinen
Vater und gegen mich waren..

-- Jch soll Dir also in meinem und meiner Leute Namen
versprechen, Deinem Heerbann zu folgen?

-- So ist es.

[Ende Spaltensatz]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 83
[Beginn Spaltensatz]

— Giebt es in Deiner Burg ein noch sichereres Plätzchen,
als Deine Schatzkammer, so ist es mir auch recht. Wir wollen
zu Deiner Frau gehen..

— Nein, nein, komm in meine Schatzkammer. Erlaube
nur, daß ich einige Befehle gebe, damit es Deinen Leuten an
nichts fehle.

Olaf zog darauf einen seiner Leute bei Seite und sagte
zu ihm:

— Jhr, Du Ansobald und Bertefred, werdet beide wohlbe-
waffnet vor der Thür des Gemachs bleiben, in welches ich mit
diesem Kanut gehe. Haltet Euch bereit, auf meinen ersten Ruf
herbeizueilen.

— Was fürchtest Du?

— Die Königsfamilie hat große Neigung zu den Gütern
anderer Leute, und obgleich meine Truhen dreifach verschlossen
und mit Eisen beschlagen sind, sehe ich es doch noch lieber, wenn
Jhr hinter der Thür steht.

— Wir werden da sein.

— Sage auch Rigomer und Bertegram, daß sie bewaffnet
an der Thür der Weiberwohnung bleiben und unbarmherzig die
niederhauen, welche zu Ortrun vielleicht hineingehen wollen. Jch
traue dem Löwen von Rendsburg nicht, dem kühnen Spötter
der diesen Morgen das Feuer des Himmels auf uns herabge-
zogen hätte. Die beiden andern Günstlinge Kanut's kommen
mir nicht minder als Heiden vor, nicht minder lüstern als jener
wilde Löwe, und ich halte die drei für fähig zu Allem, wie ihren
königlichen Herrn. Hast Du die Bewaffneten gezählt, welche ihn
begleiten?

— Er hat nur die Hälfte seiner Leute mitgebracht, die
andere Hälfte erhebt den Zins auf dem platten Lande. Sie sind
stolz und verachten uns, weil sie die Getreuen eines Königssohnes
sind. Sind wir nicht so gut wie sie?

— Eben noch, setzte Bertegram hinzu, fahen sie aus, als
äßen sie nur mit den Zähnen und blickten in die Krüge hinein,
ob sie auch rein wären. Sie spotteten über unser irdenes und
zinnernes Geschirr.

— Ja, ja, ich soll mein goldenes und silbernes herausholen,
damit sie mich bestehlen können.

— Olaf, es könnte heute Abend wohl Blut hier fließen,
wenn die Frechen uns fortwährend necken.

— Zum Glück sind wir so zahlreich, wie die Leute Kanut's.

— Nun, nun, erhitzt Euch nicht, lieben Freunde. Wenn
man bei Tische zankt, zerschlägt man das Geschirr, und ich müßte
neues anschaffen.

— Olaf, die Ehre geht über das Geschirr.

— Gewiß, aber es ist nutzlos, Streitigkeiten zu veranlassen.
Seid nur auf Eurer Hut und sorgt dafür, daß bei den Weibern
Wache gehalten werde.

— Es wird geschehen, was Du befiehlst.

Einige Augenblicke später waren der Prinz und der Ritter
in des Letzteren Schatzkammer allein.

— Ritter, wie viel sind die Schätze werth, die in diesen
Truhen liegen?

— O, sie enthalten wenig, sehr wenig. Sie sind sehr groß,
weil es immer gut ist, sich mit einem großen Kruge und mit
einer großen Truhe zu versehen. Aber sie sind fast leer, und
ich bin leider nicht im Stande, dem König den Zins jetzt zu
entrichten.

— Um so schlimmer, Ritter. Jch wollte den Werth, den
sie enthalten, verdoppeln, verdreifachen, ja wohl gar vervierfachen.

— Du spottest.

— Ritter, ich komme nicht, um Zins zu fordern, ich möchte
Deine Macht und Deine Reichthümer über Deine Hoffnungen
[Spaltenumbruch] hinaus erhöhen. Jch schwöre es Dir bei der untheilbaren Drei-
einigkeit.

— Dann glaube ich Dir, denn nach dem Wunder, das
heute geschehen ist, wirst Du es nicht wagen, mit einem so furcht-
baren Schwure zu spielen und das Feuer des Himmels auf mein
Haus herabrufen. Warum willst Du mich so reich und mächtig
machen?

— Weil ich ein Jnteresse dabei habe. Möchtest Du, daß
Deine Besitzungen denen des Sohnes des Königs gleich kämen?

— Das möchte ich wohl.

— Willst Du statt dieser Deiner Angabe nach halbleeren
Truhen hundert mit Gold, edlen Steinen, Geschirr, Bechern,
Becken, Rüstungen und kostbaren Stoffen gefüllte haben!

— Ob ich das möchte!

— Willst Du, statt Ritter zu sein, eine ganze Provinz re-
gieren, kurz, so reich und mächtig sein, als Du nur wünschen
kannst?

— Du schwörst bei der untheilbaren Dreieinigkeit, daß Du
im Ernste sprichst?

— Jch schwöre es Dir.

— Du schwörst es auch bei dem großen St. Martin, den
ich besonders verehre?

— Jch schwöre es auch bei dem großen St. Martin, daß
meine Anträge ganz ernst gemeint sind.

— So erkläre Dich näher.

— Mein Vater führt jetzt Krieg mit den Niedersachsen. Jch
möchte dies benutzen, um mich an der Stelle meines Vaters zum
Könige zu machen. Mehrere Herren und Ritter der benachbarten
Orte sind bereits auf meinen Plan eingegangen. Willst Du für
oder gegen mich sein?

— Und Deine Brüder? Werden sie Dir allein das Reich
Deines Vaters überlassen?

— Jch werde meine Brüder ermorden lassen.

— Durch wen?

— Das wirst Du später erfahren.

— Kanut, solche Dinge, siehst Du, muß man selber thun,
wenn man sicher sein will, daß sie gelingen.

— Das sagst Du wohl, weil Du Deinen Bruder mit
eigener Hand getödtet hast.

— Haben nicht auch unsere großen Könige immer selbst, je
nachdem sie das Bedürfniß fühlten, ihrer nächsten Verwandten
sich durch Mord entledigt? Uebrigens kann ich auch ohne Scheu
von der Ermordung meines Bruders sprechen; ich habe Absolu-
tion erhalten und dafür bezahlt.

— Hast Du das Erbe behalten?

— Ein Viertheil davon habe ich der Kirche und meinem
Gönner, dem Bischof Woldemar, überlassen, um den Mord zu
sühnen.

— Du hast dabei doch immer drei Viertheile gewonnen.

— Hätte ich durch die Ermordung meines Bruders nichts
gewonnen, so würde ich sie unterlassen haben. Jch hatte gegen
ihn selbst keinen Haß.

— Und ich hasse meine Brüder auch nicht,.. ich will nur
alleiniger König von Dänemark sein. Antworte also, Ritter;
willst Du Dich durch einen heiligen Eid binden, für mich an der
Spitze Deiner Leute zu kämpfen, dann verpflichte ich mich durch
einen gleichen Eid, Dich zum Herrn einer Provinz nach Deiner
Wahl zu machen und Dir die Güter, die Schätze, die Leib-
eigenen des reichsten der Herren zu überlassen, die für meinen
Vater und gegen mich waren..

— Jch soll Dir also in meinem und meiner Leute Namen
versprechen, Deinem Heerbann zu folgen?

— So ist es.

[Ende Spaltensatz]
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Werden sie Dir allein das Reich Deines Vaters überlassen? — Jch werde meine Brüder ermorden lassen. — Durch wen? — Das wirst Du später erfahren. — Kanut, solche Dinge, siehst Du, muß man selber thun, wenn man sicher sein will, daß sie gelingen. — Das sagst Du wohl, weil Du Deinen Bruder mit eigener Hand getödtet hast. — Haben nicht auch unsere großen Könige immer selbst, je nachdem sie das Bedürfniß fühlten, ihrer nächsten Verwandten sich durch Mord entledigt? Uebrigens kann ich auch ohne Scheu von der Ermordung meines Bruders sprechen; ich habe Absolu- tion erhalten und dafür bezahlt. — Hast Du das Erbe behalten? — Ein Viertheil davon habe ich der Kirche und meinem Gönner, dem Bischof Woldemar, überlassen, um den Mord zu sühnen. — Du hast dabei doch immer drei Viertheile gewonnen. — Hätte ich durch die Ermordung meines Bruders nichts gewonnen, so würde ich sie unterlassen haben. Jch hatte gegen ihn selbst keinen Haß. — Und ich hasse meine Brüder auch nicht,.. ich will nur alleiniger König von Dänemark sein. Antworte also, Ritter; willst Du Dich durch einen heiligen Eid binden, für mich an der Spitze Deiner Leute zu kämpfen, dann verpflichte ich mich durch einen gleichen Eid, Dich zum Herrn einer Provinz nach Deiner Wahl zu machen und Dir die Güter, die Schätze, die Leib- eigenen des reichsten der Herren zu überlassen, die für meinen Vater und gegen mich waren.. — Jch soll Dir also in meinem und meiner Leute Namen versprechen, Deinem Heerbann zu folgen? — So ist es.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873
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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/11>, abgerufen am 02.06.2024.