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Sonntags-Blatt. Nr. 18. Berlin, 3. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz] hierin wetteifern. Von den circa vierzig Nähmaschinenfabriken ersten Ran-
ges, welche Nord=Amerika gegenwärtig zählt, fallen allein auf New=York
und Brooklyn circa fünfzehn, darunter auch die vom Erfinder hinterlassene
Howe'sche Fabrik für schwere Maschinen, welche hauptsächlich für Leder-
arbeit bestimmt sind und bis fünfhundert Stiche in der Minute leisten
können. Howe's erster Konkurrent, Singer, jetzt der König der Näh-
maschinenfabrikanten Amerika's, brachte diese Maschinengattung durch eine
neue Vorrichtung bis zu einer Schnelligkeit von siebenhundert Stichen in
der Minute, mit welcher Schnelligkeit sie selbst das stärkste Sohlleder
nähen. Ein fleißiger Arbeiter kann demnach mit dieser Maschine täglich
bis hundertundfünfzig Paar Schuhe fertigen. Noch schneller arbeiten die
von Singer zuerst in dieser Vollkommenheit konstruirten Nähmaschinen für
schwere Tucharbeit, die bis tausend Stiche in der Minute leisten. Obenan
aber stehen in der Schnelligkeit sicher die Fabrikate von Grover und Baker
zu Boston und New=York und der Wheeler and Wilson Campany zu
Bridgeport und New=York. Jhre Familien= und Weißzeugmaschinen brin-
gen es bis zu fünfzehnhundert bis dreitausend Stichen in der Minute,
bei Dampfbetrieb bis zum Doppelten, und arbeiten mit der Genauigkeit
eines Uhrwerks. Eine solche Maschine leistet also bei geschickter Hand-
habung reichlich so viel als fünfzig bis sechszig Näherinnen.

Jn Amerika hat man den Werth der Nähmaschine denn auch schon
längst genügend erkannt; man rechnete dort bereits vor fünf Jahren auf
jede zwanzigste Familie eine Nähmaschine, seitdem wird sich das Ver-
hältniß noch erheblich verbessert haben. Ueber den Verbrauch der Näh-
maschine in den ersten Jahren ihrer Produktion hat uns das Patent=Amt
zu Washington eine Menge statistischer Notizen gegeben, die wir aller-
dings nicht als erschöpfend ansehen können, die aber doch einen ungefähren
Ueberblick über den Aufschwung dieses Jndustriezweiges gewähren. Jn
den Jahren 1853 bis 1859 wurden hiernach in den Vereinigten Staaten
96,359 Nähmaschinen verkauft, davon kamen auf das Jahr 1853 erst
2509, auf 1854 schon 4459, auf 1858 aber 17,589, und auf 1859 gar
schon 46,243 Stück. Die Produktion hatte sich hier also in sieben der ersten
Jahre um mehr als das Achtzehnfache gesteigert, bis zum vorigen Jahr ist
sie aber um mehr als das Achtzigfache gestiegen. Grower und Baker
fertigten schon vor sechs Jahren in ihren riesigen Etablissements jährlich
durchschnittlich 9--10,000 Maschinen. Jn den zehn Jahren von 1851 bis
1861 hatten sie allein 57,444 Weißzeug=Nähmaschinen, im Ganzen 89,749
Nähmaschinen abgesetzt, wovon circa 60,000 auf die drei Jahre von 1858
bis 1861 kamen. Die Wheeler and Wilson Company setzte im gleichen
Zeitraum ( 1851 bis 1861 ) etwa 40,000 ab. Jn neuerer Zeit haben sich
diese Zahlen jedoch verdreifacht; denn nach Ausweis des Jahres 1867
haben Singer u. Comp. 43,000, Wheeler und Wilson 38,000, Grower
und Baker 32,000, Howe's hinterlassene Fabrik 11,000, und die Fabrik
von Willcox und Gibbs zu Philadelphia 17,000 Nähmaschinen gefertigt.
Von den drei ersteren Fabriken ist jede im Stande, wöchentlich bis 1000
Nähmaschinen herzustellen. Howe bezog in den letzten Jahren von seiner
Maschine durchschnittlich 250,000 Thlr. Tantieme, obgleich dieselbe bei
Erneuerung seines Patents von vier auf einen Dollar pro Stück herab-
gesetzt war. Jn England ist noch heut der erste Käufer der Howe'schen
Maschine, William Thomas, Hauptfabrikant für Nähmaschinen, an denen
er manche Verbesserungen eingeführt hat. Man rechnet, daß dort gegen-
wärtig circa 40,000 Nähmaschinen in Betrieb sind, die jährlich für 500
Millionen Thaler Arbeit liefern. Englands Nationalwohlstand würde sich
also hierdurch um 60 Millionen Pfund ( 400 Mill. Thlr. ) vermehrt haben;
Amerika's Nationalreichthum ist aber durch die Nähmaschine um 900 bis
1000 Millionen Thaler gewachsen. Der Totalwerth der jährlich in den
Vereinigten Staaten durch die Nähmaschine verrichteten Arbeit beträgt
zwischen 5--600 Millionen Dollars. An Arbeitslöhnen für Nähmaschinen-
arbeiten werden jährlich in den Vereinigten Staaten ausgezahlt 200
Millionen Dollars; davon kommen auf ein einziges New=Yorker Garde-
robengeschäft 200,000 Dollars. Dabei ist der Arbeitslohn fast doppelt so
hoch, als für die Handnäherei; in New=York giebt es ganze Kolonien von
Hausbesitzern und wohlhabenden Leuten, die ihr ansehnliches Vermögen
ausschließlich an der Nähmaschine [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]erworben haben.

Trotzdem sind die Preise der Fabrikate ganz bedeutend billiger geworden,
und damit hat sich zugleich der Konsum verdreifacht, verfünf= und verzehn-
facht. Jn New=York werden jährlich 5 bis 6 Millionen Mützen gefertigt,
und zwar um 25 Sgr. pro Dutzend billiger, als früher; desgleichen Hüte
1 1 / 2 --2 Millionen, an denen nur die Einfassungen mit der Maschine ge-
näht werden, die gleichwohl aber um 10 bis 15 Sgr. pro Stück billiger
sind. An diesen beiden Artikeln werden allein in New=York jährlich
375,000 Dollars Produktionskosten erspart. Bei der Hemdenfabrikation
haben einzelne Geschäftshäuser mehrere hundert Nähmaschinen in Betrieb,
so z. B. eine Fabrik 400 mit 800 Arbeiterinnen, sie bringt pro Woche bis
1000 Dutzend Hemden fertig. Jn den ganzen Vereinigten Staaten werden
jährlich circa 50 Millionen Dutzend Hemden fabrizirt. An Hemden-
Einsätzen liefert New=York täglich über 3000 Dutzend, jährlich 1 Millionen
Dutzend, welche, wenn man sie zusammenheften würde, ein Band aus-
machten, mit dem man sechszig Mal die Erde umspannen könnte. Eine
einzige Näherin kann auf der Maschine täglich bis acht Dutzend solcher
Einsätze fertigen. Man sehe sich diese auf statistischen Berechnungen be-
ruhenden wenigen Zahlen an und ermesse dann selbst, welche Zukunft der
Nähmaschine und ihrer Jndustrie noch bevorsteht.



[Spaltenumbruch]
Das Lachen.

Lachen, Schlafen und Hoffen sind drei Entschädigungen, die uns die
gütige Mutter Natur für alle Sorgen und Leiden des Lebens bietet --
für ein Leben, das Mancher nicht annehmen würde, wenn man ihn zuvor
um seine Einwilligung fragte. Sancho segnete den Mann, der den Schlaf
erfunden; hierin stimmen auch die Hindu mit ihm überein, denn diese
sagen: "Es ist besser zu sitzen, als zu stehen; besser zu liegen, als zu
sitzen; besser zu schlafen, als zu wachen, und besser todt sein, als leben".
Der melancholische Schluß scheint jedoch nur der Abrundung halber da zu
sein. Die alten Römer stellten die Hoffnung höher als den Schlaf, und
sahen dieselbe als die größte Segnung der Götter an. " Spiro -- spero "
sagt der Jtaliener noch heutigen Tages. Die Alten scheinen überhaupt
keinen Begriff von der großen Wohlthat des Schlafes, den Sancho in so
großen Zügen genoß, gehabt zu haben. Zeus nennt den Schlaf das Bild
des Todes, und der Tod wurde von vielen der alten Philosophen als die
Vernichtung und gänzliche Amortisation des Menschen angesehen. Auch
die Thiere schlafen; Hunde träumen selbst, und es ist nicht zu bestreiten,
daß eine Mäuse suchende Katze oder ein auf der Lauer liegender Fuchs
auch von einer Hoffnung beseelt ist. Schlafen und Hoffen müssen wir
demgemäß auch den Thieren zugestehen, doch nur der Mensch allein kann
lachen; man müßte denn das Wiehern des Pferdes als Lachen be-
zeichnen wollen, was jedoch schwer zu beweisen sein dürfte. Es ist zwar
nicht zu leugnen, daß es viele Menschen giebt, die wiehern, wenn sie lachen;
ob jedoch das Pferd lacht, wenn es wiehert, bleibt, wie gesagt, noch sehr
in Frage gestellt. Die Behauptung, daß Lachtauben lachen, ist geradezu
lächerlich. Der Mensch allein ist das des Lachens fähige Thier, und sollte
man dieses Vorrecht als die erste der vier Kardinaltugenden betrachten.
Plato nennt den Menschen ein unbefiedertes, zweibeiniges, stolzes, aufrecht
gehendes, konversirendes, denkendes Thier. Diese Definition steht jedoch
auf sehr schwachen Füßen, da die zwei Hauptpunkte, die den Menschen
vom Thier unterscheiden, gänzlich vergessen sind, nämlich, daß der Mensch
lachen und einen Selbstmord begeben kann. Man könnte noch eine andere
Eigenschaft anführen, die wir Menschen ohne Konkurrenz besitzen -- das
Nasenbluten. Was das Weinen betrifft, so weint ja auch der Elephant und
das Krokodil, und Homer läßt selbst die Pferde des Achilles beim Tode Par-
troclus Thränen vergießen. Es ist ein altes Sprüchwort, daß dem Lachen
nichts näher steht, als das Weinen, und nach der Aussage des Arztes
Lempiere ist das Eine die natürliche Folge des Andern. Als Momus
geboren wurde, erfüllte sein Weinen den ganzen Olymp so, daß alle Götter
herbeieilten, um den Schreihals zu beschwichtigen, und dennoch konnte
Jupiter niemals das letzte seiner Werke, den Menschen, ansehen, ohne in
ein fürchterliches Gelächter auszubrechen; er gab ihm darum auch das
Lachen als seinen Segen mit.

Fast jeder Philosoph hat es für seine Pflicht gehalten, die Menschheit
über ihr eigentliches Wesen aufzuklären. Franklin nennt uns "Werkzeuge
verfertigende Thiere"; Boswell, der ein Feinschmecker war, bezeichnet
uns als "kochende Zweifüßler", und ein ziemlich frivoler französischer Phi-
losoph sagt kurzweg: " L'homme est un animal, qui crache " ( d. h.:
"der Mensch ist ein spuckendes Thier" ) -- eine Behauptung, die höchst
wahrscheinlich in amerikanischen " Public-houses " entstanden ist. Die
einzige richtige Sacherklärung, die eine Bestreitung durchaus nicht zu-
läßt, ist die, daß der Mensch ein lachendes Thier ist. Man könnte
entgegensetzen, daß auch die Affen grinsen. Grinsen ist jedoch noch lange
kein Lachen, und angenommen dem wäre so, so dürfen wir auch nicht ver-
gessen, daß Linnäus den langarmigen Affen zum Menschengeschlecht zählt.
Ueberhaupt fällt es uns bekanntlich gar nicht so leicht, unsern Vetter, den
Affen, zu verleugnen. Rousseau sah in West=Afrika das Ursprungsgeschöpf der
Menschheit, und obschon er in seinen lichten Augenblicken den aufrechten
Gang auf den Hinterfüßen beibehielt, so konnte er dennoch den Vortheil,
den ein Gehen auf allen Vieren bietet, nicht ableugnen. Der Pavian-
Mediziner Moscati leitet viele der Krankheiten, die dem Menschen allein
eigen sind, wie z. B. Schwindsucht, Hypochondrie, Leberbeschwerden
von unserm aufrechten Gang ab. Ob er das Mittel, jenen Uebeln zuvor-
zukommen, auf sich selbst angewendet hat, wissen wir wirklich nicht an-
zugeben. Ein genauer Beobachter wird an unserm grinsenden Verwandten
andere Eigenschaften finden, die mit den unsrigen mehr Aehnlichkeit haben,
als der aufrechte Gang, den der Affe doch nur versuchsweise annimmt, und
der uns erst in Folge langer Uebung zur Gewohnheit geworden ist. Jedoch
zurück zu unserem Thema.

Lachen ist eine angenehme konvulsivische Erschütterung der Athmungs-
werkzeuge, eine Konvulsion der Gesichts= und Bauchmuskeln und zugleich
ein äußerliches Zeichen der Freude, wie Weinen hingegen Schmerz oder
Kummer ausdrückt. Les extremes se touchent, und ein unbändiges
Lachen hat leicht einen großen Thränenerguß zur Folge; auch sieht man
häufig, daß großer Schmerz sich in jenem unheimlichen Lachen ausdrückt,
welches man mit dem Worte "hysterisch" bezeichnet. Wie ziemlich gleich
der Gesichtsausdruck beim Lachen und Weinen ist, beweist, daß Rubens mit
einem einzigen Pinselstrich ein lachendes Kind in ein weinendes verwandeln
konnte. Unsere Mütter haben, ohne große Maler zu sein, dasselbe
häufig mit einem einzigen Wort erzielt. Man weiß, daß Kinder früher
weinen als lachen. Aristoteles behauptet, daß Kinder vor ihrem vierzigsten
Tage nicht zu lachen vermögen, und St. Cyprian erklärt, daß sie mit
Thränen nach der Taufe verlangen.

Die Alten sahen das Lachen eines jungen Kindes als ein gutes Omen
an, und es wird berichtet, daß Zoroaster bereits am Tage seiner Geburt
gelacht habe. Gargentus that es jedoch dem Aristoteles zu Gefallen, nicht
vor seinem vierzigsten Tage zu lachen; in der Zwischenzeit soll er aber
beständig " Au boire!" gerufen haben. Wie weit dies auf Wahrheit
oder auf Verleumdung beruht, mag dahingestellt sein. Die Rabbinen
glaubten, daß ein lachendes Kind von Cillis, jener Teufelin, die Adam
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] hierin wetteifern. Von den circa vierzig Nähmaschinenfabriken ersten Ran-
ges, welche Nord=Amerika gegenwärtig zählt, fallen allein auf New=York
und Brooklyn circa fünfzehn, darunter auch die vom Erfinder hinterlassene
Howe'sche Fabrik für schwere Maschinen, welche hauptsächlich für Leder-
arbeit bestimmt sind und bis fünfhundert Stiche in der Minute leisten
können. Howe's erster Konkurrent, Singer, jetzt der König der Näh-
maschinenfabrikanten Amerika's, brachte diese Maschinengattung durch eine
neue Vorrichtung bis zu einer Schnelligkeit von siebenhundert Stichen in
der Minute, mit welcher Schnelligkeit sie selbst das stärkste Sohlleder
nähen. Ein fleißiger Arbeiter kann demnach mit dieser Maschine täglich
bis hundertundfünfzig Paar Schuhe fertigen. Noch schneller arbeiten die
von Singer zuerst in dieser Vollkommenheit konstruirten Nähmaschinen für
schwere Tucharbeit, die bis tausend Stiche in der Minute leisten. Obenan
aber stehen in der Schnelligkeit sicher die Fabrikate von Grover und Baker
zu Boston und New=York und der Wheeler and Wilson Campany zu
Bridgeport und New=York. Jhre Familien= und Weißzeugmaschinen brin-
gen es bis zu fünfzehnhundert bis dreitausend Stichen in der Minute,
bei Dampfbetrieb bis zum Doppelten, und arbeiten mit der Genauigkeit
eines Uhrwerks. Eine solche Maschine leistet also bei geschickter Hand-
habung reichlich so viel als fünfzig bis sechszig Näherinnen.

Jn Amerika hat man den Werth der Nähmaschine denn auch schon
längst genügend erkannt; man rechnete dort bereits vor fünf Jahren auf
jede zwanzigste Familie eine Nähmaschine, seitdem wird sich das Ver-
hältniß noch erheblich verbessert haben. Ueber den Verbrauch der Näh-
maschine in den ersten Jahren ihrer Produktion hat uns das Patent=Amt
zu Washington eine Menge statistischer Notizen gegeben, die wir aller-
dings nicht als erschöpfend ansehen können, die aber doch einen ungefähren
Ueberblick über den Aufschwung dieses Jndustriezweiges gewähren. Jn
den Jahren 1853 bis 1859 wurden hiernach in den Vereinigten Staaten
96,359 Nähmaschinen verkauft, davon kamen auf das Jahr 1853 erst
2509, auf 1854 schon 4459, auf 1858 aber 17,589, und auf 1859 gar
schon 46,243 Stück. Die Produktion hatte sich hier also in sieben der ersten
Jahre um mehr als das Achtzehnfache gesteigert, bis zum vorigen Jahr ist
sie aber um mehr als das Achtzigfache gestiegen. Grower und Baker
fertigten schon vor sechs Jahren in ihren riesigen Etablissements jährlich
durchschnittlich 9—10,000 Maschinen. Jn den zehn Jahren von 1851 bis
1861 hatten sie allein 57,444 Weißzeug=Nähmaschinen, im Ganzen 89,749
Nähmaschinen abgesetzt, wovon circa 60,000 auf die drei Jahre von 1858
bis 1861 kamen. Die Wheeler and Wilson Company setzte im gleichen
Zeitraum ( 1851 bis 1861 ) etwa 40,000 ab. Jn neuerer Zeit haben sich
diese Zahlen jedoch verdreifacht; denn nach Ausweis des Jahres 1867
haben Singer u. Comp. 43,000, Wheeler und Wilson 38,000, Grower
und Baker 32,000, Howe's hinterlassene Fabrik 11,000, und die Fabrik
von Willcox und Gibbs zu Philadelphia 17,000 Nähmaschinen gefertigt.
Von den drei ersteren Fabriken ist jede im Stande, wöchentlich bis 1000
Nähmaschinen herzustellen. Howe bezog in den letzten Jahren von seiner
Maschine durchschnittlich 250,000 Thlr. Tantième, obgleich dieselbe bei
Erneuerung seines Patents von vier auf einen Dollar pro Stück herab-
gesetzt war. Jn England ist noch heut der erste Käufer der Howe'schen
Maschine, William Thomas, Hauptfabrikant für Nähmaschinen, an denen
er manche Verbesserungen eingeführt hat. Man rechnet, daß dort gegen-
wärtig circa 40,000 Nähmaschinen in Betrieb sind, die jährlich für 500
Millionen Thaler Arbeit liefern. Englands Nationalwohlstand würde sich
also hierdurch um 60 Millionen Pfund ( 400 Mill. Thlr. ) vermehrt haben;
Amerika's Nationalreichthum ist aber durch die Nähmaschine um 900 bis
1000 Millionen Thaler gewachsen. Der Totalwerth der jährlich in den
Vereinigten Staaten durch die Nähmaschine verrichteten Arbeit beträgt
zwischen 5—600 Millionen Dollars. An Arbeitslöhnen für Nähmaschinen-
arbeiten werden jährlich in den Vereinigten Staaten ausgezahlt 200
Millionen Dollars; davon kommen auf ein einziges New=Yorker Garde-
robengeschäft 200,000 Dollars. Dabei ist der Arbeitslohn fast doppelt so
hoch, als für die Handnäherei; in New=York giebt es ganze Kolonien von
Hausbesitzern und wohlhabenden Leuten, die ihr ansehnliches Vermögen
ausschließlich an der Nähmaschine [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]erworben haben.

Trotzdem sind die Preise der Fabrikate ganz bedeutend billiger geworden,
und damit hat sich zugleich der Konsum verdreifacht, verfünf= und verzehn-
facht. Jn New=York werden jährlich 5 bis 6 Millionen Mützen gefertigt,
und zwar um 25 Sgr. pro Dutzend billiger, als früher; desgleichen Hüte
1 1 / 2 —2 Millionen, an denen nur die Einfassungen mit der Maschine ge-
näht werden, die gleichwohl aber um 10 bis 15 Sgr. pro Stück billiger
sind. An diesen beiden Artikeln werden allein in New=York jährlich
375,000 Dollars Produktionskosten erspart. Bei der Hemdenfabrikation
haben einzelne Geschäftshäuser mehrere hundert Nähmaschinen in Betrieb,
so z. B. eine Fabrik 400 mit 800 Arbeiterinnen, sie bringt pro Woche bis
1000 Dutzend Hemden fertig. Jn den ganzen Vereinigten Staaten werden
jährlich circa 50 Millionen Dutzend Hemden fabrizirt. An Hemden-
Einsätzen liefert New=York täglich über 3000 Dutzend, jährlich 1 Millionen
Dutzend, welche, wenn man sie zusammenheften würde, ein Band aus-
machten, mit dem man sechszig Mal die Erde umspannen könnte. Eine
einzige Näherin kann auf der Maschine täglich bis acht Dutzend solcher
Einsätze fertigen. Man sehe sich diese auf statistischen Berechnungen be-
ruhenden wenigen Zahlen an und ermesse dann selbst, welche Zukunft der
Nähmaschine und ihrer Jndustrie noch bevorsteht.



[Spaltenumbruch]
Das Lachen.

Lachen, Schlafen und Hoffen sind drei Entschädigungen, die uns die
gütige Mutter Natur für alle Sorgen und Leiden des Lebens bietet —
für ein Leben, das Mancher nicht annehmen würde, wenn man ihn zuvor
um seine Einwilligung fragte. Sancho segnete den Mann, der den Schlaf
erfunden; hierin stimmen auch die Hindu mit ihm überein, denn diese
sagen: „Es ist besser zu sitzen, als zu stehen; besser zu liegen, als zu
sitzen; besser zu schlafen, als zu wachen, und besser todt sein, als leben“.
Der melancholische Schluß scheint jedoch nur der Abrundung halber da zu
sein. Die alten Römer stellten die Hoffnung höher als den Schlaf, und
sahen dieselbe als die größte Segnung der Götter an. „ Spiro — spero
sagt der Jtaliener noch heutigen Tages. Die Alten scheinen überhaupt
keinen Begriff von der großen Wohlthat des Schlafes, den Sancho in so
großen Zügen genoß, gehabt zu haben. Zeus nennt den Schlaf das Bild
des Todes, und der Tod wurde von vielen der alten Philosophen als die
Vernichtung und gänzliche Amortisation des Menschen angesehen. Auch
die Thiere schlafen; Hunde träumen selbst, und es ist nicht zu bestreiten,
daß eine Mäuse suchende Katze oder ein auf der Lauer liegender Fuchs
auch von einer Hoffnung beseelt ist. Schlafen und Hoffen müssen wir
demgemäß auch den Thieren zugestehen, doch nur der Mensch allein kann
lachen; man müßte denn das Wiehern des Pferdes als Lachen be-
zeichnen wollen, was jedoch schwer zu beweisen sein dürfte. Es ist zwar
nicht zu leugnen, daß es viele Menschen giebt, die wiehern, wenn sie lachen;
ob jedoch das Pferd lacht, wenn es wiehert, bleibt, wie gesagt, noch sehr
in Frage gestellt. Die Behauptung, daß Lachtauben lachen, ist geradezu
lächerlich. Der Mensch allein ist das des Lachens fähige Thier, und sollte
man dieses Vorrecht als die erste der vier Kardinaltugenden betrachten.
Plato nennt den Menschen ein unbefiedertes, zweibeiniges, stolzes, aufrecht
gehendes, konversirendes, denkendes Thier. Diese Definition steht jedoch
auf sehr schwachen Füßen, da die zwei Hauptpunkte, die den Menschen
vom Thier unterscheiden, gänzlich vergessen sind, nämlich, daß der Mensch
lachen und einen Selbstmord begeben kann. Man könnte noch eine andere
Eigenschaft anführen, die wir Menschen ohne Konkurrenz besitzen — das
Nasenbluten. Was das Weinen betrifft, so weint ja auch der Elephant und
das Krokodil, und Homer läßt selbst die Pferde des Achilles beim Tode Par-
troclus Thränen vergießen. Es ist ein altes Sprüchwort, daß dem Lachen
nichts näher steht, als das Weinen, und nach der Aussage des Arztes
Lempière ist das Eine die natürliche Folge des Andern. Als Momus
geboren wurde, erfüllte sein Weinen den ganzen Olymp so, daß alle Götter
herbeieilten, um den Schreihals zu beschwichtigen, und dennoch konnte
Jupiter niemals das letzte seiner Werke, den Menschen, ansehen, ohne in
ein fürchterliches Gelächter auszubrechen; er gab ihm darum auch das
Lachen als seinen Segen mit.

Fast jeder Philosoph hat es für seine Pflicht gehalten, die Menschheit
über ihr eigentliches Wesen aufzuklären. Franklin nennt uns „Werkzeuge
verfertigende Thiere“; Boswell, der ein Feinschmecker war, bezeichnet
uns als „kochende Zweifüßler“, und ein ziemlich frivoler französischer Phi-
losoph sagt kurzweg: „ L'homme est un animal, qui crache “ ( d. h.:
„der Mensch ist ein spuckendes Thier“ ) — eine Behauptung, die höchst
wahrscheinlich in amerikanischen „ Public-houses “ entstanden ist. Die
einzige richtige Sacherklärung, die eine Bestreitung durchaus nicht zu-
läßt, ist die, daß der Mensch ein lachendes Thier ist. Man könnte
entgegensetzen, daß auch die Affen grinsen. Grinsen ist jedoch noch lange
kein Lachen, und angenommen dem wäre so, so dürfen wir auch nicht ver-
gessen, daß Linnäus den langarmigen Affen zum Menschengeschlecht zählt.
Ueberhaupt fällt es uns bekanntlich gar nicht so leicht, unsern Vetter, den
Affen, zu verleugnen. Rousseau sah in West=Afrika das Ursprungsgeschöpf der
Menschheit, und obschon er in seinen lichten Augenblicken den aufrechten
Gang auf den Hinterfüßen beibehielt, so konnte er dennoch den Vortheil,
den ein Gehen auf allen Vieren bietet, nicht ableugnen. Der Pavian-
Mediziner Moscati leitet viele der Krankheiten, die dem Menschen allein
eigen sind, wie z. B. Schwindsucht, Hypochondrie, Leberbeschwerden
von unserm aufrechten Gang ab. Ob er das Mittel, jenen Uebeln zuvor-
zukommen, auf sich selbst angewendet hat, wissen wir wirklich nicht an-
zugeben. Ein genauer Beobachter wird an unserm grinsenden Verwandten
andere Eigenschaften finden, die mit den unsrigen mehr Aehnlichkeit haben,
als der aufrechte Gang, den der Affe doch nur versuchsweise annimmt, und
der uns erst in Folge langer Uebung zur Gewohnheit geworden ist. Jedoch
zurück zu unserem Thema.

Lachen ist eine angenehme konvulsivische Erschütterung der Athmungs-
werkzeuge, eine Konvulsion der Gesichts= und Bauchmuskeln und zugleich
ein äußerliches Zeichen der Freude, wie Weinen hingegen Schmerz oder
Kummer ausdrückt. Les extrêmes se touchent, und ein unbändiges
Lachen hat leicht einen großen Thränenerguß zur Folge; auch sieht man
häufig, daß großer Schmerz sich in jenem unheimlichen Lachen ausdrückt,
welches man mit dem Worte „hysterisch“ bezeichnet. Wie ziemlich gleich
der Gesichtsausdruck beim Lachen und Weinen ist, beweist, daß Rubens mit
einem einzigen Pinselstrich ein lachendes Kind in ein weinendes verwandeln
konnte. Unsere Mütter haben, ohne große Maler zu sein, dasselbe
häufig mit einem einzigen Wort erzielt. Man weiß, daß Kinder früher
weinen als lachen. Aristoteles behauptet, daß Kinder vor ihrem vierzigsten
Tage nicht zu lachen vermögen, und St. Cyprian erklärt, daß sie mit
Thränen nach der Taufe verlangen.

Die Alten sahen das Lachen eines jungen Kindes als ein gutes Omen
an, und es wird berichtet, daß Zoroaster bereits am Tage seiner Geburt
gelacht habe. Gargentus that es jedoch dem Aristoteles zu Gefallen, nicht
vor seinem vierzigsten Tage zu lachen; in der Zwischenzeit soll er aber
beständig „ Au boire!“ gerufen haben. Wie weit dies auf Wahrheit
oder auf Verleumdung beruht, mag dahingestellt sein. Die Rabbinen
glaubten, daß ein lachendes Kind von Cillis, jener Teufelin, die Adam
[Ende Spaltensatz]

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[142/0006] 142 hierin wetteifern. Von den circa vierzig Nähmaschinenfabriken ersten Ran- ges, welche Nord=Amerika gegenwärtig zählt, fallen allein auf New=York und Brooklyn circa fünfzehn, darunter auch die vom Erfinder hinterlassene Howe'sche Fabrik für schwere Maschinen, welche hauptsächlich für Leder- arbeit bestimmt sind und bis fünfhundert Stiche in der Minute leisten können. Howe's erster Konkurrent, Singer, jetzt der König der Näh- maschinenfabrikanten Amerika's, brachte diese Maschinengattung durch eine neue Vorrichtung bis zu einer Schnelligkeit von siebenhundert Stichen in der Minute, mit welcher Schnelligkeit sie selbst das stärkste Sohlleder nähen. Ein fleißiger Arbeiter kann demnach mit dieser Maschine täglich bis hundertundfünfzig Paar Schuhe fertigen. Noch schneller arbeiten die von Singer zuerst in dieser Vollkommenheit konstruirten Nähmaschinen für schwere Tucharbeit, die bis tausend Stiche in der Minute leisten. Obenan aber stehen in der Schnelligkeit sicher die Fabrikate von Grover und Baker zu Boston und New=York und der Wheeler and Wilson Campany zu Bridgeport und New=York. Jhre Familien= und Weißzeugmaschinen brin- gen es bis zu fünfzehnhundert bis dreitausend Stichen in der Minute, bei Dampfbetrieb bis zum Doppelten, und arbeiten mit der Genauigkeit eines Uhrwerks. Eine solche Maschine leistet also bei geschickter Hand- habung reichlich so viel als fünfzig bis sechszig Näherinnen. Jn Amerika hat man den Werth der Nähmaschine denn auch schon längst genügend erkannt; man rechnete dort bereits vor fünf Jahren auf jede zwanzigste Familie eine Nähmaschine, seitdem wird sich das Ver- hältniß noch erheblich verbessert haben. Ueber den Verbrauch der Näh- maschine in den ersten Jahren ihrer Produktion hat uns das Patent=Amt zu Washington eine Menge statistischer Notizen gegeben, die wir aller- dings nicht als erschöpfend ansehen können, die aber doch einen ungefähren Ueberblick über den Aufschwung dieses Jndustriezweiges gewähren. Jn den Jahren 1853 bis 1859 wurden hiernach in den Vereinigten Staaten 96,359 Nähmaschinen verkauft, davon kamen auf das Jahr 1853 erst 2509, auf 1854 schon 4459, auf 1858 aber 17,589, und auf 1859 gar schon 46,243 Stück. Die Produktion hatte sich hier also in sieben der ersten Jahre um mehr als das Achtzehnfache gesteigert, bis zum vorigen Jahr ist sie aber um mehr als das Achtzigfache gestiegen. Grower und Baker fertigten schon vor sechs Jahren in ihren riesigen Etablissements jährlich durchschnittlich 9—10,000 Maschinen. Jn den zehn Jahren von 1851 bis 1861 hatten sie allein 57,444 Weißzeug=Nähmaschinen, im Ganzen 89,749 Nähmaschinen abgesetzt, wovon circa 60,000 auf die drei Jahre von 1858 bis 1861 kamen. Die Wheeler and Wilson Company setzte im gleichen Zeitraum ( 1851 bis 1861 ) etwa 40,000 ab. Jn neuerer Zeit haben sich diese Zahlen jedoch verdreifacht; denn nach Ausweis des Jahres 1867 haben Singer u. Comp. 43,000, Wheeler und Wilson 38,000, Grower und Baker 32,000, Howe's hinterlassene Fabrik 11,000, und die Fabrik von Willcox und Gibbs zu Philadelphia 17,000 Nähmaschinen gefertigt. Von den drei ersteren Fabriken ist jede im Stande, wöchentlich bis 1000 Nähmaschinen herzustellen. Howe bezog in den letzten Jahren von seiner Maschine durchschnittlich 250,000 Thlr. Tantième, obgleich dieselbe bei Erneuerung seines Patents von vier auf einen Dollar pro Stück herab- gesetzt war. Jn England ist noch heut der erste Käufer der Howe'schen Maschine, William Thomas, Hauptfabrikant für Nähmaschinen, an denen er manche Verbesserungen eingeführt hat. Man rechnet, daß dort gegen- wärtig circa 40,000 Nähmaschinen in Betrieb sind, die jährlich für 500 Millionen Thaler Arbeit liefern. Englands Nationalwohlstand würde sich also hierdurch um 60 Millionen Pfund ( 400 Mill. Thlr. ) vermehrt haben; Amerika's Nationalreichthum ist aber durch die Nähmaschine um 900 bis 1000 Millionen Thaler gewachsen. Der Totalwerth der jährlich in den Vereinigten Staaten durch die Nähmaschine verrichteten Arbeit beträgt zwischen 5—600 Millionen Dollars. An Arbeitslöhnen für Nähmaschinen- arbeiten werden jährlich in den Vereinigten Staaten ausgezahlt 200 Millionen Dollars; davon kommen auf ein einziges New=Yorker Garde- robengeschäft 200,000 Dollars. Dabei ist der Arbeitslohn fast doppelt so hoch, als für die Handnäherei; in New=York giebt es ganze Kolonien von Hausbesitzern und wohlhabenden Leuten, die ihr ansehnliches Vermögen ausschließlich an der Nähmaschine ________erworben haben. Trotzdem sind die Preise der Fabrikate ganz bedeutend billiger geworden, und damit hat sich zugleich der Konsum verdreifacht, verfünf= und verzehn- facht. Jn New=York werden jährlich 5 bis 6 Millionen Mützen gefertigt, und zwar um 25 Sgr. pro Dutzend billiger, als früher; desgleichen Hüte 1 1 / 2 —2 Millionen, an denen nur die Einfassungen mit der Maschine ge- näht werden, die gleichwohl aber um 10 bis 15 Sgr. pro Stück billiger sind. An diesen beiden Artikeln werden allein in New=York jährlich 375,000 Dollars Produktionskosten erspart. Bei der Hemdenfabrikation haben einzelne Geschäftshäuser mehrere hundert Nähmaschinen in Betrieb, so z. B. eine Fabrik 400 mit 800 Arbeiterinnen, sie bringt pro Woche bis 1000 Dutzend Hemden fertig. Jn den ganzen Vereinigten Staaten werden jährlich circa 50 Millionen Dutzend Hemden fabrizirt. An Hemden- Einsätzen liefert New=York täglich über 3000 Dutzend, jährlich 1 Millionen Dutzend, welche, wenn man sie zusammenheften würde, ein Band aus- machten, mit dem man sechszig Mal die Erde umspannen könnte. Eine einzige Näherin kann auf der Maschine täglich bis acht Dutzend solcher Einsätze fertigen. Man sehe sich diese auf statistischen Berechnungen be- ruhenden wenigen Zahlen an und ermesse dann selbst, welche Zukunft der Nähmaschine und ihrer Jndustrie noch bevorsteht. Das Lachen. Lachen, Schlafen und Hoffen sind drei Entschädigungen, die uns die gütige Mutter Natur für alle Sorgen und Leiden des Lebens bietet — für ein Leben, das Mancher nicht annehmen würde, wenn man ihn zuvor um seine Einwilligung fragte. Sancho segnete den Mann, der den Schlaf erfunden; hierin stimmen auch die Hindu mit ihm überein, denn diese sagen: „Es ist besser zu sitzen, als zu stehen; besser zu liegen, als zu sitzen; besser zu schlafen, als zu wachen, und besser todt sein, als leben“. Der melancholische Schluß scheint jedoch nur der Abrundung halber da zu sein. Die alten Römer stellten die Hoffnung höher als den Schlaf, und sahen dieselbe als die größte Segnung der Götter an. „ Spiro — spero “ sagt der Jtaliener noch heutigen Tages. Die Alten scheinen überhaupt keinen Begriff von der großen Wohlthat des Schlafes, den Sancho in so großen Zügen genoß, gehabt zu haben. Zeus nennt den Schlaf das Bild des Todes, und der Tod wurde von vielen der alten Philosophen als die Vernichtung und gänzliche Amortisation des Menschen angesehen. Auch die Thiere schlafen; Hunde träumen selbst, und es ist nicht zu bestreiten, daß eine Mäuse suchende Katze oder ein auf der Lauer liegender Fuchs auch von einer Hoffnung beseelt ist. Schlafen und Hoffen müssen wir demgemäß auch den Thieren zugestehen, doch nur der Mensch allein kann lachen; man müßte denn das Wiehern des Pferdes als Lachen be- zeichnen wollen, was jedoch schwer zu beweisen sein dürfte. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß es viele Menschen giebt, die wiehern, wenn sie lachen; ob jedoch das Pferd lacht, wenn es wiehert, bleibt, wie gesagt, noch sehr in Frage gestellt. Die Behauptung, daß Lachtauben lachen, ist geradezu lächerlich. Der Mensch allein ist das des Lachens fähige Thier, und sollte man dieses Vorrecht als die erste der vier Kardinaltugenden betrachten. Plato nennt den Menschen ein unbefiedertes, zweibeiniges, stolzes, aufrecht gehendes, konversirendes, denkendes Thier. Diese Definition steht jedoch auf sehr schwachen Füßen, da die zwei Hauptpunkte, die den Menschen vom Thier unterscheiden, gänzlich vergessen sind, nämlich, daß der Mensch lachen und einen Selbstmord begeben kann. Man könnte noch eine andere Eigenschaft anführen, die wir Menschen ohne Konkurrenz besitzen — das Nasenbluten. Was das Weinen betrifft, so weint ja auch der Elephant und das Krokodil, und Homer läßt selbst die Pferde des Achilles beim Tode Par- troclus Thränen vergießen. Es ist ein altes Sprüchwort, daß dem Lachen nichts näher steht, als das Weinen, und nach der Aussage des Arztes Lempière ist das Eine die natürliche Folge des Andern. Als Momus geboren wurde, erfüllte sein Weinen den ganzen Olymp so, daß alle Götter herbeieilten, um den Schreihals zu beschwichtigen, und dennoch konnte Jupiter niemals das letzte seiner Werke, den Menschen, ansehen, ohne in ein fürchterliches Gelächter auszubrechen; er gab ihm darum auch das Lachen als seinen Segen mit. Fast jeder Philosoph hat es für seine Pflicht gehalten, die Menschheit über ihr eigentliches Wesen aufzuklären. Franklin nennt uns „Werkzeuge verfertigende Thiere“; Boswell, der ein Feinschmecker war, bezeichnet uns als „kochende Zweifüßler“, und ein ziemlich frivoler französischer Phi- losoph sagt kurzweg: „ L'homme est un animal, qui crache “ ( d. h.: „der Mensch ist ein spuckendes Thier“ ) — eine Behauptung, die höchst wahrscheinlich in amerikanischen „ Public-houses “ entstanden ist. Die einzige richtige Sacherklärung, die eine Bestreitung durchaus nicht zu- läßt, ist die, daß der Mensch ein lachendes Thier ist. Man könnte entgegensetzen, daß auch die Affen grinsen. Grinsen ist jedoch noch lange kein Lachen, und angenommen dem wäre so, so dürfen wir auch nicht ver- gessen, daß Linnäus den langarmigen Affen zum Menschengeschlecht zählt. Ueberhaupt fällt es uns bekanntlich gar nicht so leicht, unsern Vetter, den Affen, zu verleugnen. Rousseau sah in West=Afrika das Ursprungsgeschöpf der Menschheit, und obschon er in seinen lichten Augenblicken den aufrechten Gang auf den Hinterfüßen beibehielt, so konnte er dennoch den Vortheil, den ein Gehen auf allen Vieren bietet, nicht ableugnen. Der Pavian- Mediziner Moscati leitet viele der Krankheiten, die dem Menschen allein eigen sind, wie z. B. Schwindsucht, Hypochondrie, Leberbeschwerden von unserm aufrechten Gang ab. Ob er das Mittel, jenen Uebeln zuvor- zukommen, auf sich selbst angewendet hat, wissen wir wirklich nicht an- zugeben. Ein genauer Beobachter wird an unserm grinsenden Verwandten andere Eigenschaften finden, die mit den unsrigen mehr Aehnlichkeit haben, als der aufrechte Gang, den der Affe doch nur versuchsweise annimmt, und der uns erst in Folge langer Uebung zur Gewohnheit geworden ist. Jedoch zurück zu unserem Thema. Lachen ist eine angenehme konvulsivische Erschütterung der Athmungs- werkzeuge, eine Konvulsion der Gesichts= und Bauchmuskeln und zugleich ein äußerliches Zeichen der Freude, wie Weinen hingegen Schmerz oder Kummer ausdrückt. Les extrêmes se touchent, und ein unbändiges Lachen hat leicht einen großen Thränenerguß zur Folge; auch sieht man häufig, daß großer Schmerz sich in jenem unheimlichen Lachen ausdrückt, welches man mit dem Worte „hysterisch“ bezeichnet. Wie ziemlich gleich der Gesichtsausdruck beim Lachen und Weinen ist, beweist, daß Rubens mit einem einzigen Pinselstrich ein lachendes Kind in ein weinendes verwandeln konnte. Unsere Mütter haben, ohne große Maler zu sein, dasselbe häufig mit einem einzigen Wort erzielt. Man weiß, daß Kinder früher weinen als lachen. Aristoteles behauptet, daß Kinder vor ihrem vierzigsten Tage nicht zu lachen vermögen, und St. Cyprian erklärt, daß sie mit Thränen nach der Taufe verlangen. Die Alten sahen das Lachen eines jungen Kindes als ein gutes Omen an, und es wird berichtet, daß Zoroaster bereits am Tage seiner Geburt gelacht habe. Gargentus that es jedoch dem Aristoteles zu Gefallen, nicht vor seinem vierzigsten Tage zu lachen; in der Zwischenzeit soll er aber beständig „ Au boire!“ gerufen haben. Wie weit dies auf Wahrheit oder auf Verleumdung beruht, mag dahingestellt sein. Die Rabbinen glaubten, daß ein lachendes Kind von Cillis, jener Teufelin, die Adam

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 18. Berlin, 3. Mai 1868, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt18_1868/6>, abgerufen am 01.06.2024.