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Sonntags-Blatt. Nr. 20. Berlin, 17. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz] einem Steinbruch bei Alexandrien; die Transportkosten waren aber so
enorm, daß man sich entschloß, künstliche aus Frankreich zu beziehen,
die sich bei ausgedehnten Wasserbauten in diesem Lande trefflich be-
währt hatten. Sie wurden aus Sand und Kalk zusammengeknetet,
in Formen geschlagen und getrocknet. Jn Blöcken bis zu 50,000
Pfund kamen sie zur Verwendung, die von Dampfkräften mit ihren
gewaltigen Eisenarmen mit einer Leichtigkeit gehoben und versetzt
wurden, wie die Ziegelsteine von den Händen des Maurers.

Der Hafen ist noch nicht vollendet, wenigstens fehlt ihm noch
die in Voranschlag gebrachte Tiefe. Vor einem halben Jahr un-
[Spaltenumbruch] gefähr waren nach der auf der Pariser Ausstellung ausgelegten Be-
rechnung noch über zwei Millionen Kubikmeter Erde wegzuschaffen.
Die Gesellschaft hat für diese Arbeit acht Bagger in Thätigkeit, von
denen jeder einzelne 1200 Kubikmeter pro Tag auswirft, woraus
abzunehmen ist, daß das Werk schon in wenigen Monaten beendigt sein
muß. Den Verkehr mit den übrigen Punkten der Anlagen unter-
hält täglich und mit großer Regelmäßigkeit ein Postboot. Auf einer
Fahrt mit dem trefflichen Dampfschiff, die alle wesentlichen Punkte
des Kanalbau's berührt, läßt sich ein gewisser Ueberblick über die An-
lagen gewinnen.     ( Schluß folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Rindfleisch=Lektion. Talleyrand war der Ansicht, daß man
im gesellschaftlichen Umgang auch bei den kleinsten Akten Rang und
Stellung nicht unberücksichtigt lassen müsse; denn nichts sei im Punkt der
Etiquette gleichgültig. Jn dieser Beziehung theilt Fürst Gortschakoff fol-
gende Beobachtung mit, die er als junger Attach e in Talleyrands Hause
gemacht, und welche er die "Rindfleisch=Lektion" nennt. Talleyrand hatte
eine Anzahl Personen zu Tische geladen und bot, nachdem die Suppe ab-
getragen, seinen Gästen Rindfleisch an. Zu dem Ersten sagte er, das beste
Stück aussuchend, sehr ehrerbietig: "Herr Herzog, kann ich die Ehre haben,
Jhnen Rindfleisch anzubieten?" Zu einem Zweiten mit dem artigsten
Lächeln: "Herr Marquis, kann ich das Vergnügen haben, Jhnen Rindfleisch
anzubieten?" Zu einem Dritten mit Leutseligkeit: "Lieber Graf, kann ich
Jhnen Rindfleisch offeriren?" Dann zu einem Vierten wohlwollend:
"Baron, nehmen Sie Rindfleisch?" "Herr Geheimerath, wollen Sie
Rindfleisch?" Und einem am Ende der Tafel sitzenden Herrn rief der
Fürst endlich mit einer Kopfbewegung, einem wohlwollenden Lächeln und
die Fläche seines Messers zeigend, zu: "Rindfleisch?"



+ Man hat nachgewiesen, daß das Verhältniß der Sterblichkeit bei
den verheiratheten Männern wesentlich günstiger ist, als bei den un-
verheiratheten. Umfassende Ermittelungen haben darüber in Schottland
stattgefunden. Von 100,000 unverheiratheten Männern im Alter von 20
bis 25 Jahren starben dort im Laufe eines Jahres 1174, von eben so viel
verheiratheten nur 597. Obgleich das Verhältniß mit den vorrückenden Jahren
abnimmt, ist das Uebergewicht doch stets auf Seite der Verheiratheten,
wie folgende Beispiele zeigen: von 100,000 Männern zwischen 30 und 35
Jahren starben 1475 Ledige, 907 Verheirathete; von 40 bis 45 starben
1689 Ledige auf 1248 Verheirathete; von 60 bis 65 starben 4330 Ledige
auf 3385 Verheirathete; von 70 bis 75 starben 10,143 Ledige auf 8005
Verheirathete; sogar in dem ehrwürdigen Alter von 80 bis 85 betrug die
Zahl der Ledigen 19,688, der Verheiratheten 17,400. Nach diesen Be-
rechnungen ist das mittlere Alter eines verheiratheten Mannes bei seinem
Tode 60, eines Junggesellen 40 Jahre. Der unverheirathete Leser ersieht
hieraus, daß er nichts Vortheilhafteres thun kann, als baldigst zu heirathen,
wenn er, statt 40 Jahre zu leben, 60 und mehr Jahre alt werden will.



M. L. König Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich ein strenger und
kurz entschlossener Herr, zugleich aber sehr gewissenhaft in allen Dingen,
so daß er sich fast sämmtliche eingegangene Schriften, Petitionen, Be-
richte und Memoriale ausführlich vortragen ließ, oft auch selbst sorgfältig
durchlas. Den Bescheid auf solche Schriften pflegte er meist in kurzen
charakteristischen Worten zu geben oder eigenhändig am Rande nieder-
zuschreiben.

Das General=Direktorium fragte im Jahre 1723 an, wie der Sohn
des verstorbenen Cleve'schen Kanzlers von Hymnen, der um eine Ver-
sorgung gebeten, zu bescheiden sei. Die Antwort des Königs lautete:

"Sollen examiniren, ob er Verstand und guten Kopf hat; hat er das,
soll er in die Kurmärkische Kriegs= und Domainen=Kammer zu führen sein,
und soll da fleißig habilitiren; ist er ein dummer Teufel, sollen sie ihn
zum Cleve'schen Regierungsrath machen; dazu ist er gut genug.     F. W."



M. Der Schutzheilige. Zur Zeit der großen Theuerung, im Jahre
1816, lebte in einem kleinen böhmischen Städtchen eine arme Wittwe mit
ihren Kindern, welche daran gewöhnt waren, in ihrer Bedrängniß ein
kleines, durch Rauch und Alter kaum noch erkennbares Oelbild, den heiligen
Hieronymus darstellend, um Beistand anzuflehen. Die Noth nahm mehr
und mehr zu, die Wittwe mußte ein Stück Hausgeräth nach dem andern
verkaufen, um den Hunger der Jhrigen zu stillen. Zum größten Unglück
für diese arme Familie drohten ihre Wirthsleute mit Exmission und ließen
demnächst auch die wenigen übrig gebliebenen Habseligkeiten gerichtlich
versteigern.

Zum Schluß der Auktion kam das bewußte Gemälde an die Reihe, bei
dessen Anblick die arme Familie laut zu seufzen und zu weinen begann.
Das erste Gebot darauf waren drei Kreuzer, das zweite, von einem Maler
[Spaltenumbruch] abgegeben, ein halber Gulden; hierauf bot ein Gemäldeliebhaber einen
vollen Gulden. Die Anwesenden waren erstaunt über den hohen Preis
für das unscheinbare Bildchen; ihr Erstaunen sollte sich aber vergrößern,
als der Maler zehn Gulden bewilligte, worauf der Andere fünfzig Gulden
für nicht zu gering fand. So ging es fort bis auf sechshundert Gnlden,
des Malers Gebot, das durch des Liebhabers von tausend Gulden ver-
drängt wurde.

"Ah", rief Jener dem Liebhaber zu, "schätzen Sie sich glücklich, daß
Sie reicher sind, als ich! Mein ganzes Vermögen würde ich an den Besitz
des Bildchens wenden, denn, wissen Sie, es ist ein Originalgemälde von
Raphael!"



S. Frau von Stael, deren Tochter und Talleyrand befanden sich in
einer Gesellschaft, welche sich damit unterhielt, allerlei geistreiche Wort-
spiele zu machen oder durch verfängliche Fragen den Scharfsinn dessen, an
den sie gerichtet waren, auf die Probe zu stellen. Frau von Stael wen-
dete sich endlich auch an Talleyrand.

"Fürst", sagte sie, "gesetzt, Sie, ich und meine Tochter, wir befänden
uns in einem Boot auf dem Wasser und das Boot schlüge um, welche
von uns beiden Frauen würden Sie durch Jhre Hülfe zu retten suchen?"

"Fräulein von Stael, ohne Frage!" erwiderte schnell der Fürst.

"Wie?" rief die eitle Mutter entrüstet und erröthend. "Jst das ein
Beweis Jhrer Galanterie gegen mich?"

"Gewiß, Madame!" antwortete der schlaue Diplomat höflich. "Da
Sie Alles können, darf man auch wohl annehmen, daß Sie in der Kunst
des Schwimmens erfahren sind!"



M. Feuersbrünste durch Sternschnuppen. Arago führt in seiner
"populären Astronomie" einige Beispiele von Feuersbrünsten an, die durch
eine Sternschnuppe herbeigeführt worden. Jm Jahre 1852 verhafteten die
Polizeibeamten zwei Bettler, welche man der Brandstiftung an einem
Mühlenwerk beschuldigte. Beide vermochten indeß ihr Alibi nachzuweisen,
und mehrere Kinder bestätigten, daß sie auf jene Mühle zwei Sterne
hätten niederfallen sehen. Herr Arago, zu Rathe gezogen, räumte ein, daß
eine Sternschnuppe eine Feuersbrunst verursachen könne, und die beiden
Angeklagten wurden freigelassen. Ebenso theilte Petit im Jahre 1858 der
Akademie der Wissenschaften zwei ähnliche Thatsachen mit, deren Augen-
zeugen außerdem noch die Herren Mauvais und Laugier gewesen. Der-
selbe Petit erhielt einige Jahre später von dem Pfarrer Lacorret ein
Schreiben, Jnhalts dessen sein Pfarrsitz in den Nieder=Pyrenäen durch ein
ähnliches Meteor, das auf sein Haus niedergefallen, in Brand gesteckt
worden sei.



S. Wenn jemals ein Mann, ein Herr, ein Aristokrat öffentlich in der
Sitzung einer Abgeordneten= und Gesetze berathenden, den Staat kontroli-
renden Versammlung seine Ansichten über den Werth der Steuern zahlen-
den Massen des Volkes ausgesprochen hat, so geschah dies durch den
Propst Grafen Schwerin im Jahre 1834 in einer Sitzung des schwedischen
Ritterhauses zu Stockholm. Der würdige Prälat und edle Graf, welcher
sich unwohl befand, sogar krank war, daß er wenige Tage nach seiner
merkwürdigen und bemerkenswerthen Rede starb, ließ sich in den Sitzungs-
saal führen und begann seine oratorische Uebung wie folgt:

"Glauben Sie, daß ich um des Volkes, dieses Packs Willen, auf meine
Ritterbank trete und rede? Nein, meines Namens halber thue ich es; ich
heiße Schwerin!"



M. Ein bescheidener Theater=Direktor. Veron, Direktor der großen
Oper in Paris, sollte das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Jn einer
dieserhalb arrangirten Besprechung mit einem Ministerialbeamten fragte
Veron nach der Veranlassung zu dieser Auszeichnung.

"Die günstige Lage der Oper --"

"Dann geben Sie der Taglioni Orden und Patent", unterbrach ihn
Veron; "ich bin unschuldig daran!"

[Ende Spaltensatz]

Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] einem Steinbruch bei Alexandrien; die Transportkosten waren aber so
enorm, daß man sich entschloß, künstliche aus Frankreich zu beziehen,
die sich bei ausgedehnten Wasserbauten in diesem Lande trefflich be-
währt hatten. Sie wurden aus Sand und Kalk zusammengeknetet,
in Formen geschlagen und getrocknet. Jn Blöcken bis zu 50,000
Pfund kamen sie zur Verwendung, die von Dampfkräften mit ihren
gewaltigen Eisenarmen mit einer Leichtigkeit gehoben und versetzt
wurden, wie die Ziegelsteine von den Händen des Maurers.

Der Hafen ist noch nicht vollendet, wenigstens fehlt ihm noch
die in Voranschlag gebrachte Tiefe. Vor einem halben Jahr un-
[Spaltenumbruch] gefähr waren nach der auf der Pariser Ausstellung ausgelegten Be-
rechnung noch über zwei Millionen Kubikmeter Erde wegzuschaffen.
Die Gesellschaft hat für diese Arbeit acht Bagger in Thätigkeit, von
denen jeder einzelne 1200 Kubikmeter pro Tag auswirft, woraus
abzunehmen ist, daß das Werk schon in wenigen Monaten beendigt sein
muß. Den Verkehr mit den übrigen Punkten der Anlagen unter-
hält täglich und mit großer Regelmäßigkeit ein Postboot. Auf einer
Fahrt mit dem trefflichen Dampfschiff, die alle wesentlichen Punkte
des Kanalbau's berührt, läßt sich ein gewisser Ueberblick über die An-
lagen gewinnen.     ( Schluß folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Rindfleisch=Lektion. Talleyrand war der Ansicht, daß man
im gesellschaftlichen Umgang auch bei den kleinsten Akten Rang und
Stellung nicht unberücksichtigt lassen müsse; denn nichts sei im Punkt der
Etiquette gleichgültig. Jn dieser Beziehung theilt Fürst Gortschakoff fol-
gende Beobachtung mit, die er als junger Attach é in Talleyrands Hause
gemacht, und welche er die „Rindfleisch=Lektion“ nennt. Talleyrand hatte
eine Anzahl Personen zu Tische geladen und bot, nachdem die Suppe ab-
getragen, seinen Gästen Rindfleisch an. Zu dem Ersten sagte er, das beste
Stück aussuchend, sehr ehrerbietig: „Herr Herzog, kann ich die Ehre haben,
Jhnen Rindfleisch anzubieten?“ Zu einem Zweiten mit dem artigsten
Lächeln: „Herr Marquis, kann ich das Vergnügen haben, Jhnen Rindfleisch
anzubieten?“ Zu einem Dritten mit Leutseligkeit: „Lieber Graf, kann ich
Jhnen Rindfleisch offeriren?“ Dann zu einem Vierten wohlwollend:
„Baron, nehmen Sie Rindfleisch?“ „Herr Geheimerath, wollen Sie
Rindfleisch?“ Und einem am Ende der Tafel sitzenden Herrn rief der
Fürst endlich mit einer Kopfbewegung, einem wohlwollenden Lächeln und
die Fläche seines Messers zeigend, zu: „Rindfleisch?“



Man hat nachgewiesen, daß das Verhältniß der Sterblichkeit bei
den verheiratheten Männern wesentlich günstiger ist, als bei den un-
verheiratheten. Umfassende Ermittelungen haben darüber in Schottland
stattgefunden. Von 100,000 unverheiratheten Männern im Alter von 20
bis 25 Jahren starben dort im Laufe eines Jahres 1174, von eben so viel
verheiratheten nur 597. Obgleich das Verhältniß mit den vorrückenden Jahren
abnimmt, ist das Uebergewicht doch stets auf Seite der Verheiratheten,
wie folgende Beispiele zeigen: von 100,000 Männern zwischen 30 und 35
Jahren starben 1475 Ledige, 907 Verheirathete; von 40 bis 45 starben
1689 Ledige auf 1248 Verheirathete; von 60 bis 65 starben 4330 Ledige
auf 3385 Verheirathete; von 70 bis 75 starben 10,143 Ledige auf 8005
Verheirathete; sogar in dem ehrwürdigen Alter von 80 bis 85 betrug die
Zahl der Ledigen 19,688, der Verheiratheten 17,400. Nach diesen Be-
rechnungen ist das mittlere Alter eines verheiratheten Mannes bei seinem
Tode 60, eines Junggesellen 40 Jahre. Der unverheirathete Leser ersieht
hieraus, daß er nichts Vortheilhafteres thun kann, als baldigst zu heirathen,
wenn er, statt 40 Jahre zu leben, 60 und mehr Jahre alt werden will.



M. L. König Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich ein strenger und
kurz entschlossener Herr, zugleich aber sehr gewissenhaft in allen Dingen,
so daß er sich fast sämmtliche eingegangene Schriften, Petitionen, Be-
richte und Memoriale ausführlich vortragen ließ, oft auch selbst sorgfältig
durchlas. Den Bescheid auf solche Schriften pflegte er meist in kurzen
charakteristischen Worten zu geben oder eigenhändig am Rande nieder-
zuschreiben.

Das General=Direktorium fragte im Jahre 1723 an, wie der Sohn
des verstorbenen Cleve'schen Kanzlers von Hymnen, der um eine Ver-
sorgung gebeten, zu bescheiden sei. Die Antwort des Königs lautete:

„Sollen examiniren, ob er Verstand und guten Kopf hat; hat er das,
soll er in die Kurmärkische Kriegs= und Domainen=Kammer zu führen sein,
und soll da fleißig habilitiren; ist er ein dummer Teufel, sollen sie ihn
zum Cleve'schen Regierungsrath machen; dazu ist er gut genug.     F. W.“



M. Der Schutzheilige. Zur Zeit der großen Theuerung, im Jahre
1816, lebte in einem kleinen böhmischen Städtchen eine arme Wittwe mit
ihren Kindern, welche daran gewöhnt waren, in ihrer Bedrängniß ein
kleines, durch Rauch und Alter kaum noch erkennbares Oelbild, den heiligen
Hieronymus darstellend, um Beistand anzuflehen. Die Noth nahm mehr
und mehr zu, die Wittwe mußte ein Stück Hausgeräth nach dem andern
verkaufen, um den Hunger der Jhrigen zu stillen. Zum größten Unglück
für diese arme Familie drohten ihre Wirthsleute mit Exmission und ließen
demnächst auch die wenigen übrig gebliebenen Habseligkeiten gerichtlich
versteigern.

Zum Schluß der Auktion kam das bewußte Gemälde an die Reihe, bei
dessen Anblick die arme Familie laut zu seufzen und zu weinen begann.
Das erste Gebot darauf waren drei Kreuzer, das zweite, von einem Maler
[Spaltenumbruch] abgegeben, ein halber Gulden; hierauf bot ein Gemäldeliebhaber einen
vollen Gulden. Die Anwesenden waren erstaunt über den hohen Preis
für das unscheinbare Bildchen; ihr Erstaunen sollte sich aber vergrößern,
als der Maler zehn Gulden bewilligte, worauf der Andere fünfzig Gulden
für nicht zu gering fand. So ging es fort bis auf sechshundert Gnlden,
des Malers Gebot, das durch des Liebhabers von tausend Gulden ver-
drängt wurde.

„Ah“, rief Jener dem Liebhaber zu, „schätzen Sie sich glücklich, daß
Sie reicher sind, als ich! Mein ganzes Vermögen würde ich an den Besitz
des Bildchens wenden, denn, wissen Sie, es ist ein Originalgemälde von
Raphael!“



S. Frau von Staël, deren Tochter und Talleyrand befanden sich in
einer Gesellschaft, welche sich damit unterhielt, allerlei geistreiche Wort-
spiele zu machen oder durch verfängliche Fragen den Scharfsinn dessen, an
den sie gerichtet waren, auf die Probe zu stellen. Frau von Staël wen-
dete sich endlich auch an Talleyrand.

„Fürst“, sagte sie, „gesetzt, Sie, ich und meine Tochter, wir befänden
uns in einem Boot auf dem Wasser und das Boot schlüge um, welche
von uns beiden Frauen würden Sie durch Jhre Hülfe zu retten suchen?“

„Fräulein von Staël, ohne Frage!“ erwiderte schnell der Fürst.

„Wie?“ rief die eitle Mutter entrüstet und erröthend. „Jst das ein
Beweis Jhrer Galanterie gegen mich?“

„Gewiß, Madame!“ antwortete der schlaue Diplomat höflich. „Da
Sie Alles können, darf man auch wohl annehmen, daß Sie in der Kunst
des Schwimmens erfahren sind!“



M. Feuersbrünste durch Sternschnuppen. Arago führt in seiner
„populären Astronomie“ einige Beispiele von Feuersbrünsten an, die durch
eine Sternschnuppe herbeigeführt worden. Jm Jahre 1852 verhafteten die
Polizeibeamten zwei Bettler, welche man der Brandstiftung an einem
Mühlenwerk beschuldigte. Beide vermochten indeß ihr Alibi nachzuweisen,
und mehrere Kinder bestätigten, daß sie auf jene Mühle zwei Sterne
hätten niederfallen sehen. Herr Arago, zu Rathe gezogen, räumte ein, daß
eine Sternschnuppe eine Feuersbrunst verursachen könne, und die beiden
Angeklagten wurden freigelassen. Ebenso theilte Petit im Jahre 1858 der
Akademie der Wissenschaften zwei ähnliche Thatsachen mit, deren Augen-
zeugen außerdem noch die Herren Mauvais und Laugier gewesen. Der-
selbe Petit erhielt einige Jahre später von dem Pfarrer Lacorret ein
Schreiben, Jnhalts dessen sein Pfarrsitz in den Nieder=Pyrenäen durch ein
ähnliches Meteor, das auf sein Haus niedergefallen, in Brand gesteckt
worden sei.



S. Wenn jemals ein Mann, ein Herr, ein Aristokrat öffentlich in der
Sitzung einer Abgeordneten= und Gesetze berathenden, den Staat kontroli-
renden Versammlung seine Ansichten über den Werth der Steuern zahlen-
den Massen des Volkes ausgesprochen hat, so geschah dies durch den
Propst Grafen Schwerin im Jahre 1834 in einer Sitzung des schwedischen
Ritterhauses zu Stockholm. Der würdige Prälat und edle Graf, welcher
sich unwohl befand, sogar krank war, daß er wenige Tage nach seiner
merkwürdigen und bemerkenswerthen Rede starb, ließ sich in den Sitzungs-
saal führen und begann seine oratorische Uebung wie folgt:

„Glauben Sie, daß ich um des Volkes, dieses Packs Willen, auf meine
Ritterbank trete und rede? Nein, meines Namens halber thue ich es; ich
heiße Schwerin!“



M. Ein bescheidener Theater=Direktor. Veron, Direktor der großen
Oper in Paris, sollte das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Jn einer
dieserhalb arrangirten Besprechung mit einem Ministerialbeamten fragte
Veron nach der Veranlassung zu dieser Auszeichnung.

„Die günstige Lage der Oper —“

„Dann geben Sie der Taglioni Orden und Patent“, unterbrach ihn
Veron; „ich bin unschuldig daran!“

[Ende Spaltensatz]

☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[160/0008] 160 einem Steinbruch bei Alexandrien; die Transportkosten waren aber so enorm, daß man sich entschloß, künstliche aus Frankreich zu beziehen, die sich bei ausgedehnten Wasserbauten in diesem Lande trefflich be- währt hatten. Sie wurden aus Sand und Kalk zusammengeknetet, in Formen geschlagen und getrocknet. Jn Blöcken bis zu 50,000 Pfund kamen sie zur Verwendung, die von Dampfkräften mit ihren gewaltigen Eisenarmen mit einer Leichtigkeit gehoben und versetzt wurden, wie die Ziegelsteine von den Händen des Maurers. Der Hafen ist noch nicht vollendet, wenigstens fehlt ihm noch die in Voranschlag gebrachte Tiefe. Vor einem halben Jahr un- gefähr waren nach der auf der Pariser Ausstellung ausgelegten Be- rechnung noch über zwei Millionen Kubikmeter Erde wegzuschaffen. Die Gesellschaft hat für diese Arbeit acht Bagger in Thätigkeit, von denen jeder einzelne 1200 Kubikmeter pro Tag auswirft, woraus abzunehmen ist, daß das Werk schon in wenigen Monaten beendigt sein muß. Den Verkehr mit den übrigen Punkten der Anlagen unter- hält täglich und mit großer Regelmäßigkeit ein Postboot. Auf einer Fahrt mit dem trefflichen Dampfschiff, die alle wesentlichen Punkte des Kanalbau's berührt, läßt sich ein gewisser Ueberblick über die An- lagen gewinnen. ( Schluß folgt. ) Lose Blätter. M. Die Rindfleisch=Lektion. Talleyrand war der Ansicht, daß man im gesellschaftlichen Umgang auch bei den kleinsten Akten Rang und Stellung nicht unberücksichtigt lassen müsse; denn nichts sei im Punkt der Etiquette gleichgültig. Jn dieser Beziehung theilt Fürst Gortschakoff fol- gende Beobachtung mit, die er als junger Attach é in Talleyrands Hause gemacht, und welche er die „Rindfleisch=Lektion“ nennt. Talleyrand hatte eine Anzahl Personen zu Tische geladen und bot, nachdem die Suppe ab- getragen, seinen Gästen Rindfleisch an. Zu dem Ersten sagte er, das beste Stück aussuchend, sehr ehrerbietig: „Herr Herzog, kann ich die Ehre haben, Jhnen Rindfleisch anzubieten?“ Zu einem Zweiten mit dem artigsten Lächeln: „Herr Marquis, kann ich das Vergnügen haben, Jhnen Rindfleisch anzubieten?“ Zu einem Dritten mit Leutseligkeit: „Lieber Graf, kann ich Jhnen Rindfleisch offeriren?“ Dann zu einem Vierten wohlwollend: „Baron, nehmen Sie Rindfleisch?“ „Herr Geheimerath, wollen Sie Rindfleisch?“ Und einem am Ende der Tafel sitzenden Herrn rief der Fürst endlich mit einer Kopfbewegung, einem wohlwollenden Lächeln und die Fläche seines Messers zeigend, zu: „Rindfleisch?“ † Man hat nachgewiesen, daß das Verhältniß der Sterblichkeit bei den verheiratheten Männern wesentlich günstiger ist, als bei den un- verheiratheten. Umfassende Ermittelungen haben darüber in Schottland stattgefunden. Von 100,000 unverheiratheten Männern im Alter von 20 bis 25 Jahren starben dort im Laufe eines Jahres 1174, von eben so viel verheiratheten nur 597. Obgleich das Verhältniß mit den vorrückenden Jahren abnimmt, ist das Uebergewicht doch stets auf Seite der Verheiratheten, wie folgende Beispiele zeigen: von 100,000 Männern zwischen 30 und 35 Jahren starben 1475 Ledige, 907 Verheirathete; von 40 bis 45 starben 1689 Ledige auf 1248 Verheirathete; von 60 bis 65 starben 4330 Ledige auf 3385 Verheirathete; von 70 bis 75 starben 10,143 Ledige auf 8005 Verheirathete; sogar in dem ehrwürdigen Alter von 80 bis 85 betrug die Zahl der Ledigen 19,688, der Verheiratheten 17,400. Nach diesen Be- rechnungen ist das mittlere Alter eines verheiratheten Mannes bei seinem Tode 60, eines Junggesellen 40 Jahre. Der unverheirathete Leser ersieht hieraus, daß er nichts Vortheilhafteres thun kann, als baldigst zu heirathen, wenn er, statt 40 Jahre zu leben, 60 und mehr Jahre alt werden will. M. L. König Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich ein strenger und kurz entschlossener Herr, zugleich aber sehr gewissenhaft in allen Dingen, so daß er sich fast sämmtliche eingegangene Schriften, Petitionen, Be- richte und Memoriale ausführlich vortragen ließ, oft auch selbst sorgfältig durchlas. Den Bescheid auf solche Schriften pflegte er meist in kurzen charakteristischen Worten zu geben oder eigenhändig am Rande nieder- zuschreiben. Das General=Direktorium fragte im Jahre 1723 an, wie der Sohn des verstorbenen Cleve'schen Kanzlers von Hymnen, der um eine Ver- sorgung gebeten, zu bescheiden sei. Die Antwort des Königs lautete: „Sollen examiniren, ob er Verstand und guten Kopf hat; hat er das, soll er in die Kurmärkische Kriegs= und Domainen=Kammer zu führen sein, und soll da fleißig habilitiren; ist er ein dummer Teufel, sollen sie ihn zum Cleve'schen Regierungsrath machen; dazu ist er gut genug. F. W.“ M. Der Schutzheilige. Zur Zeit der großen Theuerung, im Jahre 1816, lebte in einem kleinen böhmischen Städtchen eine arme Wittwe mit ihren Kindern, welche daran gewöhnt waren, in ihrer Bedrängniß ein kleines, durch Rauch und Alter kaum noch erkennbares Oelbild, den heiligen Hieronymus darstellend, um Beistand anzuflehen. Die Noth nahm mehr und mehr zu, die Wittwe mußte ein Stück Hausgeräth nach dem andern verkaufen, um den Hunger der Jhrigen zu stillen. Zum größten Unglück für diese arme Familie drohten ihre Wirthsleute mit Exmission und ließen demnächst auch die wenigen übrig gebliebenen Habseligkeiten gerichtlich versteigern. Zum Schluß der Auktion kam das bewußte Gemälde an die Reihe, bei dessen Anblick die arme Familie laut zu seufzen und zu weinen begann. Das erste Gebot darauf waren drei Kreuzer, das zweite, von einem Maler abgegeben, ein halber Gulden; hierauf bot ein Gemäldeliebhaber einen vollen Gulden. Die Anwesenden waren erstaunt über den hohen Preis für das unscheinbare Bildchen; ihr Erstaunen sollte sich aber vergrößern, als der Maler zehn Gulden bewilligte, worauf der Andere fünfzig Gulden für nicht zu gering fand. So ging es fort bis auf sechshundert Gnlden, des Malers Gebot, das durch des Liebhabers von tausend Gulden ver- drängt wurde. „Ah“, rief Jener dem Liebhaber zu, „schätzen Sie sich glücklich, daß Sie reicher sind, als ich! Mein ganzes Vermögen würde ich an den Besitz des Bildchens wenden, denn, wissen Sie, es ist ein Originalgemälde von Raphael!“ S. Frau von Staël, deren Tochter und Talleyrand befanden sich in einer Gesellschaft, welche sich damit unterhielt, allerlei geistreiche Wort- spiele zu machen oder durch verfängliche Fragen den Scharfsinn dessen, an den sie gerichtet waren, auf die Probe zu stellen. Frau von Staël wen- dete sich endlich auch an Talleyrand. „Fürst“, sagte sie, „gesetzt, Sie, ich und meine Tochter, wir befänden uns in einem Boot auf dem Wasser und das Boot schlüge um, welche von uns beiden Frauen würden Sie durch Jhre Hülfe zu retten suchen?“ „Fräulein von Staël, ohne Frage!“ erwiderte schnell der Fürst. „Wie?“ rief die eitle Mutter entrüstet und erröthend. „Jst das ein Beweis Jhrer Galanterie gegen mich?“ „Gewiß, Madame!“ antwortete der schlaue Diplomat höflich. „Da Sie Alles können, darf man auch wohl annehmen, daß Sie in der Kunst des Schwimmens erfahren sind!“ M. Feuersbrünste durch Sternschnuppen. Arago führt in seiner „populären Astronomie“ einige Beispiele von Feuersbrünsten an, die durch eine Sternschnuppe herbeigeführt worden. Jm Jahre 1852 verhafteten die Polizeibeamten zwei Bettler, welche man der Brandstiftung an einem Mühlenwerk beschuldigte. Beide vermochten indeß ihr Alibi nachzuweisen, und mehrere Kinder bestätigten, daß sie auf jene Mühle zwei Sterne hätten niederfallen sehen. Herr Arago, zu Rathe gezogen, räumte ein, daß eine Sternschnuppe eine Feuersbrunst verursachen könne, und die beiden Angeklagten wurden freigelassen. Ebenso theilte Petit im Jahre 1858 der Akademie der Wissenschaften zwei ähnliche Thatsachen mit, deren Augen- zeugen außerdem noch die Herren Mauvais und Laugier gewesen. Der- selbe Petit erhielt einige Jahre später von dem Pfarrer Lacorret ein Schreiben, Jnhalts dessen sein Pfarrsitz in den Nieder=Pyrenäen durch ein ähnliches Meteor, das auf sein Haus niedergefallen, in Brand gesteckt worden sei. S. Wenn jemals ein Mann, ein Herr, ein Aristokrat öffentlich in der Sitzung einer Abgeordneten= und Gesetze berathenden, den Staat kontroli- renden Versammlung seine Ansichten über den Werth der Steuern zahlen- den Massen des Volkes ausgesprochen hat, so geschah dies durch den Propst Grafen Schwerin im Jahre 1834 in einer Sitzung des schwedischen Ritterhauses zu Stockholm. Der würdige Prälat und edle Graf, welcher sich unwohl befand, sogar krank war, daß er wenige Tage nach seiner merkwürdigen und bemerkenswerthen Rede starb, ließ sich in den Sitzungs- saal führen und begann seine oratorische Uebung wie folgt: „Glauben Sie, daß ich um des Volkes, dieses Packs Willen, auf meine Ritterbank trete und rede? Nein, meines Namens halber thue ich es; ich heiße Schwerin!“ M. Ein bescheidener Theater=Direktor. Veron, Direktor der großen Oper in Paris, sollte das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Jn einer dieserhalb arrangirten Besprechung mit einem Ministerialbeamten fragte Veron nach der Veranlassung zu dieser Auszeichnung. „Die günstige Lage der Oper —“ „Dann geben Sie der Taglioni Orden und Patent“, unterbrach ihn Veron; „ich bin unschuldig daran!“ ☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von 12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 20. Berlin, 17. Mai 1868, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt20_1868/8>, abgerufen am 01.06.2024.